Von tourenwerner –
Zum letzten Mal lassen wir uns von unserem heiß geliebten Wecker aus dem Schlaf reißen. Erst beim zweiten Mal stehen wir auf. Alle haben gut geschlafen und die Magenprobleme sind mehr oder weniger weg. Wir setzen uns draußen hin und genießen die schöne Aussicht auf den Luberon. Das Wetter ist toll.
Pünktlich um halb neun können wir frühstücken. Die Stimmung ist gut und in Ruhe widmen wir uns dem Frühstücksbuffet. Dann gehen die Vorbereitungen für die heutige Rundfahrt los. Gegen 09.30 Uhr legen wir los.
Gleich zu Beginn nehmen wir die gut 100 Meter Höhendifferenz in Richtung Abbey de Senanque unter die Räder. Dann folgt eine kurze Abfahrt hinunter zur Abtei (nicht alle haben Augen für das Gebäude und die umliegenden Felder!) und gleich steigen wir zur Gorges de Venasque hoch. Es macht großen Spaß! Das Wetter stimmt und die Strecke ist – praktisch ohne Verkehr - super zu fahren. Bald ist Venasque erreicht und da Beat den Bus auftanken muss fährt er über Carpentras nach Bédoin. Wir fahren quer durch die Landschaft und er-reichen Bédoin über Malemort-du-Comtat und Mormoiron. Wieder erwischen wir Beat, wie er mit netten Süssigkeiten in der Hand die Boulangerie verlässt!
Nun beginnt für uns der eigentliche Ernst des Tages, denn hier in Bédoin (275 m) startet die Originalstrecke zum Mont Ventoux. Der Kegel dieses von weitem sichtbaren und berühmten Berges türmt sich vor uns auf. Die Spitze auf 1909 m liegt in den Wolken. Wir wissen nicht genau, was da auf uns zukommt. Der Berg ist aber eine Legende. Die ersten Kilometer sind fast flach und sehr angenehm zu fahren. Dann beginnt der Anstieg. Man gewinnt rasch an Höhe und genießt den Ausblick auf die schöne Gegend. Ab ca. 500 m erreichen wir den Wald. Auf den steilen Rampen ist man nun die nächsten 900 Höhenmeter mehr oder weniger im Schatten und vom Wind geschützt. Die Rampen sind alle zwischen 8,5 und 10 % steil. Von Aussicht keine Spur mehr! Der schwarze Belag der Straße zieht sich wie ein Band dem Berg entlang in die Höhe. Alain und Marco sind bereits seit einiger Zeit vorne weg. Bevor es in den Wald ging, konnte ich das leuchten des gelben Post-Trikots von Alain noch ausmachen. Jetzt sind sie aus meinen Augen verschwunden. Ich kämpfe mich mit einer Gruppe Belgiern den Berg hoch. Die Steigung zehrt! Es geht einem so manches durch den Kopf und es taucht auch die Frage auf, wieso man eigentlich diese Mühen auf sich nimmt. Es wäre doch jetzt so schön am Pool des Hotels zu liegen und die Sonne zu geniessen. Aber nichts desto trotz: mit jeder Pedalumdrehung rückt das Ziel ein stück näher. Zum Glück treffe ich bald auf Beat und kann kurz anhalten. Ein paar Worte, frische Getränke und schon sieht alles anders aus. Nichts wie weiter!
Kurz vor dem Chalet de Reynard auf 1420 m ist dann der Wald plötzlich weg. Es öffnet sich die bekannte Mondlandschaft. Nur noch weisses Gestein soweit das Auge reicht. Dazu weht ein starker und kühler Wind. Beat erwartet mich auf dem Parkplatz und ich kann der Verführung nicht widerstehen, kurz in den Bus zu steigen. Aber der Ehrgeiz ist doch größer. Also nichts wie raus und hoch zum Gipfel. Die Straße ist super. Das breite schwarze Band weist mir den Weg. Die Steigung wird erträglicher. Aber der Wind weht sehr stark und man muss den Lenker festhalten!
Als Motivator wirkt nun der nahe Gipfel und ich richte meinen Blick immer wieder auf die Hangseite. Irgendwann muss die berühmte Gedenkstätte für Tom Simpson auftauchen, der hier 1967 den Dopingtod starb. Die Geschichte ist ja wohl allen bekannt. Kurz vor dem Gipfel kommt es dann auch. Es ist geschmückt mit Bidons, Trikots und anderen Radfahrerutensilien. Eindrücklich: alle halten an und erweisen ihm die Ehre!
So, jetzt noch die letzten Kurven und dann habe auch ich es geschafft. Es ist ein gutes Gefühl hier oben zu stehen! Ein weiterer Mythos ist bezwungen! Es ist kalt auf knapp 2000 m. Leider herrscht schlechte Fernsicht. Nach einem weiteren „Gipfelfoto“ setzen wir uns ins Restaurant und trinken Tee und Cola. Hinter der Theke hängt das Original-Bergpreistrikot handsigniert von R. Virenque.
Bald nehmen wir die 26 km lange Abfahrt in Richtung Sault in Angriff. Bei diesem starken Wind und den unberechenbaren Windböen ist speziell in den Kurven Vorsicht geboten. Kurz vor Sault fahren wir durch die blühenden Lavendelfelder. Ein grandioser Anblick und erst der Duft! Es ist jetzt etwa 14.00 Uhr und wir setzen uns auf eine Terrasse und essen etwas. Der Wind weht auch hier aber die Temperaturen sind wesentlich angenehmer.
Nun geniessen wir die letzten 40 Kilometer unserer diesjährigen Tour. Die Fahrt führt uns über kaum befahrene Nebenstraßen nach Monieux, eine schöne und angenehme Steigung durch den Bois du Défens und nach Fontjouvale. Von hier aus geht es mehr oder weniger bergab durch die Rochers de Lioux. In Croagnes sind wir wieder unten im Tal angelangt. Die letzten 11 km bis zum Anstieg nach Gordes fahren wir - wie üblich zu dieser Tageszeit - im Gegenwind. Als allerletztes Hindernis fordert uns noch der Aufstieg nach Gordes. Es macht Freude, in der Nachmittagshitze diesen Anstieg zu meistern. Dann haben wir es endgültig geschafft. Wir sind (leider schon) am Ziel! Ein abschließendes Bild mit Fahrern und Bus und dann ab an den Pool.
Wir erholen uns im und am Pool und an der Sonne bis sich der Hunger bemerkbar macht. Nun fahren wir in den nahegelegenen Ort Roussillon. Nach einem kurzen Rundgang durch das schöne Städtchen brauchen wir ein Bier und auf der Terrasse finden wir sogar einen Platz zum Nachtessen. Es schmeckt hervorragend und die Stimmung ist - wie während der gesamten Tour - super.
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren