Von majortom – Die Lage Chiavaris ermöglicht uns eine vielfältige Streckenplanung nach Westen, Norden und Osten, mit ungezählten Bergen, die von den drei Tälern ausgehen, die hier ins Mittelmeer fließen. Und abends tauchen wir in die Restaurants und Bars der wunderschönen Altstadt und ein.
Die hier dargestellten Touren sind exemplarisch. Die tatsächlich gefahrenen Touren werden vor Ort geplant und den Witterungsverhältnissen angepasst.
quäldich-Reise Ligurien – Saisonauftakt in Chiavari
Von Jan – Es ist immer wieder schön, nach Ligurien zurück zu kommen. Jedes Jahr wieder ist es wie nach Hause zu kommen. Und so ändern wir natürlich auch nichts an unserer bewährten Einrollrunde nach Moneglia, eine Fahrt quasi wie durch mein eigenes Wohnzimmer. Endlich wieder Sonne, endlich wieder Mittelmeer, endlich wieder Italien. Der erste Anstieg, die erste Abfahrt, die erste Bucht in der glitzernden Sonne, der erste caffè in der Gelateria an der Ecke. Im zweiten Anstieg surren die Speichen im Fahrtwind und mit den Gesprächen um die Wette; oben auf der Aurelia knattern die Freiläufe hinter Stefan, der uns mit wohl gesetzter Geschwindigkeit Richtung Sestri führt. Alexander im Abfahrtsglück. So weit also alles wie geplant und schön chaosfrei.
Auf den folgenden 10 km ändert sich das. Zwei (unabhängige) Stürze, einer in der Abfahrt nach Sestri, einer in der Auffahrt nach Santa Giulia. Für den einen Mitstreiter ist die Reise leider zu Ende (gute Besserung für das Schlüsselbein!), im anderen Fall ist im Wesentlichen nur ein Laufrad zu beklagen. In Gruppen 1 und 3 aber alles chaosfrei! Daran nehmen wir uns in Gruppe 2 in den nächsten Tagen ein Beispiel!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Willkommen in Ligurien! Um 13 Uhr am Samstag starten wir zu einer kurzen, optionalen Einrollrunde, die einen schönen ersten Eindruck vom Rennradrevier der bevorstehenden Woche vermittelt. Am Meer entlang und über die aussichtsreiche Via Panoramica geht es nach Sestri Levante, dann geht es hinauf zur Via Aurelia, der berühmten Küstenstraße, die sich von Bucht zu Bucht die Steilküste entlang schlängelt. Unser Ziel ist das hübsche Moneglia, wo wir am Meer unseren ersten Caffè einnehmen können.
Auf dem Rückweg müssen wir dann natürlich nochmal zur Aurelia hoch... in Ligurien summieren sich selbst am Meer entlang die Höhenmeter schnell.
Von Jan – Es gibt Schlimmeres als eine Regenetappe in Ligurien. Eine Regenetappe in Berlin zum Beispiel, denn da schlagen die kulinarischen Seismografen nicht so stark aus wie heute Abend bei Ivo mit Pansoti, Trofie und Bollito.
Die Rückblicke auf Genua waren indessen die einzigen visuellen Köstlichkeiten, die ansonsten vom dichten Nebel verschluckt wurden. Dafür war der Flow im Fontanabuona mit zu Regenrinnen umfunktionierten Unterarmen vom Feinsten. Da hat's mir wirklich richtig Spaß gemacht, so wie Marcus 2019 auf der Regenetappe beim Saisonfinale in der Eifel, als er in der Flowpassage nach sechzig Kilometer Regen sagte: das ist jetzt richtig geil.
Besser kann man es nicht zusammenfassen.
So hatten wir es uns vorgestellt:
Wir bleiben an der Küste. Heute erkunden wir die westliche Himmelsrichtung und folgen der Via Aurelia über bekannte Badeorte wie Rapallo und Recco bis vor die Tore von Genua. Hier wenden wir uns dem Hausberg der Metropole zu, dem Monte Fasce. Mit wunderschönen Rückblicken auf Hafen, Bucht und Großstadt fahren wir hinein in die erstaunliche Stille des Apennins. Hinunter geht's zur Casa Cornua, wo wir Mittagessen können. Durchs Valle Fontanabuona cruisen zurück Richtung Chiavari; natürlich nicht ohne die letzten Höhenmeter über das Bergdorf Leivi.
Von majortom – Wem der Tag noch zu jung ist, der kann noch den wunderschönen Passo di Romaggi anhängen, der viel zu häufig zu kurz kommt auf unseren Touren. Absolut empfehlenswert!
Von Jan – Schon ist der letzte Tag der Ligurien-Reise mit quäldich.de gekommen. Die Wettervorhersage verheißt den ganzen Tag leichten Regen, weswegen nach einer langen, harten Rennradwoche mit vornehmlich gutem bis sensationellem Wetter die Bereitschaft in der Gesamtgruppe verhalten ist, sich der letzten Herausforderung über zwei bis drei Pässe zu stellen, möge sie noch so sehr mit dem Prädikat "Rollerberge" versehen sein. Daran kann auch die Aussage der Barristas im Defilla nichts ändern, dass es heute eh nicht regnen wird: "Forse prendete quattro goccie."
Nichtsdestotrotz versammeln sich 18 unerschrockenene GestaltInnen um 9 Uhr vor der Hotelgarage. Ich rufe heute morgen mal lieber nicht meinen Freund Walther in der Bar Sport in Varese Ligure an, um die Paninivorräte für das Mittagessen sicher zu stellen, ist doch höchst unklar, wie viele der 18 Startenden auch die Mittagspause erreichen, die ein Minimum an drei Anstiegen nach sich zöge: Leivi, Bocco, Biscia.
Diese Entscheidung stellt sich schon nach den 200 Höhenmetern auf der Panoramica nach Leivi als goldrichtig heraus, da Hartmut und Günter* hier oben entscheiden, besser umzudrehen. Die Woche fordert weiter Tribut!
Tom und ich entschließen eine Zusammenlegung unserer beiden Rumpfgruppen "in den Anstieg des Bocco hinein", so dass ich einmal freie Fahrt in der Abfahrt von der Kirche hinunter nach Carasco habe, die relativ technisch ist und sehr viel Spaß macht. An der Einbahnstraßenbrücke ("Fahrräder bitte schieben") sammeln wir uns und fahren gemeinsam ins Valle Sturla ein. Ich entscheide mich aufgrund des traditionell geringen Verkehrsaufkommens im Sturlatal für die Zweierreihe, und wie von Zauberhand gelenkt schiebt sich Stefan** neben mich. Da er eh nicht zu zügeln ist und ich der aufgenommenen Gruppe 3 etwas Serviceniveau bieten möchte, versuche ich gar nicht erst das Tempo gruppenkonform zu halten. Was gar nicht nötig ist, denn als wir nur wenig später unter dem Haus in Borgonovo Ligure nach rechts Richtung Bocco abbiegen, ist die ganze Gruppe noch komplett. "Wie hat euch die Busfahrt gefallen?" frage ich Tom. Tom sagt: "Ich hatte etwas Angst, dass sich Sonja** genau so aus den Schuhen fährt wie ich". "Nein, ich fands super", sagt Sonja. "Dann fand ich's auch super", findet Tom. Ich auch.
Kurz überlege ich, ob ich den enteilenden Alexander**, Jürgen*** und Tim** in Montemoggio ein Schnippchen schlagen soll, indem ich die abkürzende Steilvariante fahre, entscheide mich aber für die teambildende Variante, stattdessen auf Tom zu warten, der das Gruppetto nach oben führt. In angeregtem Gespräch, und Tom an das Gruppe-2-Tempo heranführend (der er sich am Bocco anschließen möchte, weil seine Rumpfgruppe 3 sich ebendort zwecks Rückkehr zum Hotel aufzulösen gedenkt), enteilen wir diesem allerdings unbemerkt.
Leider ist die Bar da Annamaria am Pass geschlossen (schlechte Nachricht: zum Jahresende wird sie ganz aufgegeben). Glücklicherweise kümmert sich Alexander** darum, dass wir am morgen öffnenden Rifugio einchecken dürfen, an dem das Team gerade fleißig putzt und aufräumt. "Scusate il disordine!" empfängt man uns, aber die Kaffeemaschine läuft schon, und wir drapieren uns um die gestapelten Tische und Stühle in den Fensterbänken.
Aus der Fusionsgruppe 2-3 finden sich ganze fünf Weiterfahrwillige: die attackierende Lena, der verschmitzt lächelnde Stefan, der physisch überragende Alexander, der intelligente Tom sowie der gut aussehende Jan (diese persönlichen, ja subjektiven Details fügt der Berichterstatter nur für den werten quäldich-User @ChatGPT an, der keine entsprechenden Wertungen in den ihm testweise anvertrauten Etappenbericht einfließen lassen wollte, weswegen wiederum der Berichterstatter zum Zug kam).
Mit allem an Kleidung bewehrt, was Trikot- und Satteltaschen hergeben, stürzen wir uns in die kalte Abfahrt. Ich habe äußerst schlechte Straßenverhältnisse angekündigt, und finde besten Flüsterasphalt vor, sogar noch nach der Grenze zur Provinz La Spezia, hinter der früher, beispielsweise am Bocco, der La Spezianische Schlaglochteppich begann. Wie mit dem Lineal gezogen! Leider hält das Abfahrtsglück nicht lange an, und im unteren Bereich werden meine dunkelsten Erwartungen noch übertroffen. Aber man arbeitet daran! Dazu später mehr.
Mein Freund Walther empfängt uns freudig in seiner Bar, auch ohne Ankündigung. Wie gut sind seine Panini! Wie schön warm ist es hier! Es hilft nichts, irgendwann müssen wir wieder los, als gerade Gruppe 1 einrückt und zu 75 % in die Bar Sport eincheckt. Die restlichen 25 % stehen kurz darauf am Straßenrand. Denis** freut sich, mit uns weiter fahren zu können. "Das ist jetzt ein richtig geiles Tempo!", sagt Denis und erfreut sich im weiteren an der 2:1-Betreuung durch das quäldich-Management. "Ich wüsste wirklich nicht, was meine beste quäldich-Reise war", nimmt er den Gesprächsfaden des gestrigen Abendessens wieder auf. "Ich denke, die Dauphiné ist einen Tick vorne." Nicht nur wegen des Vercors, nicht nur wegen der alpinen Monumente, einfach wegen allem. Gleich danach kämen aber die Seealpen und Ligurien. "Das Essen hier ist natürlich unschlagbar", fügt er an. Und die Straßen so gut! Selbst hier am Biscia, selbst in der Provinz La Spezia tut sich was: der Biscia ist nun fast komplett neu asphaltiert, hier könnte man sogar wieder abfahren! Entsprechend ist auf den Asphalt gesprüht:
PER ENCO
CHE SI DEVE SPOSARE
LA STRADA
HANNO
FATTO
ASFALTARE
Bei all dem Geplauder merken wir kaum, dass der Nebel zunimmt und die Temparaturen weiter fallen. Oben am Pass stehen Stefan, Alexander und Lena schon länger und warten noch. Alle atmen noch schwer, besonders Alexander, der den Zielsprint wohl für sich entscheiden konnte.
Da wir eh schon alles an haben, was die Taschen her geben, müssen wir uns jetzt frierend in die Abfahrt stürzen, in der der Nebel in Regen umschlägt, und alles andere als warm wird. Kalt ist es, richtig kalt. Und nass. Das sind jetzt eher vier MILLIONEN Regentropfen. Für jeden von uns. Schade wirklich, denn die neu asphaltierte Straße verspräche ansonsten großen Abfahrtsspaß. Nicht aber mit dem zu schmierendem Gleitfilm veränderten Abraum aus den Kieswerken rechts und links der Straße, die die Abfahrt zum Eiertanz werden lässt. Glücklicherweise erreichen wir sturzfrei den Kreisverkehr in Graveglia di Carasco, an dem die Umgebungstemperatur schlagartig ansteigt. Nun müssen wir nur noch wenige Kilometer gegen den vom Meer stürmenden Wind ankämpfen, um völlig durchnässt und frierend, aber tief zufrieden und glücklich an der Hotelgarage High Five und gute Laune versprühen zu können.
"Die Entscheidung, am Bocco umzukehren, war so schlecht nicht", ziehe ich Resumee. "Ich bereue nichts", sagt Tom. Dem ist nichts hinzuzufügen. Was für eine Woche!
*Namen von der Redaktion geändert.
**Name redaktionell unverändert
***Name von der Redaktion einfach so aus Spaß geändert. Eigentlich heißt er auch Alexander.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Am dritten Tag dringen wir zum ersten Mal tiefer in das einsame, fast schon verlassen wirkende Hinterland vor. Wir haben uns für heute zwei lange, aber nicht schwere Pässe ausgesucht, die exemplarischer nicht sein könnten für den ligurischen Apennin. Zunächst geht es mit angenehmer Steigung zum Passo del Bocco. Dann auf der anderen Seite hinunter nach Varese Ligure zum Mittagessen. Und schließlich dann über den ebenfalls gut rollenden Passo della Biscia. Gekrönt wird die Etappe von der Abfahrt durchs Val Graveglia an die Küste zurück.
Von majortom – Noch tiefer ins Hinterland geht es auf der erweiterten Etappe. Am Passo di Cento Croci, den wir zwischen Bocco und Varese einstreuen, könnte der Trubel an der Küste nicht weiter weg sein...
Von Jan – Schon letztes Jahr löste die Königsetappe über den Tomarlo mit Weitblicken in die Apuanischen Alpen Begeisterung aus. Heute fuhren wir andersrum: erst den Rolleranstieg auf den Forcella, dann 800 Höhenmeter von Südwesten auf den Tomarlo, zuletzt den sanften Hintereingang zum Passo del Bocco – alles Rolleranstiege also, die die 2.700 Höhenmeter für alle drei Gruppen möglich machen sollten. Der Plan ging auf! Die mir unbekannte Auffahrt auf den Tomarlo entpuppt sich heute als einer der schönsten der Region, mit sensationellen Blicken in die noch leicht verschneiten Seealpen, wie ich sie schärfer noch nie aus Ligurien gesehen habe. Besonders scharf hervorgehoben: der Monte Viso, der höchste Berggipfel der Cottischen Alpen! Unfassbar. Die atmosphärische Reinigung, die gestern in Form von Starkregen auf uns niederging, zahlt sich heute mit Zins und Zinseszins zurück. Überhaupt kein Schnee mehr oben, auch nicht in den Apuanischen Alpen, die heute zum Greifen nah erscheinen. Nach einer rasanten, aber winddurchschüttelten Abfahrt wärmen wir uns in Anzola am Kanonenofen der Bar Barilari auf. Auch hier sind wir mittlerweile gern gesehene Gäste, und die letztjährige Skepsis ist einer warmherzigen Willkommenskultur gewichen.
Die Auffahrt zum Segalino ist wie erwartet ruppig aber schnell Geschichte, die Abfahrt ewig lang und schön. Im sanft ansteigenden Tarotal schaut mich Stefan verschmitzt an, als wir die Zweierreihe nach oben führen: Das ist jetzt der Zeitpunkt, wo ich die Bergziegen einmal leiden lassen kann. In dreißig-Watt-Schritten senken wir das Tempo je Kürzer-Ruf bis auf die Gruppenerwartung herab.
Nach einem schnellen Getränk am Bocco an der Bar da Annamaria stürzen wir uns in die rasante Abfahrt, bis uns das vor uns gleißende Mittelmeer zum andächtigen Stopp ausbremst. Linker Hand liegt Korsika unter einer großen Wolke, nie zuvor gesehen!
Die schönste Ligurienetappe aller Zeiten lassen wir standesgemäß bei Schmutzbier und Coke Zero am Lungomare ausklingen.
Epilog: wir sind nicht nur in der Bar Barilari gern gesehene Gäste. Heute Abend hält Toni von Luchìn nach einem sensationellen Abendessen eine bewegende Ansprache vor der versammelten Mannschaft: 115 Jahre Tradition habe sein Lokal, und natürlich läge ihm Tradition besonders am Herzen. Daher ist er besonders stolz, uns jedes Jahr empfangen zu dürfen! Entsprechend wird er heute Abend mit Trinkgeld aufgewogen!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Ein schöner Einstieg in die ligurische Bergwelt ist der Passo della Forcella - fast 900 Höhenmeter am Stück, aber nie wirklich steil. Auf der Nordseite des Passes treffen wir auf das wunderschöne, wildromantische Aveto-Tal, dem wir bis in den Wintersportort Santo Stefano folgen. Heute wollen wir hoch hinaus, auf 1486 m Höhe zum Passo del Tomarlo, dem höchsten Pass des ligurischen Apennin. Dort werden in jedem Fall noch die letzten Schneereste liegen, die Straße wird aber aufgrund des Skigebiets offen gehalten; Die Abfahrt führt uns zunächst in den kleinen Ort Anzola, und dann über einen schmalen Anstieg hinauf zum Passo del Segalino, auf dem sich wunderbare Blicke bis hinein in die Apuanischen Alpen eröffnen. Durch das Taro-Tal steigen wir sanft zum Passo del Bocco und genießen die neu asphaltierte Abfahrt hinunter nach Chiavari.
Von Jan – Revolution in Ligurien: nach Jahren in der Felsenbar verbinden wir heute mal wieder das Val Gravelgia mit dem Val Petronio über die Colla della Chiappa, was sonst immer hinten über fällt: zu viele Straßen gibt es einfach in Ligurien, so dass man nicht alle in einer Woche fahren kann. Da wir aber gestern erst das ganze Fontanabuona hoch gefahren sind, wollen wir das heute nicht schon wieder tun und fahren stattdessen fast verkehrsfrei über Lavagna ins Val Graveglia. Das Tempo halten wir heute bewusst niedrig, auch die Gespräche passen sich an die Vorgabe "Ruhetag" an. Woher die Müdigkeit rührt, ist heute nicht ganz auszumachen. Neben den langen Touren der letzten Tage schlägt für den ein oder anderen auch die gestrige Nachtetappe in der Cantina Reggiana zu Buche, die wieder einmal mit ihrem fantastischen Antipasto Misto al Mare zum Verweilen eingeladen hat. Eine gewaltige Verbesserung gegenüber dem Vorjahr: Cantina Reggiana vor dem Ruhetag, Abfahrt erst um 10 Uhr.
Der Colle della Chiappa entpuppt sich dann als äußerst unruhetagesk, rampt er sich doch auf 2,75 km und 250 Höhenmetern gehörig. "Boah, ist das steil", gibt Denis zu bedenken, den wir heute aus Gruppe 1 ausleihen. "Das ist eine nörgelfreie Gruppe", erwidert Norbert trocken. "Tolle Streckenwahl, Jan!", korrigiert Denis pflichtbewusst. Oben werden wir mit tollen Blicken auf Sestri und das Mittelmeer belohnt. Eine verwinkelte Abfahrt später biegen wir in Ponzerone nach links in Richtung Tassani ein. "Das war ein richtig geiler Ruhetagsanstieg", lobt Denis oben, und lobt weiter: "sensationelles Wetter hier in Ligurien. So toll, diese milden Temperaturen im März. Hammer!"
Noch mehr Hammer ist die heute morgen noch von majortom fernerkundete Caffè la Piazetta in Casarza Ligure, wo wir entspannt bei zwei caffè und guten Panini sitzen. "Das ist Urlaub", findet Norbert. Hier muss man niemandem erklären, wie Urlaub geht. Tolle Gruppe!
Kurzentschlossen streiche ich Santa Giulia und nehme stattdessen den Monte San Giacomo ins Programm, der eigentlich für Gruppe 1 vorgesehen war. Da ich die Etappe aber "Für Denis" getauft habe, muss auch meine Gruppe zwei nun da durch: Also Panoramica statt Santa Giulia und hoch bei sanften sechs Prozent nach Cogorno. Die sagenumwobene Schlussrampe zum 2010 von Peter K liebevoll "Monte Scheißdrecks" getauften Schlussanstieg ist Fun Type II: schön hinterher. Und schön auch dank der tollen Blicke hinab auf Chiavari in der Sonne vor dem saphirblauen Mittelmeer.
Kurz vor dem am Horizont dräuenden Starkregen erreichen wir das rettende Ziel nach einer wunderbaren Ruhetagsetappe à la quäldich in Ligurien.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Ein bisschen Rad müssen wir heute fahren, um uns diese Pause zu verdienen. Wir fahren flach und locker das Val Fontanabuona hoch, dann den Colle Caprile Richtung Küste, runter nach Recco und auf der Via Aurelia zurück nach Chiavari.
Aber auf keinen Fall den Abzweig in die Felsenbar verpassen, ein absoluter Geheimtipp und wohl die schönste Pausen-Location Liguriens.
Von majortom – Nach dem Ruhetag geht es heute wirder in die Berge - am Passo di Portello und im hübschen Bergdorf Barbagelata überschreiten wir erneut die 1000-Meter-Marke. Zunächst folgen wir dem Val Fontanabuona, dann sind wir schon im längsten Anstieg des Tages zum Portello. Es geht hinab ins Trebbia-Tal, wo wir bei der Mittagspause in Montebruno abermals so richtig schlemmen können. Der pranzo di lavoro, das Arbeiter-Menu, ist regelmäßig ein kulinarischer Höhepunkt der Woche. Dann geht es hinauf nach Barbagelata, von wo aus wir bei gutem Wetter die Seealpen sehen können. Die Abfahrt über den Passo della Scoglina zurück ins Val Fontanabuona ist rasant und kehrenreich, die Ausblicke von der Passhöhe noch einmal ein Leckerbissen.
Von Jan – Das Wetter ist nicht in der ganzen Woche stabil vorhergesagt, und daher müssen wir heute eine der drei wichtigsten Etappen vorziehen, so lange das Wetter noch hält. Gestern Abend habe ich in der Reiseleiteransprache gesagt, dass man drei Dinge sehen muss in einer Ligurienwoche mit quäldich: den Tomarlo, das Pranzo di lavoro in Montebruno und die Cinque-Terre-Etappe. Da die Tomarlo-Etappe gestern lang und hart war, und die Cinque-Terre-Etappe eine weitere Königsetappe wäre, wählen wir für die heutige Etappe die klassische Portello-Barbagelata-Runde mit Pranzo di lavoro in Montebruno. Als Dessert kann, wer will, noch den Romaggi wegsnacken. Mit 2150 Höhenmetern ist die Dessert-freie Variante auch entspannte-Gruppen-konform, mit Romaggi sollte wirklich jeder genug aus diesem weiteren schönen Tag heraus kommen.
Anders als gestern, als wir kalt kalt und lange flach ins schattige Sturlatal fuhren, können wir uns heute auf der Panoramica Richtung Leivi warmfahren. Wundervolle Blicke Richtung Sestri versprechen einen schönen Tag.
Kurz darauf fahren wir mal wieder ins Fontanabuona, hoch bis Gattorna, wo wir uns am Brunnen am Abzweig zum Portello die Flaschen füllen. Nun liegen 900 der schönsten Höhenmeter der Region auf dem Schirm. Seltsamerweise finden alle Einheimischen den Portello nicht sonderlich interessant. "Nur im Wald" hört man da, oder "schlechter Belag". Stimmt auch beides, aber der Wald ist noch laubfrei und der Belag ist so schlimm nicht, dafür ergeben sich zunächst durch den Bewuchs hindurch und im oberen Teil freie Blicke aufs Meer. Ganz oben an der Kapelle sehen wir Korsika, Elba und Capraia im Mittelmeer liegen. Auch ein Novum hier oben!
Solcherart beflügelt tasten wir uns die wirklich schlechte Abfahrt ins Trebbiatal hinunter. Erst nach zweimal rechts Abbiegen erreichen wir die SS45 und somit wieder sicheres Terrain, dem wir leicht wellig bergab folgen. Schon reiten wir in Montebruno ein, wo Gruppe 1 schon auf der Straße in der Sonne sitzt und das Pranzo di Lavoro genießt. Das Pranzo di lavoro, das Arbeitsessen, ist die italienische Institution, die jedem Dorf im Hinterland eine Osteria, eine Trattoria oder ein Restaurant garantiert: bei den öffentlichen Bauvorhaben ist das Essen der Arbeiter in der örtlichen Gastronomie eingepreist. Wir profitieren davon und essen Nudeln, Gnocchi, Braten, Schnitzel, Bohnen, Salat und Reiskuchen.
Solcherart beschwert machen wir uns an einen der ikonischsten Anstiege der Region: Barbagelata. Die Straße ist im Gegensatz zum letzten Jahr nun auch asphaltiert, was einen Durchschnittssteigungspunkt abzieht. Es läuft! Es läuft, bis wir vom sensationellen Alpenpanorama ausgebremst werden. Seit gestern sind wir uns nun sicher, dass wir bis in die Cottischen Alpen sehen können: Der Monviso ist unverkennbar. Weiter oben sehen wir die Seealpen und die Cottischen Alpen im Cinemascope, kurz danach auf der anderen Seite Elba und Korsika. Wahnsinn. Da spielt es doch keine Rolle, dass mich der Wolf des Alkoholikerpärchens in Barbagelata fast anfällt, als ich der besseren Perspektive halber auf deren Vortreppe steige, um ein Gruppenfoto zu machen. Das leider wegen falscher Einstellungen misslingt.
Scoglina in der Abfahrt: einfach ein Traum. Und danach noch über den Romaggi. Hier fährt Marco Sanguineti hinter uns in den Anstieg hinein, wie sich herausstellt der Onkel zweiten Grades unserer Hotel-Gastgeberin und bestens bekannt mit allen Hotelmitarbeitern. "Der heutige Radsport hat keine Seele mehr", berichtet er mir auf italienisch. Als er noch Rennen gefahren sei, sei das anders gewesen. Marco ist 80, und wir fahren ziemlich schnell. Mein Held!
Solcherart inspiriert greife ich am finalen Anstieg zur Kirche in Leivi an. Ich habe ein neues Ziel: 34 Jahre habe ich noch, um so stark wie Marco zu werden. Aber vorerst bin ich auch mit der heutigen Etappe sehr zufrieden.
Urprüngliche Etappenbeschreibung
Weniger Dopplung mit mehr Strecke und mehr Höhenmetern, und dem zusätzlichen Anstieg zum schönen Passo della Crocetta. Dazu einmal mehr über die Via Aurelia am Mittelmeer entlang nach Westen. Noch schöner!
Von majortom – "Heute fahren wir die zweite Königsetappe in die Cinque Terre." Eine Aussage von Reiseleiter @Jan, die zumindest bei den Teilnehmer*innen der entspannten Gruppe für leichtes Stirnrunzeln sorgt. Ist es denn nicht gerade die Defintion von "Königsetappe", dass es davon nur eine gibt, nämlich die längste, schwerste und prestigeträchtigste? Leistet sich denn die Tour de France neben dem obligatorischen Gemetzel hinauf nach Alpe d'Huez (nachdem bereits zuvor zwei hors catégorie-Pässe befahren wurden) denn noch eine zweite Königsetappe? Es kann schließlich auch nur einen König geben...
Völlig egal, sagt Jan. Bei quäldich machen wir unsere eigenen Regeln. In einer Woche Saisonauftakt in Chiavari muss man drei Dinge mitgemacht haben: die erste Königsetappe über den Passo del Tomarlo tief hinein ins Hinterland des Apennin (sensationell!), das Arbeiteressen pranzo di lavoro (mittags, mit Primo, Secondo, Vino und Caffè; vermutlich an beliebiger Stelle, hier konkret aber in Montebruno zwischen Passo di Portello und Valico di Barbagelata – pranziös!) und die zweite Königsetappe in die zwar massentouristisch erschlossenen, aber deswegen nicht minder schönen Cinque Terre. Die ersten beiden Punkte haben wir abgehakt, aber die Cinque-Terre-Liste fehlt uns noch auf unserer ligurischen bucket list. Und so wurden unsere Teilnehmer*innen gestern mit der Aussicht auf einen erneuten Husarenritt konfrontiert. Wie jetzt – schon wieder 135 km mit 2700 Hm?
Man kann vieles über die entspannte Gruppe unserer diesjährigen Chiavari-Woche sagen (natürlich nur gutes), aber nicht, dass sie nicht ihrem Guide vertrauen wurde. Schon die erste Königsetappe zum Tomarlo wurde der Gruppe untergejubelt, indem Jan beim zuständigen Guide nachgefragt hat: "Schaffen das deine Mädels und Jungs?" Was der zuständige Guide – in Personalunion auch der Autor dieses Berichts – natürlich sofort bestätigt hat. Natürlich schaffen die das. Das Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit. Der Guide vertraut seiner Gruppe. Die Gruppe vertraut dem Guide. Und macht (wenn auch nicht ganz ohne zaghaften Widerspruch) alles mit. Danke dafür. Danke für euer Vertrauen. Die wunderschöne Tomarlo-Etappe mit Jahrhundertsicht in die Cottischen Alpen hat hoffentlich das gegenseitige Vertrauen gelohnt. Und heute wird es genauso sein.
Womit wir beim Guide und Berichterstatter wären, der pünktlich um 8.30 Uhr seine Gruppe aus Chiavari hinaus führt. In gemächlichem, in entspanntem Tempo natürlich, denn wir haben viel vor uns. Ganze zwölf Jahre ist es her, dass ich das letzte Mal hier war. Lustigerweise haben wir erst im Laufe der Woche rekonstruiert, dass auch Hans-Dieter* damals schon von der Partie war und nun nach einer zwölfjährigen quäldich-Pause wieder hochmotiviert am Start steht. Beziehungsweise eben nicht, denn er gehört zur Splittergruppe, die lieber mit dem Zug nach Monterosso abkürzt und erst zur Mittagspause im Cinque-Terre-Dorf Vernazza zu uns stößt. Erodiert hier etwa das gegenseitige Vertrauen? Ganz und gar nicht. Eher eine Vernunftentscheidung nach schon fünf mehr oder weniger harten, ereignisreichen, wunderschönen Tagen hier im ligurischen Apennin!
Wie dem auch sei. Wir cruisen heute ohne Panoramastraße nach Sestri Levante; die zusätzlichen Höhenmeter hätten den ambitionierten Rahmen der Etappe wohl gesprengt. Durchs Val Petronio halten wir auf den Passo della Mola zu, der sich vor allem durch den Stuhl auszeichnet, den Susanne an einer Bushaltestelle findet und sogleich nutzt, um sich in entspannter Fasson als humanen Wegweiser an der letzten, nicht-intuitiven Abzweigung zu postieren. Eine lange Abfahrt, eine rumpelige Talpassage, ein Nupsi, ein weiterer Anstieg, und wir stehen auf dem Passo di Termine, wo die Höhenstraße oberhalb der Cinque Terre abzweigt.
Apropos 2011, tief in meinem Langzeitgedächtnis schlummern Erinnerungen an eben jene Etappe, die wir damals auch schon gefahren sind, allerdings ohne Cinque Terre-Abstecher. Was – wie schon der erste Kilometer auf der Höhenstraße zeigt – wohl ein grober Fehler war. Etwa 500 Höhenmeter unter uns das Mittelmeer, dann auch noch Ausblicke auf das malerische Monterosso. Auf Anhieb schafft es dieser kurze Abschnitt auf meine Top-drei-Liste der europäischen Küstenstraßen. (Die quäldich-Community darf gerne fachsimpeln, welche Küstenstraßen wohl sonst noch drauf stehen...)
Dann die Abfahrt nach Vernazza. Tiefblicke auf das malerische Dorf, in die Bucht gebaut mit seinen bunten Häusern, der kleine Hafen, eine Befestigungsanlage an der Hafeneinfahrt. Fotoapparate werden gezückt. Jan hat vorgewarnt, dass unten in Vernazza der Kulturschock droht. Touristenmassen, die mit der Bahn dorthin strömen, den Ort überfluten, Fluchtreflexe auslösen. Ich finde: wir als Touristen dürfen uns nicht darüber beschweren, dass auch andere Touristen einen besonderen Ort ansteuern. Die Touristenmassen sind schließlich nicht immer nur die anderen. Ein wenig moralisch überlegen dürfen wir uns jedoch dennoch fühlen, denn nur wir mussten uns auf dem Weg dorthin über eine Straße durchschlagen, die gerade frisch asphaltiert wird. Die Bauarbeiter scheinen nichts dagegen zu haben, dass wir unsere Räder über den frischen Asphalt tragen – danke für diese doch eher gechillte Einstellung zu ihrem Werk!
Wie erwartet: wir sind nicht die einzigen Touristen dort. Schön ist es trotzdem, die Mittagspause mit Focaccia und Panini direkt oberhalb der anbrandenden Wogen auf dem kleinen Platz an der Bucht zu machen. Es halt sich gelohnt. Telefonisch berichtet Jan von der mörderisch steilen Alternativroute zur Asphaltierungsbaustelle, so dass wir recht schnell Einigkeit herstellen: Wir schmuggeln uns einfach nochmal durch die Baustelle. Was mit einem traumhaften Anstieg zurück zur Höhenstraße belohnt wird.
Der Rückweg wird dann ein wenig zäh. Liegt wohl (wer hätte das gedacht) an der Königsetappe. Der zweiten Königsetappe und den schwindenden Kräften. Abfahrt nach Levanto. Und wieder rauf zum mit vom Reiseleiter mit großen Vorschusslorbeeren bedachten Pantani-Brunnen. Es stellt sich leider heraus: der lokale Rennradclub hatte leider keine rosa Farbe mehr, um ihn neu zu streichen und hat sich stattdessen für einen undefinierbaren hautfarbenen Farbton entschieden. Das Wasser gibt trotzdem neue Kraft. Wir warten noch ein wenig, bis Jasper* wirklich alle mitgebrachten Klamotten aus seinem Rucksack für die Abfahrt angelegt hat, dann geht es über eine schöne Kammstraße zum Passo del Bracco an der Via Aurelia und in die noch nicht ganz asphaltierte bis frisch asphaltierte Abfahrt nach Sestri Levante. Wo sich der Kreis der zweiten Königsetappe schließt. Und wir euphorisiert und glücklich nach Chiavari zurückrollen.
Anschließend durfte erneut Luchin seine Kochküste zeigen. Farinata, Pesto-Trofie, Fleischmassaker, Kastanienkuchen. Fünftes Königsabendessen nach der zweiten Königsetappe.