Von majortom – Das Abenteuer Montenegro startet und endet in Podgorica und führt in sieben Etappen quer durchs Land. Die wunderschöne Bucht von Kotor ist ebenso dabei wie die Küstenregion an der Adria, oder die einsamen Karstlandschaften des nahezu unberührten Hinterlands.
Streckenänderungen vorbehalten!
quäldich-Reise Montenegro-Rundfahrt
Dies ist die offizielle Strecke der quäldich-Reise Montenegro-Rundfahrt vom 4. bis 12. September 2021.
Von majortom – "Pläne sind dazu da, sie über den Haufen zu werfen", ist eine Weisheit, die gerne mal bemüht wird, um Unzulänglichkeiten bei der Planung von was auch immer zu kaschieren. Tatsächlich sind es auch die ersten Worte, die ich bei der Begrüßung zur Startetappe unserer diesjährigen Montenegro-Rundfahrt verwende. Wobei der Grund dafür kein Dilettantismus unserer Planugsabteilung ist, sondern einfach offenbar, dass einem selbst bei noch so guter Vorbereitung immer etwas dazwischenfunken kann. In unserem Fall die Amtseinführung des neuen Oberhauptes der Serbisch-Orthodoxen Kirche in Montenegro, die zu gewaltsamen Protesten geführt hat, weil montenegrinische Nationalisten darin eine Provokation durch Serbien sehen, dass die Amtseinführung in Cetinje, der historischen Hauptstadt des Landes, durchgeführt werden sollte. Näheres dazu z.B. unter tagesschau.de.
Zum Glück für uns ist von den Ausschreitungen außerhalb von Cetinje eigentlich nichts zu merken. Zum Pech für uns sollte die eigentliche Etappe jedoch über Cetinje führen. Dank der kompetenten Informationen durch unsere lokalen Partner Igor und Danilo können wir jedoch vermeiden, uns unverhofft zwischen brennenden Reifenstapeln und fliegenden Molotov-Cocktails wiederzufinden. Das ganze bedingt nur einen Plan B in Form einer Alternativroute, die Cetinje vermeidet. "Don't worry - it will also be beautiful", sagte Igor gestern. Heute wissen wir: er hatte recht.
Und so führt unsere Auftaktetappe heute nicht nach Südwesten, sondern nach Süden, am Flughafen vorbei auf den wunderschönen Skutarisee zu, den wir eigentlich erst auf der Schlussetappe in einer Woche hätten zu Gesicht bekommen sollen. Leider haben wir auf diesen Auftaktkilometern eine ungewöhnlich hohe Defektquote zu beklagen, die vor allem auf den Berichterstatter zurückgeht, der mit zwei Hinterradplatten die heutige Pannenwertung ganz klar anführt. Aber man wächst ja mit seinen Aufgaben, und zumindest beim zweiten Mal wechsle ich den Schlauch (und den Mantel) im Straßengraben sogar fast halb so schnell wie quäldich-Chef @Jan. Der dritte Platten des Tages beschert uns dann immerhin einen Fotostopp am Skutarisee-Ufer.
Unerwartet ist durch den Etappentausch der Poljice als erster Pass der Rundfahrt auf den Speisezettel gerückt. Etwa 500 Höhenemter auf 15 Kilometer klingen nicht nach besonders viel Arbeit, aber durch die unregelmäßige Steigung entpuppt der Pass sich doch als vergleichsweise harte Nuss. Für Platten Nummer vier des Tages haben wir uns dann immerhin einen traumhaften Aussichtspunkt oberhalb des Skutarisees ausgesucht, wo wir einen amerikanischen Pannenhelfer aus Pittsburgh, Pennsylvania gleich gratis dazu bekommen - er muss seinen Jahresurlaub in Europa leider ohne sein Rennrad und mit seiner Familie bestreiten, vermisst wohl den Straßenstaub an seinen Fingern und assistiert uns ("Do you need help?") mit Handlangerdiensten und Gratisratschlägen. Natürlich wurde er darauf hingewiesen, wer sein erster Ansprechpartner sein sollte, falls er sich mal für eine guided tour in Europa entscheiden sollte...
Somit sind wir weit hinter dem Feld und rollen ganz entspannt die finalen Kilometer hinauf zur Passhöhe und zur Verpflegung, die Local Hero Danilo, der anscheinend jeden Quadratzentimeter Asphalt Montenegros kennt wie seine Westentasche, an einen traumhaften Aussichtspunkt oberhalb der Adria verlegt hat. Durch den Plan B bekommen wir also immerhin mal das Meer zu sehen! Das Speisenangebot lässt nichts zu wünschen übrig, als hätte Danilo sein Leben lang nichts anderes gemacht als quäldich-Verpflegungen. Herzlichen Dank!
Die Etappe führt dann an der Adriaküste entlang Richtung Budva, dem badetouristischen Hotspot des Landes. Ein welliges Profil entlang der Küstenstraße in der Mittagshitze, und so bremse ich nach einer kurzen laissez-faire-Phase meine sich inzwischen formierte entspannte Gruppe ein wenig ein, damit wir uns nicht völlig kaputt fahren. Der Abschnitt entlang der Küste ist leider geprägt von einigen Nahtoderfahrungen durch überholenden Schwerlastverkehr. Dabei war es eigentlich sehr schön, am Meer entlang zu cruisen. Hinter Budva nimmt der Verkehr dann etwas ab, aber die Hitze macht uns zu schaffen, weswegen ich vor dem abschließenden Anstieg hinüber zur Bucht von Kotor nochmal eine Cola-Pause vorschlage, die auch begeistert angenommen wird.
Zwölf Prozent Steigung auf dem kurzen Abschnitt hinauf nach Trojica hat uns Danilo versprochen, und natürlich hatte er recht. Aber natürlich meistert die entspannte Gruppe auch diesen Anstieg mit einem Lächeln im Gesicht. "Das ist die Passhöhe", gebe ich bekannt, als wir dieselbe erreichen. "Das war ein Pass?" fragt Peter ungläubig zurück. Tatsächlich ist er Rennrad-Einsteiger und ist eigenen Angaben zufolge noch nie zuvor einen Pass gefahren. Und heute gleich zwei. Was für ein Einstand. Das Lächeln manifestiert sich dann in der atemberaubend schönen Abfahrt nach Kotor, als wir die steil über der Bucht aufragenden Felsen bewundern können. Die letzten Kilometer sind auch die schönsten des Tages. Nach kulturellem Kurzstopp in Kotor mit Eis geht es dann zum wunderschön am Strand gelegenen Hotel, wo die Bademöglichkeit sehr gerne wahrgenommen wird.
Urplötzlich mit Urlaubsfaktor - das auch noch!
Erkenntnisse des Tages:
- Wen stört schon ein Plan B, wenn man am Ende des Tages im Meer baden kann.
- Hoffentlich reicht unser Vorrat an Ersatzschläuchen.
- Schön hier!
Musikalische Untermalung:
Aufgrund der ersten Passerfahrungen von Peter (Jan, eine Weltpremiere!) wählen wir heute als Lied des Tages ein Meisterwerk der jugendlichen Subkultur seiner Heimatstadt Bielefeld, einem Revier ohne jede Möglichkeit zum ersten Rennrad-Pass des Lebens. https://youtu.be/4pNgPT1sD7A
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Gleich am ersten Tag befahren wir nicht nur einen der landschaftlich schönsten Abschnitte des montenegrinischen Straßennetzes, sondern statten auch einem kulturell-historisch bedeutsamen Ort einen Besuch ab: dem Njegos-Mausoleum auf dem Berg Jezerski Vrh. Es handelt sich um die Grabstätte des ehemaligen Fürstbischofs von Montenegro, der nicht nur geistliches und weltliches Oberhaupt des Landes, sondern auch noch dessen bekanntester Dichter ist. Die Etappe führt uns aus der Hauptstadt Podgorica hinaus, und eigentlich sind wir sofort in einem langgezogenen Anstieg, der über den Vorpass Dobrske Selo und die historische Hauptstadt Cetinje auf den Jezerski Vrh führt. Wirklich atemberaubend schön wird es dann, wenn wir die übereinander geschachtelten Serpentinen hinab zur Bucht von Kotor fahren, wo dann auch die Etappe endet.
Von majortom – Man soll uns ja nicht nachsagen, wir könnten nicht improvisieren. Also machen wir es heute einfach nochmal. Nun ja, ehrlich gesagt wurden wir zur Improvisation gezwungen, weil eine Verbindungsstraße von Danilovgrad nach Cetinje gebaut wird, und unsere geplante Route deswegen unpassierbar ist. Zum Glück haben wir Local Hero Danilo an Bord, der uns einen kompetenten Vorschlag für eine Alternativroute macht. Also keine Tour A und Tour B, sondern nur eine 124 km lange Etappe für alle mit immerhin 2500 Höhenmetern.
Der grandiose Anfang der Etappe bleibt jedoch glücklicherweise bestehen: der Anstieg zum Krstac über den sensationellen Serpentinenhang in der steil aufragenden Felswand oberhalb der Bucht von Kotor. 900 Höhenmeter Anstieg gleich zu Beginn, was aufgrund sehr regelmäßiger Steigung bei fünf bis sechs Prozent jedoch schlimmer klingt als es ist. Es waren Österreichische k&k-Ingenieure, die die Straße geplant und gebaut haben, als sie noch den kompletten Balkan unter ihrer Herrschaft hatten. Für diese sensationelle Straße (um nicht zu sagen: superleiwand) also vielen Dank etwa 1000 Kilometer nach Norden in die befreundete Alpenrepublik.
Je höher wir uns über die Bucht von Kotor schrauben, desto imposanter werden die Ausblicke, so dass mit zunehmender Höhe auch immer mehr gestaunt wird. Es ist auch einfach atemberaubend, die verschiedenen Arme der Bucht etwa 900 Meter unter uns zu sehen, und Meerblick haben wir auch. Ein Lebenshöhepunkt, würde Jan sagen.
Die Landschaft ändert sich schlagartig, als wir die Passhöhe des Krstac überqueren und auf die Njegusi-Hochebene abfahren. Und mit der Überquerung des folgenden kleinen Passes liegt uns dann auf einmal die komplette Bergwelt im Hinterland der Küste zu Füßen, vermutlich bis zur albanischen Grenze im Süden. Ein Traum, der nur getoppt wird von Danilos Verpflegung, schon im absoluten Niemandsland gelegen und unter strengen Blicken von drei kleinen Hunden, die wohl darauf hoffen, dass etwas Prošuta zu Boden fällt. Dabei handelt es sich um den Montenegrinischen Schinken, der zumindest in meiner entspannten Gruppe der absolute Renner am Buffet ist. (Ich habe keine Ahnung, wie man es schreibt, habe aber einfach mal Buchstaben mit Häkchen drauf eingebaut, in der Hoffnung, damit nicht allzu weit von der wahren Schreibweise entfernt zu liegen. Der eine oder andere Leser mag sich nun an die Pizza Prosciutto bei Luigi im Sportheim erinnert fühlen, und vermutlich handelt es sich dabei um denselben Ursprung...)
Schweren Herzens verlassen wir Danilo und begeben uns auf die Mystery-Straße, die aufgrund der Improvisation neu im Streckenplan ist. Es stellt sich heraus, dass es eine sensationelle schmale Straße durch einsame karlmayeske Landschaften ist, grandioserweise zumindest zum Anfang frisch asphaltiert und deswegen ein reines Vergnügen. Auf der ganzen 30 km langen Straße begegnen uns zwei Autos, ein Heutransporter und Danilos Verpflegungscruiser. Das wellige Profil ist zwar äußerst zäh, aber hinter jeder Kurve und hinter jeder Kuppe offenbart sich uns eine neue Ansicht des praktisch nicht besiedelten Karstgebirges. Vielleicht weniger spektakulär, aber genauso eindrucksvoll wie der Krstac-Anstieg. Es sieht immer so aus, als könnte plötzlich Winnetou auf dem Berggrat auftauchen, um Old Shatterhand mal wieder aus der Patsche zu helfen (die Filme wurden ja größtenteils in Kroatien gedreht, aber hier sieht es irgendwie höflich aus). Auch Margret fühlt sich an Karl-May-Filme erinnert, wir umschiffen das Thema in unserer Philosophiererei jedoch, als sich herausstellt, dass sie immer noch enttäuscht ist, dass Winnetou von einem Franzosen gespielt wurde.
Die Zivilisation erreichen wir wieder in Grahovo, wo ich einen dringenden Kaffeebedarf in der Gruppe disagnostiziere, und wir daher ein kleines Café ansteuern. Peter ist der Mann von Welt und fragt die freundliche Dame nach Cappuccino, das einzige Wort ihrer Antwort, das wir verstehen, ist "Nescafé". Daumen nach oben von Peter, während Margret und ich uns für Cola entscheiden. Im folgenden stellt sich unser Zwischenstopp als bestens geeignet aus, das montenegrinische Dorfleben zu studieren. Neben dem Nes-Café liegt nämlich der örtliche Getränkemarkt, vor dem sich die Nikšićko-Kisten stapeln. Auftritt einer jungen Frau in Adiletten, die ihren VW Passat davor mit laufendem Motor im Markt verschwindet. Gleich darauf hält auch ein Jeep mit mutmaßlich Vater und Tochter, die zwei leere Bierkästen ausladen. Während sich der Vater zu unserer Wirtin setzt, raucht und ein Schwätzchen hält, laden die Adiletten-Dame und die Ladenbesitzerin zwei volle Bierkästen in den Kofferraum des Jeeps. Hier herrschen wohl noch gefestigte Rollenmuster...
Wir haben genug von Sozialstudien und brechen auf. Ein paar hundert Höhenmeter auf der Hauptstraße in der Nachmittagshitze - der vielleicht härteste Teil des Tages. Doch auch das ist wieder vergessen, als wir auf Danilos geheime Abkürzungs-Nebenstrecke einbiegen, die uns direkt Richtung Niksic führt. Zwanzig Kilometer Flow hinab nach Niksic, und wir beenden die Etappe in Montenegros zweitgrößter Stadt, Heimat der größten (und einzigen?) Brauerei des Landes.
Musikalische Untermalung:
Aufgrund des Etappentitels, der fast schon so lang ist wie ein Etappentitel von Jan, wollte der quäldich-DJ uns und euch heute eigentlich eines von Jans Lieblingsliedern auflegen. Doch ein Schild an einem Restaurant kurz vor der finalen Abfahrt nach Niksic, das uns auf montenegrinisch (habe ich mit nicht gemerkt), englisch (Have a nice trip!) und komischerweise französisch (Bon voyage!) eine gute Reise wünschte, hat beim Berichterstatter einen Ohrwurm verursacht, den wir nun auch mit der restlichen Welt teilen möchten: https://youtu.be/OntgdM84SDQ
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Weil es gestern so schön war, machen wir es noch einmal anders herum: Wir starten mit dem herrlichen Serpentinenanstieg hinauf zum Krstac und ständig neuen Blicken auf den tiefblauen Fjord. Der Anstieg ist zwar lang, aber lediglich die Blicke sind atemberaubend. An der Passhöhe Krstac betreten wir dann Neuland. Es geht nach Norden über den Cekanje-Pass, und nach einem hügeligen Abschnitt hinab nach Danilovgrad. Ab hier könnten wir im Tal bis Niksic fahren. Wir meiden jedoch die Hauptstraße und schlagen uns stattdessen rechts in die Berge, dabei nehmen wir wahlweise noch den Anstieg zum Kloster Ostrog mit. Dann geht es nach Niksic, wo sich nicht nur unser Hotel, sondern erfreulicher Weise auch die größte Brauerei Montenegros befindet.
Von majortom – Die heutige Etappe von Niksic nach Zabljak über den Durmitor Sedlo ist eine Etappe, über die es sich eigentlich gar nicht lohnt, einen Bericht zu schreiben. Nicht weil es so lumpig gewesen wäre, dass wir besser alles unter den Teppich kehren. Ganz im Gegenteil. Weil es so sensationell schön war, dass es sich einfach nicht in Worte fassen lässt, und jeder Versuch sofort zum Scheitern verurteilt würde. Wenn der weit gereiste Berichterstatter sich nicht erinnern kann, schon jemals einen schöneren Pass gefahren zu sein, dann muss das (selbst wenn man vom Berichterstatter keine so hohe Meinung hat wie wir) doch schon etwas heißen.
Aber natürlich gibt es trotzdem noch ein paar Dinge zu berichten:
- Das heimelige Hotel Trim zu Niksic haben wir sowohl gestern an die Grenzen seiner Bier-, als auch heute morgen an die Grenzen seiner Kaffeevorräte gebracht.
- Die erste Etappenhälfte fordert uns nicht nur mit den ganzen Wellen, sondern auch mit Gegenwind. Aber Montenegro ist, wenn man auch trotz Gegenwind lächelt.
- Adrenalinschock, als wir in der Abfahrt an den Piva-Stausee in einen stockdunklen Tunnel einfahren. Was leider vermeidbar gewesen wäre, wenn ich die Hinweise von unserem Montenegro-Guru @bruckner13 besser gelesen hätte. Das kaputte Vorderrad nach einem zum Glück ohne Verletzung ausgegangenen Sturz geht damit wohl auf mein Konto... (Entschuldigung durch die Gruppe angenommen.)
- Dazu kommt es zu Danilos erstem Defekt-Einsatz. Er ist tatsächlich so schnell bei uns in Pluzine, dass wir gerade erst einen Kaffee bestellt haben. Das Ersatzlaufrad ist schnell montiert.
- Der türkisblaue Piva-Stausee bietet eine grandiose Kulisse, am schönsten von unserer Mittagsverpflegung an einem Aussichtspunkt oberhalb der Schlucht. Highlight heute: der Njeguši Sir, der bekannteste Käse in Montenegro. Schon jetzt ist eingetreten, was ich bereits in Podgorica prophezeit hatte: Danilo ist die mit Abstand beliebteste Person auf unserer Reise.
- Dann geht es in den Durmitor Sedlo. Fantastischer Pass. Das müssen unsere Leser uns einfach glauben (oder halt nicht), und im kommenden Jahr die Reise buchen, um sich selbst zu überzeugen. Wir sind alle überwältigt. Erst die schöne Passage oberhalb der Schlucht, dann die sensationelle Hochebene, und schließlich der hochalpine Abschluss. In diesem Zusammenhang möchte ich auch nochmal in Frage stellen, dass @Jan den Club 2K als die Königsdisziplin der quäldich-Lebensziele bezeichnet. Wie viel einem doch entgehen, wenn man sich nur auf die Alpen beschränkt...
Musikalische Untermalung:
Hätten wir keine Kohle und Angst vorm Fliegen, müssten wir unseren Urlaub womöglich in Frankfurt/Oder verbringen. Deshalb verlassen wir mit dem heutigen Lied des Tages die Sprechgesangs-Subkultur und wenden uns seichtem deutschen Pop zu. https://youtu.be/Mg3CdijJe24
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Wir verlassen Niksic Richtung Norden und durchfahren eine große Polje. In sanften Wellen steigen wir immer weiter bis zur Mittagsverpflegung an. Weiter geht es hinunter in die Piva-Schlucht auf die Brücke über den türkisblauen Stausee. Auf der anderen Seite, mitten in der vor uns stehenden Felswand, beginnt mit einem Tunnel der lange Aufstieg zum Durmitor Sedlo. Unten eine steile, abenteuerliche Straße mit weiteren kurzen Tunneln, im Mittelstück vorbei an idyllischen Weiden und Bauernhäusern und oben die karge Gebirgswelt mit schroffen Gipfeln. Die Abfahrt führt uns direkt in den Zielort Zabljak, wo wir zwei Nächte bleiben.
Von majortom – Auf quäldich-Reisen gilt: Es gibt keine Ruhetage. Es gibt nur Etappen, die zufällig dasselbe Ziel wie den Start haben.
Bei der Montenegro-Rundfahrt gilt das mit Einschränkung. Die heutige Etappe von Zabljak nach Zabljak führt erneut über den Durmitor Sedlo, den wir schon von gestern kennen. Er ist zwar so sensationell schön, dass man ihn am liebsten täglich fahren möchte, aber natürlich wäre es auch legitim, beispielsweise nur zum Stulac Sedlo hochzufahren und in die Tara-Schlucht hinunter zu schauen. Oder einen Termin im hoteleigenen Spa zu buchen - wenn man sich denn zur durchgestylten Kristina an die Rezeption traut. Unser Montenegro-Mastermind @bruckner13 hätte sicher noch mehr Vorschläge.
Die erste Entscheidung haben wir bereits gestern Abend mit großer Mehrheit getroffen: Wir verzichten auf Danilos Buffet, um ihm zu ersparen, den Verpflegungscruiser über die schmalen Straßen bis in die Susica-Schlucht zu steuern. Stattdessen freuen wir uns sehr, dass Danilo sich der sportiven Gruppe auf dem Rad anschließt, um Tom herauszufordern. Schon am Morgen setzt Danilo jedoch ein Statement, dass er keinen KOM kampflos aufgeben wird, indem er im Trikot der montenegrinischen Nationalmannschaft antritt.
Als ich in meiner entspannten Gruppe die Frage stelle, ob wir die reguläre Etappe oder die abgespeckte Variante fahren sollen, sagt Peter nur: "Da wo es am schönsten ist." Womit es entschieden ist: wir fahren die Durmitor-Runde. Und auch in Isas ausdauernder Gruppe votieren alle für die reguläre Etappe. Es gibt eben keine Ruhetage auf quäldich-Reisen.
Also hinauf in den Durmitor, zum Durmitor Sedlo. Wie das südbadisch-montenegrinische Duell weiter vorne abläuft, können wir von weiter hinten nicht beurteilen, jedoch haben einige die Gruppe verlassen und bei Isa angeheuert. Dafür lässt sich Ferenc heute zu uns in die entspannte Gruppe durchreichen, wo wir ihn herzlich willkommen heißen. Der Durmitor ist immer noch wunderschön, aber heute deutlich kälter. Am Malo Durmitor Sedlo, dem zweiten Hochpunkt, kommt es dann zu Selfies mit einer Pferde-Herde.
Eine lange Abfahrt später laufen wir in Trsa ein, das wir als Mittagspausen-Punkt auserkoren haben. Vier Portionen Cevapi (die sind wie Cevapcici, nur größer), wobei Peter sich von allen vier Portionen die Zwiebeln sichert. Mutig.
Dann betreten wir frisch gestärkt Neuland. Die zweite Etappenhälfte kennen wir noch nicht. Nach einigen Wellen identifizieren wir einen sensationellen Aussichtspunkt oberhalb der Susica-Schlucht. "Da müssen wir runter, und auf der anderen Seite wieder hoch", sage ich, was auf ein geteiltes Echo stößt. Man sieht sogar schon den Stulac und die unterhalb verlaufende Passstraße des Stulac Sedlo, wo wir auch noch hoch müssen. Ein hartes Stück Arbeit liegt noch vor uns; es lässt sich nicht leugnen.
Da hilft nur die Flucht nach vorne: runter in die Schlucht, zwischen imposanten Felsformationen durch. Und auf der anderen Seite in die steile Rampe, die uns wieder aus der Schlucht hinaus führt. 16 bis 17 Prozent sind eher untypisch für Montenegro, aber wir kämpfen uns tapfer aufwärts. Immerhin lohnt es sich, denn die Ausblicke sind auf der anderen Seite mindestens genauso schön. "Das haben wir echt geschafft?" fragt Zwiebel-Peter staunend.
Unsere Hochstimmung erleidet einen kurzen Dämpfer, als uns eine Person mitten auf der Straße auflauert, die sich als Nationalpark-Ranger bezeichnet, aber genausogut eine Chimäre aus Fake-Ranger und Wegelagerer sein könnte. Er will drei Euro pro Person. Da seine Tickets echt aussehen, investieren wir das Geld (es ist im Durmitor jedenfalls gut angelegt), und selbst wenn er uns hier nur abzocken will, müssen wir zugeben, dass seine Show gut ist, und er allein schon dafür die drei Euro verdient hätte. (Später erfahren wir von Danilo, dass er echt war, aber vermutlich dennoch den Betrag in die eigene Tasche gewirtschaftet hat.)
Der verbleibende Anstieg zum Stulac Sedlo entpuppt sich dann als enorm anstrengend. Kurze steile Rampen wechseln sich mit kurzen Flachstücken ab, man findet keinen Rhythmus. "Ich hätte mich am liebsten in den Straßengraben gesetzt und geheult", meint jemand später. "Ich auch", entgegne ich, "aber ich bin ja in offizieller Funktion hier." Es war wirklich hart, aber dennoch sind wir glücklich, als wir oben sind, denn wieder war es eine sensationelle Etappe, und nun breitet sich auch noch die sagenhafte Tara-Schlucht vor uns aus. Wir können stolz auf uns sein.
Musikalische Untermalung:
Da wir heute das Souvenir Jan Sahner, den höchsten Punkt unserer Tour überwunden haben, entscheider sich der quäldich-DJ heute hierfür: https://youtu.be/0wrsZog8qXg
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
In Zabljak, in unmittelbarer Nähe der tiefsten Schlucht Europas (der Tara-Schlucht), kann man auch andere Dinge erleben als Rennradfahren, beispielsweise eine Wanderung zu einem Aussichtspunkt 1000 m über der Schlucht. Aber wir sind zum Rennradfahren hier, und deshalb machen wir uns heute an eine schöne Rundtour durch den Durmitor-Nationalpark. Es geht zunächst nochmals über den Durmitor Sedlo, anschließend in die Susica-Schlucht, und dann über den Stulac Sedlo nach Zabljak zurück.
Von majortom – Wir radeln vom Norden in den Osten des Landes. 129km Abwechslung - auch ohne Städte: erst Nadelwald, dann menschenleere Steppe. Ein fruchtbares Tal hinunter. Alles wird grün. Im Wald wieder hoch zum einsamen Semolj-Pass, 20km rauschende Abfahrt in die Moraca-Schlucht. Nach einem kurzen Gegenanstieg runter zur Tara bei Kolasin, wieder hoch zum Tresnjevik. Und dann noch eine rauschende Abfahrt nach Andrijevica.
Von majortom – Jetzt also auch noch Albanien. Als hätte es nicht gereicht, sich in ein wunderschönes Balkan-Land mit traumhafter Gebirgskulisse allerorten einzuleben, in Montenegro. Jetzt müssen wir doch tatsächlich an Tag sechs unserer Reise nochmal umdenken, da es kein Niksicko mehr gibt, sondern Tirana. Dass wir inzwischen die "s" und "c" spielend auf der Tastatur finden, spielt auf einmal keine Rolle mehr. Stattdessen müssen wir nun einen Weg finden, "ë" zu tippen...
Bevor wir jedoch zu unseren Erlebnissen in Albanien kommen, muss ich erst nochmal erläutern, warum es gestern keinen Bericht mehr gab. Leider hat ein gemeingefährliches Gitter (und das ist völlig ohne Ironie so gemeint) ganz am Ende der Abfahrt vom letzten Pass einen unserer Teilnehmer zu Fall gebracht, und wir waren mit der Odyssee durch montenegrinische Krankenhäuser beschäftigt. Inzwischen befindet sich der Verletzte in guter Obhut in Podgorica, und wir wünschen von Herzen Gute Besserung!
Die heutige Etappe ist lang, mit 131 km sogar die längste unserer Woche, aber nicht ganz so höhenmeterreich wie die vorangegangenen. Wir starten also voller Neugier auf das zweite Reiseland Albanien, dem wir heute einen Besuch abstatten, nachdem Montenegro uns in den vergangenen Tagen bereits so begeistert hat. Die Erlebnisse, sie verblassen hier erstaunlich schnell, weil einfach ein Highlight das nächste jagt, sich in die Netzhaut bannt und die vorherigen verdrängt. Wir starten voller Vorfreude, die wir auf dem beginnenden flachen Abschnitt bis zur Grenze noch auskosten können. Tatsächlich entpuppt sich dann der Grenzübergang selbst als Highlight - wo können wir Schengen-verwöhnten Mitteleuropäer das denn noch erleben, dass man an einem Schlagbaum steht, und man sich den Pass auch mal genau anschaut? Die montenegrinischen Grenzbeamten gehen es jedenfalls ganz gemütlich an, müssen sie sogar, denn sie haben gerade keinen Strom. Kurze Zeit später ist der jedoch wieder da, und der Schlagbaum geht auf Knopfdruck auf, wir dürfen hundert Meter vorfahren, wo sich eine ähnliche Prozedur bei den Albanern wiederholt. Ob die Albaner wohl immer so neidisch auf die andere Seite rüber schielen, weil sie ihren Schlagbaum mechanisch von Hand öffnen müssen?
Wir dürfen also rein, und sind beinahe sofort im ersten Anstieg zum Qafa e Bordolecit - nur schwer auszusprechende Namen also auch diesseits der Grenze. Wir erwartet ist die Steigung unregelmäßig, es ist inzwischen heiß geworden, aber wir kurbeln souverän hoch zur Passhöhe. Die Nordseite des Passes ist ziemlich unspektakulär. Die Südseite dagegen ist atemberaubend schön. Dolomiteske Gipfel, bizarre Felslandschaften, und immer wieder verengt sich das Tal schluchtartig. Wir staunen.
Wir staunen auch, als wir beim Mittagessen im Restaurant kurze Zeit später ein Schmalzgebäck mit Honig serviert bekommen, das wir gar nicht bestellt haben. Aber ehrlich gesagt wissen wir gar nicht so genau, was wir bestellt haben, und da es hammerlecker ist, greifen wir beherzt zu. Kurze Zeit später stellt sich heraus, dass die Pancakes eigentlich für die Hybridgruppe sportiv-ausdauernd am Nachbartisch bestimmt waren. Aber auch sie sind satt geworden.
Die Abfahrt geht spektakulär weiter, und als wir im Tal angekommen sind, möchte niemand mehr über den inzwischen geöffneten neuen Grenzübergang nach Montenegro zurück. Wir nehmen auch gerne noch den zweiten Anstieg des Tages mit, den Lek e Hotit, der sich in schönen Serpentinen den steilen Abhang hinauf windet. Sensationell. Wir fühlen uns etwas schuldig gegenüber unserem montenegrinischen Gepäckfahrer Danilo, aber wir sind inzwischen nicht nur Montenegro-, sondern auch Albanien-Fans geworden. Plötzlich Donnergrollen, doch wir schaffen es noch rechtzeitig über den Berg, der hier wohl die Wetterscheide ist - auf der anderen Seite scheint wieder die Sonne. Und in der Abfahrt sehen wir den Skutarisee, dem die morgige Etappe gewidmet sein wird.
Etwas dreißig Kilometer fehlen noch bis ins Ziel nach Shkodër, und wir bemühen uns, sie im Flow wegzudrücken. Belgischer Kreisel war gestern, wir bevorzugen den albanischen Kreisel. Und kommen schon bald darauf zum verdienten Schmutzbier in der lebhaften albanischen Metropole.
Musikalische Untermalung:
Inspiriert von einem unserer Fotos hat der quäldich-DJ heute folgendes ausgesucht: https://youtu.be/o2swYMpljA8
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Eine lange Etappe wartet auf uns, dafür ist die Höhenmeter-Ausbeute moderat. Wir lernen ein weiteres Land des wilden Balkan kennen: Albanien. Die ersten 35 km verlaufen jedoch noch in Montenegro, gemächlich und immer leicht bergab entlang des tief ins Gebirge eingeschnittenen Tals des Flusses Lim. Sobald wir die Grenze überschritten haben, fahren wir dann bergauf, zum höchsten Punkt des Tages am Qafa e Bordolecit. Eine lange Abfahrt führt uns ins schöne Civenje-Tal, wo wir uns wieder der montenegrinischen Grenze näheren - der Grenzübergang ist zwar schon fertig gebaut, aber immer noch nicht in Betrieb. Wir möchten sowieso weiter nach Süden zum wunderschönen Skutarisee, müssen dafür aber nochmals einen schönen Serpentinenhang erklimmen, bevor es dann entlang des Sees flach nach Shkoder geht.
Von majortom – Zu den monumentalen landschaftlichen Highlights Montenegros gehört der Skutarisee, der auf unserer Landesrundfahrt natürlich nicht fehlen darf. Wir verlassen Shkoder und kehren nach Montenegro zurück. Es folgt ein Abschnitt mit ständigem Auf und Ab, was etwas zäh sein kann, aber die herrliche Panoramastraße oberhalb des Sees entschädigt uns dafür. Wir erreichen Virpazar am Westufer des Sees, nehmen einen letzten kurzen Anstieg zum Krusevica auf uns, und lassen die Etappe auf welligem Terrain bis Podgorica ausklingen.