Von sugu – Nachdem der Tourenplaner vor zwei Jahren zum ersten Mal wertvolles Werkzeug bei der Vorbereitung einer Alpentour war, war diesmal die Vorfreude bei der Planung um so größer. Wie damals sind nicht alle Strecken komplett vorhanden, aber die Lücken werden immer kleiner. Also von hier ein Dankeschön an die fleißigen Tracker.
Eine Tour von der Isar zum Rhein wäre wohl nicht bei Quäldich zu Hause, wenn es nicht in die Berge ginge. In diesem Fall waren Tmmelsjoch und Stilfser Joch die HIghlights. Die Aufteilung der Etappen passt nicht zu den Tagen, da es kleine Lücken im TP gibt. Daher hier die Reihenfolge der Tage:
0. Mit dem Zug zum Starnberger See
1. Starnberger See - Seefeld - Kühtai
2. Kühtai - Finsteraler See - Ötztal - Sölden - Rettenbachferner - Sölden
3. Sölden - Timmelsjoch - Meran - Schlanders
4. Schlander - Stilfser Joch
5. Stifser Joch - Bormio - Val di Fraele - Passo Alpisella - Livigno
6. Livigno - Bernina - La Punt
7. La Punt - Albula - Lenzerheider - Chur
Von sugu – So wie am Vorabend, als bei der Anreise noch ein Bad im Ostersee eine erfrischende Abwechslung war, scheint das Wetter heute zu bleiben. Da meine Gastgeber zeitig zur Arbeit müssen, stehe ich auch mit auf und am frühen Morgen geht es zum Kochelsee. Hier ist es noch etwas kühl, doch das ändert sich auf dem Kesselberg. Am Wickie-Dorf sind schon die ersten Touristen, aber insgesamt ist es noch sehr ruhig. Am Ende des Walchensees lädt noch ein kleiner Strand zum Baden ein, doch die Erfrischung ist anschließend mit steigender Sonne schnell verflogen. Vor Wallgau ist ein unentschlossenes Gruppetto eher Hindernis als Windschattenspender, so dass ich mich auf einem leichten Gefälle zum Überholen entschließe. Die ersten zwei nehmen es mit Humor, doch der Spitzenfahrer legt einen Zahn zu. Am Abzweig nach Vorderriß muss er dann auf seine Kollegen etwas warten ... In Mittenwald noch kurz Nachtanken, und dann über die Grenze nach Tirol. Da die Abfahrt von Seefeld nach Zirl für Fahrräder nicht erlaubt ist, schaue ich in Scharnitz schon mal nach Abfahrtszeiten und Preisen. Bis zum nächsten Zug müsste ich noch 35 Minuten warten, und mangels Schalter und Automaten gibt es keine Preisauskunft. Also weiter bis Seefeld, denn für die 12 km sollten die Warte- und Fahrzeit des Zuges auch noch reichen. Zunächst geht es auch recht flott voran, doch vor Seefeld wird es immer steiler und langsamer, und als kurz vor dem Bahnhof die Schranke wegen Bauarbeiten länger geschlossen bleibt, kann ich dem vorbeifahrenden Zug nur noch winken. Am Bahnhof gibt es doch noch eine angenehme Überraschung: Ab Seefeld fährt die S-Bahn halbstündlich nach Hochzirl. Inklusive Fahrrad bleibt der Preis sogar unter 5,00 €. Der Bahnhof liegt Bahnhof noch etwas unterhalb des Dorfes Hochzirl, aber schon dieser Teil der Abfahrt bis nach Zirl ist wäre eine eigene QD-Beschreibung wert. In mehreren Kehren mit wechselnden Aussichten geht es bergab ins Inntal , um unten unvermittelt auf der Bundesstraße zu landen. Auf der Schnellstraße geht es mit entsprechendem Verkehr quer über Inn, Autobahn und Eisenbahn. Auf der anderen Seite des Tals kehrt dafür auch recht schnell die Ruhe zurück. Im Sellrain ist deutlich weniger Verkehr, aber ab hier beginnt dann der erste wirklich Pass. Obwohl die Mittagszeit schon vorbei ist, ist immer noch sehr heiß, und die ersten 80 km haben schon ihren Tribut gefordert. Um für die Schlussrampe gerüstet zu sein, gibt es in Gries erst mal ein Eis. Kurze Zeit später taucht ein weiterer Reiseradler auf. Mit Zelt und Kletterausrüstung möchte er ins Ortlergebiet zum Klettern. Da hat er natürlich noch etwas mehr Gepäck dabei als ich. Gut gestärkt geht es weiter, und gleich in die erste, lange steile Rampe hinein. Trotz Untersetzung sinkt die Trittfrequenz auf knapp über 50. Von hinten röhrt aus der Ferne eines der letzten Motorräder und brettert vorbei. Im akustischen "Windschatten" folgt eine zweite, leisere Maschine. Da die unerwartet kommt, verreiße ich das Lenkrad und der Ellbogen macht Bekanntschaft mit der Böschung, aber sonst ist nichts weiter passiert. Problematisch ist das Wieder-Anfahren mit Gepäck. Ein kurzes Stück Schieben bis zum nächsten Waldweg, Schwung holen, und dann langsam weiter bergauf, aber ohne die Pedale einzuklicken. Es bleibt der einzige Zwischenfall dieser Art, und so geht es in der Nachmittagssonne durch das schöne Hochtal weiter und ich mache mir langsam Gedanken, wo ich übernachte möchte. Trotz der schönen Lage verschmähe ich die letzte Alm vor der Passhöhe, der Biker-Reklame sind zu viele Motorräder gefolgt. Auf dem Kühtai ist wenig los, die Hälfte der Häuser hat geschlossen, und auch in den geöffneten ist nicht viel los. Das macht die Quartiersuche einfach, zumal schon bei der zweiten Anfrage der Preis stimmt. Später am Abend kommt noch ein Mountainbiker dazu, der vom Gaistal schwärmt.
Von sugu – Schon beim Aufstehen ist wie am Vortag strahlender Sonnenschein. Nach einem guten Frühstück darf das Gepäck zunächst mal im Hotel bleiben, denn der Finstertaler Stausee wartet. Einige wenige Wanderer sind unterwegs, ansonsten ist es noch sehr ruhig. Im Vergleich zum Vortag geht es mit frischen Beinen und ohne Gepäck auch recht zügig hinauf. Oben ist die Ruhe pur, während unten die ersten Baumaschinen mit der Arbeit für die Skipisten für den nächsten Winter beginnen. Nach der Querung der Staumauer ist aber auch oben das Leben in Form einer Schulklasse eingekehrt. Da hält mich nicht mehr viel, zumal auch noch das Gepäck abgeholt werden will. Bei der weiteren Abfahrt nach Oetz nimmt die Anzahl der bergwärts fahrenden (Renn-)Radler deutlich zu. Im Oetztal sinkt die Zahl der entgegenkommenden dann wieder, aber die Temperaturen steigen. Nach dem kurzen Anstieg hinter Oetz geht es aber auch flott voran, ein kurzer Tankstopp in Längenfeld, und weiter über Sölden nach Zwieselstein. Da es noch früh am Nachmittag ist, ist sogar noch Zeit für einen Abstecker auf die Gletscherstraße. Auch hier darf das Gepäck wie am Morgen unten bleiben, trotzdem geht es nicht mehr ganz so spritzig bergauf. Der Tag und die Hitze haben schon etwas Kraft gekostet. Doch insgesamt ist die Gletscherstraße angenehmer zu fahren, als der Finstertaler Stausee. Zum einen liegt ein Großteil der Strecke im Schatten, zum anderen ist die Steigung relativ gleichmäßig. Von oben kommen wenige Autos und Busse entgegen, Bergverkehr ist fast keiner mehr. Nach der Mautstelle liegt die Strecke dann zwar wieder in der Sonne, aber die Hitze hat doch schon nachgelassen - so reichen auf jeden Fall die Wasservorräte. Nach einer Viertelstunde höre ich plötzlich ein leises "Plopp" und etwas schwarzes fliegt vom Fahrrad zur Seite. Erstaunt halte ich an und sehe das kleine schwarze Teil auf der Fahrplan liegen und schaue es genauer an. Es ist der Lenkerstopfen. Höhe und Wärme haben ihn aus dem Lenker herausgedrückt! Ein Rennradler zieht vorbei, während ich ihn wieder hineindrücke, und ich folge ihm, mit langsam größer werdenden Abstand. An der Talstation ist der Betrieb schon vorbei, es herrscht fast eine unheimliche Ruhe. Daher halte ich mich nicht lange auf, sondern fahre gleich weiter in den Tunnel hinein. Schon kurz hinter dem Eingang bereue ich es, in kurz/kurz und ohne Jacke unterwegs zu sein. Im Tunnel ist von der Sommerhitze kein Hauch angekommen. Die Möglichkeit, selber Wärme zu erzeugen, ist wegen der dünnen Luft auch begrenzt, und so bin ich froh, dass das sprichwörtliche Licht am Ende des Tunnels immer näher kommt. Der Radler, der mich vorhin überholt hatte, warnt noch vor Glatteis, aber ist "nur" etwas Kalk auf der Fahrbahn, der durch die Nässe glänzt. Am oberen Tunnelausgang genieße ich erst mal die Wärme und vertrete mir die Beine, bevor es wieder in den Kühlschrank geht. Obwohl die Abfahrt deutlich kürzer ist, reicht die Zeit, das aus einem leichten Frösteln ein Zittern wird. Nach einer kurzen Ehrenrunde auf dem Parkplatz ist das aber schnell vorbei, und die Abfahrt ist ein Genuss. Pünktlich zum Abendessen bin ich in Zwieselstein und lasse es mir schmecken.
Von sugu – In der Nacht hat es etwas geregnet und deutlich abgekühlt, aber es ist wieder trocken und die Sonne scheint durch Lücken zwischen den Wolken durch, die sich relativ schnell über die Berge bewegen. Obwohl gleich bergauf geht, ziehe ich es vor, mit Arm- und Beinlingen zu starten. Schon kurz nach Verlassen des Venter Tals wird der Wind unangenehm und es kühlt etwas ab. Die Sonne verschwindet komplett und noch vor Untergurgl ziehe ich mir die Jacke an, obwohl es bergauf geht. Von Untergurgl bis zur Mautstelle gibt es etwas Schutz durch die Bäume, bis zum Windeck, das seinem Namen alle Ehre macht. Auf der anschließenden Gefällstrecke zum Timmelsbach wird klar, das die Passhöhe heute in Wolken liegt. Zwei Rennradler überholen mich zunächst, halten aber bald an, um sich wärmer anzuziehen, den kurz nachdem die Straße dem Bach folgt, geht es auch in die Wolken hinein, und es wird nasskalt. Oben genehmige ich mir eine heiße Suppe, um warm zu werden, und danach geht es wieder hinaus in den Nebel. Trotz Licht sind die nassen Tunnel unangenehm zu fahren, bis Straße und Tunnel unterhalb der Wolken wieder trocken sind. Auf der Abfahrt überholt wieder das Rennfahrer-Gruppetto, diesmal um die warmen Sachen wieder wegzupacken. In Meran ist es voller Autos und Fußgänger, stickig und schwül. Da macht das Verweilen keinen Spaß und ich suche den schnellsten Weg aus der Stadt heraus. Schon beim Verlassen der Stadt reißen die Wolken auf, die Sonne kommt vor und ein wenig Wind verschafft Kühlung. Der Etschradweg ist hervorragend ausgebaut. Es geht schnell voran zwischen Apfelplantagen, Apfelplantagen und - Apfelplantagen. Um mal etwas anderes zu sehen, versuche ich ein kurzes Stück auf der Straße zu fahren, aber auch hier gibt es außerhalb der Orte nur Apfelplantagen. Also wieder zurück zum Radweg. Immerhin kommt auf den langen Geraden durch die Beregnunsanlagen etwas Kühlung. In Goldrain versuche ich zum ersten Mal, ein Nachtquartier zu finden, doch bei der ersten Pension, die kein Schild mit "belegt" hat, ist trotzdem alles ausgebucht. Der Wirt gibt mir die Empfehlung, in Latsch bei TouristInformation zu fragen, da er meint, das das in meiner Richtung liegt. Er ist etwas überracht, das ich talaufwärts möchte, da die meisten Radtouristen vom Reschenpass Richtung Bozen fahren. Aber Schlanders ist genauso weit wie Latsch und dort könne ich auch nachfragen. In Schlanders bietet die TourisInformation dann mehrere Möglichkeiten zur Auswahl, und reserviert gleich die Unterkunft.
Beim Abendessen bin ich froh, dass ich die nächstgelegene Pizzeria ausgesucht habe. Während des Essens fängt es an zu regnen und ein ausgewachsenes Sommergewitter tobt sich aus.
Von sugu – Im Gegensatz zum Vortag hat das nächtliche Gewitter kaum Abkühlung gebracht. Feucht hängt der Morgendunst im Tal und der Tag verspricht, schwül zu werden. So lasse ich es langsam angehen, und bin erst gegen Mittag in Prad. Hier wird noch mal eingekauft, bevor ich dem Ruf des Ortlers folge. Hier sind schon deutlich mehr Mitfahrer unterwegs als im Vinschgau. Immer wieder überholen Einzelfahrer und Gruppetti, zum Teil mit Autobegleitung. Noch scheint die Sonne, aber Richtung Ortler hängen tiefe Wolken. Bis Trafoi bleibt es trocken, doch in den Kehren oberhalb fallen die ersten Tropfen. Regensachen anziehen oder weiterfahren? Ich mache eine kurze Pause unter den noch trockenen Bäumen, trinke und esse eine Kleinigkeit. Während der Pause hört der Regen auf, und ich kann ohne Regenzeug weiter. Doch schon an der Baumgrenze fängt es wieder an zu nieseln, und es sieht nach Dauerregen aus. Dazu bläst ein kalter, böiger Wind vom Joch herunter. Mit den Regensachen bleiben zwar Wind und Regen draußen, aber drunter wird es trotzdem feucht. Da helfen auch langsamer Gang und Pausen nicht viel. Am unangenehmsten ist der böige Wind, der nach jeder zweiten Kehre immer wieder mit neuen Schwung von vorne kommt, dabei dachte ich, die Berge und gerade so eine Wand wie das Stilfser Joch würden Windschatten bieten. Auf der letzten Geraden und erst recht auf dem Joch wird klar: Ich war im Windschatten. Die Schilder der Andenkenläden wackeln im Wind, der Seilbahnbetrieb zur Skipiste ist eingestellt. Da macht Weiterfahren keinen Spaß. Die Hotels haben alle Platz, so bleibt die Qual der Wahl. Auf Grund der Erfahrung einer Quäldich-User nehme ich das Hotel Genziana. Das Zimmer ist geheizt, das Abendessen lecker. Beim anschließenden Abendspaziergang werden die Schilder der Andenkenläden über die Straße geweht, die verhinderten Skifahrer schieben weiter trübsal und der Regen fällt waagerecht. Entsprechend kurz fällt der Spaziergang aus.
Von sugu – Der Regen des Vorabends ist in der Nacht weggeblasen worden, es ist strahlender Sonnenschein, aber immer noch kühl. Da die Seilbahn wieder fährt, gönne ich mir den kurzen Ausflug auf die Zwischenstation und genieße den Ausblick auf Ortler und die tief unten liegenden Pässe. Bei der Rückkehr zum Stilfser Joch hat der alltägliche Trubel wieder begonnen und die ersten privaten Mini-Rennen kommen an. Ich kann der Versuchung, ein Trikot zu kaufen, nicht wiederstehen. Der Würstchenverkäufer grummelt vor sich hin, er werde demnächst selber auch Radrennen veranstalten, um mehr Geld zu verdienen. Für die Abfahrt heißt es zunächst, sich warm anzuziehen. Am Umbrail lege ich eine kurze Pause ein. Auch hier kommt heute ein kleines Rennen vorbei. Eine automatische Fotostation wird gerade aufgebaut. Einige Mountainbiker bereiten sich gerade auf den direkten Weg zum Lago di Cancano vor. Auf meine Frage, ob der Passo di Alpisella mit einem Trecking-Rad gefahren werden kann, kommt ein "Si, Si". Inzwischen ist es warm genug, die weitere Abfahrt nach Bormio in kurz/kurz anzutreten. Unterwegs überholen bereits die ersten Rennradler, und etliche kommen entgegen. Auch zwei Tourenradler mit Gepäck sind dabei, die mit kurzem Gruß weiter ziehen.
Bormio ist dann der Kontrapunkt zum Stilfser Joch. Temperaturen über 30 Grad, Sonnenschein und viel Trubel in den engen Gassen. Ich sehe zu, dass ich schnell wieder aus dem Verkehr herauskomme. Gleich hinter der Stadt ist dann wieder die Ruhe pur. Der Hang zu den Torre di Fraele liegt im vollen Sonnenschein, entsprechend warm wird es. Auf halber Strecke ist ein Picknickplatz, der von mindestens drei Großfamilien in Beschlag genommen wurde. Samstag ist halt Ausflugstag.Oben an der Burgruine pfeift der Wind zwischen den Türmen durch, also schnell runter in Richtung See. An der Villa Diana frage ich bei einer Apfelschorle die Einheimischen sicherheitshalber noch mal, ob der Alpisella fahrbar ist: "Si" ist die Antwort und bekommen noch die Empfehlung, den ersten Stausee auf der Südseite entlang zu fahren, und dann den Staudamm zu überqueren. Diese erste Piste entpuppt sich als Holperstrecke mit vielen Schlaglöchern, doch dafür ist die Naturstraße entlang des zweiten Sees in tadellosem Zustand. Am oberen Ende des Sees am Passo di San Giacomo ist noch mal ein Picknickplatz, aber da er nicht mehr mit dem Auto angefahren werden kann, geht es sehr ruhig zu. Hier ist zwar schon der Alpenhauptkamm erreicht, denn von dieser Passhöhe fließt auf der anderen Seite der Fiume Gallo direkt zum Lago di Livigno und damit zum Inn, aber es gibt keinen Weg entlang des Flusses. Statt dessen muss das obere Ende des Lago di San Giacomo umrundet werden bis zum Einfluss der Adda. Ab hier geht ein alter Saumpfad an der Quelle der Adda vorbei zum Passo di Alpisella. Der ist zwar nur 300 Meter höher als der See, aber die ersten 200 davon werden auf knapp 2 Kilometer bewältigt. Entsprechend ist der Weg an manchen Stellen ausgewaschen und ich trete eher vorsichtig und gleichmäßig in die Pedale, damit das Hinterrad nicht durchdreht. In einer Kehre passiert es dann doch, und die Gelegenheit nutzen zwei Mountainbiker, um innen schnell vorbeizuziehen. Trotz des losen Schotters gelingt die Wiederanfahrt und vorsichtig geht es weiter. Nach knapp 10 Minuten stehen die zwei Mountainbiker vor mir, während sie mitten auf dem Weg eine kleine Pause einlegen. Ihnen ist es sichtlich peinlich, von einem Trekking-Rad eingeholt zu werden, und mit einem Affenzahn ziehen sie von dannen.
Etwas später wird es dann etwas flacher, und am Wegesrand tauchen immer wieder mal Reste einer alten Stützmauer auf. Am Abzweig zur Adda-Quelle ist es Zeit für eine kurze Pause, und ein älterer italienischer MTB-Fahrer gesellt sich zu mir. Er ist mit seinen Bekannten kurz nach mir vom See gestarte und konnte kaum glauben, dass man den Weg mit einem so schweren Fahrrad und dazu noch mit Gepäck schaffen kann. Er wartet auf drei Freunde, die dann nach 10 Minuten eintrudeln. Die brauchen noch etwas Erholung, aber ich fühle mich fit genug, weiter zur Passhöhe zur radeln, zumal es von nun an nur noch leicht wellig durch ein Hochtal geht. Auf der Passhöhe gibt es nichts zu sehen, also mache ich auch sofort an die Abfahrt. Auf den ersten Metern geht es noch sehr zügig, doch dann wird aus dem Fahrt eher ein Schleichen. Eine Gruppe von gefühlt 100 Jugendlichen geht in kleine Grüppchen auf voller Wegesbreite gemütlich schwatzend ins Tal. Auch die Rufe ihrer Mitwanderer "Attenzione, bici" können die meisten nicht dazu bewegen, Platz zu machen, weil sie voll mit sich beschäftigt sind. Erst ein von mir auf zwei Meter Abstand gerufenes "Permesso" führt dazu, dass sie erst stehen bleiben, sich erschrocken umdrehen und dann Platz machen.
Mit Erreichen des Bergwaldes ist dann endlich die Gruppe überholt. Im Wald kommen nur zwei Mountainbiker entgegen, der eine fahrend, der andere schiebend. An der Brücke über den Bach endet der grobe Schotter und ein gut ausgebauter Weg führt zunächst entlang des Tals bis oberhalb des Lago di Livigno. Die restlichen Höhenmeter werden mit Hilfe von drei Kehren vernichtet. Unten am See herrscht am Rifugio Alpisella Hochbetrieb, es ist schließlich ein flacher Spaziergang von Livigno bis hierher. An den Spaziergängern vorbei ist Livigno schnell erreicht, doch beim Absteigen läßt sich das rechte Pedal nicht mehr ausklicken. Am nächsten Laternenpfahl kann ich anhalten und mit einem Bein absteigen und den rechten Schuh ausziehen, danach lässt er sich von Hand ausdrehen: Eine Schraube der Cleats ist im wahrsten Sinne auf der Strecke geblieben. Also geht es auf der Plattformseite weiter und ich werde mich auf die Suche nach einem Fahrradgeschäft machen müssen. Vorrang hat aber erst die Unterkunftssuche.
Die Suche nach der Unterkunft gestaltet sich unerwartet schwierig. Die TouristInfo ist in einem sehr unscheinbaren Gebäude untergebracht, an dem ich durch den Slalom um die zahlreichen Fußgänger abgelenkt zunächst vorbeifahre. Die noch anwesende Name ist zwar sehr nett, hat aber einen defekten Computer und würde sowieso nicht die Unterkünfte anrufen. Immerhin drückt sie mir einen Prospekt in die Hand. Da die meisten Hotels in der Nähe liegen, mache ich mich selbst auf die Suche. Die freien Häuser sind zu teuer, die erschwinglichen sind belegt. Lediglich eins hat noch das Schild draußen, ist aber dennoch voll. Immerhin ist der Wirt so freundlich, und empfiehlt das kürzlich neu eröffnet Hotel Cristallo, das auch preislich im Rahmen bleibt. Im Fahrradkeller darf dann mein Trecker neben den Carbon-Rössern einiger Profis übernachten, die in Livigno im Trainingslager sind.
Beim Abendspaziergang sind sogar um 10 Uhr abends noch Heerscharen in der Fußgängerzone unterwegs. Dabei entdecke ich einen (den?) Fahrradladen, der wie die meisten Geschäfte am morgigen Sonntag auch offen hat.
Von sugu – Nicht nur der Radladen, fast alle Geschäfte sind trotz des Sonntags geöffnet, so kann ich noch etwas Proviant für den Tag kaufen.Im Radsportladen bekomme ich sogar eine kostenlose Ersatzschraube für die Cleats. Im Gegensatz zum sonnigen Vortag hat ist es etwas bedeckt und deutlich kühler. Für den Engadin-Radmarathon, der schon in aller Frühe durch Livigno gefahren sein muss, bestimmt ganz angenehm. Auf dem Weg zur Forcala zieht es sich weiter, aber es bleibt noch trocken. Die Pass- und Zollkontrolle auf der italienischen Seite ist heute verwaist, nach kurzer Abfahrt das gleiche Bild an der schweizer Seite. An der Kreuzung zur Bernina-Straße sucht ein Rennradler nach seinem verlorenen Kettenschloss. Durch den relativ starken Verkehr bleibt er erfolglos und steht vor dem Problem, noch über den Bernina bis nach Samedan zu müssen.. Das einzige was ich im anbieten kann, ist ein Kettennieter. Statt auf den Bus zu warten, entscheidet er sich, lieber auf ein Glied zu verzichten und mit gekürzter Kette weiter zu fahren. Bei beginnendem Nieselregen ist die Reparatur schnell durchgeführt, und der Regen hört noch auf, ehe wir fertig sind. Es stellt sich heraus, das er auch aus Deutschland kommt, aus Stuttgart. Oben am Pass wartet seine Gruppe, die er noch einholen möchte. Während ich meinen Panzer eher langsam in die Gänge bekomme, entschwindet er schon um die nächste Kurve. Auf der gut ausgebauten Straße geht es relativ gut zu fahren, zumal der Verkehr recht schwach ist. Auf der Passhöhe kommt ein Zug der Bernina-Bahn wie bestellt zum Fototermin. Wegen der tief hängenden Wolken lasse ich es bei einer kurzen Pause. Die Abfahrt ist ein Genuss: Auf breiter Straße mit langen Geraden kann man das Rad einfach laufen lassen. Auch mit Gepäck sind über 70 km/h drin. Einige Rennradfahrer überholen und winken: Es ist der Stuttgarter. Die Kette hat zumindest den Bernina überlebt. In Pontresina überlege ich, in der Jugendherberge zu übernachten, aber es ist noch relativ früh. Also weiter Richtung Albula-Pass. In Samedan hat die Tourist-Information zwar geschlossen, aber die Prospekte liegen aus. Nach dem ersten Schock über die Preise finde ich ganz hinten eine einfache, günstige Pension in La Punt. Nach einem kurzen Anruf ist das Zimmer für 55 CHF gebucht. Um dem Verkehr auf der Hauptstraße zu entgehen, nehme ich den Inn-Radweg. Das erste Stück zum Flughafen ist noch asphaltiert, doch danach kommt eine lange, wassergebundene Strecke, die auch noch durch Viehweiden führt. Durch Regen und die Hufe ist der Weg an einigen Stellen schon arg ramponiert. In La Punt gibt es noch eine Überraschung: Die lange Runde des Engadiner Radmarathons ist noch im Gange. An der Kreuzung und am Bahnübergang sichert die Feuerwehr die Strecke ab und bremst mit lauten Pfiffen die zu schnellen Fahrer ab. Die kleine Pension Chesa Schalom ist direkt oberhalb der Bahn, so bleibt ein bisschen Zeit, das Treiben zu beobachten. Auf dem Weg zum Abendessen stelle ich fest, das das erste Haus am Platz, das Chesa Pirani, geschlossen hat. Also verpasse ich die Chance, mit einem einzigen Menü die Reisekosten zu verdoppeln, und nehme mit Pizzeria nebenan vorlieb.
Von sugu – Der letzte Tag der Tour hat begonnen, diesmal wieder mit Sonnenschein. Direkt nach einem leckeren Frühstück geht es auf die Albula. Unterwegs treffe ich den Radler aus dem Etschtal wieder. Nach einer kurzen Begrüßung fährt er vor sich hin murmelnd weiter, ich lass ihn ziehen. Auf dem Albula komme ich mit einer Wanderin ins Gespräch, die auf Steinbock-Fotosafari geht. Die Abfahrt entlang der Rhätischen Bahn ist ein Genuss, zumal auf der Straße fast kein Verkehr ist. In Bergün denke ich noch gerade rechtzeitig an die Mitbringsel für zu Hause und hole etwas Bündner Fleisch. In Alvaneu ist die Abfahrt dann leider schon vorbei, und der letzte Pass, die Lenzerheide, will bezwungen werden. Die Streckenlänge oder -höhe sind heute kein Problem, so dass genügend Zeit bleibt, den letzten Tag zu genießen. Ruhig verläuft die Straße am Hang entlang nach Brienz. Vor Lenz lädt eine Wiese zur Mittagspause im Sonnenschein ein. Unten läuft leise der Verkehr über die Hauptstraße von Tiefencastel. In Lenzerheide kommt eine leichte, kühlende Brise auf. Kurz vor dem letzten Hügel zeigt sich die Schweiz noch einmal von ihrer Schokoladenseite am Heidsee. Auf der Passhöhe wird aus der Brise schon ein leichter Wind, aber er behindert nicht bei der Abfahrt. In Chur gibt es noch einmal eine kurze Zwangspause wegen Baumfällarbeiten. Danach bleibt noch etwas Zeit für die Altstadt, bevor es zum Bahnhof geht. In Zürich ist noch mal eine länger Umsteigepause, die ich am See verbringe. Über den Alpen steigen bereits die Gewitterwolken auf, als mich auf den Weg zum Schlafwagen mache.