Von Droopy –
Damit die Reise nicht an meinem Gartentor beginnt, starten wir die Tour aus Echternach. Die älteste Stadt des Großherzogtums Luxemburg ist berühmt für seine Abtei, dessen Ursprünge bereits im 8. Jahrhundert liegen, und die alljährliche Springprozession, immerhin immaterielles Unesco-Weltkulturerbe. Bei dieser Prozession schreiten die Pilger springend voran, immer zwei Schritte nach vorn und einen zurück. Das passt meines Erachtens auch gut zu einem ausgewogenen Krisenmanagement in der Pandemie. Ausprobieren, notfalls wieder einen Schritt zurück, aber dem Ziel nach voraus. Jedenfalls sind die bewaffneten Polizisten nach sechs Wochen wieder verschwunden und ohne besondere Vorkommnisse kann ich nun zu „Friedenszeiten“ die Sauer wieder in Richtung Deutschland queren, am besten in Wallendorf-Pont, denn bis hierhin führt uns der gut ausgebaute Radweg auf der Luxemburger Seite.
Das erste Highlight der Tour ist dann schnell erreicht, Vianden. Der lebhafte Touristenort ist berühmt für seine riesige mittelalterliche Burganlage, für mich eine der schönsten Europas. Und auch die Strecke im Ourtal, die wir jetzt flussaufwärts weiter befahren ist ein echtes Schmankerl. Eines der schönsten Täler der Ardennen. Da fällt Scheiden immer schwer. Für die Tour geht es aber nun in Dasburg endgültig über die deutsche Grenze. Die Auffahrt bringt uns nach Dahnen. Geheimtipp: Kurz vor dem Ortseingang führt direkt von der Kuppe eine kleine Stichstraße zu einem Aussichtspunkt. Von hier aus gibt es eine fabelhafte Fernsicht über den Éislek, den luxemburgischen Teil der Ardennen. Die Navigation ist ansonsten nicht schwer, wir folgen einfach der ruhigen Landesstraße 1, zunächst für viele Kilometer auf dem Hochplateau, später etwas welliger. Der erste Meilenstein ist das Örtchen Bleialf, hier gibt es entsprechende Nahversorgung und damit Gelegenheit für einen kurzen Halt. Der dahinter liegende Streckenabschnitt glänzt dann mit der Vorbeifahrt am Schwarzen Mann. Der dritthöchste Berg der Eifel ist dem Grunde nach ein riesiger Höhenzug, der kilometerweit rechter Hand im Blickfeld liegt. Wir könnten theoretisch die Route auch über die Kammstraße legen, das macht aber wenig Sinn, denn diese ist komplett im Wald versteckt und bietet keine Aussichten. Mancher „Pass“ ist eben von der Ferne schöner als auf dem Gipfel. Überhaupt ist dieser Teil der Eifel sehr idyllisch und ruhig. Die nächste Großstadt ist in alle Richtungen mindestens 100 Kilometer entfernt. Wer die Gegend besuchen möchte und dabei auf Gruppenerlebnisse nicht verzichten kann, dem sei an dieser Stelle die alljährliche Drei-Länder-Fahrt des Radsportvereins aus St. Vith empfohlen.
Frauenkron, Bern, Rescheid zeigen die nächsten Ortschilder an. Mal geht die Fahrt nach unten, mal nach oben, immer ohne gemeine Steigungen. Wir können uns dabei auf einer Höhe zwischen 400 und 600 einpendeln. Eine richtige Mittelgebirgsfahrt mit „Flow“. Mit einer krachenden Abfahrt endet dieser Abschnitt und wir kommen nach Hellenthal, auch hier bietet sich wieder ein Trinkflaschenstop an, denn von ganz allein fährt es sich trotzdem nicht. Der Tag ist heiß und aller 50-60 Kilometer müssen kühle Getränke her. Auf das nächste Teilstück hatte ich mich dann schon bei der Routenplanung gefreut, die Oleftalsperre. Trotzdem bleibt sie eine Wundertüte, denn ich kenne die Streckenverhältnisse nicht. Nach einem kurzen Anstieg zur Staumauer führt ein kombinierter Fuß- und Radweg direkt am Wassersaum entlang. Der Weg ist breit und für Versorgungsfahrzeuge gerichtet, das passt also, nur der Asphalt ist arg rubbelig aber ich bin nicht wählerisch, die Strecke ist dafür malerisch. Die zweite Unbekannte ist jetzt nur noch der Anstieg zur B259. Doch auch hier ist das Glück mit dem Tüchtigen, nach zwei Kurven und rund 800 Metern wird aus dem festen Forstweg ein asphaltierter Waldweg. Nur der Flow ist weg, der Anstieg ist deutlich steiler als die bisher gefahrenen Kuppen undso muss ich zum ersten Mal richtig klettern und aus dem Sattel gehen. Auf der B259 ist der Drops dann sprichwörtlich gelutscht, bis zum nächsten Meilenstein Monschau geht es tendenziell nur noch bergab, am Ende wieder mit einer schönen Abfahrt. Und keine Angst, diese Bundestraße hatte auf dem befahrenen Streckenabschnitt zum Zeitpunkt meiner Befahrung eher die Verkehrsdichte einer Kreisstraße. Die kleine Stadt Monschau ist ebenfalls eine extra Bemerkung wert. Die Touristenhochburg im Tal der Rur (ohne h) ist eine schicke Ansammlung enger Gassen mit Cafes und Kneipen in zahlreichen Fachwerkbauten. Da könnte selbst ein Söder über Urlaub in NRW nicht lästern. Es könnte dem Baustil nach auch eine Kleinstadt in der fränkischen Provinz sein. Ja aber die Bratwurst schmecke hier doch überhaupt nicht und erst recht nicht das Bier, hör ich ihn schon rufen. Stimmt, aber wen interessiert das, die italienische Eisbude hat offen. Aus Solidarität für den Einnahmeausfall im Lockdown bestelle ich gleich drei Kugeln und einen doppelten Espresso aus der Luke. Die Energie des Gelato ist gut investiert, denn aus Monschau geht es bocksteil heraus. Oben in Imgenbroich dann eine andere Welt. Wie hinter einer unsichtbaren Wand beginnt jenseits des Rurtals wieder die Zivilisation und reger Autoverkehr. Die Metropolregion Aachen lässt bereits grüßen.
Auf Nebenstraßen schleiche ich mich bis Lammersdorf, was besser funktioniert als gedacht, und von dort ein kurzes Stück auf den Vennbahnradweg. Über Nebenstraßen dann bis Kornelimünster. Trotz des stärkeren Verkehrsaufkommens läuft auch dieser Teil ganz gut, denn tendenziell geht’s auch hier die meiste Zeit nur bergab. Erst in Kornelimünster heißt es aufpassen, der kleine Ort erleidet durch eine Baustelle mit Einbahnregelung gerade seinen täglichen Verkehrsinfarkt. Ab hier biege ich wieder auf die Vennbahntrasse, die jetzt zwar nicht im direkten Weg aber immerhin verkehrsfrei bis ins Aachener Zentrum führt. Dieser Schlussteil ist trotzdem anstrengend, denn Kind und Kegel sind auf dem Radweg unterwegs und mit jedem Meter steigt die Unfallgefahr. Also aufpassen, rausnehmen und aufmerksam durchrollen. Das gilt auch für das Ende, denn das Weltkulturerbe Aachener Dom liegt in der Fußgängerzone und ist ein wenig versteckt und eingebaut, urplötzlich ist das Ziel erreicht. Sicherlich, ein Prunkbau seiner Zeit, reich verziert, einmalig, aus heutiger Sicht aber geradezu winzig. Dennoch, ein großartiges Ziel. Immerhin habe ich das Zentrum der Welt erreicht, zumindest das des frühen Mittelalters. Darauf einen Reichsapfel.
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren