Von Greenhorn –
Ich fuhr also von Steffisburg in Richtung Schallenberg. Eitel Sonnenschein, keine Wolke am Himmel - und, weil frühmorgens, noch angenehm kühl. Wie froh war ich, endlich unterwegs zu sein. Auf meiner geplanten Tour.
Während dem ich meine Gedanken ein bisschen umher schweifen liess und mich dabei fragte, wie ich mich wohl beim steilsten Pass (Pragelpass, Tag 2) motivieren könnte falls ich einen Hänger haben würde, wurde mir so richtig bewusst, was für eine Motivierungsmöglichkeit schon nur Insekten haben können. Eine verdammte Bremse hatte es sich auf meinem Gesäss bequem gemacht und dabei entschieden, gerade Dort ihr Frühstück einzunehmen. Ein Stich - und ich war in nullkomanichts in der nächsten Haarnadelkurve hinaufgesprintet, wo ich mich daran machte, mit Anti-Brumm (ein Swiss-Quality-Insektenschutzmittel) forte von Kopf bis Fuss zu besprühen. Sauviech...
Kurz danach war die Passhöhe erreicht, und ich konnte das erste "Gipfelfoto" schiessen. Auf der anderen Seite gings wieder runter (nein, im Ernst...?) nach Schangnau, wo mich eine boshafte Gegensteigung erwartete, die mich ins Entlebuch führen würde.
Dort gings so richtig schnell vorwärts: Die leichte Hangneigung mit Rückenwind brachten mich schnell nach Entlebuch, wo ich um ca. elf Uhr (und bei 32°C...) auf den Weg zum Glaubenbergpass machen konnte. Es dauerte nicht lange bis ich merkte, dass die 25er Ritzel hinten nun definitiv ein klein wenig hoch gepokert war... Ein 27er Ritzel wäre eindeutig die bessere Wahl gewesen. Denn während ich versuchte, meine Tachoanzeige aus Scham nicht anzublicken, schmelzte ich beinahe in der Sonne und nutzte jede schattige Gelegenheit aus, einen kurzen Augenblick aus den Pedalen zu kommen.
In Finsterwald angelangt nahm ich eine kleine Stärkung zu mir und fuhr weiter. Wie schön konnte ich die 150 Meter, welche ich gerade unter grössten Qualen (na gut, das war jetzt vielleicht ein bisschen übertrieben...) bewältigt hatte, nun wieder hinuntereiern. Dann verlief der Strassenlauf aber relativ gnädig durch Wälder und Kuhweiden bis zur (unverständlicherweise noch) ungeteerten Passhöhe. Dort gabs erst einmal ein Foto, eine Limo und ein leckeres Schinkensandwich. Da es erst zwölf war entschloss ich, mich ein bisschen auf einer der Sitzbänke bequem zu machen und ein Nickerchen zu machen. Prompt schlief ich dreiviertelstunden ein. Nunja. Vielleicht war es hier oben angenehm warm. Ich wusste aber noch nicht, was mich in Sarnen erwarten würde...
Also schwang ich mich wieder auf den Sattel, fuhr im Fahrtwind hinunter und war dabei erstaunt, dass das Fahrfeeling eher einem Ausflug in einem Hochofen glich als einer Abfahrt von einer Passhöhe. Kein Wunder: In Sarnen wars laut Thermometer 35°C warm. Und dabei hatte ich den härtesten Brocken noch vor mir: Der Ächerlipass. Ein Teufelskerl. Nie unter 10%, einige 18%-ige Stellen. Das waren die Eckdaten die ich kannte.
Die Realität aber war viel Schlimmer...
Zuerst musste ich aber mal meine Bidons füllen. Doch weit und breit kein Brunnen! Was macht also ein durstiger Radfahrer in so einem Fall? Genau - er fragt einen Einheimischen, ob in dieser Gegend es wohl irgendwo Trinkwasser gäbe. Prompt wurde ich von einer älteren Frau (eine warmherzige Oma, wie mir später bewusst wurde) eingeladen, in ihrem Haus "nachzutanken". Ich wurde natürlich gleich der ganzen Familie vorgestellt. Da war zuerst der Ehemann und der Bruder, dann die Tochter und die Enkeltochter. Ich musste natürlich berichten, woher ich kam und wohin ich fuhr, wieso ich mich quälte und was das so für ein Gefühl sei, unter dieser Gluthitze zu fahren. Ich brauche wohl nicht weiter zu erläutern, dass ich grösstenteils log, um mich nicht lächerlich zu machen. Oder kennt ihr etwa Radfahrer, die bei 35°C freiwillif einen 13% Hang befahren...? (Jeglicher Sarkasmus in diesem Satz ist auch so gemeint...)
Nunja - die Zeit ging natürlich vorbei und ich hatte meine Bidons immer noch nicht gefüllt. Als dies dann eindlich (Mission Impossible...) bewerktstelligt war, wurde ich noch herzlich dazu eingeladen, die "Reste" des Mittagessens (eine äusserst kulinarisch-diätetisch leichte Angelegenheit: Röschti mit Speck) am Tisch einzunehmen. Mit grösster Mühe konnte ich sie davon abhalten, mich noch zu einem späten Mittagessen einzuladen. Doch es ging weiter...: "u Banaana, wänd d'ihr kaini Banaaane? ... Nai? ... Würkli nit? ... Chünd mir suscht nüt aabieta?" Nein, nein - wirklich nicht, ich will nichts! Versucht mal, dies einer wirklich herzlichen Familie höflich beizubringen...! Ich musste beinahe patzig werden, um endlich meinen letzten Pass an diesem Tag befahren zu können... Aber - unter uns: Wie schön sind doch diese Momente als Radfahrer, nicht?
Ich fuhr also endlich den Ächerlipass hoch. Unter sengender Hitze. Unter Qualen. Und bald unter Schatten. Tatsächlich windet sich die Strasse nach einigen (bocksteilen) Metern in der Sonne kurz danach in einen Wald, der bis 200 Meter vor der Passhöhe Schutz vor der Sonne bietet. Zum Glück auch. Denn die 10 Steigungsprozente werden nirgends unterboten!
Hat man sich dann hier hinaufgequält, so würde mann erwarten, dass doch irgendwo an der Passhöhe ein Schild - oder wenigstens eine Höhenangabe zu finden ist. Doch nein, nichts! Ich hatte ja auch keine Empfangsgesellschaft mit Trommel, Trompeten und Feuerwerk erwartet. Aber dass ich oben ankomme und die Passhöhe einfach daran bemerke, dass die Strasse wieder runtergeht - das fand ich äusserst unbefriedigend.
Nunja - wenigstens war die Aussicht auf die Zentralalpen wunderbar.
Es dauerte aber nicht lange, als die ersten grösseren Quellwolken voller Regentropfen siche langsam anschlichen - so beschloss ich, für heute erstmal nach Beckenried runterzufahren um erst dort auszuruhen.
Das Bed and Breakfast in diesem kleinen Dorf (kurz nach Buochs) hat 3*-Niveau! 5 Riesige Zimmer, alle mit Dusche/WC ausgestattet, gerade neu gebaut und mit schöner Aussicht. Eine Empfehlung meinerseits!
Nachtessen gabs im nebenstehenden Hotel Sternen auf der Seeterasse. Mit einer Kugel Mangoeis liess ich den Abend ausklingen.
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren