Von Jan –
20. Juli 2006. Heute heißt es früh aufstehen, denn die morgendliche Einsamkeit des Gaviapasses wird sehr schnell von Horden von Motorradfahrern gestört. Am heutigen Donnerstag wird dies nicht ganz so schlimm sein, aber bei diesem Anstieg wollen wir kein Risiko eingehen. Schließlich gehört er zu den allerschönsten der Alpen.
Nach dem Frühstück geht es dann so schnell wie möglich los auf den von Ponte di Legno ausgehenden Gaviapass.
Glücklicherweise erweist sich der Anstieg auf den ersten Kilometern noch als angenehm, so dass wir uns noch etwas einfahren können, bevor die Passagen mit 14-16% Steigung einsetzen. Die allerdings finden in einer so schönen Landschaft statt, dass man sie kaum bemerkt - wenn man ausgeruht ist, was diejenigen von uns, die gestern Opfer des Mord am Mortirolo geworden sind, sicherlich nicht von sich sagen können.
In beide Richtungen sind tolle Aussichten zu erwarten - nach Hinten auf das Adamello-Massiv, nach Vorne auf die karge Bergwelt, wie sie die Lombardei nicht besser kennt. Die nur noch 2 Meter breite Straße steuert Weiteres zum Passerlebnis bei. Nachdem wir den unangenehmen, dunklen Tunnel mit Rücklichtpflicht durchfahren haben, eröffnen sich unter uns in den drei Serpentinen zur Passhöhe Ausblicke, die zu den beeindruckendsten der Alpenwelt gehören: auf den Lago Nero, der sich mit seinem grünen Wasser in das hochalpine Gelände einfügt.
Auf der Passhöhe erinnern Devotionalien im Hospiz an vergange Giro d'Italia-Etappen. Hier werden wir hoffentlich früh genug sein, so dass der Trubel sich noch in Grenzen halten sollte.
Die Abfahrt nach Bormio ist bis Sta Caterina auch unglaublich schön, wenn auch nicht ganz so spektakulär wie die von uns bewältigte Auffahrt.
In Sta Caterina haben wir die Möglichkeit, unsere leeren Kohlenhydratspeicher aufzufüllen, so dass wir dank der weiteren, noch leicht abschüssigen Strecke bis Bormio nicht überfüllt den nächsten Anstieg zum Stilfser Joch angehen müssen.
Die auf 21 km verteilten 36 Kehren zum Joch sind ein weiteres, hauptsächlich straßenbauliches Highlight. Doch nach Bormio geht es zunächst durch zwei noch nicht mitgezählte Kehren zum Abzweig ins Valdisotto, den wir aber links liegen lassen und der Stelvio-Passstraße folgen.
Nun wird es schon steiler, aber einige Kilometer sind keine weiteren Serpentinen zurückzulegen.
Einig Serpentinengruppen werden durchfahren, bevor die Straße in einen recht engen Taleinschnitt eintritt, den wir rechts am Hang befahren. Hier können wir vor uns schon den Talschluss aufragen sehen, in den die meisterlichen Straßenbauer des 19. Jahrhunderts eine kühne Serpentinentrasse eingebaut haben, in der die meisten der 36 Kehren durchfahren werden.
Mittels dieser Trasse wechseln wir auf die Linke talseite, auf der wir zunächst wieder geradeaus bis zum Abzweig des Umrailpasses fahren. Wer noch einen Pass in seine Sammlung aufnehmen will, kann hier links abbiegen, um die letzten 25 Hm in Angriff zu nehmen. Wer in Eins zur Passhöhe durchfahren möchte, wartet dann an der Passhöhe Stilfser Jochs, die von hier schon gut einsehbar ist. Auf den letzten 3,5 km sind noch 269 Hm zu überwinden sowie 6 Kehren zu durchfahren.
Oben können wir die grandiose Aussicht auf den Ortler und die klassische Strecke von Prad in aller Ruhe genießen, denn das Tagwerk für heute ist vollbracht!
Die 26,5 km lange Abfahrt bis Prad ist dank der 48 Kehren schwindelerregend und bietet immer wieder begeisternde Ausblicke auf den Ortler.
In Prad angekommen fahren wir vornehmlich auf dem Vinschgau-Radweg noch 22 km durch die sonnigen Kulturlandschaften des Vinschgaus hinab bis Morter.
Nach diesem harten Tag werden wir froh sein, nach der Dusche die müden Glieder noch in Sauna und Pool entspannen zu können, bevor wir zu Tisch gehen und danach wie jeden Abend den Tag in gemeinsamer Runde ausklingen lassen.
Die nächsten beiden Tage sind mit je einem Pass leichter als die zurück liegenden. Wem das nicht reicht, kann morgen noch einen Anstieg einbauen: den Hammeranstieg der Ötztaler Gletscherstraße zum Tiefenbachferner.
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren