Von Jan –
Die Sonne steht über dem Thanner Weinberg Rangen, als wir am Sonntag Morgen zu unserer dritten und letzten Etappe durch die Vogesen starten. Nach den guten Erfahrungen der relativ gering befahrenen Route des Crêtes gestern verändern wir die Tagesplanung leicht und fahren von Uffholtz auf der Route des Crêtes zum Grand Ballon (statt zurück und über Willer-sur-Thur zum Col Amic, den Vorpass des Grand Ballon zu fahren). Das bedeutet, dass wir in den zurückliegenden 3 Tagen fast die gesamte Route des Crêtes zurück gelegt haben. Es fehlt nur der Abschnitt vom Col du Calvaire zum Col de la Schlucht. Die Route des Crêtes spielt natürlich auch, zusammen mit all den wunderbaren, aber weniger bekannten Vogesen-Pässen eine Hauptrolle bei der in zehn Tagen startenden quäldich-Reise Cols et Choucroute vom 30. Juli bis 2. August 2020, wo wir dich noch mitnehmen könnten.
Beine und Laune sind gut, und ohne große Verfahrer finden wir auch ohne Track den Weg nach Uffholtz (was sind wir doch für Pfadfinder!). Die Beine und die Laune sind gut, und die Route des Crêtes kehrenreich. Bis zum Col de Herrenfluh ist sie weder anspruchslos noch ein Kniebrecher. Genau richtig! Am Col de Herrenfluh ist die Höhe erstmal erreicht, die man bis zum Col Amic auf welligem Terrain mit der Überfahrung des Hartmannsweilerkopfes im Wesentlichen hält. Vor dem Erreichen des Herrenfluh (Km 8,2 ab Uffholtz) sagt Tobi in der letzten Linkskurve "guck mal, da scheinen viele Leute rechts hoch zu gehen", was wir ihnen natürlich nachmachen und nach zwanzig eiernden Metern auf unseren Radschuhen mit dem herrlichen Panoramablick über die Rheinebene bis in den Schwarzwald belohnt werden, der dem Bild des Tages zu entnehmen ist. Sensationell!
Damit haben wir den Lebenshöhepunkt des heutigen Tages schon im Kasten und fahren beschwingt über den Hartmannsweilerkopf hinunter Richtung Col Amic. Und müssen schon wieder halten, weil uns der Vorausblick auf den Grand Ballon, der sich in greifbarer Nähe über dem Col Amic erhebt, den Atem verschlägt.
Auf der Weiterfahrt vom Col Amic verliert man den Gipfel des Grand Ballons für wesentliche Teile des weiteren Anstiegs aus den Augen. Dafür begeistern die Tiefblicke hinunter in die Rheinebene. Auf der ganzen Auffahrt hält sich der Autoverkehr heute erstaunlich in Grenzen. An einem Sonntag mit bestem Wetter im Juli! Corona macht's möglich!
Und dann ist der Grand Ballon erreicht. Oben dann ein unglaublicher Trubel, und der Versuch, im Vues des Alpes eine Cola zu kaufen, scheitert an der zu langen Corona-Schlange. Also stürzen wir uns in die Abfahrt Richtung Le Markstein. Die Kreuzung ist dank flüssiger Fahrweise schnell erreicht. Le Markstein ist zwar katastrophal verbaut, aber immerhin ist eine der Restaurants kaum besucht, und wir jagen uns Cola und Heidelbeerkuchen. Letzterer ist der dritte meiner Reise. Ich bin kein Dessert-Mensch, aber ich lieebe Heidelbeerkuchen! Zumal er schnell macht. Erstmal zieht uns das aufgenommene Mehrgewicht die Abfahrt zum Platzerwasel herunter. Bei schnurgerader Straße und besserem Asphalt als gedacht meißelt mir der Abfahrtsrausch ein Grinsen ins Gesicht: 91 km/h maximal. Es läuft!
Der Abzweig zum Petit Ballon ist dann in ungünstigem 330-Grad-Winkel, da hatten wir allerdings schon wieder abgebremst. Der Einstieg ist herrlich ruhig. So ursprünglich! Was für ein Kontrast zur Route des Crêtes (natürlich auch Teil der quäldich-Reise Cols et Choucroute vom 30. Juli bis 2. August 2020).
Jetzt machen sich langsam die Tageshöhenmeter bemerkbar, und wir steigen deutlich langsamer als zuvor. Der Anstieg ist mit wechselnden Alm- und Wald-Abschnitten wieder sehr abwechslungsreich, oben ergeben sich bei einem Blick nach links herrliche Ausblicke über das Münstertal hinweg auf das in den letzten Tagen erreichte, Le Hohneck natürlich, aber tatsächlich sogar bis zum Col de la Schlucht.
Oben parken ungezählte Autos, die Gegend ist ein absoluter Wander- und Picknick-Hotspot. Angefahren wird der Petit Ballon aber offensichtlich von der anderen Seite, oder deutlich früher, denn uns haben nur wenige Autos in der Auffahrt überholt.
Jetzt ist es schon kurz vor zwei, und wir brauchen ziemlich dringend etwas zu essen. Die Abfahrt nehmen wir aufgrund der hohen Steigungsprozente mit Vorsicht, insbesondere die Durchfahrung von Wasserbourg ist grotesk steil. Zwei Hühner fliehen vor unseren Vorderrädern. Auf dem Weg hinunter ins Münstertal finden wir nur eine Gaststätte, die aber wenig einladend aussieht. Die Terrasse liegt im Schatten, niemand sitzt draußen. Wihr-au-Val, Walbach und Zimmerbach im Münstertal wirken verwaist, und auch in Turckheim sind wir skeptisch, bis wir den Stadtmauerturm Port de France erreichen, und mit ihm die geballte gastronomische Infrastruktur der Stadt. "Cuisine fermé" heißt es relativ unwirsch in der L'Auberge du Veilleur, "Cuisine fermé" heißt es relativ unwirsch im Restaurant de la Tour. Im Stammtisch hinter dem Stadttor heißt es "Cuisine fermé", aber wir werden sehr freundlich zum Gourmandize schräg gegenüber gewiesen, das uns noch einen üppig dimensionierten Flammkuchen und einen sehr überzeugenden Café Gourmand serviert. Die Lebensgeister kehren zurück!
Nun liegen noch gute 60 Kilometer Rheinebene vor uns. Wir drücken, was die Beine hergeben. Schön, wie die Vogesen hinter uns immer kleiner, der Kaiserstuhl und der Schwarzwald vor uns immer größer werden. Die Vogesen kenne ich mittlerweile ganz gut, ich bin ganz begeistert, wie die letzten drei Tage meine Ortskenntnis aus dem quäldich-Vogesenwochenende 2015 (auch 2020 noch buchbar!) und die Stippvisiten der Deutschland-Rundfahrten zu einem schlüssigen Bild vernetzt haben. Den Schwarzwald kenne ich deutlich weniger, und Tobi erklärt mir sein Heimatrevier. Kandel und Schauinsland kann ich schon selber erkennen, der Belchen hat aus den Vogesen die Form eines schlafenden Elefanten, aber von hier kann ich ihn nicht ausmachen. Auch bei den von Tobi so geliebten Anstiegen Freiamts habe ich keine Chance. Und dann erreichen wir Denzlingen. Moni und Tobis Kinder begrüßen uns aufs herzlichste, Helm ab, Flaschen auf, ein Prosit auf eine rundum gelungene Tour durch ein wunderbares Mittelgebirge mit dem fulminanten Grand Ballon zum Abschluss!
Und im nächsten Jahr, so entscheiden wir kurzum im Verlauf eines langen Abends, zeigt mir Tobi den Schwarzwald. Till, bist du dann fit genug?
Gefahren am 19.7.2020
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren