Avignon–Budapest 2005 2478,0 km / 26791 Hm
Sistema Central, Alpen, Ligurische Alpen, Südtirol, Osttirol, Auvergne-Rhône-Alpes, Aostatal, Wallis, Tessin, Schwyz, Graubünden, Trentino - Südtirol, Venetien, Kärnten, Salzburg, Steiermark, Niederösterreich, Wien
Redaktionell bestätigte Tour von majortom
Von majortom –
Eine Tour quer durch die Alpen sollte es werden, daraus geworden ist dann auch eine Tour quer durch Europa. Mit dem Fahrrad haben Johannes und Tom, zwei Studenten aus Freiburg, im Sommer 2005 zwischen der Provencemetropole Avignon und der Donaumetropole Budapest sechs europäische Nationen bereist, über 2400 Kilometer zurückgelegt und 17 Alpenpässe bezwungen. Zurück gebracht haben sie neben vielen prägenden Eindrücken aus dreieinhalb ereignisreichen Wochen auch eine Geschichte von Höhen und Tiefen eines wahnwitzigen Unternehmens.
17 gefahrene Pässe
Stilfser Joch, Mont Ventoux, Albulapass, St. Gotthardpass, Ofenpass, Großglockner-Hochalpenstraße, Nufenenpass, Umbrailpass, Passo di Giau, Oberalppass, ...Einzelstrecken
Von majortom –
Irgendwo in den französischen Alpen, als wir schon fünf Tage unterwegs waren, haben Johannes und ich uns einmal ganz selbstkritisch die Frage gestellt, wie wir eigentlich auf die absurde Idee gekommen sind, mit dem Fahrrad die Alpen von West nach Ost zu durchqueren. Wir mussten wirklich eine Weile überlegen, wie dieser ehrgeizige Plan eigentlich entstanden war, aber schließlich haben wir uns dann wieder an einen Dialog erinnert, der irgendwann im Februar zu Hause in Freiburg stattgefunden hat. Johannes' Vorschlag war es gewesen, nach Freiburg–Nizza 2003 in diesem Sommer wieder eine größere Radtour zusammen zu fahren, und als er mich gefragt hat, wohin ich gerne fahren würde, habe ich spontan geantwortet: „Alpen.“ Johannes, der inklusive unserer Nizzatour schon zwei Alpenüberquerungen gemacht hatte, war nicht ganz so begeistert, noch eine Nord-Süd-Tour wäre schließlich nichts Neues. Also gut, habe ich dann vorgeschlagen, wenn er nicht von Nord nach Süd fahren wollte, dann mussten wir eben von West nach Ost fahren. Um ehrlich zu sein, wirklich ernst gemeint habe ich es nicht.
Aus einer Bierlaune heraus war der Plan also entstanden, und er ließ uns von da ab nicht mehr los. Was eine solche Tour an Strapazen bedeuten würde, war mir in meiner Begeisterung wohl nicht bewusst, sonst hätte ich vermutlich nie zu all den Landkarten gegriffen, um sofort am nächsten Tag eine mögliche Fahrtroute zu erarbeiten. In diesen Tagen wurden Johannes und ich von Null auf Hundert zu absoluten Experten der Geographie der Alpen. Bücher und Landkarten wurden gewälzt, und das Internet nach Informationen abgegrast über so ziemlich jeden Pass, den dieses Gebirge zwischen Südfrankreich und Ostösterreich zu bieten hat. Auftrieb erhielten wir, als wir erfuhren, dass zwei Freunde von uns für den Sommer eine Tour von Stuttgart zum Mont Ventoux planten. Wir erkannten, dass sich so schon mal ein Problem umgehen ließ, nämlich die Anreise. Wir konnten mit dem Auto gen Süden fahren und dort unsere Radtour starten, und die beiden konnten dann mit dem Auto zurück nach Deutschland fahren. Da der Mont Ventoux bei uns beiden sowieso relativ weit oben auf der Liste der Berge stand, die wir in unserem jungen Leben unbedingt noch bezwingen wollten, hatten wir jetzt immerhin schon einen Ausgangspunkt, nämlich Avignon, die dem Ventoux nächstgelegene bedeutendere Stadt. Ein Ziel hatten wir dann auch schnell: schon im Jahr zuvor hatten wir eine Reise nach Budapest geplant, dann aber doch nicht geschafft, und das wollten wir nachholen. Avignon-Budapest – es hörte sich zumindest schon einmal gut an. Mit dem Rest der Route im Hinterkopf – die ziemlich direkt von West nach Ost ging – war schnell klar, dass wir wohl auf die französischen Alpen verzichten mussten. Ungefähr drei Wochen wollten wir brauchen; um über die Tour-de-France-Giganten, die wir schon aus dem Jahr 2003 kannten, noch einmal in umgekehrter Richtung zu fahren, würde also keine Zeit sein. Aber wenigstens wollten wir sonst in den Alpen alles mitnehmen, was Rang und Namen hat. Und tatsächlich ließen sich einige Riesen auf unserer Fahrtstrecke unterbringen: Grand St. Bernard, Gotthard, Stilfser Joch, Hochtor – alles Namen, die das Herz eines jeden Pässeradlers höher schlagen lassen.
Wir hatten uns von der Begeisterung mitreißen lassen, klopften uns im Geiste schon anerkennend auf die Schulter. Dass wir uns gerade vorgenommen hatten, ein Lebenswerk zu vollbringen, war zumindest mir, der ich noch kein Radtour-Routinier bin wie Johannes, im Februar noch nicht bewusst. Es hört sich in der Theorie doch immer leichter an als es ist, und zur Vorbereitung gehört eben mehr, als virtuelle Kilometer zusammen zu rechnen, sondern auch reale Kilometer im Sattel zu sitzen. Die Zweifel kamen also schnell, als ich mir klar machte, dass wir von nun an sämtliche freie Zeit zur Vorbereitung nutzen mussten. "Die Frühform ist gut..." – so munterten wir uns immer wieder gegenseitig auf, während wir uns im Frühjahr Tritt um Tritt erst durchs ebene Rheintal, dann über den Kaiserstuhl und andere Hügel, und schließlich – als die Gefahr von Schneefall weitgehend gebannt war – durch den Schwarzwald kämpften. Auch wenn wir unserem imaginären Trainingsplan immer einige Zeit hinterher hinkten – so kam es mir zumindest ständig vor – so zeigten die vielen Stunden im Sattel doch nach und nach ihre Wirkung. Auf unserer Standardrunde vor den Toren Freiburgs unterboten wir eine Rekordzeit nach der anderen, und auch am Schauinsland, unserem Hausberg, gelang es mir schließlich zum ersten Mal, unter der (für mich) magischen Grenze von 45 Minuten zu bleiben. So langsam gewöhnten wir uns an alles – lange Flachstücke bei Gegenwind, kurze steile Rampen, und lange, strapaziöse Anstiege. Auch wenn wir wahrscheinlich viel zu oft faul waren, und Grillpartys dem Training vorzogen, immer wenn wir schwitzten, hatten wir das ehrgeizige Ziel vor Augen: Budapest. Die Zweifel konnten wir natürlich nicht ausräumen. Die Mittelgebirgspässe im Schwarzwald – Schauinsland, Kandel, Thurner, Feldberg – würden natürlich nicht mit 25 Kilometer langen (oder längeren) Anstiegen bis auf 2500 Meter Höhe (oder noch höher) vergleichbar sein; und ebenso wenig die 80-Kilometer-Runden, die wir durch den Schwarzwald drehten, mit den 120- oder 130-Kilometer-Etappen, die wir geplant hatten, und bei denen wir zusätzlich ungefähr 20 Kilo Gepäck mit uns herum schleppen würden. Und irgendwo in meinem Hinterkopf spukte auch ständig die Frage herum, ob mir nicht wieder – wie bei unserer Nizzatour 2003 – irgendein Schleimbeutel in meinem Knie dazwischen funken würde.
Die Zeit verging, der August rückte immer näher, die Ungewissheit wurde immer größer. Währenddessen wurde die Planung immer konkreter. Meine Mutter bot uns an, uns einige Tage durch die Alpen mit dem Auto zu begleiten, und wir nahmen das Angebot sofort an; so mussten wir wenigstens auf unserer Königsetappe durch die italienischen Dolomiten unsere Nudeln nicht selbst kochen. Die Anreise nach Avignon schien geklärt, und was die Rückreise betraf, entschlossen wir uns schließlich, nachdem wir mehrere Pläne (abholen lassen, Bahn fahren) wieder verworfen hatten, von Bratislava aus zu fliegen – die schnellste und billigste Variante. Stück für Stück wurde die Ausrüstung überprüft und erweitert. Selbst dass wir unsere neuen Reifen im total unfähigen Versandhandel kauften und wochenlang auf passende Schläuche warten mussten, konnte uns nicht aufhalten. Und auch sportlich ging es voran. Die Beschwerden im Knie, die ich nach einer kalten Abfahrt bekam, kurierte ich konsequent aus, und auf unserer Testtour von Freiburg nach Stuttgart quer durch den Schwarzwald stellten wir fest, dass wir auch mit Gepäck einigermaßen souverän waren.
Und schließlich war es soweit. Stichtag, der 4. August 2005. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Wir wussten nicht, wo wir standen, da wir in den letzten Tagen keine Zeit mehr gehabt hatten, zu fahren. Die technischen Vorbereitungen hatten jede freie Minute in Anspruch genommen. Wir waren aufgeregt, und wir waren extrem nervös, als wir uns um 8 Uhr morgens in Freiburg ins randvoll gepackte Auto setzten. Leider hatte ein Leistenbruch Simon und Daniel, unsere Stuttgarter Freunde, dazu gezwungen, ihre Tour zum Mont Ventoux abzusagen, aber nun waren sie im Auto mit dabei, damit Simon wenigstens die erste Etappe mit uns fahren konnte. Zu viert, und mit drei Fahrrädern, machten wir uns auf den Weg nach Süden. Fünf Uhr Nachmittags in Avignon, das war unser Ziel, schließlich hatten Johannes und ich an diesem Abend noch rund dreißig Prologkilometer auf dem Rad geplant. Also fuhren wir zügig; in der Schweiz hielten wir nur einmal, um den Fahrradträger zu kontrollieren. Mittagessen war kurz nach Genf, in Bellegarde, wenig spektakulär auf einem Supermarktparkplatz. Das Wetter war sehr gut – warm und sonnig – und wir waren en route nach Süden, doch ein richtiges Urlaubsgefühl wollte sich noch nicht einstellen. Schließlich hatten wir nur eine unbestimmte Ahnung davon, was Johannes und mich in den nächsten vier Wochen erwarten würde. Eine etwas bestimmtere Ahnung davon, was uns in den nächsten Tagen erwarten wurde, bekamen wir allerdings, als wir bei Lyon ins Rhonetal einbogen. Mit dem Auto konnten wir auf die Tube drücken, wir hatten nämlich Rückenwind, der Mistral pfiff nach Süden. Uns war aber sofort klar, dass wir mit dem Fahrrad in nördlicher Richtung – was zwei Tage später auf dem Programm stand – ein ernsthaftes Problem haben würden. Doch wir konnten nichts daran ändern, und so rauschten wir über die Autobahn, der Sonne entgegen nach Avignon. Johannes und ich waren motiviert, unsere Tour in Angriff zu nehmen.
Aus einer Bierlaune heraus war der Plan also entstanden, und er ließ uns von da ab nicht mehr los. Was eine solche Tour an Strapazen bedeuten würde, war mir in meiner Begeisterung wohl nicht bewusst, sonst hätte ich vermutlich nie zu all den Landkarten gegriffen, um sofort am nächsten Tag eine mögliche Fahrtroute zu erarbeiten. In diesen Tagen wurden Johannes und ich von Null auf Hundert zu absoluten Experten der Geographie der Alpen. Bücher und Landkarten wurden gewälzt, und das Internet nach Informationen abgegrast über so ziemlich jeden Pass, den dieses Gebirge zwischen Südfrankreich und Ostösterreich zu bieten hat. Auftrieb erhielten wir, als wir erfuhren, dass zwei Freunde von uns für den Sommer eine Tour von Stuttgart zum Mont Ventoux planten. Wir erkannten, dass sich so schon mal ein Problem umgehen ließ, nämlich die Anreise. Wir konnten mit dem Auto gen Süden fahren und dort unsere Radtour starten, und die beiden konnten dann mit dem Auto zurück nach Deutschland fahren. Da der Mont Ventoux bei uns beiden sowieso relativ weit oben auf der Liste der Berge stand, die wir in unserem jungen Leben unbedingt noch bezwingen wollten, hatten wir jetzt immerhin schon einen Ausgangspunkt, nämlich Avignon, die dem Ventoux nächstgelegene bedeutendere Stadt. Ein Ziel hatten wir dann auch schnell: schon im Jahr zuvor hatten wir eine Reise nach Budapest geplant, dann aber doch nicht geschafft, und das wollten wir nachholen. Avignon-Budapest – es hörte sich zumindest schon einmal gut an. Mit dem Rest der Route im Hinterkopf – die ziemlich direkt von West nach Ost ging – war schnell klar, dass wir wohl auf die französischen Alpen verzichten mussten. Ungefähr drei Wochen wollten wir brauchen; um über die Tour-de-France-Giganten, die wir schon aus dem Jahr 2003 kannten, noch einmal in umgekehrter Richtung zu fahren, würde also keine Zeit sein. Aber wenigstens wollten wir sonst in den Alpen alles mitnehmen, was Rang und Namen hat. Und tatsächlich ließen sich einige Riesen auf unserer Fahrtstrecke unterbringen: Grand St. Bernard, Gotthard, Stilfser Joch, Hochtor – alles Namen, die das Herz eines jeden Pässeradlers höher schlagen lassen.
Wir hatten uns von der Begeisterung mitreißen lassen, klopften uns im Geiste schon anerkennend auf die Schulter. Dass wir uns gerade vorgenommen hatten, ein Lebenswerk zu vollbringen, war zumindest mir, der ich noch kein Radtour-Routinier bin wie Johannes, im Februar noch nicht bewusst. Es hört sich in der Theorie doch immer leichter an als es ist, und zur Vorbereitung gehört eben mehr, als virtuelle Kilometer zusammen zu rechnen, sondern auch reale Kilometer im Sattel zu sitzen. Die Zweifel kamen also schnell, als ich mir klar machte, dass wir von nun an sämtliche freie Zeit zur Vorbereitung nutzen mussten. "Die Frühform ist gut..." – so munterten wir uns immer wieder gegenseitig auf, während wir uns im Frühjahr Tritt um Tritt erst durchs ebene Rheintal, dann über den Kaiserstuhl und andere Hügel, und schließlich – als die Gefahr von Schneefall weitgehend gebannt war – durch den Schwarzwald kämpften. Auch wenn wir unserem imaginären Trainingsplan immer einige Zeit hinterher hinkten – so kam es mir zumindest ständig vor – so zeigten die vielen Stunden im Sattel doch nach und nach ihre Wirkung. Auf unserer Standardrunde vor den Toren Freiburgs unterboten wir eine Rekordzeit nach der anderen, und auch am Schauinsland, unserem Hausberg, gelang es mir schließlich zum ersten Mal, unter der (für mich) magischen Grenze von 45 Minuten zu bleiben. So langsam gewöhnten wir uns an alles – lange Flachstücke bei Gegenwind, kurze steile Rampen, und lange, strapaziöse Anstiege. Auch wenn wir wahrscheinlich viel zu oft faul waren, und Grillpartys dem Training vorzogen, immer wenn wir schwitzten, hatten wir das ehrgeizige Ziel vor Augen: Budapest. Die Zweifel konnten wir natürlich nicht ausräumen. Die Mittelgebirgspässe im Schwarzwald – Schauinsland, Kandel, Thurner, Feldberg – würden natürlich nicht mit 25 Kilometer langen (oder längeren) Anstiegen bis auf 2500 Meter Höhe (oder noch höher) vergleichbar sein; und ebenso wenig die 80-Kilometer-Runden, die wir durch den Schwarzwald drehten, mit den 120- oder 130-Kilometer-Etappen, die wir geplant hatten, und bei denen wir zusätzlich ungefähr 20 Kilo Gepäck mit uns herum schleppen würden. Und irgendwo in meinem Hinterkopf spukte auch ständig die Frage herum, ob mir nicht wieder – wie bei unserer Nizzatour 2003 – irgendein Schleimbeutel in meinem Knie dazwischen funken würde.
Die Zeit verging, der August rückte immer näher, die Ungewissheit wurde immer größer. Währenddessen wurde die Planung immer konkreter. Meine Mutter bot uns an, uns einige Tage durch die Alpen mit dem Auto zu begleiten, und wir nahmen das Angebot sofort an; so mussten wir wenigstens auf unserer Königsetappe durch die italienischen Dolomiten unsere Nudeln nicht selbst kochen. Die Anreise nach Avignon schien geklärt, und was die Rückreise betraf, entschlossen wir uns schließlich, nachdem wir mehrere Pläne (abholen lassen, Bahn fahren) wieder verworfen hatten, von Bratislava aus zu fliegen – die schnellste und billigste Variante. Stück für Stück wurde die Ausrüstung überprüft und erweitert. Selbst dass wir unsere neuen Reifen im total unfähigen Versandhandel kauften und wochenlang auf passende Schläuche warten mussten, konnte uns nicht aufhalten. Und auch sportlich ging es voran. Die Beschwerden im Knie, die ich nach einer kalten Abfahrt bekam, kurierte ich konsequent aus, und auf unserer Testtour von Freiburg nach Stuttgart quer durch den Schwarzwald stellten wir fest, dass wir auch mit Gepäck einigermaßen souverän waren.
Und schließlich war es soweit. Stichtag, der 4. August 2005. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Wir wussten nicht, wo wir standen, da wir in den letzten Tagen keine Zeit mehr gehabt hatten, zu fahren. Die technischen Vorbereitungen hatten jede freie Minute in Anspruch genommen. Wir waren aufgeregt, und wir waren extrem nervös, als wir uns um 8 Uhr morgens in Freiburg ins randvoll gepackte Auto setzten. Leider hatte ein Leistenbruch Simon und Daniel, unsere Stuttgarter Freunde, dazu gezwungen, ihre Tour zum Mont Ventoux abzusagen, aber nun waren sie im Auto mit dabei, damit Simon wenigstens die erste Etappe mit uns fahren konnte. Zu viert, und mit drei Fahrrädern, machten wir uns auf den Weg nach Süden. Fünf Uhr Nachmittags in Avignon, das war unser Ziel, schließlich hatten Johannes und ich an diesem Abend noch rund dreißig Prologkilometer auf dem Rad geplant. Also fuhren wir zügig; in der Schweiz hielten wir nur einmal, um den Fahrradträger zu kontrollieren. Mittagessen war kurz nach Genf, in Bellegarde, wenig spektakulär auf einem Supermarktparkplatz. Das Wetter war sehr gut – warm und sonnig – und wir waren en route nach Süden, doch ein richtiges Urlaubsgefühl wollte sich noch nicht einstellen. Schließlich hatten wir nur eine unbestimmte Ahnung davon, was Johannes und mich in den nächsten vier Wochen erwarten würde. Eine etwas bestimmtere Ahnung davon, was uns in den nächsten Tagen erwarten wurde, bekamen wir allerdings, als wir bei Lyon ins Rhonetal einbogen. Mit dem Auto konnten wir auf die Tube drücken, wir hatten nämlich Rückenwind, der Mistral pfiff nach Süden. Uns war aber sofort klar, dass wir mit dem Fahrrad in nördlicher Richtung – was zwei Tage später auf dem Programm stand – ein ernsthaftes Problem haben würden. Doch wir konnten nichts daran ändern, und so rauschten wir über die Autobahn, der Sonne entgegen nach Avignon. Johannes und ich waren motiviert, unsere Tour in Angriff zu nehmen.
Von majortom –
Am frühen Abend treffen wir in Avignon ein. Johannes und ich sind wahnsinnig aufgeregt, während der letzten hundert Kilometer im Auto ist unsere Nervosität bis an den Rand der Erträglichkeit gestiegen. Doch es ist nicht nur die Angst vor dem Augenblick der Wahrheit, die wir spüren. Es ist auch Erleichterung, dass es endlich los geht, dass wir unsere Tour bei so herrlichem Wetter starten können. In dem Moment, als wir – die Räder fertig gepackt – vor der berühmten Pont dAvignon für unser erstes Foto Aufstellung nehmen, können wir sie ganz deutlich fühlen: die Faszination, die dieser Sport auf uns beide ausübt.
Wir nehmen also die Herausforderung an. Am 4. August um 18.15 Uhr beginnen wir unsere Tour, die uns über 17 Alpenpässe und durch sechs europäische Nationen führen soll. Weit kommen wir allerdings erst mal nicht, da aus Avignon heraus scheinbar nur vierspurige Schnellstraßen führen, die für Radfahrer gesperrt sind. Eine Karte mit vernünftigem Maßstab haben wir auch noch nicht, und so bleibt uns nichts anderes übrig, als uns durchzufragen, bis wir eine annehmbare Straße Richtung Sorgues finden. In einem Vorort von Avignon füllt uns ein netter Franzose noch mit seinem Gartenschlauch unsere Wasserflaschen auf.
Wir lassen Avignon hinter uns, doch besonders schnell voran geht es nicht. Wie wir schon befürchtet hatten, macht uns der Nordwind einen Strich durch die Rechnung, und wir müssen jeden Meter hart erkämpfen. Was als Prolog, als lockeres Einrollen am ersten Abend gedacht war, entpuppt sich nun als erster Härtetest. Doch wir lassen uns nicht aus der Ruhe bringen und schlagen ein besonnenes Tempo ein. Über Sorgues fahren wir nach Bédarrides, ein Dorf ohne jeden Wegweiser, und wir versuchen, uns mit unserer viel zu groben Karte zu orientieren. Tatsächlich finden wir eine nette kleine Straße, wo Bäume uns weitgehend vor dem Wind schützen, und wir freuen uns, dass wir nun um einiges schneller voran kommen. Die Freude währt allerdings nur kurz, denn schon bald stehen wir wieder vor einem Ortsschild, auf dem „Sorgues“ steht. Irgendwie sind wir im Kreis gefahren, fünfzehn Kilometer umsonst; das fängt ja schon mal gut an. Wir verwünschen unsere Karte, doch es bleibt uns natürlich nichts anderes übrig, als denselben Weg wieder zurück zu fahren, und dieses Mal in Bédarrides jemanden nach dem Weg zu fragen. Auf der Straße, die uns beschrieben wird, ist der Gegenwind zwar wieder stärker, aber sie führt genau auf den Mont Ventoux zu, der mit seinen weißen Felsen die ganze Provence überragt, und in der Abendsonne sieht die Landschaft wunderschön aus. Über Sarrians setzen wir unseren Weg nach Beaumes-de-Venise fort, und die Verstimmung über Mistral und Verfahren ist sehr bald verflogen. Statt knapp 30 sind wir jetzt zwar 47 Kilometer gefahren, eigentlich also kein Prolog mehr, sondern eine richtige Etappe, doch das Tourfieber hat uns nun eindeutig gepackt, und wir ahnen, dass es uns so bald auch nicht mehr loslassen wird.
In Beaumes werden wir von Simon und Daniel mit dem Abendessen erwartet, der Campingplatz ist sehr gemütlich, und an diesem lauen Abend kommt tatsächlich noch so etwas wie Urlaubsstimmung auf. Nachdem ich Johannes noch eine radtaugliche Frisur verpasst habe, feiern wir den gelungenen Einstand in einer Bar in Beaumes, und da der Wirt einige Jahre in Deutschland gelebt hat, bekommen wir (was in Frankreich durchaus nicht üblich ist) auch tatsächlich ein großes Bier, als wir ein großes Bier bestellen. Der Wirt klärt uns auch noch über die Eigenarten des Mistrals auf. Es gilt die sogenannte drei-Tage-Regel: der Mistral bläst immer entweder drei, sechs oder neun Tage, dann macht er einige Tage Pause. Da wir heute Tag Nummer sechs haben, so der Wirt, hätten wir also noch einen oder zwei Tage vor uns. So ganz verstehen wir diese Regel zwar nicht, aber wir sind trotzdem dankbar für die Auskunft und lassen den Abend gemütlich ausklingen.
Wir nehmen also die Herausforderung an. Am 4. August um 18.15 Uhr beginnen wir unsere Tour, die uns über 17 Alpenpässe und durch sechs europäische Nationen führen soll. Weit kommen wir allerdings erst mal nicht, da aus Avignon heraus scheinbar nur vierspurige Schnellstraßen führen, die für Radfahrer gesperrt sind. Eine Karte mit vernünftigem Maßstab haben wir auch noch nicht, und so bleibt uns nichts anderes übrig, als uns durchzufragen, bis wir eine annehmbare Straße Richtung Sorgues finden. In einem Vorort von Avignon füllt uns ein netter Franzose noch mit seinem Gartenschlauch unsere Wasserflaschen auf.
Wir lassen Avignon hinter uns, doch besonders schnell voran geht es nicht. Wie wir schon befürchtet hatten, macht uns der Nordwind einen Strich durch die Rechnung, und wir müssen jeden Meter hart erkämpfen. Was als Prolog, als lockeres Einrollen am ersten Abend gedacht war, entpuppt sich nun als erster Härtetest. Doch wir lassen uns nicht aus der Ruhe bringen und schlagen ein besonnenes Tempo ein. Über Sorgues fahren wir nach Bédarrides, ein Dorf ohne jeden Wegweiser, und wir versuchen, uns mit unserer viel zu groben Karte zu orientieren. Tatsächlich finden wir eine nette kleine Straße, wo Bäume uns weitgehend vor dem Wind schützen, und wir freuen uns, dass wir nun um einiges schneller voran kommen. Die Freude währt allerdings nur kurz, denn schon bald stehen wir wieder vor einem Ortsschild, auf dem „Sorgues“ steht. Irgendwie sind wir im Kreis gefahren, fünfzehn Kilometer umsonst; das fängt ja schon mal gut an. Wir verwünschen unsere Karte, doch es bleibt uns natürlich nichts anderes übrig, als denselben Weg wieder zurück zu fahren, und dieses Mal in Bédarrides jemanden nach dem Weg zu fragen. Auf der Straße, die uns beschrieben wird, ist der Gegenwind zwar wieder stärker, aber sie führt genau auf den Mont Ventoux zu, der mit seinen weißen Felsen die ganze Provence überragt, und in der Abendsonne sieht die Landschaft wunderschön aus. Über Sarrians setzen wir unseren Weg nach Beaumes-de-Venise fort, und die Verstimmung über Mistral und Verfahren ist sehr bald verflogen. Statt knapp 30 sind wir jetzt zwar 47 Kilometer gefahren, eigentlich also kein Prolog mehr, sondern eine richtige Etappe, doch das Tourfieber hat uns nun eindeutig gepackt, und wir ahnen, dass es uns so bald auch nicht mehr loslassen wird.
In Beaumes werden wir von Simon und Daniel mit dem Abendessen erwartet, der Campingplatz ist sehr gemütlich, und an diesem lauen Abend kommt tatsächlich noch so etwas wie Urlaubsstimmung auf. Nachdem ich Johannes noch eine radtaugliche Frisur verpasst habe, feiern wir den gelungenen Einstand in einer Bar in Beaumes, und da der Wirt einige Jahre in Deutschland gelebt hat, bekommen wir (was in Frankreich durchaus nicht üblich ist) auch tatsächlich ein großes Bier, als wir ein großes Bier bestellen. Der Wirt klärt uns auch noch über die Eigenarten des Mistrals auf. Es gilt die sogenannte drei-Tage-Regel: der Mistral bläst immer entweder drei, sechs oder neun Tage, dann macht er einige Tage Pause. Da wir heute Tag Nummer sechs haben, so der Wirt, hätten wir also noch einen oder zwei Tage vor uns. So ganz verstehen wir diese Regel zwar nicht, aber wir sind trotzdem dankbar für die Auskunft und lassen den Abend gemütlich ausklingen.
Von majortom –
Die Etappe beginnt früh, denn es verspricht ein heißer Tag zu werden. Es ist keine Wolke am Himmel zu sehen, als wir um sieben Uhr aufstehen. Wir frühstücken und bauen die Zelte ab, dabei wandert mein respektvoller Blick immer wieder zum Massiv des Mont Ventoux, den man hier in der Provence praktisch von überall her sieht. Dort wollen wir heute hinauf, in diese berüchtigte weiße Geröllwüste, in der angeblich die 40 Grad heiße Luft steht, von etwas unter 300 Metern auf eine Höhe von mehr als 1900. Ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll, dass wir uns gleich für die erste Etappe diesen Berg ausgesucht haben. Hier wird sich die Spreu vom Weizen trennen, das wird mir spätestens dann klar, als wir um 8.45 Uhr aufbrechen, und das Thermometer schon 26 Grad im Schatten zeigt. Simon, Johannes und ich werden an unsere Grenzen gehen müssen.
Dennoch beginnt die Fahrt relativ entspannt, es beruhigt uns, dass es windstill geblieben ist, und auch dass wir uns gleich am Ortsausgang von Beaumes verfahren, hält uns nur kurz auf; wir bemerken unseren Fehler praktisch sofort und finden dann auch den richtigen Weg. Bis Bédoin ist es relativ flach, hin und wieder mal ein leichter Hügel, um uns herum trockene Einöde. Wir wechseln uns zu dritt in der Führung ab, fahren aber nicht übermäßig schnell, denn den Gipfel haben wir ständig vor Augen, und das flößt uns jede Menge Respekt ein. Gegen halb zehn kommen wir in Bédoin an und warten auf das Servicefahrzeug, das – Daniel hat noch für uns eingekauft – kurz vor zehn eintrifft.
Es wird immer heißer, und so vertrödeln wir keine Zeit, wir hoffen, noch vor der richtigen Mittagshitze oben anzukommen. Simon, der den Ventoux schon im letzten Jahr gefahren ist, meint, dass eine Zeit von zwei Stunden zu schaffen sei, doch er fährt ohne Gepäck, und Johannes und ich sind uns einig, dass wir uns heute noch nichts beweisen müssen. Die Tour ist noch lang, wir sind noch nicht mal richtig in den Alpen, also lautet die Devise: Hauptsache ankommen. Die ersten drei bis vier Kilometer sind noch relativ flach, wir fahren durch die Weinberge und kommen schließlich durch die Orte St. Colombes und Les Bruns. Direkt danach geht es in den Wald, und hier geht es auch schon richtig los: die erste Rampe wartet mit mehr als 10 Prozent auf uns. Ich fühle mich gut, ich finde gleich einen guten Tritt, während Johannes sich dafür entscheidet, es ruhiger angehen zu lassen. Simon zieht uns ohne Gepäck natürlich davon, genauso wie die meisten anderen Radler, die heute das gleiche Ziel haben wie wir. Egal wo sie herkommen, egal ob semiprofessionelle Rennradler oder in die Jahre gekommene Hobbyradler, der Ventoux zieht sie scheinbar alle magisch an. Der Berg ist heute fest in der Hand der Fahrradfahrer, es ist wirklich unglaublich, man schwimmt sozusagen in der Menge mit. Wir ernten Beifall und Respekt von den meisten, kaum einer fährt an mir vorbei, ohne im Hinblick auf meine Packtaschen ein très bien oder chapeau oder wenigstens einen nach oben gestreckten Daumen loszuwerden. Johannes zählt die chapeaus sogar und kommt auf acht, außerdem freut er sich sehr über ein bewunderndes courage avec tous les sacs.
So viele Schmeicheleien verleihen natürlich Moral, und wir fahren die ersten siebzehn Kilometer bis zum Chalet Reynard zwar langsam, aber ohne größere Probleme. Es ist steil bis sehr steil, aber der Anstieg ist sehr regelmäßig, was Johannes und mir sehr liegt, die Bäume links und rechts spenden Schatten, und Daniel versorgt uns mustergültig aus dem Auto mit Wasserflaschen, Müsliriegeln und Bananen. Wir genießen den Luxus, ein Begleitfahrzeug zu haben. Ab dem Chalet Reynard wendet sich die Straße wieder nach Westen, und es ist dann vorbei mit dem Wald. Wir befinden uns nun in der weißen Steinwüste, die man schon von unten gesehen hat. Der Turm, der die Passhöhe anzeigt, scheint mir schon zum Greifen nahe, und der Berg hält tatsächlich, was das Höhenprofil versprochen hat: es wird erst einmal wieder etwas flacher. Ich entdecke, dass ich tatsächlich noch einige Reserven habe und schalte gleich zwei Gänge höher. Es dauert jedoch nicht lange, bis ich eines besseren belehrt werde. Zum einen lässt die nächste Steigung nicht lange auf sich warten – die allersteilste Rampe kommt erst kurz vor Schluss – zum anderen hat der Mistral wieder gehörig aufgefrischt und drückt von Norden in Böen über den Berg. Gerade in den steilsten Passagen kommt der Wind direkt von vorne. Dass es nicht ganz so heiß ist wie befürchtet, ist eigentlich der einzige Vorteil. Ich reiße Daniel eine letzte Wasserflasche aus der Hand und sprinte sofort wieder los, denn gerade hat mich eine größere Gruppe überholt, in deren Windschatten ich hoffe etwas Kraft sparen zu können, denn ich bin ziemlich am Ende. Doch die Gruppe fliegt praktisch sofort auseinander, ganz hinten ich, nun wieder alleine im Wind, während der Turm immer unerreichbarer scheint. Ich konzentriere mich wieder auf meinen eigenen Rhythmus und bringe Meter um Meter hinter mich. Als ich schließlich dann doch an der Passhöhe stehe, wo der Wind fast schon stürmisch ist und mich in der letzten Kurve noch fast vom Rad gefegt hätte, stelle ich erstaunt fest, dass ich nur fünf Minuten über Simons zwei-Stunden-Marke geblieben bin – so schlecht kann ich also gar nicht gewesen sein.
Simon – der unterwegs mit Magenproblemen zu kämpfen hatte – kommt wenige Sekunden nach mir oben an, ebenso Daniel im Auto, und zu dritt beobachten wir, wie Johannes die letzten paar hundert Meter fährt. Sein Tritt sieht noch ziemlich flüssig aus, er ist schließlich ein Kämpfer, und tatsächlich kommt er mit einem breiten Endorphin-Grinsen oben an. Wir sind glücklich – erste Hürde genommen –, aber uns auch darüber einig, dass es der härteste Berg war, den wir jemals gefahren sind. Und dabei ist heute erst der erste richtige Tag, der Weg nach Budapest noch extrem lang, und unser Optimismus daher noch eher vorsichtig und verhalten. Wir machen unser Passfoto und rüsten uns für die Abfahrt. Wegen des böigen Mistrals entscheiden wir, dass es kein Betrug ist, unser Gepäck für die Abfahrt ins Auto zu laden. Eigentlich wollten wir ja die ganze Strecke mit Gepäck fahren, doch in diesem Fall geht unsere Sicherheit vor, und sobald wir die Abfahrt in Angriff nehmen, wird deutlich, dass es die richtige Entscheidung war. Es ist auch so schon gefährlich genug, mit unseren Taschen als zusätzlicher Angriffsfläche für den Wind wären wir sicher mehr als einmal im Abgrund gelandet.
Am Fuß des Mont Ventoux, kurz vor Malaucène, machen wir Mittagspause und verabschieden uns dann von unserer Servicecrew. Sie wollen noch an diesem Abend wieder nach Deutschland zurück fahren. Gegen 15 Uhr trennen wir uns, und nun sind Johannes und ich auf uns allein gestellt. Und leider ist die Etappe noch lang nicht vorbei, uns fehlen noch knapp 50 Kilometer, bis wir wieder im Rhonetal sind. Der Mistral bläst immer noch unerbärmlich, und wir ahnen, dass nicht nur der restliche heutige Tag, sondern auch der morgige ziemlich hart werden wird. Wir versuchen, uns gegenseitig Windschatten zu geben und fahren tapfer weiter über Vaison nach Rasteau, wo uns ein kurzer steiler Anstieg ins Dorf noch einmal ziemlich aus dem Rhythmus bringt. Das Profil ist wellig, der Wind scheint keine Gnade zu kennen, und auch wenn der Tag langsam schon in den Abend übergeht, ist es immer noch mörderisch heiß. Wir sind inzwischen ziemlich am Ende, kämpfen uns jedoch noch mit letzter Kraft bis Ste. Cecile, wo es uns mit einem Eis noch einmal gelingt, uns selbst und gegenseitig zu motivieren. Tatsächlich setzt diese Pause noch einmal Energie in uns frei, und die Reise geht noch (wie geplant) weiter über Rochegude Richtung Bollène. Dort finden wir nach intensiver Suche dann auch den Campingplatz. In Sachen Komfort kann er sich zwar bei weitem nicht mit dem letzten messen, der Untergrund ist völlig ausgetrocknet und hart, aber wir sind schließlich nicht anspruchsvoll.
Abends ist sogar noch Zeit für einen Abendspaziergang durch Bollène. Wir finden einen Aussichtspunkt am Kloster, stellen fest, dass das Dorf eigentlich doch ganz schön ist, trinken dort noch ein Dosenbier und sind schließlich froh, nach diesem harten Tag in unser Zelt kriechen zu können. Einen von siebzehn Pässen können wir jetzt im Geiste schon abhaken, doch wie viele harte Tage werden es wohl noch werden auf unserem Weg nach Osten? Wir können zu diesem Zeitpunkt natürlich nur ahnen, wie viele Herausforderungen wir noch werden meistern müssen, und welche Überraschungen wir noch erleben werden, doch wir spüren beide, noch mehr als gestern Abend, dass wir unserem Vorhaben vermutlich doch gewachsen sind.
Dennoch beginnt die Fahrt relativ entspannt, es beruhigt uns, dass es windstill geblieben ist, und auch dass wir uns gleich am Ortsausgang von Beaumes verfahren, hält uns nur kurz auf; wir bemerken unseren Fehler praktisch sofort und finden dann auch den richtigen Weg. Bis Bédoin ist es relativ flach, hin und wieder mal ein leichter Hügel, um uns herum trockene Einöde. Wir wechseln uns zu dritt in der Führung ab, fahren aber nicht übermäßig schnell, denn den Gipfel haben wir ständig vor Augen, und das flößt uns jede Menge Respekt ein. Gegen halb zehn kommen wir in Bédoin an und warten auf das Servicefahrzeug, das – Daniel hat noch für uns eingekauft – kurz vor zehn eintrifft.
Es wird immer heißer, und so vertrödeln wir keine Zeit, wir hoffen, noch vor der richtigen Mittagshitze oben anzukommen. Simon, der den Ventoux schon im letzten Jahr gefahren ist, meint, dass eine Zeit von zwei Stunden zu schaffen sei, doch er fährt ohne Gepäck, und Johannes und ich sind uns einig, dass wir uns heute noch nichts beweisen müssen. Die Tour ist noch lang, wir sind noch nicht mal richtig in den Alpen, also lautet die Devise: Hauptsache ankommen. Die ersten drei bis vier Kilometer sind noch relativ flach, wir fahren durch die Weinberge und kommen schließlich durch die Orte St. Colombes und Les Bruns. Direkt danach geht es in den Wald, und hier geht es auch schon richtig los: die erste Rampe wartet mit mehr als 10 Prozent auf uns. Ich fühle mich gut, ich finde gleich einen guten Tritt, während Johannes sich dafür entscheidet, es ruhiger angehen zu lassen. Simon zieht uns ohne Gepäck natürlich davon, genauso wie die meisten anderen Radler, die heute das gleiche Ziel haben wie wir. Egal wo sie herkommen, egal ob semiprofessionelle Rennradler oder in die Jahre gekommene Hobbyradler, der Ventoux zieht sie scheinbar alle magisch an. Der Berg ist heute fest in der Hand der Fahrradfahrer, es ist wirklich unglaublich, man schwimmt sozusagen in der Menge mit. Wir ernten Beifall und Respekt von den meisten, kaum einer fährt an mir vorbei, ohne im Hinblick auf meine Packtaschen ein très bien oder chapeau oder wenigstens einen nach oben gestreckten Daumen loszuwerden. Johannes zählt die chapeaus sogar und kommt auf acht, außerdem freut er sich sehr über ein bewunderndes courage avec tous les sacs.
So viele Schmeicheleien verleihen natürlich Moral, und wir fahren die ersten siebzehn Kilometer bis zum Chalet Reynard zwar langsam, aber ohne größere Probleme. Es ist steil bis sehr steil, aber der Anstieg ist sehr regelmäßig, was Johannes und mir sehr liegt, die Bäume links und rechts spenden Schatten, und Daniel versorgt uns mustergültig aus dem Auto mit Wasserflaschen, Müsliriegeln und Bananen. Wir genießen den Luxus, ein Begleitfahrzeug zu haben. Ab dem Chalet Reynard wendet sich die Straße wieder nach Westen, und es ist dann vorbei mit dem Wald. Wir befinden uns nun in der weißen Steinwüste, die man schon von unten gesehen hat. Der Turm, der die Passhöhe anzeigt, scheint mir schon zum Greifen nahe, und der Berg hält tatsächlich, was das Höhenprofil versprochen hat: es wird erst einmal wieder etwas flacher. Ich entdecke, dass ich tatsächlich noch einige Reserven habe und schalte gleich zwei Gänge höher. Es dauert jedoch nicht lange, bis ich eines besseren belehrt werde. Zum einen lässt die nächste Steigung nicht lange auf sich warten – die allersteilste Rampe kommt erst kurz vor Schluss – zum anderen hat der Mistral wieder gehörig aufgefrischt und drückt von Norden in Böen über den Berg. Gerade in den steilsten Passagen kommt der Wind direkt von vorne. Dass es nicht ganz so heiß ist wie befürchtet, ist eigentlich der einzige Vorteil. Ich reiße Daniel eine letzte Wasserflasche aus der Hand und sprinte sofort wieder los, denn gerade hat mich eine größere Gruppe überholt, in deren Windschatten ich hoffe etwas Kraft sparen zu können, denn ich bin ziemlich am Ende. Doch die Gruppe fliegt praktisch sofort auseinander, ganz hinten ich, nun wieder alleine im Wind, während der Turm immer unerreichbarer scheint. Ich konzentriere mich wieder auf meinen eigenen Rhythmus und bringe Meter um Meter hinter mich. Als ich schließlich dann doch an der Passhöhe stehe, wo der Wind fast schon stürmisch ist und mich in der letzten Kurve noch fast vom Rad gefegt hätte, stelle ich erstaunt fest, dass ich nur fünf Minuten über Simons zwei-Stunden-Marke geblieben bin – so schlecht kann ich also gar nicht gewesen sein.
Simon – der unterwegs mit Magenproblemen zu kämpfen hatte – kommt wenige Sekunden nach mir oben an, ebenso Daniel im Auto, und zu dritt beobachten wir, wie Johannes die letzten paar hundert Meter fährt. Sein Tritt sieht noch ziemlich flüssig aus, er ist schließlich ein Kämpfer, und tatsächlich kommt er mit einem breiten Endorphin-Grinsen oben an. Wir sind glücklich – erste Hürde genommen –, aber uns auch darüber einig, dass es der härteste Berg war, den wir jemals gefahren sind. Und dabei ist heute erst der erste richtige Tag, der Weg nach Budapest noch extrem lang, und unser Optimismus daher noch eher vorsichtig und verhalten. Wir machen unser Passfoto und rüsten uns für die Abfahrt. Wegen des böigen Mistrals entscheiden wir, dass es kein Betrug ist, unser Gepäck für die Abfahrt ins Auto zu laden. Eigentlich wollten wir ja die ganze Strecke mit Gepäck fahren, doch in diesem Fall geht unsere Sicherheit vor, und sobald wir die Abfahrt in Angriff nehmen, wird deutlich, dass es die richtige Entscheidung war. Es ist auch so schon gefährlich genug, mit unseren Taschen als zusätzlicher Angriffsfläche für den Wind wären wir sicher mehr als einmal im Abgrund gelandet.
Am Fuß des Mont Ventoux, kurz vor Malaucène, machen wir Mittagspause und verabschieden uns dann von unserer Servicecrew. Sie wollen noch an diesem Abend wieder nach Deutschland zurück fahren. Gegen 15 Uhr trennen wir uns, und nun sind Johannes und ich auf uns allein gestellt. Und leider ist die Etappe noch lang nicht vorbei, uns fehlen noch knapp 50 Kilometer, bis wir wieder im Rhonetal sind. Der Mistral bläst immer noch unerbärmlich, und wir ahnen, dass nicht nur der restliche heutige Tag, sondern auch der morgige ziemlich hart werden wird. Wir versuchen, uns gegenseitig Windschatten zu geben und fahren tapfer weiter über Vaison nach Rasteau, wo uns ein kurzer steiler Anstieg ins Dorf noch einmal ziemlich aus dem Rhythmus bringt. Das Profil ist wellig, der Wind scheint keine Gnade zu kennen, und auch wenn der Tag langsam schon in den Abend übergeht, ist es immer noch mörderisch heiß. Wir sind inzwischen ziemlich am Ende, kämpfen uns jedoch noch mit letzter Kraft bis Ste. Cecile, wo es uns mit einem Eis noch einmal gelingt, uns selbst und gegenseitig zu motivieren. Tatsächlich setzt diese Pause noch einmal Energie in uns frei, und die Reise geht noch (wie geplant) weiter über Rochegude Richtung Bollène. Dort finden wir nach intensiver Suche dann auch den Campingplatz. In Sachen Komfort kann er sich zwar bei weitem nicht mit dem letzten messen, der Untergrund ist völlig ausgetrocknet und hart, aber wir sind schließlich nicht anspruchsvoll.
Abends ist sogar noch Zeit für einen Abendspaziergang durch Bollène. Wir finden einen Aussichtspunkt am Kloster, stellen fest, dass das Dorf eigentlich doch ganz schön ist, trinken dort noch ein Dosenbier und sind schließlich froh, nach diesem harten Tag in unser Zelt kriechen zu können. Einen von siebzehn Pässen können wir jetzt im Geiste schon abhaken, doch wie viele harte Tage werden es wohl noch werden auf unserem Weg nach Osten? Wir können zu diesem Zeitpunkt natürlich nur ahnen, wie viele Herausforderungen wir noch werden meistern müssen, und welche Überraschungen wir noch erleben werden, doch wir spüren beide, noch mehr als gestern Abend, dass wir unserem Vorhaben vermutlich doch gewachsen sind.
Ich bin diese Etappe gefahren
am
Von majortom –
Eigentlich waren die nächsten drei Tage ja zum weiteren Einrollen bestimmt; wir hatten unsere Fahrtroute zwischen Mont Ventoux und Alpen deswegen ja auch entlang der großen Flusstäler von Rhone und Isère gelegt. Doch schon gestern mussten wir ja feststellen, dass wir es auf diesen Flachetappen mit einem ganz anderen Gegner zu tun haben werden als den Steigungen: dem Mistral. Gestern hat der Nordwind erst gegen Mittag so richtig losgelegt, und in der Hoffnung, es würde heute wieder ähnlich sein (an die ominöse Drei-Tage-Regel glauben wir inzwischen nicht mehr), habe ich mich wieder von einem frühen Aufbruch überzeugen lassen. Doch der Wind meint es heute nicht gut mit uns. Gleich nach Bollène, als es entlang dem rechten Rhoneufer geht, bläst uns der Mistral genau von vorne entgegen. In der Ebene gefühlte 12 Prozent Steigung, und wir müssen noch den ganzen Tag Richtung Norden. Wir kämpfen, besonders Johannes, der gerne an der Spitze fährt, legt sich kräftig ins Zeug, aber wir kommen so gut wie gar nicht voran. Nicht der kleinste Hügel auf unserer Strecke, und wir kommen kaum über zwanzig Stundenkilometer hinaus. Das geht an die Substanz. Immerhin ist schönes Wetter: strahlender Sonnenschein und keine Wolke am Himmel.
Wir fahren etwa zwanzig Kilometer auf der rechten Seite der Rhone, bis wir schließlich bei Donzère auf die andere Seite wechseln. Wenigstens ein landschaftliches Highlight bekommen wir hier geliefert: von der schmalen Stahlbrücke aus, die den breiten Strom überquert, haben wir einen schönen Ausblick in beide Richtungen, wo der Fluss von bewaldeten Hügeln eingesäumt wird. Vom linken Ufer versprechen wir uns weniger Verkehr, da die Straße hier nicht mehr als Route National die Autobahn begleitet, und wir so auch Montélimar umgehen können. Das Profil wird langsam etwas hügeliger – direkt links von uns beginnt das Zentralmassiv – doch wir haben genug mit dem Gegenwind zu kämpfen, dass das leichte Auf und Ab eigentlich gar nicht mehr ins Gewicht fällt. Nach wie vor scheint Johannes an einer ausgeprägten Hinterradallergie zu leiden; er fährt fast die ganze Zeit vorne im Wind. Ich will gerne meinen Teil zur Arbeit beitragen, doch er meint, es sei ihm lieber so, er gebe lieber selbst das Tempo vor. Na gut, denke ich mir; also verstecke ich mich im Windschatten und nutze die Gelegenheit, Kraft für die Berge zu sparen. Mit dem schlechten Gewissen meinem Kompagnon gegenüber muss ich wohl leben.
In Le Teil legen wir eine Motivationspause mit kurzem Imbiss ein. Montélimar lassen wir rechts liegen; nach wie vor kommen wir mehr schlecht als recht voran. Es geht langsam auf den Mittag zu, und uns wird klar, dass Mittagspause in Valence doch ein sehr ehrgeiziges Ziel war. Bis La Voulte schaffen wir es schließlich noch und fallen schon ziemlich hungrig in einen Supermarkt ein. Inzwischen brennt die Sonne ziemlich erbarmungslos vom Himmel, und wir suchen verzweifelt nach einem schattigen Essplatz. La Voulte hat dergleichen nichts zu bieten, und wir fahren immer weiter, schließlich halten wir an einem Hof, der etwas abseits der Straße liegt. Ein netter Franzose stellt uns nicht nur eine schattenspendende Linde in seiner Einfahrt, sondern auch Plastikstühle und ein bisschen Smalltalk zur Verfügung, so dass es ein nettes Mittagessen wird, auch wenn uns ein Essplatz direkt am Fluss natürlich mehr zugesagt hätte.
Bis Valence ist es nicht mehr weit, und wir nehmen nach dem Mittagessen unsere Fahrt wieder auf. Auf der Brücke, die uns wieder über die Rhone führt, wird die Straße vom breitesten Radweg begleitet, den wir bisher in Frankreich gesehen haben; es gibt sogar eine eigene Ausschilderung für Radfahrer, wir sind beeindruckt. Allerdings nur so lange, bis wir vor einem Schutt- und Kieshaufen stehen – hier endet der Radweg einfach blind. Doch auch davon lassen wir uns nicht aufhalten und fahren nach Valence hinein, wo wir erneut eine kurze Pause einlegen. Endlich verlassen wir das Rhonetal, denken wir, und hoffen, dass es nun auch mit dem Gegenwind ein Ende hat, doch wieder werden wir eines Besseren belehrt. Die Strecke führt weiter Richtung Chateauneuf-sur-Isère, und wieder kommt der Wind von vorne. Johannes, der heute 80 Prozent der Zeit im Wind gefahren ist, hat vorübergehend genug, und ich bin auch nicht viel besser dran. Schließlich rettet uns eine der vielen Pfirsichplantagen, durch die wir auf einer schmalen Straße fahren, und die wir ausgiebig plündern. Danach läuft es wieder wesentlich besser, und ich setze mich an die Spitze und fahre uns nach Bourg-de-Péage, das wir zum Tagesziel erklärt haben; auf einer ruhigen, aber gut ausgebauten Straße rollt es wieder, und wir machen noch einmal richtig Tempo.
Nachdem wir in Bourg-de-Péage unser Abendessen und auch die Verpflegung für den morgigen Sonntag erstanden haben, machen wir uns auf die Suche nach einem Campingplatz. Wir haben wenig Glück. Der erste, der uns beschrieben wird, existiert entweder nicht mehr oder hat nie existiert, und beim zweiten Versuch stellen wir schließlich fest, dass uns der nette junge Mann, der uns die Auskunft erteilt hat, noch fünfzehn Kilometer in die Berge lotsen will. Letztendlich landen wir wieder am anderen Isèreufer, in Romans-sur-Isère, wo wir tatsächlich einen kleinen Campingplatz zwischen Industriegebiet und Flugfeld finden. Nicht besonders idyllisch, zumal wir unser Zelt hinter einem Wohnwagen aufschlagen dürfen, dessen Besitzer gerade nicht da ist, aber er ist billig, und die Duschen sind warm, und was brauchen wir schließlich mehr? Trotz massivem Gegenwind haben wir zum dritten Mal das Tagesziel erreicht, und so können wir zufrieden ins Bett gehen.
Wir fahren etwa zwanzig Kilometer auf der rechten Seite der Rhone, bis wir schließlich bei Donzère auf die andere Seite wechseln. Wenigstens ein landschaftliches Highlight bekommen wir hier geliefert: von der schmalen Stahlbrücke aus, die den breiten Strom überquert, haben wir einen schönen Ausblick in beide Richtungen, wo der Fluss von bewaldeten Hügeln eingesäumt wird. Vom linken Ufer versprechen wir uns weniger Verkehr, da die Straße hier nicht mehr als Route National die Autobahn begleitet, und wir so auch Montélimar umgehen können. Das Profil wird langsam etwas hügeliger – direkt links von uns beginnt das Zentralmassiv – doch wir haben genug mit dem Gegenwind zu kämpfen, dass das leichte Auf und Ab eigentlich gar nicht mehr ins Gewicht fällt. Nach wie vor scheint Johannes an einer ausgeprägten Hinterradallergie zu leiden; er fährt fast die ganze Zeit vorne im Wind. Ich will gerne meinen Teil zur Arbeit beitragen, doch er meint, es sei ihm lieber so, er gebe lieber selbst das Tempo vor. Na gut, denke ich mir; also verstecke ich mich im Windschatten und nutze die Gelegenheit, Kraft für die Berge zu sparen. Mit dem schlechten Gewissen meinem Kompagnon gegenüber muss ich wohl leben.
In Le Teil legen wir eine Motivationspause mit kurzem Imbiss ein. Montélimar lassen wir rechts liegen; nach wie vor kommen wir mehr schlecht als recht voran. Es geht langsam auf den Mittag zu, und uns wird klar, dass Mittagspause in Valence doch ein sehr ehrgeiziges Ziel war. Bis La Voulte schaffen wir es schließlich noch und fallen schon ziemlich hungrig in einen Supermarkt ein. Inzwischen brennt die Sonne ziemlich erbarmungslos vom Himmel, und wir suchen verzweifelt nach einem schattigen Essplatz. La Voulte hat dergleichen nichts zu bieten, und wir fahren immer weiter, schließlich halten wir an einem Hof, der etwas abseits der Straße liegt. Ein netter Franzose stellt uns nicht nur eine schattenspendende Linde in seiner Einfahrt, sondern auch Plastikstühle und ein bisschen Smalltalk zur Verfügung, so dass es ein nettes Mittagessen wird, auch wenn uns ein Essplatz direkt am Fluss natürlich mehr zugesagt hätte.
Bis Valence ist es nicht mehr weit, und wir nehmen nach dem Mittagessen unsere Fahrt wieder auf. Auf der Brücke, die uns wieder über die Rhone führt, wird die Straße vom breitesten Radweg begleitet, den wir bisher in Frankreich gesehen haben; es gibt sogar eine eigene Ausschilderung für Radfahrer, wir sind beeindruckt. Allerdings nur so lange, bis wir vor einem Schutt- und Kieshaufen stehen – hier endet der Radweg einfach blind. Doch auch davon lassen wir uns nicht aufhalten und fahren nach Valence hinein, wo wir erneut eine kurze Pause einlegen. Endlich verlassen wir das Rhonetal, denken wir, und hoffen, dass es nun auch mit dem Gegenwind ein Ende hat, doch wieder werden wir eines Besseren belehrt. Die Strecke führt weiter Richtung Chateauneuf-sur-Isère, und wieder kommt der Wind von vorne. Johannes, der heute 80 Prozent der Zeit im Wind gefahren ist, hat vorübergehend genug, und ich bin auch nicht viel besser dran. Schließlich rettet uns eine der vielen Pfirsichplantagen, durch die wir auf einer schmalen Straße fahren, und die wir ausgiebig plündern. Danach läuft es wieder wesentlich besser, und ich setze mich an die Spitze und fahre uns nach Bourg-de-Péage, das wir zum Tagesziel erklärt haben; auf einer ruhigen, aber gut ausgebauten Straße rollt es wieder, und wir machen noch einmal richtig Tempo.
Nachdem wir in Bourg-de-Péage unser Abendessen und auch die Verpflegung für den morgigen Sonntag erstanden haben, machen wir uns auf die Suche nach einem Campingplatz. Wir haben wenig Glück. Der erste, der uns beschrieben wird, existiert entweder nicht mehr oder hat nie existiert, und beim zweiten Versuch stellen wir schließlich fest, dass uns der nette junge Mann, der uns die Auskunft erteilt hat, noch fünfzehn Kilometer in die Berge lotsen will. Letztendlich landen wir wieder am anderen Isèreufer, in Romans-sur-Isère, wo wir tatsächlich einen kleinen Campingplatz zwischen Industriegebiet und Flugfeld finden. Nicht besonders idyllisch, zumal wir unser Zelt hinter einem Wohnwagen aufschlagen dürfen, dessen Besitzer gerade nicht da ist, aber er ist billig, und die Duschen sind warm, und was brauchen wir schließlich mehr? Trotz massivem Gegenwind haben wir zum dritten Mal das Tagesziel erreicht, und so können wir zufrieden ins Bett gehen.
Von majortom –
Über Nacht ist der Himmel zugezogen, und es ist deutlich kälter geworden. Mit dem guten Wetter scheint es vorerst vorbei zu sein, aber andererseits sieht es auch nicht nach Regen aus. Zum Frühstück machen wir Eier und Speck, so dass sich unsere Stimmung auch gleich wieder bessert, und wir uns gegen halb zehn auf den Weg machen. Die Route führt heute an der Isère entlang, also wieder im Tal, und wir erwarten eigentlich keine größeren Steigungen. Gegenwind haben wir dafür wieder, aber nur relativ leichten, überhaupt nicht zu vergleichen mit gestern. Johannes scheint erneut Bärenkräfte zu haben und fährt wieder voraus – der geborene Rouleur eben. Erst bleiben wir auf der Route National, bis wir die Autobahn überquert haben, dann fahren wir auf Nebenstraßen nach La Sône herunter, wo wir erst unterhalb der Burg ein zweites Frühstück zu uns nehmen, und dann die Isère überqueren. Dass hier deutlich weniger Verkehr herrscht als auf der Hauptstraße und es natürlich auch landschaftlich wesentlich reizvoller ist, erkaufen wir mit einigen kurzen, aber steilen Steigungen, und auch die Ausschilderung lässt hier zu wünschen übrig, aber wir finden den richtigen Weg und lassen uns nicht aufhalten.
Zurück auf der Hauptstraße am anderen Isèreufer lässt auch der Gegenwind immer mehr nach, und wir machen Boden gut. Nun wechseln wir uns in der Führungsarbeit ab, wir harmonieren gut, wir sind eben doch ein gutes Team. Über Cognin-les-Gorges, wo wir rechts einen raschen Blick in eine enge Schlucht werfen, Rovon und St. Quentin steuern wir das Isèreknie an – hier macht die Isère aus Süden von Grenoble kommend einen Bogen nach Westen –, wovon wir allerdings auf unserer Straße nicht viel sehen. Wir finden einen mäßig schönen Park- und Essplatz, direkt an der Straße, aber da es schon auf 14 Uhr zugeht, sind wir wenig wählerisch. Da es Sonntag ist, müssen wir uns sowieso mit bereits gestern gekauftem Toastbrot begnügen. Es wird immer kälter während des Mittagessens, das Thermometer zeigt inzwischen nur noch 16 Grad. Kein Vergleich mit den hochsommerlichen Temperaturen in der Provence, aber immerhin stecken wir ja auch schon mitten in den Alpen, auch wenn es noch nicht die richtig hohen Gipfel sind, die uns umgeben.
Aus der Vergangenheit weiß ich, dass besonders meine Knie gegen Kälte empfindlich sind, und ich krame vor der Weiterfahrt Knielinge und Langarmtrikot aus der Tasche. Auch Johannes entschließt sich aufzurüsten, und steigt auf lange Ärmel um. Bevor wir noch weiter auskühlen, fahren wir zügig los. Unser Schwenk nach Süden hat den Vorteil, dass auch der Wind dreht, und wir zum ersten Mal auf unserer Tour Rückenwind haben. In unserer Karte ist entlang der Isère ein Radweg verzeichnet, der sich auch als tauglich erweist. Er ist asphaltiert und führt auf einem Damm direkt am Fluss entlang. Obwohl wir natürlich weiter flussaufwärts fahren, kommt es mir sogar so vor, als würde es ständig leicht bergab gehen – Rückenwind machts möglich. Wir drücken zwischen 33 und 35 Stundenkilometern, so dass uns auch schnell wieder warm wird.
In Grenoble endet unser Radweg leider sehr abrupt, und wir müssen uns durch die Großstadt kämpfen – die letzte richtig große Stadt vor Wien. Ermutigt durch die großartige piste cyclable, die uns in die Stadt geführt hat, steuern wir jetzt den Radweg an, der Grenoble in nordöstlicher Richtung wieder verlässt, doch wir werden bitter enttäuscht und landen auf einem Schotterweg. Zu allem Überfluss verfahren wir uns auch noch, und unser Feldweg endet in einer Wiese. 200 Meter vor uns sehen wir Radfahrer auf dem richtigen Radweg vorbeirauschen, während uns an dieser Stelle nichts anderes übrig bleibt, als die Räder zu schieben oder sogar zu schleppen. Über mal mehr, mal weniger (öfter weniger) befestigte Wege kämpfen wir uns weiter, bis wir in Lancey (die Ähnlichkeit des Ortsnamens mit einem bekannten amerikanischen Radsportler scheint zufällig zu sein) wieder auf die Hauptstraße treffen.
Ab hier beginnen wir nach einem Campingplatz zu suchen, eine Suche, die ungefähr fünfzehn Kilometer weiter in Les Terrasses endet. Ab Grenoble haben sich die Wolken wieder gelichtet, und wir fahren das letzte Stück mit der Abendsonne im Rücken. Der Campingplatz liegt an einem Baggersee zwischen dem Fluss und der Autobahn, zum Schwimmen kommen wir aber leider zu spät. Wir genießen unser Abendessen und die letzten Sonnenstrahlen; im Dunklen hängen wir dann noch unsere Wäsche zum Trocknen auf. Wieder sind wir den Bergen ein ganzes Stück näher gekommen, wir spüren beide die Vorfreude, wir fühlen uns beide topfit. Eine gute Voraussetzung, um den Tag zu beenden.
Zurück auf der Hauptstraße am anderen Isèreufer lässt auch der Gegenwind immer mehr nach, und wir machen Boden gut. Nun wechseln wir uns in der Führungsarbeit ab, wir harmonieren gut, wir sind eben doch ein gutes Team. Über Cognin-les-Gorges, wo wir rechts einen raschen Blick in eine enge Schlucht werfen, Rovon und St. Quentin steuern wir das Isèreknie an – hier macht die Isère aus Süden von Grenoble kommend einen Bogen nach Westen –, wovon wir allerdings auf unserer Straße nicht viel sehen. Wir finden einen mäßig schönen Park- und Essplatz, direkt an der Straße, aber da es schon auf 14 Uhr zugeht, sind wir wenig wählerisch. Da es Sonntag ist, müssen wir uns sowieso mit bereits gestern gekauftem Toastbrot begnügen. Es wird immer kälter während des Mittagessens, das Thermometer zeigt inzwischen nur noch 16 Grad. Kein Vergleich mit den hochsommerlichen Temperaturen in der Provence, aber immerhin stecken wir ja auch schon mitten in den Alpen, auch wenn es noch nicht die richtig hohen Gipfel sind, die uns umgeben.
Aus der Vergangenheit weiß ich, dass besonders meine Knie gegen Kälte empfindlich sind, und ich krame vor der Weiterfahrt Knielinge und Langarmtrikot aus der Tasche. Auch Johannes entschließt sich aufzurüsten, und steigt auf lange Ärmel um. Bevor wir noch weiter auskühlen, fahren wir zügig los. Unser Schwenk nach Süden hat den Vorteil, dass auch der Wind dreht, und wir zum ersten Mal auf unserer Tour Rückenwind haben. In unserer Karte ist entlang der Isère ein Radweg verzeichnet, der sich auch als tauglich erweist. Er ist asphaltiert und führt auf einem Damm direkt am Fluss entlang. Obwohl wir natürlich weiter flussaufwärts fahren, kommt es mir sogar so vor, als würde es ständig leicht bergab gehen – Rückenwind machts möglich. Wir drücken zwischen 33 und 35 Stundenkilometern, so dass uns auch schnell wieder warm wird.
In Grenoble endet unser Radweg leider sehr abrupt, und wir müssen uns durch die Großstadt kämpfen – die letzte richtig große Stadt vor Wien. Ermutigt durch die großartige piste cyclable, die uns in die Stadt geführt hat, steuern wir jetzt den Radweg an, der Grenoble in nordöstlicher Richtung wieder verlässt, doch wir werden bitter enttäuscht und landen auf einem Schotterweg. Zu allem Überfluss verfahren wir uns auch noch, und unser Feldweg endet in einer Wiese. 200 Meter vor uns sehen wir Radfahrer auf dem richtigen Radweg vorbeirauschen, während uns an dieser Stelle nichts anderes übrig bleibt, als die Räder zu schieben oder sogar zu schleppen. Über mal mehr, mal weniger (öfter weniger) befestigte Wege kämpfen wir uns weiter, bis wir in Lancey (die Ähnlichkeit des Ortsnamens mit einem bekannten amerikanischen Radsportler scheint zufällig zu sein) wieder auf die Hauptstraße treffen.
Ab hier beginnen wir nach einem Campingplatz zu suchen, eine Suche, die ungefähr fünfzehn Kilometer weiter in Les Terrasses endet. Ab Grenoble haben sich die Wolken wieder gelichtet, und wir fahren das letzte Stück mit der Abendsonne im Rücken. Der Campingplatz liegt an einem Baggersee zwischen dem Fluss und der Autobahn, zum Schwimmen kommen wir aber leider zu spät. Wir genießen unser Abendessen und die letzten Sonnenstrahlen; im Dunklen hängen wir dann noch unsere Wäsche zum Trocknen auf. Wieder sind wir den Bergen ein ganzes Stück näher gekommen, wir spüren beide die Vorfreude, wir fühlen uns beide topfit. Eine gute Voraussetzung, um den Tag zu beenden.
Von majortom –
Es ist eine eisig kalte Nacht gewesen, und auch morgens ist es noch kalt, obwohl blauer Himmel wieder einen schönen Tag verspricht. Wir entscheiden uns nach genauem Studium der Karte dafür, weiter am rechten Isèreufer zu fahren, und frühstücken deshalb in Tencin, dem ersten Ort, den wir erreichen. Da die meisten Dörfer, durch die wir kommen, etwas erhöht am Hang gebaut sind, ist das Terrain recht hügelig. Dennoch sind wir ziemlich zügig unterwegs. Für heute haben wir uns wieder ein ehrgeiziges Ziel gesteckt, nämlich Mittagessen in Albertville, und wir sind auf dem besten Weg, dieses Ziel auch zu erreichen.
Wir verlassen das Isèretal bei Pontcharra, und es folgt ein sechs Kilometer langer leichter Anstieg nach Détrier, doch die Steigungsprozente sind kaum der Rede wert, und wir schaffen es ohne Mühe, das Tempo weiter hoch zu halten. Die Belohnung für den bewältigten Anstieg folgt auch sogleich: ab La Rochette befinden wir uns in einem weiten Tal, und die Straße ist schnurgerade und leicht abfallend, außerdem so gut wie kein Verkehr. Die ganze Zeit schon befinden wir uns auf der diesjährigen Tour-de-France-Strecke, vielleicht ist die Straße auch deswegen vor nicht allzu langer Zeit neu geteert worden. Wieder wechseln wir uns in der Führung ab, und es gelingt uns, den Schnitt auf über 25 zu heben. Selbst ein Reifenschaden an Johannes' Hinterrad hält uns nur kurz auf. Wieder erweisen wir uns als perfekt abgestimmtes Team: ich reiche Werkzeuge, Schlauch und Pumpe an, Johannes wechselt den Schlauch, und in drei Minuten sind wir wieder en route.
Bei Chamousset treffen wir wieder auf die Isère und überqueren diese. Nun ist es vorbei mit wenig Verkehr; auf der Route National, die wieder einmal parallel zur Autobahn führt, donnern die LKWs an uns vorbei. Die Alternative wäre eine Nebenstraße durch die Berge, aber wir liegen so gut in der Zeit, dass wir es bis zur Mittagspause tatsächlich nach Albertville schaffen können, und so entscheiden wir uns dagegen. Kurz vor Albertville bleibt uns dann allerdings gar nichts anderes übrig, als auf die Nebenstraße auszuweichen; die Route National ist ab hier für Fahrräder verboten. Albertville war Etappenort unserer Tour Freiburg–Nizza 2003, also kennen wir uns sogar ein bisschen aus. Sofort finden wir einen Supermarkt und kaufen ein für das Mittagessen, das wir schließlich in einer Art Park in der Innenstadt zu uns nehmen. Bis zum Etappenziel Beaufort fehlen uns nur noch knapp 20 Kilometer, also nehmen wir uns heute ein bisschen mehr Zeit.
Es ist schon Nachmittag, als wir wieder aufbrechen, und die wenig schöne Stadt hinter uns lassen. Nicht nur 20 Kilometer liegen noch vor uns, sondern auch ungefähr 250 Höhenmeter, eigentlich fast schon eine Bergankunft. Tatsächlich wird es direkt nach Albertville sogar ziemlich steil. Johannes bekommt leichte Probleme mit seinem Knie und muss abreißen lassen. Es riecht jetzt schon richtig nach Hochgebirge, wohl schon einmal ein Vorgeschmack auf die Bergetappe morgen, und so langsam kommt auch Vorfreude auf. Die Versuchung ist groß, vor lauter Übermut ein hohes Tempo zu drücken, einfach weil es Spaß macht, in den Bergen zu sein, und ich muss mich wirklich zusammen reißen, heute nicht unnötigerweise Kraft zu verschwenden, die mir morgen dann möglicherweise fehlt. Nach drei bis vier Kilometern wird es dann jedoch wieder flacher, geht sogar leicht bergab. An einem Bach namens Doron geht es tendenziell zwar immer noch bergauf, aber bis Beaufort sind keine wirklich schlimmen Steigungen mehr zu überwinden.
Und so kommen wir am frühen Abend am Etappenziel an, finden einen netten Campingplatz, und haben nach dem Abendessen sogar noch Zeit, ein bisschen durchs Dorf zu schlendern. Ein Zirkus ist hier zu Gast, und das ganze Dorf scheint gerade an der Kasse anzustehen, aber wir begnügen uns damit, durch den Zaun einen kurzen Blick auf Tiger und Lamas zu werfen. Es wird sehr schnell kalt, als die Sonne untergeht; wir spüren deutlich, dass wir im Hochgebirge angekommen sind. Die Überführungsetappen sind jetzt zuende, und morgen geht es dann richtig zur Sache. Ein bisschen Respekt flößen uns die zwei Berge ja schon ein, die morgen auf dem Programm stehen, andererseits freuen wir uns auch darauf, dass es endlich richtig los geht.
Wir verlassen das Isèretal bei Pontcharra, und es folgt ein sechs Kilometer langer leichter Anstieg nach Détrier, doch die Steigungsprozente sind kaum der Rede wert, und wir schaffen es ohne Mühe, das Tempo weiter hoch zu halten. Die Belohnung für den bewältigten Anstieg folgt auch sogleich: ab La Rochette befinden wir uns in einem weiten Tal, und die Straße ist schnurgerade und leicht abfallend, außerdem so gut wie kein Verkehr. Die ganze Zeit schon befinden wir uns auf der diesjährigen Tour-de-France-Strecke, vielleicht ist die Straße auch deswegen vor nicht allzu langer Zeit neu geteert worden. Wieder wechseln wir uns in der Führung ab, und es gelingt uns, den Schnitt auf über 25 zu heben. Selbst ein Reifenschaden an Johannes' Hinterrad hält uns nur kurz auf. Wieder erweisen wir uns als perfekt abgestimmtes Team: ich reiche Werkzeuge, Schlauch und Pumpe an, Johannes wechselt den Schlauch, und in drei Minuten sind wir wieder en route.
Bei Chamousset treffen wir wieder auf die Isère und überqueren diese. Nun ist es vorbei mit wenig Verkehr; auf der Route National, die wieder einmal parallel zur Autobahn führt, donnern die LKWs an uns vorbei. Die Alternative wäre eine Nebenstraße durch die Berge, aber wir liegen so gut in der Zeit, dass wir es bis zur Mittagspause tatsächlich nach Albertville schaffen können, und so entscheiden wir uns dagegen. Kurz vor Albertville bleibt uns dann allerdings gar nichts anderes übrig, als auf die Nebenstraße auszuweichen; die Route National ist ab hier für Fahrräder verboten. Albertville war Etappenort unserer Tour Freiburg–Nizza 2003, also kennen wir uns sogar ein bisschen aus. Sofort finden wir einen Supermarkt und kaufen ein für das Mittagessen, das wir schließlich in einer Art Park in der Innenstadt zu uns nehmen. Bis zum Etappenziel Beaufort fehlen uns nur noch knapp 20 Kilometer, also nehmen wir uns heute ein bisschen mehr Zeit.
Es ist schon Nachmittag, als wir wieder aufbrechen, und die wenig schöne Stadt hinter uns lassen. Nicht nur 20 Kilometer liegen noch vor uns, sondern auch ungefähr 250 Höhenmeter, eigentlich fast schon eine Bergankunft. Tatsächlich wird es direkt nach Albertville sogar ziemlich steil. Johannes bekommt leichte Probleme mit seinem Knie und muss abreißen lassen. Es riecht jetzt schon richtig nach Hochgebirge, wohl schon einmal ein Vorgeschmack auf die Bergetappe morgen, und so langsam kommt auch Vorfreude auf. Die Versuchung ist groß, vor lauter Übermut ein hohes Tempo zu drücken, einfach weil es Spaß macht, in den Bergen zu sein, und ich muss mich wirklich zusammen reißen, heute nicht unnötigerweise Kraft zu verschwenden, die mir morgen dann möglicherweise fehlt. Nach drei bis vier Kilometern wird es dann jedoch wieder flacher, geht sogar leicht bergab. An einem Bach namens Doron geht es tendenziell zwar immer noch bergauf, aber bis Beaufort sind keine wirklich schlimmen Steigungen mehr zu überwinden.
Und so kommen wir am frühen Abend am Etappenziel an, finden einen netten Campingplatz, und haben nach dem Abendessen sogar noch Zeit, ein bisschen durchs Dorf zu schlendern. Ein Zirkus ist hier zu Gast, und das ganze Dorf scheint gerade an der Kasse anzustehen, aber wir begnügen uns damit, durch den Zaun einen kurzen Blick auf Tiger und Lamas zu werfen. Es wird sehr schnell kalt, als die Sonne untergeht; wir spüren deutlich, dass wir im Hochgebirge angekommen sind. Die Überführungsetappen sind jetzt zuende, und morgen geht es dann richtig zur Sache. Ein bisschen Respekt flößen uns die zwei Berge ja schon ein, die morgen auf dem Programm stehen, andererseits freuen wir uns auch darauf, dass es endlich richtig los geht.
Von majortom –
Es ist wieder eiskalt an diesem Morgen, und Johannes hat große Probleme, mich aus dem Schlafsack zu zerren. Bis der Bäcker um 8.30 Uhr zu uns auf den Campingplatz kommt, ist allerdings schon die Sonne heraus gekommen; der Tag scheint wieder sehr schön zu werden. Das Zelt haben wir schon abgebaut, so dass wir gleich nach dem Frühstück starten können. Beaufort liegt am Fuß des Cormet de Roselend, eines Passes, der auch im diesjährigen Tour-de-France-Aufgebot stand. Und so geht es auch schon im Ort ziemlich steil los. Leider liegt der Anstieg an einem Westhang, der am Morgen noch vollständig im Schatten liegt, so dass es noch ziemlich frisch ist. Warm wird uns allerdings von der Steigung, in den steileren Abschnitten sind es deutlich über 10 Prozent. In weiten Kehren zieht sich die Strecke hinauf durch dichten Nadelwald, und die auf die Straße gemalten Namen erinnern daran, welche Radsportgrößen hier dieses Jahr auch schon gefahren sind. Ich finde einen guten Rhythmus, und auch Johannes, immer noch von Schmerzen im Knie und dazu einer leichten Erkältung geplagt, fährt ein ordentliches Tempo.
Am Col de Meraillet treffen wir uns nach 12 Kilometern wieder und genießen den Blick auf den Lac de Roselend unter uns, einen Stausee, der türkisgrün in der Vormittagssonne glitzert. Obwohl es ein künstlicher See ist, passt er ins Landschaftsbild, und wir sind von seiner Schönheit absolut überwältigt. Inzwischen steht die Sonne so hoch am Himmel, dass uns auch auf dem zwei Kilometer langen Flachstück, das am See entlang führt, nicht kalt wird. Lange können wir uns jedoch nicht erholen, denn sofort danach wird es wieder sehr steil, in drei weiteren Serpentinen schlängeln wir uns weiter an einem Steilhang nach oben. Nach oben wird der Pass dann jedoch immer flacher, was mir sehr entgegen kommt. Längst sind wir jenseits der Baumgrenze, und über felsige Wiesen legen wir die letzten Kilometer zurück – fast schon in andächtiger Stimmung, denn schließlich ist es unser erster Alpenpass, den wir auf dieser Tour bezwingen. Auf der Passhöhe ist die Hölle los. Wir unterhalten uns noch mit einem netten Rennradler aus Lothringen, der auch das Passfoto von uns macht. 1968 Meter Höhe – leider ist es noch kein Zweitausender, doch diese Marke werden wir ja schon diesen Nachmittag zum ersten Mal überschreiten.
Auch auf der Abfahrt hat die Tour der France ihre Spuren hinerlassen, die teilweise sehr schmale Straße, auf der kaum zwei Autos nebeneinander passen, wurde an vielen Stellen verbreitert und neu geteert. Im oberen Teil geht es noch über lange Geraden und wir erreichen auch dementsprechend hohe Geschwindigkeiten, besonders Johannes, der „Alpensegler”, holt alles aus der Abfahrt heraus, was die Schwerkraft hergibt. Als wir dann im unteren Teil wieder in den Wald kommen, wird die Straße jedoch schmal und kurvenreich, so dass es vor allem eine Belastung für unsere Bremsbeläge wird. Doch wir erreichen unbeschadet Bourg St. Maurice, wo wir unser Mittagessen kaufen. Bourg St. Maurice ist nicht nur der Fußpunkt unserer Abfahrt, sondern auch gleichzeitig Ausgangspunkt unseres nächsten Passes, des Petit St. Bernard, der uns nach Italien führen soll. Außerdem geht hier auch der Col de lIséran nach Süden ab. Wir entschließen uns, noch ein Stück weiter zu fahren, bis wir einen geeigneten Essplatz finden und kommen so schließlich bis Villard-Dessus, wo wir uns vor einer Kirche auf einer Mauer im Schatten niederlassen. Beim Mittagessen beobachten wir zwei am Dorfbrunnen spielende Kinder, die sich gegenseitig mit Wasser vollspritzen und uns dabei nur sehr knapp verfehlen. Es ist inzwischen verdammt heiß geworden.
In der Mittagshitze haben wir es nicht besonders eilig, weiter zu kommen. Wir können den Anstieg zum Petit St. Bernard recht gut überblicken von hier unten; es gibt nur wenig Bäume, die uns vor der direkten Sonneneinstrahlung schützen könnten. Schließlich ist es 15 Uhr, bis wir loskommen. Auf den ersten vier Kilometern beträgt die Steigung zwischen acht und neun Prozent, danach wird es deutlich flacher, besonders in den Kehren drehe ich richtig auf. Da der Weg bis Aosta noch weit ist, und mir die nicht ganz so steilen Steigungen sehr gut liegen, entscheide ich mich für ein zügiges Tempo. Johannes geht ohne große Mühe mit, scheint auch sehr motiviert zu sein und zieht mir dann sogar mit einem beherzten Antritt davon. In weiten Serpentinen führt uns die Straße immer weiter in die Höhe, und wir spulen Kilometer um Kilometer ab. Die Aussicht wird immer besser, wir blicken auf Bourg St. Maurice herunter, sehen die Straße zum Cormet, die wir gekommen sind, und das Tal, das zum Col de lIséran führt. Ich hole Johannes nach ein paar Minuten wieder ein, aber zu diesem Zeitpunkt fährt sowieso jeder sein eigenes Tempo, alles andere würde nur unnötig viel Kraft kosten, wir fahren schließlich mit- und nicht gegeneinander.
Im Skiort La Rosière haben wir schon 17 Kilometer zurückgelegt, und es fehlen noch neun. Allmählich wird mir bewusst, dass die Schwierigkeit dieses Passes zwar nicht die Steigung, dafür aber seine Länge ist. Als ich merke, dass meine Kräfte allmählich schwinden, bekomme ich schon ein bisschen Angst, dass ich den Berg vielleicht zu schnell angegangen bin. Vielleicht hätte ich mich doch noch länger an meinem erfahreneren Partner orientieren sollen? Zum Glück wird es nach La Rosière erst einmal wieder flacher, und ich kann mich, bis die Straße schließlich eine Rechtskurve Richtung Italien macht, wieder etwas erholen. Die Passhöhe ist von hier aus schon sichtbar; wenn ich meinem Tacho glauben darf, sind es noch vier bis fünf Kilometer, und es sieht auch nicht mehr sonderlich steil aus. Bisher war der Pass mit seiner regelmäßigen, moderaten Steigung sehr nach meinem Geschmack, doch das ändert sich an dieser Stelle: flache Geraden, unterbrochen von kurzen, steilen Rampen, ein echter Tempobrecher. Außerdem ist der Asphalt wesentlich rauer geworden, und zu allem Überfluss haben wir auch noch leichten Gegenwind. Unmöglich, hier einen guten Tritt zu finden, ich muss richtig beißen und kämpfen. Frankreich verabschiedet sich ziemlich undankbar.
Johannes erreicht die Passhöhe – die gleichzeitig auch die Grenze nach Italien ist – ein paar Minuten nach mir. Auch er hatte mit dem Schlussstück arg zu kämpfen. Endlich oben, genießen wir dann den großartigen Ausblick auf den höchsten Berg Europas, und der schneebedeckte Montblanc bzw. Monte Bianco macht seinem Namen alle Ehre. Ein Blick auf die Uhr zeigt 17.15 Uhr, ein Hinweisschild nach Aosta zeigt uns 55 Kilometer an. Also halten wir uns nicht lange auf, ziehen uns für die Abfahrt um, machen unser Passfoto und stürzen uns hinunter. Italien empfängt uns jedoch auch nicht freundlicher, als Frankreich uns verabschiedet hat: der Asphalt ist holprig und rissig, die Tunnel sind nicht beleuchtet, das Verkehrsaufkommen ist stark.
Gegen 18 Uhr erreichen wir Pré-St.-Didier im Aostatal, wo die Passstraße zum Petit St. Bernard von der Straße Richtung Montblanctunnel abzweigt. Über 40 Kilometer fehlen uns noch bis zum Etappenziel Aosta, doch unsere Route führt uns zum Glück weiter bergab; Aosta liegt noch ungefähr 400 Höhenmeter tiefer. Für ein paar Kilometer können wir sogar auf den Aosta-Express aufspringen; ein italienischer Rennradler macht das Tempo für uns. Schließlich müssen wir jedoch abreißen lassen, da unsere Kraftreserven ziemlich aufgebraucht sind, und wir sein Tempo nicht mehr halten können. Ich übernehme die Aufgabe des Pacemakers und führe uns über die immer hügeliger werdende Strecke. Mit letzter Kraft kämpfen wir uns bis Aosta, es beginnt schon zu dämmern. Johannes meint, der Ofen sei aus bei ihm, mir geht es auch nicht viel besser; wir sind uns einig, dass wir dringend etwas zum Essen brauchen, bevor wir anfangen, nach einem Campingplatz zu suchen.
Einen Supermarkt, der noch offen hat, finden wir nicht mehr, doch schließlich rettet uns ein Pizzaservice, der zwar gerade seine Tore schließen will, uns dann aber doch noch eine Pizza macht. Wieder gestärkt fällt uns dann auch die Suche nach einem Campingplatz leichter, und die dritte Auskunft, die wir erhalten, erweist sich schließlich als hilfreich. Wir müssen zwar noch einen halben Kilometer bergauf Richtung Gran San Bernardo zurück legen, aber da das alles Höhenmeter sind, die wir dann morgen nicht mehr erklimmen müssen, können wir uns auch dazu noch einmal motivieren. Der städtische Campingplatz in Aosta ist fast drei Mal so teuer wie die französischen und bietet auch nicht mehr Komfort – unebene Wiese und höchstens lauwarme Duschen – aber da inzwischen schon die Dunkelheit hereingebrochen ist, nehmen wir, was wir kriegen können. In der kleinen Bar des Campingplatzes genehmigen wir uns noch ein Bier und ein Eis, zu mehr Aktivität sind wir nach diesem harten Tag allerdings nicht mehr imstande.
Am Col de Meraillet treffen wir uns nach 12 Kilometern wieder und genießen den Blick auf den Lac de Roselend unter uns, einen Stausee, der türkisgrün in der Vormittagssonne glitzert. Obwohl es ein künstlicher See ist, passt er ins Landschaftsbild, und wir sind von seiner Schönheit absolut überwältigt. Inzwischen steht die Sonne so hoch am Himmel, dass uns auch auf dem zwei Kilometer langen Flachstück, das am See entlang führt, nicht kalt wird. Lange können wir uns jedoch nicht erholen, denn sofort danach wird es wieder sehr steil, in drei weiteren Serpentinen schlängeln wir uns weiter an einem Steilhang nach oben. Nach oben wird der Pass dann jedoch immer flacher, was mir sehr entgegen kommt. Längst sind wir jenseits der Baumgrenze, und über felsige Wiesen legen wir die letzten Kilometer zurück – fast schon in andächtiger Stimmung, denn schließlich ist es unser erster Alpenpass, den wir auf dieser Tour bezwingen. Auf der Passhöhe ist die Hölle los. Wir unterhalten uns noch mit einem netten Rennradler aus Lothringen, der auch das Passfoto von uns macht. 1968 Meter Höhe – leider ist es noch kein Zweitausender, doch diese Marke werden wir ja schon diesen Nachmittag zum ersten Mal überschreiten.
Auch auf der Abfahrt hat die Tour der France ihre Spuren hinerlassen, die teilweise sehr schmale Straße, auf der kaum zwei Autos nebeneinander passen, wurde an vielen Stellen verbreitert und neu geteert. Im oberen Teil geht es noch über lange Geraden und wir erreichen auch dementsprechend hohe Geschwindigkeiten, besonders Johannes, der „Alpensegler”, holt alles aus der Abfahrt heraus, was die Schwerkraft hergibt. Als wir dann im unteren Teil wieder in den Wald kommen, wird die Straße jedoch schmal und kurvenreich, so dass es vor allem eine Belastung für unsere Bremsbeläge wird. Doch wir erreichen unbeschadet Bourg St. Maurice, wo wir unser Mittagessen kaufen. Bourg St. Maurice ist nicht nur der Fußpunkt unserer Abfahrt, sondern auch gleichzeitig Ausgangspunkt unseres nächsten Passes, des Petit St. Bernard, der uns nach Italien führen soll. Außerdem geht hier auch der Col de lIséran nach Süden ab. Wir entschließen uns, noch ein Stück weiter zu fahren, bis wir einen geeigneten Essplatz finden und kommen so schließlich bis Villard-Dessus, wo wir uns vor einer Kirche auf einer Mauer im Schatten niederlassen. Beim Mittagessen beobachten wir zwei am Dorfbrunnen spielende Kinder, die sich gegenseitig mit Wasser vollspritzen und uns dabei nur sehr knapp verfehlen. Es ist inzwischen verdammt heiß geworden.
In der Mittagshitze haben wir es nicht besonders eilig, weiter zu kommen. Wir können den Anstieg zum Petit St. Bernard recht gut überblicken von hier unten; es gibt nur wenig Bäume, die uns vor der direkten Sonneneinstrahlung schützen könnten. Schließlich ist es 15 Uhr, bis wir loskommen. Auf den ersten vier Kilometern beträgt die Steigung zwischen acht und neun Prozent, danach wird es deutlich flacher, besonders in den Kehren drehe ich richtig auf. Da der Weg bis Aosta noch weit ist, und mir die nicht ganz so steilen Steigungen sehr gut liegen, entscheide ich mich für ein zügiges Tempo. Johannes geht ohne große Mühe mit, scheint auch sehr motiviert zu sein und zieht mir dann sogar mit einem beherzten Antritt davon. In weiten Serpentinen führt uns die Straße immer weiter in die Höhe, und wir spulen Kilometer um Kilometer ab. Die Aussicht wird immer besser, wir blicken auf Bourg St. Maurice herunter, sehen die Straße zum Cormet, die wir gekommen sind, und das Tal, das zum Col de lIséran führt. Ich hole Johannes nach ein paar Minuten wieder ein, aber zu diesem Zeitpunkt fährt sowieso jeder sein eigenes Tempo, alles andere würde nur unnötig viel Kraft kosten, wir fahren schließlich mit- und nicht gegeneinander.
Im Skiort La Rosière haben wir schon 17 Kilometer zurückgelegt, und es fehlen noch neun. Allmählich wird mir bewusst, dass die Schwierigkeit dieses Passes zwar nicht die Steigung, dafür aber seine Länge ist. Als ich merke, dass meine Kräfte allmählich schwinden, bekomme ich schon ein bisschen Angst, dass ich den Berg vielleicht zu schnell angegangen bin. Vielleicht hätte ich mich doch noch länger an meinem erfahreneren Partner orientieren sollen? Zum Glück wird es nach La Rosière erst einmal wieder flacher, und ich kann mich, bis die Straße schließlich eine Rechtskurve Richtung Italien macht, wieder etwas erholen. Die Passhöhe ist von hier aus schon sichtbar; wenn ich meinem Tacho glauben darf, sind es noch vier bis fünf Kilometer, und es sieht auch nicht mehr sonderlich steil aus. Bisher war der Pass mit seiner regelmäßigen, moderaten Steigung sehr nach meinem Geschmack, doch das ändert sich an dieser Stelle: flache Geraden, unterbrochen von kurzen, steilen Rampen, ein echter Tempobrecher. Außerdem ist der Asphalt wesentlich rauer geworden, und zu allem Überfluss haben wir auch noch leichten Gegenwind. Unmöglich, hier einen guten Tritt zu finden, ich muss richtig beißen und kämpfen. Frankreich verabschiedet sich ziemlich undankbar.
Johannes erreicht die Passhöhe – die gleichzeitig auch die Grenze nach Italien ist – ein paar Minuten nach mir. Auch er hatte mit dem Schlussstück arg zu kämpfen. Endlich oben, genießen wir dann den großartigen Ausblick auf den höchsten Berg Europas, und der schneebedeckte Montblanc bzw. Monte Bianco macht seinem Namen alle Ehre. Ein Blick auf die Uhr zeigt 17.15 Uhr, ein Hinweisschild nach Aosta zeigt uns 55 Kilometer an. Also halten wir uns nicht lange auf, ziehen uns für die Abfahrt um, machen unser Passfoto und stürzen uns hinunter. Italien empfängt uns jedoch auch nicht freundlicher, als Frankreich uns verabschiedet hat: der Asphalt ist holprig und rissig, die Tunnel sind nicht beleuchtet, das Verkehrsaufkommen ist stark.
Gegen 18 Uhr erreichen wir Pré-St.-Didier im Aostatal, wo die Passstraße zum Petit St. Bernard von der Straße Richtung Montblanctunnel abzweigt. Über 40 Kilometer fehlen uns noch bis zum Etappenziel Aosta, doch unsere Route führt uns zum Glück weiter bergab; Aosta liegt noch ungefähr 400 Höhenmeter tiefer. Für ein paar Kilometer können wir sogar auf den Aosta-Express aufspringen; ein italienischer Rennradler macht das Tempo für uns. Schließlich müssen wir jedoch abreißen lassen, da unsere Kraftreserven ziemlich aufgebraucht sind, und wir sein Tempo nicht mehr halten können. Ich übernehme die Aufgabe des Pacemakers und führe uns über die immer hügeliger werdende Strecke. Mit letzter Kraft kämpfen wir uns bis Aosta, es beginnt schon zu dämmern. Johannes meint, der Ofen sei aus bei ihm, mir geht es auch nicht viel besser; wir sind uns einig, dass wir dringend etwas zum Essen brauchen, bevor wir anfangen, nach einem Campingplatz zu suchen.
Einen Supermarkt, der noch offen hat, finden wir nicht mehr, doch schließlich rettet uns ein Pizzaservice, der zwar gerade seine Tore schließen will, uns dann aber doch noch eine Pizza macht. Wieder gestärkt fällt uns dann auch die Suche nach einem Campingplatz leichter, und die dritte Auskunft, die wir erhalten, erweist sich schließlich als hilfreich. Wir müssen zwar noch einen halben Kilometer bergauf Richtung Gran San Bernardo zurück legen, aber da das alles Höhenmeter sind, die wir dann morgen nicht mehr erklimmen müssen, können wir uns auch dazu noch einmal motivieren. Der städtische Campingplatz in Aosta ist fast drei Mal so teuer wie die französischen und bietet auch nicht mehr Komfort – unebene Wiese und höchstens lauwarme Duschen – aber da inzwischen schon die Dunkelheit hereingebrochen ist, nehmen wir, was wir kriegen können. In der kleinen Bar des Campingplatzes genehmigen wir uns noch ein Bier und ein Eis, zu mehr Aktivität sind wir nach diesem harten Tag allerdings nicht mehr imstande.
Ich bin diese Etappe gefahren
am
Von majortom –
Der anstrengende Vortag steckt uns immer noch in den Knochen, als wir um acht Uhr aufstehen. Wir packen dann gleich unsere Sachen und verlassen den wenig gemütlichen Campingplatz. Die Zutaten für unser Frühstück bekommen wir ein paar hundert Meter weiter in einem kleinen Supermarkt, die Sitzgelegenheit stellt uns eine Tankstelle direkt gegenüber. Dass uns ein italienischer LKW-Fahrer, dessen gemeinsamer Wortschatz mit uns so ungefähr zehn Worte beträgt, für verrückt erklärt, als er hört, was unser Ziel ist, kann uns auch nicht entmutigen; ebenso wenig lassen wir uns davon beeindrucken, dass zwar auch heute die Sonne scheint, es jedoch so schwülheiß ist, dass wir nach dem ersten Kilometer schon völlig durchgeschwitzt sind.
Die Straße ist Richtung Gran San Bernardo ausgeschildert, heißt jedoch Rue du Grand St. Bernard – Relikt der savoyischen Geschichte des Aostatals. Immer noch gibt es eine französischsprachige Minderheit. Wie auch immer, die ersten siebzehn Kilometer der Passstraße sind ziemlich unangenehm. Die Steigungsprozente sind zwar eher moderat, aber der Verkehr ist schlimm – man merkt, dass wir auf einer der bedeutendsten Nord-Süd-Routen durch die Alpen unterwegs sind. Erst als die Straße, die zum Tunnel führt, von der Passstraße abzweigt, wird es etwas erträglicher. Es wird allerdings auch sofort wieder steiler. Ich fühle mich gut, die am Morgen noch festen Beine haben sich wieder gelockert. Johannes, der sich gestern schon nicht optimal gefühlt hat, fällt wieder zurück, und da ich weiß, dass ich ihm nicht helfen kann, fahre ich mein eigenes Tempo. Die Strecke führt über enge Serpentinen durch einen Kiefernwald, der Tritt ist noch flüssig und diese Passage somit gut zu fahren. Als nach sechs Kilometern die Brücke, die in den Tunnel führt, unsere Passstraße kreuzt, ist dann die Baumgrenze erreicht.
Von hier aus sieht man die folgenden vier oder fünf Kilometer: die Straße windet sich den Hang hinauf. Man meint sogar schon die Passhöhe sehen zu können, aber die ist noch so weit oben, dass der Anblick eher demotiviert. Es wird steiler, und ich nehme etwas Tempo heraus; spätestens hier wird mir klar, dass ich mit meinen Kräften ganz schön haushalten muss, wenn ich oben ankommen will. Der Schweiß fließt in Strömen, denn die Luftfeuchtigkeit ist immer noch hart an der Grenze der Tolerierbarkeit, und aus dem Aostatal steigen Wolken herauf. Es sieht verdächtig nach Gewitter aus. Landschaftlich wird der Pass in diesem Abschnitt immer schöner, immer gebirgiger, wir sind allerdings auch nicht die einzigen, die das erleben. Obwohl die meisten Autos wohl doch den Tunnel nehmen, sind dennoch alle Park- und Picknickplätze überfüllt. Touristen, so weit das Auge reicht; sie sitzen in der Sonne und genießen die Aussicht, während ich sie ignoriere und mich Meter um Meter bergauf kämpfe.
Das was ich zuerst für die Passhöhe gehalten habe, entpuppt sich dann einige Zeit später als das Maison de la Refuge (was auch immer das ist), und laut Höhenprofil sind es noch vier von 34 Kilometern. Und schon wieder tut sich eine Wand vor mir auf, die ich noch hinauf muss, inklusive einer Galerie, die aus dieser Perspektive so steil aussieht, dass ich der Verzweiflung in diesem Moment ziemlich nahe bin. Die ausgedehnte Wiesenlandschaft ist inzwischen einer zerklüfteten Felsenszenerie gewichen. Weil hier die Straße gerade ausgebessert wird, taucht mich jedes vorbeifahrende Auto in eine Staubwolke, doch schließlich erreiche ich die Galerie (die dann doch nicht so steil ist, wie sie von unten aussah), und nach zwei oder drei Kurven stehe ich dann an der Passhöhe. In dem ganzen Rummel zwischen Touristen und Plüschbernhardinern fährt Johannes an mir vorbei, ohne dass wir es bemerken, und als wir uns endlich wiederfinden, hat er die Schweizer Grenze schon drei Mal überquert. Zu zweit überqueren wir sie dann ein viertes Mal, und Johannes erzählt mir, dass er sich im Anstieg schließlich immer besser gefühlt hat – er hat das Tief wohl überwunden und wahrscheinlich auf den letzten Kilometern noch einiges an Zeit gegenüber mir gut gemacht.
Nach kurzer Pause machen wir uns dann an die Abfahrt, die auf den ersten paar Kilometern sehr kurvenreich ist, deshalb eher langsam und anstrengend, außerdem dank 2469 Metern Höhe ziemlich kalt. Als dann die Tunnelroute wieder zu der Passstraße stößt, ist die Fahrbahn erwartungsgemäß wieder besser ausgebaut und stärker befahren. Da es nun durch eine mehrere Kilometer lange Galerie geht, und es zudem auch nicht mehr so steil ist, stellen wir auch hier keine Geschwindigkeitsrekorde auf, doch da wir auf der Abfahrt fast 50 Kilometer gratis bekommen, nehmen wir das auch gerne so hin. Unser verspätetes Mittagessen kochen wir auf einem Spielplatz in Sembrancher, schon kurz vor Martigny, dem Fußpunkt des Passes auf Schweizer Seite. Nachdem sich auf italienischer Seite ein Gewitter angedroht hat, haben wir in der Schweiz nun wieder makellos blauen Himmel. Es ist schon wieder später Nachmittag, als wir mit Essen fertig sind, doch nach kurzer Diskussion über das weitere Vorgehen entschließen wir uns, dass wir versuchen, heute noch so weit wie möglich zu kommen.
Kurz nach Martigny erkennen wir dann, dass unser eigentliches Tagesziel, Sierre, durchaus noch zu schaffen ist, da im Schweizer Rhonetal, das wir nun in Richtung Osten durchfahren, der Wind aus Westen kommt. Es gibt einen Fahrradstreifen direkt an der schnurgeraden Straße, wir entdecken, dass unsere Beine doch noch einige Reserven haben, und unsere Geschwindigkeit liegt zwischen 35 und 40 Stundenkilometern. Zeit, um die malerischen terrassierten Weinberge links von uns zu bewundern, haben wir nur im Vorbeifahren. Nach etwa zwanzig Kilometern wird das Tal dann etwas schmaler, und das Terrain dementsprechend hügeliger, doch wir erreichen Sion noch knapp vor Ladenschluss um 18.30 Uhr und versorgen uns mit Abendessen. Die restlichen zwanzig Kilometer bis Sierre sind dann auch kein Problem mehr, auch wenn der Radweg, der nun nicht mehr direkt an der Straße entlang, sondern durch einen Weinberg führt, noch einmal mit ein paar kleineren Steigungen aufwartet. Einen Campingplatz finden wir kurz nach Sierre schließlich auch. Da wir in der Schweiz sind, ist er natürlich teuer, bietet aber auch einiges an Komfort, und wir können, bevor wir uns in unser Zelt zurückziehen, noch eine entspannte Runde durch den Pool ziehen. Alles in allem, so sind wir uns schließlich einig, haben wir die ersten beiden Alpenetappen gut überstanden. Johannes' Formkurve zeigt wieder steil nach oben, und auch ich bin, was die nächsten Tage betrifft, sehr guter Dinge.
Die Straße ist Richtung Gran San Bernardo ausgeschildert, heißt jedoch Rue du Grand St. Bernard – Relikt der savoyischen Geschichte des Aostatals. Immer noch gibt es eine französischsprachige Minderheit. Wie auch immer, die ersten siebzehn Kilometer der Passstraße sind ziemlich unangenehm. Die Steigungsprozente sind zwar eher moderat, aber der Verkehr ist schlimm – man merkt, dass wir auf einer der bedeutendsten Nord-Süd-Routen durch die Alpen unterwegs sind. Erst als die Straße, die zum Tunnel führt, von der Passstraße abzweigt, wird es etwas erträglicher. Es wird allerdings auch sofort wieder steiler. Ich fühle mich gut, die am Morgen noch festen Beine haben sich wieder gelockert. Johannes, der sich gestern schon nicht optimal gefühlt hat, fällt wieder zurück, und da ich weiß, dass ich ihm nicht helfen kann, fahre ich mein eigenes Tempo. Die Strecke führt über enge Serpentinen durch einen Kiefernwald, der Tritt ist noch flüssig und diese Passage somit gut zu fahren. Als nach sechs Kilometern die Brücke, die in den Tunnel führt, unsere Passstraße kreuzt, ist dann die Baumgrenze erreicht.
Von hier aus sieht man die folgenden vier oder fünf Kilometer: die Straße windet sich den Hang hinauf. Man meint sogar schon die Passhöhe sehen zu können, aber die ist noch so weit oben, dass der Anblick eher demotiviert. Es wird steiler, und ich nehme etwas Tempo heraus; spätestens hier wird mir klar, dass ich mit meinen Kräften ganz schön haushalten muss, wenn ich oben ankommen will. Der Schweiß fließt in Strömen, denn die Luftfeuchtigkeit ist immer noch hart an der Grenze der Tolerierbarkeit, und aus dem Aostatal steigen Wolken herauf. Es sieht verdächtig nach Gewitter aus. Landschaftlich wird der Pass in diesem Abschnitt immer schöner, immer gebirgiger, wir sind allerdings auch nicht die einzigen, die das erleben. Obwohl die meisten Autos wohl doch den Tunnel nehmen, sind dennoch alle Park- und Picknickplätze überfüllt. Touristen, so weit das Auge reicht; sie sitzen in der Sonne und genießen die Aussicht, während ich sie ignoriere und mich Meter um Meter bergauf kämpfe.
Das was ich zuerst für die Passhöhe gehalten habe, entpuppt sich dann einige Zeit später als das Maison de la Refuge (was auch immer das ist), und laut Höhenprofil sind es noch vier von 34 Kilometern. Und schon wieder tut sich eine Wand vor mir auf, die ich noch hinauf muss, inklusive einer Galerie, die aus dieser Perspektive so steil aussieht, dass ich der Verzweiflung in diesem Moment ziemlich nahe bin. Die ausgedehnte Wiesenlandschaft ist inzwischen einer zerklüfteten Felsenszenerie gewichen. Weil hier die Straße gerade ausgebessert wird, taucht mich jedes vorbeifahrende Auto in eine Staubwolke, doch schließlich erreiche ich die Galerie (die dann doch nicht so steil ist, wie sie von unten aussah), und nach zwei oder drei Kurven stehe ich dann an der Passhöhe. In dem ganzen Rummel zwischen Touristen und Plüschbernhardinern fährt Johannes an mir vorbei, ohne dass wir es bemerken, und als wir uns endlich wiederfinden, hat er die Schweizer Grenze schon drei Mal überquert. Zu zweit überqueren wir sie dann ein viertes Mal, und Johannes erzählt mir, dass er sich im Anstieg schließlich immer besser gefühlt hat – er hat das Tief wohl überwunden und wahrscheinlich auf den letzten Kilometern noch einiges an Zeit gegenüber mir gut gemacht.
Nach kurzer Pause machen wir uns dann an die Abfahrt, die auf den ersten paar Kilometern sehr kurvenreich ist, deshalb eher langsam und anstrengend, außerdem dank 2469 Metern Höhe ziemlich kalt. Als dann die Tunnelroute wieder zu der Passstraße stößt, ist die Fahrbahn erwartungsgemäß wieder besser ausgebaut und stärker befahren. Da es nun durch eine mehrere Kilometer lange Galerie geht, und es zudem auch nicht mehr so steil ist, stellen wir auch hier keine Geschwindigkeitsrekorde auf, doch da wir auf der Abfahrt fast 50 Kilometer gratis bekommen, nehmen wir das auch gerne so hin. Unser verspätetes Mittagessen kochen wir auf einem Spielplatz in Sembrancher, schon kurz vor Martigny, dem Fußpunkt des Passes auf Schweizer Seite. Nachdem sich auf italienischer Seite ein Gewitter angedroht hat, haben wir in der Schweiz nun wieder makellos blauen Himmel. Es ist schon wieder später Nachmittag, als wir mit Essen fertig sind, doch nach kurzer Diskussion über das weitere Vorgehen entschließen wir uns, dass wir versuchen, heute noch so weit wie möglich zu kommen.
Kurz nach Martigny erkennen wir dann, dass unser eigentliches Tagesziel, Sierre, durchaus noch zu schaffen ist, da im Schweizer Rhonetal, das wir nun in Richtung Osten durchfahren, der Wind aus Westen kommt. Es gibt einen Fahrradstreifen direkt an der schnurgeraden Straße, wir entdecken, dass unsere Beine doch noch einige Reserven haben, und unsere Geschwindigkeit liegt zwischen 35 und 40 Stundenkilometern. Zeit, um die malerischen terrassierten Weinberge links von uns zu bewundern, haben wir nur im Vorbeifahren. Nach etwa zwanzig Kilometern wird das Tal dann etwas schmaler, und das Terrain dementsprechend hügeliger, doch wir erreichen Sion noch knapp vor Ladenschluss um 18.30 Uhr und versorgen uns mit Abendessen. Die restlichen zwanzig Kilometer bis Sierre sind dann auch kein Problem mehr, auch wenn der Radweg, der nun nicht mehr direkt an der Straße entlang, sondern durch einen Weinberg führt, noch einmal mit ein paar kleineren Steigungen aufwartet. Einen Campingplatz finden wir kurz nach Sierre schließlich auch. Da wir in der Schweiz sind, ist er natürlich teuer, bietet aber auch einiges an Komfort, und wir können, bevor wir uns in unser Zelt zurückziehen, noch eine entspannte Runde durch den Pool ziehen. Alles in allem, so sind wir uns schließlich einig, haben wir die ersten beiden Alpenetappen gut überstanden. Johannes' Formkurve zeigt wieder steil nach oben, und auch ich bin, was die nächsten Tage betrifft, sehr guter Dinge.
Ich bin diese Etappe gefahren
am
Von majortom –
Der Tag beginnt sehr früh, nämlich um 3.45 Uhr, als die ersten Regentropfen auf unser Zelt prasseln. Es blitzt und donnert, und bis sich der Regen in einen richtigen Wolkenbruch verwandelt, haben wir gerade noch Zeit, unsere draußen zum Trocknen aufgehängte Wäsche in Sicherheit zu bringen. Es ist nur ein Gewitter, sagen wir uns, das nach einer halben Stunde wieder vorbei ist, und wir beschließen, uns nicht verunsichern zu lassen und kriechen wieder zurück ins Zelt. Doch der Wolkenbruch dauert mehrere Stunden, und um sechs Uhr wachen wir wieder auf, weil wir im Nassen liegen. Unser Zelt hat diesen Wassermassen nicht stand gehalten, obwohl wir es vor der Abreise noch imprägniert hatten. Völlig übermüdet und eher ratlos ziehen wir mit dem gesamten Zelt unter das Vordach des Waschhauses um.
Der Wetterumschwung, der sich gestern in Italien schon angedeutet hat, hat es also bis in die Schweiz geschafft. Nach den diversen Unterbrechungen unserer wohlverdienten Nachruhe ist unsere Moral also erst mal ziemlich am Boden, als wir um 7.30 Uhr endgültig aufstehen, weil sämtliche Camper auf dem Weg zu ihrer Morgentoilette an unserem Zelt vorbei drängen. Immerhin hat der Regen endlich aufgehört. Wir machen Bestandsaufnahme: alles, was wir in den Fahrradtaschen verstaut hatten, ist auch trocken geblieben, nur unsere Schlafsäcke und die Wäsche, die keine Gelegenheit zum Trocknen hatte, ist noch nass. So schlimm sieht es also gar nicht aus. Ein sehr netter schweizer Camper serviert uns dann noch einen heißen Tee zum Frühstück, was an einem Morgen wie diesem genau das richtige ist, und langsam aber sicher steigt die Motivation wieder.
Nach einem (erfolglosen) Ausflug zurück nach Sierre, wo wir gehofft haben, ein Internetcafé zu finden, wo Johannes die Daten aus seinem Fahrradcomputer herunterladen kann, brechen wir dann um 11.30 Uhr endlich auf. Die Etappe, die wir für heute geplant hatten, ist zum Glück nicht so lang, und wir hoffen, unser Tagesziel trotz widriger Umstände dennoch zu erreichen. Die junge Rhone, der wir weiter flussaufwärts folgen, ist über Nacht von einem schmalen Bach zu einem reißenden Strom geworden – kein Wunder, wenn man bedenkt, welche Wassermengen alleine in unserem Zelt gelandet sind. Da in Sierre die parallel zu unserer Route verlaufende Autobahn aufhört, müssen wir die Straße nun mit einer ganzen Menge LKWs teilen, zu allem Überfluss haben wir auch noch Gegenwind, und so nehmen wir dann um 13 Uhr gerne die Gelegenheit wahr, an der Burgkirche in Raron, wo sich das Grab des Dichters Rilke befindet, einen Kulturzwischenstop einzulegen. Zur Kirche hinauf führt ein schmaler steiler Weg, und Johannes drückt tapfer die 22 % Steigung nach oben, während ich schon vorher absteige, da ich Angst habe, nicht mehr rechtzeitig aus dem Pedal zu kommen. Oben angekommen stellen wir dann fest, dass alleine schon die tolle Aussicht diesen Zwischenstop gelohnt hat; man sieht fast das gesamte Wallis von hier aus. Und auch das Wetter sieht wieder vielversprechender aus, nicht nur ist es bisher trocken geblieben, hin und wieder schaut sogar die Sonne heraus.
Als wir Raron verlassen, stellen wir fest, dass der Wind inzwischen auf Rückenwind gedreht hat, was uns wieder Flügel verleiht, so dass wir um 15 Uhr in Visp sind, wo wir in der Fußgängerzone Mittagspause machen. Anschließend fahren wir weiter nach Brig, wo wir wieder einige Zeit damit verbringen, ohne Erfolg ein Internetcafé zu suchen. In Brig macht sowohl das Rhonetal, als auch unsere Fahrtroute einen Knick nach Norden, eine Richtung, in der wir nur Berge vor uns sehen. Tatsächlich geht es von hier ab wieder deutlicher bergauf, erst nur mäßig stark, doch dann kurz vor Fiesch für etwa fünf Kilometer extrem steil; die Straße hat hier fast schon Passcharakter. Obwohl es wieder sehr kalt geworden ist, wird uns ganz schnell warm. In Fiesch finden wir dann auch endlich ein Internetcafé, doch das Überspielen der Daten funktioniert nicht, was zur Folge hat, dass alle Daten jetzt für immer irgendwo zwischen Tacho und Rechner verloren gegangen sind, und die ganze Aktion ziemlich überflüssig war.
Wieder sind wir frustriert, als wir die letzten zwanzig Kilometer in Angriff nehmen, und dass kurz nach Fiesch leichter Nieselregen einsetzt, macht es natürlich nicht besser. Nach wie vor ist das Terrain sehr bergig, ein ständiges zermürbendes Auf und Ab, und wir ärgern uns auf jeder Zwischenabfahrt über die verschenkten Höhenmeter. Der Regen wird dann immer stärker, und es dauert nicht lange, bis wir nass bis auf die Knochen sind. Doch an frühzeitiges Aufgeben denkt keiner von uns beiden, nicht mit dem Ziel so nahe vor Augen. Also kämpfen wir weiter, ignorieren Nässe und Kälte und freuen uns über jeden Tunnel. Als wir Münster, unser Ziel für heute, dann endlich erreichen, sind wir uns ohne Diskussion einig, dass wir heute Nacht um keinen Preis auf einen Zeltplatz gehen. Sämtliche Bedenken, dass es unsere Reisekasse sprengen würde, ignorieren wir und quartieren uns in einem Hotel ein. Uns wird allerdings auch für ein schäbiges Kellerzimmer noch eine stolze Summe abgeknöpft, doch nach diesem verkorksten Tag empfinden wir auch schon ein warmes Bett als puren Luxus.
Ich habe definitiv meinen ersten Tiefpunkt dieser Reise erreicht, stelle ich an diesem Abend fest. Zum ersten Mal seit Avignon habe ich wirklich keine Lust mehr, am nächsten Tag aufs Rad zu steigen, zumal sich auf den letzten Kilometern auch noch mein kälteempfindliches Knie zu Wort gemeldet hat. Die Treppe in unseren Keller komme ich nur humpelnd herunter, und die Schmerzen werden den Abend über sogar noch schlimmer. Die ganze Zeit muss ich daran denken, dass wir erst eine von drei Wochen hinter uns haben. Wie soll das enden? frage ich mich, und nachdem wir uns per Fernseher ausgiebig über Weltgeschehen und Wetteraussichten informiert haben, gehen wir ohne eine Antwort auf diese Frage ins Bett.
Der Wetterumschwung, der sich gestern in Italien schon angedeutet hat, hat es also bis in die Schweiz geschafft. Nach den diversen Unterbrechungen unserer wohlverdienten Nachruhe ist unsere Moral also erst mal ziemlich am Boden, als wir um 7.30 Uhr endgültig aufstehen, weil sämtliche Camper auf dem Weg zu ihrer Morgentoilette an unserem Zelt vorbei drängen. Immerhin hat der Regen endlich aufgehört. Wir machen Bestandsaufnahme: alles, was wir in den Fahrradtaschen verstaut hatten, ist auch trocken geblieben, nur unsere Schlafsäcke und die Wäsche, die keine Gelegenheit zum Trocknen hatte, ist noch nass. So schlimm sieht es also gar nicht aus. Ein sehr netter schweizer Camper serviert uns dann noch einen heißen Tee zum Frühstück, was an einem Morgen wie diesem genau das richtige ist, und langsam aber sicher steigt die Motivation wieder.
Nach einem (erfolglosen) Ausflug zurück nach Sierre, wo wir gehofft haben, ein Internetcafé zu finden, wo Johannes die Daten aus seinem Fahrradcomputer herunterladen kann, brechen wir dann um 11.30 Uhr endlich auf. Die Etappe, die wir für heute geplant hatten, ist zum Glück nicht so lang, und wir hoffen, unser Tagesziel trotz widriger Umstände dennoch zu erreichen. Die junge Rhone, der wir weiter flussaufwärts folgen, ist über Nacht von einem schmalen Bach zu einem reißenden Strom geworden – kein Wunder, wenn man bedenkt, welche Wassermengen alleine in unserem Zelt gelandet sind. Da in Sierre die parallel zu unserer Route verlaufende Autobahn aufhört, müssen wir die Straße nun mit einer ganzen Menge LKWs teilen, zu allem Überfluss haben wir auch noch Gegenwind, und so nehmen wir dann um 13 Uhr gerne die Gelegenheit wahr, an der Burgkirche in Raron, wo sich das Grab des Dichters Rilke befindet, einen Kulturzwischenstop einzulegen. Zur Kirche hinauf führt ein schmaler steiler Weg, und Johannes drückt tapfer die 22 % Steigung nach oben, während ich schon vorher absteige, da ich Angst habe, nicht mehr rechtzeitig aus dem Pedal zu kommen. Oben angekommen stellen wir dann fest, dass alleine schon die tolle Aussicht diesen Zwischenstop gelohnt hat; man sieht fast das gesamte Wallis von hier aus. Und auch das Wetter sieht wieder vielversprechender aus, nicht nur ist es bisher trocken geblieben, hin und wieder schaut sogar die Sonne heraus.
Als wir Raron verlassen, stellen wir fest, dass der Wind inzwischen auf Rückenwind gedreht hat, was uns wieder Flügel verleiht, so dass wir um 15 Uhr in Visp sind, wo wir in der Fußgängerzone Mittagspause machen. Anschließend fahren wir weiter nach Brig, wo wir wieder einige Zeit damit verbringen, ohne Erfolg ein Internetcafé zu suchen. In Brig macht sowohl das Rhonetal, als auch unsere Fahrtroute einen Knick nach Norden, eine Richtung, in der wir nur Berge vor uns sehen. Tatsächlich geht es von hier ab wieder deutlicher bergauf, erst nur mäßig stark, doch dann kurz vor Fiesch für etwa fünf Kilometer extrem steil; die Straße hat hier fast schon Passcharakter. Obwohl es wieder sehr kalt geworden ist, wird uns ganz schnell warm. In Fiesch finden wir dann auch endlich ein Internetcafé, doch das Überspielen der Daten funktioniert nicht, was zur Folge hat, dass alle Daten jetzt für immer irgendwo zwischen Tacho und Rechner verloren gegangen sind, und die ganze Aktion ziemlich überflüssig war.
Wieder sind wir frustriert, als wir die letzten zwanzig Kilometer in Angriff nehmen, und dass kurz nach Fiesch leichter Nieselregen einsetzt, macht es natürlich nicht besser. Nach wie vor ist das Terrain sehr bergig, ein ständiges zermürbendes Auf und Ab, und wir ärgern uns auf jeder Zwischenabfahrt über die verschenkten Höhenmeter. Der Regen wird dann immer stärker, und es dauert nicht lange, bis wir nass bis auf die Knochen sind. Doch an frühzeitiges Aufgeben denkt keiner von uns beiden, nicht mit dem Ziel so nahe vor Augen. Also kämpfen wir weiter, ignorieren Nässe und Kälte und freuen uns über jeden Tunnel. Als wir Münster, unser Ziel für heute, dann endlich erreichen, sind wir uns ohne Diskussion einig, dass wir heute Nacht um keinen Preis auf einen Zeltplatz gehen. Sämtliche Bedenken, dass es unsere Reisekasse sprengen würde, ignorieren wir und quartieren uns in einem Hotel ein. Uns wird allerdings auch für ein schäbiges Kellerzimmer noch eine stolze Summe abgeknöpft, doch nach diesem verkorksten Tag empfinden wir auch schon ein warmes Bett als puren Luxus.
Ich habe definitiv meinen ersten Tiefpunkt dieser Reise erreicht, stelle ich an diesem Abend fest. Zum ersten Mal seit Avignon habe ich wirklich keine Lust mehr, am nächsten Tag aufs Rad zu steigen, zumal sich auf den letzten Kilometern auch noch mein kälteempfindliches Knie zu Wort gemeldet hat. Die Treppe in unseren Keller komme ich nur humpelnd herunter, und die Schmerzen werden den Abend über sogar noch schlimmer. Die ganze Zeit muss ich daran denken, dass wir erst eine von drei Wochen hinter uns haben. Wie soll das enden? frage ich mich, und nachdem wir uns per Fernseher ausgiebig über Weltgeschehen und Wetteraussichten informiert haben, gehen wir ohne eine Antwort auf diese Frage ins Bett.
Von majortom –
Als mich Johannes an diesem Morgen mit der Mitteilung weckt, die Sonne scheine wieder, halte ich das erst für einen üblen Trick, um mich aus dem Bett zu kriegen, doch als ich dann einen Blick aus unserem Kellerfenster riskiere, stelle ich fest, dass er die Wahrheit sagt. Ich kann es kaum glauben, aber das schlechte Wetter ist anscheinend so schnell wieder verschwunden, wie es aufgetaucht ist. Wir sehen nur ein paar vereinzelte Wolken am ansonsten strahlend blauen Himmel. Sämtliche bösen Gedanken vom Vorabend sind sofort vergessen, Schmerzen im Knie habe ich auch keine mehr, und das sind beste Voraussetzungen, um am Frühstücksbuffet unseres Hotels so richtig zuzuschlagen. Wir lassen es uns gut gehen; Johannes schafft es in Anbetracht der schweren Bergetappe, die heute auf uns wartet, unter anderem auf stolze fünf Portionen Müsli. Nach dem Frühstück brauchen wir noch eine ganze Weile, um unsere zum Trocknen über das ganze Zimmer verstreuten Sachen wieder einzupacken, doch dann geht es um zehn Uhr los.
Der Tag hält, was der Blick durchs Kellerfenster versprochen hat. Auch die letzten Wolken haben sich inzwischen verzogen, und wir rollen guter Dinge und gemächlich die ersten weitgehend flachen Kilometer bis nach Ulrichen. Hier führt die Straße weiter Richtung Furka- und Grimselpass, und der direkte Weg nach Osten würde auch über den Furka führen, doch wir wenden uns stattdessen nach Südosten Richtung Nufenenpass, der auch direkt am Ortsausgang von Ulrichen beginnt. Die ersten Serpentinen aus dem Dorf heraus fahren wir noch durch den Wald. Danach führt die Straße an einem Bach entlang durch ein weit offenes Tal; hier ist es wieder ein bisschen flacher, und wir finden so langsam unseren Tritt. Es ist wenig Verkehr, eine kleine ruhige Straße, uns begleiten nur die warnenden Pfiffe der Murmeltiere. Kurz darauf überqueren wir den Bach, verlassen somit das Tal, und sofort geht es auch richtig steil bergauf. Man sieht einen Großteil der Passstraße von hier aus, eine Kehre folgt auf die andere, bis in bedrohlich wirkende Höhen.
Nun meldet sich auch mein Knie wieder zu Wort, die Schmerzen sind auf einmal wieder da. Wenn ich aus dem Sattel gehe, werden sie sogar ziemlich unerträglich, also bleibt mir nichts anderes übrig, als den ganzen Pass im Sitzen zu fahren. Es bleibt weiter steil, aber immerhin gleichmäßig steil, so dass ich trotz dieses Handicaps gut voran komme. Am Nufenen sind verhältnismäßig viele andere Radfahrer unterwegs. Mit denjenigen, die uns überholen, tauschen wir Lob und Anerkennung aus, diejenigen, die wir überholen, haben meist am Straßenrand angehalten, sie verbinden wohl das Genießen des Ausblicks mit einer kurzen Durchschnaufpause. Ich halte mein Tempo. Jeder Blick ins Tal und auf die Straße unter mir macht mir Mut, als ich sehe, was wir schon geschafft haben, jeder Blick nach oben bewirkt das genaue Gegenteil, denn der Pass will nicht enden. Nach jeder Kehre kommt wieder eine neue zum Vorschein. Johannes' blaues Trikot sehe ich immer eine Ebene unter mir, was ein schönes Fotomotiv wäre, und die Versuchung ist groß, ebenfalls anzuhalten, und ein Bild von ihm zu machen, doch ich widerstehe und erreiche schließlich die Passhöhe, ohne abgestiegen zu sein. Johannes, die letzten Kilometer im Gespräch mit einem schweizer Rennradler, mit dem wir uns auch auf dem Gipfel noch eine Weile unterhalten, trifft kurz nach mir ein. Aus unerfindlichen Gründen steht das Passschild des Nufenen etwa zweihundert Meter unterhalb der eigentlichen Passhöhe, weswegen wir noch einmal kurz zurück müssen, bevor wir uns an die Abfahrt machen.
Die Abfahrt ist endlich einmal etwas für Johannes, der nun wieder zeigen kann, dass er seinen Spitznamen "der Alpensegler" zurecht trägt. Kurven, die uns aufhalten können, gibt es nur wenige, und er lässt es richtig laufen. Ich brauche noch einen oder zwei Kilometer, bis ich genug Vertrauen in Bremsen, Reaktion und Steuerkünste gewonnen habe, doch mit der Zeit werde dann auch ich immer waghalsiger. Als Johannes hinter einem Auto feststeckt, schließe ich wieder auf, der Tacho zeigt in diesem Abschnitt stolze 92,5 Stundenkilometer. So dauert es nicht lange, bis wir Airolo erreichen, den Fußpunkt des Passes auf der anderen Seite. Wir sind im Tessin angekommen, und hier wird wieder italienisch gesprochen. Da wir noch warten müssen, bis der Supermarkt seine Mittagspause beendet hat, verzögert sich das Mittagessen noch um eine Viertelstunde, doch mit dieser Verspätung können wir gut leben.
Gegen 15 Uhr brechen wir wieder auf, um eine weitere Legende in Angriff zu nehmen: die berüchtigte Tremola auf den St. Gotthard, die alte, immer noch weitgehend kopfsteingepflasterte Passstraße. Parallel zu dieser ursprünglichen Route führt auch noch eine neuere, autobahnartig ausgebaute Straße, die der Bedeutung des Gotthard als eine der wichtigsten Transitstrecken über die Alpen gerecht wird, doch die alte Straße ist noch für den Verkehr zugänglich. Das Kopfsteinpflaster beginnt – gleichzeitig mit der Steigung – kurz nachdem die neue Straße von unserer abgezweigt ist. Johannes fährt an mir vorbei, damit ich ein Foto machen kann, und von da ab sehe ich ihn nur noch von hinten, da er mit seinem kraftvollen Fahrstil mit diesem Untergrund wohl besser zurecht kommt als ich. Immerhin scheint mein Knie den Widerstand jetzt weitgehend aufgegeben zu haben; es schmerzt jetzt deutlich weniger als am Vormittag.
Nach ungefähr fünf Kilometern kommt noch einmal ein kurzes asphaltiertes Flachstück, und die Möglichkeit, auf die neue Straße zu wechseln. Wir bereuen jedoch nicht, auf der Tremolastrecke geblieben zu sein. Auf einer schmalen gepflasterten Straße kämpfen wir uns durch ein schmales Tal, die Serpentinen sind in kurzem Abstand auf beeindruckende Weise an den Hang gemauert. Die Steigung und das Gerüttel sind erbarmungslos. Ich habe das Gefühl, dass nur ungefähr die Hälfte der Kraft, die ich aufwende, auch in die Fortbewegung geht, die andere Hälfte bleibt irgendwo zwischen den Pflastersteinen auf der Strecke. Letztendlich ist es nur der Rausch dieser legendären Alpenkulisse, die mich auf dem Rad hält – und natürlich der Eindruck, dass ich Johannes langsam wieder näher komme. Das motiviert mich, auf den letzten drei Kilometern noch einmal alles aus mir herauszuholen, doch auch Johannes, der bemerkt hat, dass ich aufhole, kann daraus noch einmal Motivation schöpfen. Ich gebe was ich kann, doch letztendlich habe ich keine Chance mehr. Mir fehlt in diesem zweiten schweren Anstieg des Tages einfach die Energie, um das hohe Tempo durchzuhalten. Aber es ist wie auf jedem Berg: in dem Moment, in dem man die imaginäre Ziellinie überfährt, sind sämtliche Strapazen vergessen, und es zählt nur noch der Triumph.
Da wir heute nur noch bis Andermatt kommen wollen, also nur noch die Abfahrt vom Gotthard vor uns haben, lassen wir uns am Gipfel genug Zeit, um den Triumph auch auszukosten. Stolz fügen wir unserer Liste von besiegten Pässen einen weiteren hinzu. Der Gotthard ist nicht nur die Grenze zwischen italienisch- und deutschsprachiger Schweiz, sondern auch zwischen Süd- und Mitteleuropa, doch davon, dass hier das mediterrane in das alpine Klima übergehen soll, bemerken wir nichts. Es ist auf beiden Seiten sommerlich. Dass das Geholper nun ein Ende haben würde, war auch eine Illusion, denn auch die Abfahrt beginnt gepflastert. Was im Anstieg bei vielleicht zehn bis zwölf Stundenkilometern noch erträglich war, wird bei Tempo fünfzig oder sechzig ziemlich grausam, jede Vibration aus dem unebenen Untergrund müssen wir mit unseren müden Muskeln auffangen. Als die alte Straße dann nach etwa zwei Kilometern in die neue mündet, bin ich gerne bereit, den starken Verkehr in Kauf zu nehmen, Hauptsache es holpert nicht mehr. Über Hospental, wo es links wieder Richtung Furkapass und Rhonetal geht, fahren wir nach Andermatt, wo wir uns nach kurzer Diskussion aus finanziellen Gründen dazu entschließen, trotz der zu erwartenden Kälte auf über 1400 Metern Höhe, und trotz des vorhergesagten Regenrisikos auf den Campingplatz zu gehen.
Schon am Nufenen war uns aufgefallen, dass extrem viele Rennradler hier in der Gegend unterwegs sind, und auch auf dem Campingplatz sind, so scheint es, nur Radfahrer abgestiegen. Die Erklärung dafür erfahren wir kurz darauf von der Platzverwalterin: zufällig findet hier am nächsten Tag ein Radmarathon statt, der Alpenbrevet, und ganz Andermatt ist voll mit Teilnehmern. Räder und Radler soweit das Auge reicht. Alle Gespräche um uns herum scheinen sich nur um den Radsport zu drehen, was am Anfang noch lustig ist, uns dann aber ziemlich schnell zu viel wird. Wir bemühen uns nach Kräften, uns aus dem kollektiven Fachgesimpel heraus zu halten. Sobald die Sonne weg ist, wird es dann tatsächlich so bitter kalt wie erwartet, und wir machen nach dem Abendessen noch einen Ausflug ins Dorf, wo wir uns in der warmen Umgebung des "Postillon" noch ein Bier gönnen. Dabei unterhalten wir uns mit Ulli aus Österreich, die scheinbar die einzige in Andermatt ist, die nicht zum Radfahren gekommen ist, und ich verspreche ihr, sie in meinem Bericht zu erwähnen (hiermit geschehen). Es hat acht Grad, als wir zum Campingplatz zurück kommen, also ziehen wir uns erst warm an und dann ins Zelt zurück.
Der Tag hält, was der Blick durchs Kellerfenster versprochen hat. Auch die letzten Wolken haben sich inzwischen verzogen, und wir rollen guter Dinge und gemächlich die ersten weitgehend flachen Kilometer bis nach Ulrichen. Hier führt die Straße weiter Richtung Furka- und Grimselpass, und der direkte Weg nach Osten würde auch über den Furka führen, doch wir wenden uns stattdessen nach Südosten Richtung Nufenenpass, der auch direkt am Ortsausgang von Ulrichen beginnt. Die ersten Serpentinen aus dem Dorf heraus fahren wir noch durch den Wald. Danach führt die Straße an einem Bach entlang durch ein weit offenes Tal; hier ist es wieder ein bisschen flacher, und wir finden so langsam unseren Tritt. Es ist wenig Verkehr, eine kleine ruhige Straße, uns begleiten nur die warnenden Pfiffe der Murmeltiere. Kurz darauf überqueren wir den Bach, verlassen somit das Tal, und sofort geht es auch richtig steil bergauf. Man sieht einen Großteil der Passstraße von hier aus, eine Kehre folgt auf die andere, bis in bedrohlich wirkende Höhen.
Nun meldet sich auch mein Knie wieder zu Wort, die Schmerzen sind auf einmal wieder da. Wenn ich aus dem Sattel gehe, werden sie sogar ziemlich unerträglich, also bleibt mir nichts anderes übrig, als den ganzen Pass im Sitzen zu fahren. Es bleibt weiter steil, aber immerhin gleichmäßig steil, so dass ich trotz dieses Handicaps gut voran komme. Am Nufenen sind verhältnismäßig viele andere Radfahrer unterwegs. Mit denjenigen, die uns überholen, tauschen wir Lob und Anerkennung aus, diejenigen, die wir überholen, haben meist am Straßenrand angehalten, sie verbinden wohl das Genießen des Ausblicks mit einer kurzen Durchschnaufpause. Ich halte mein Tempo. Jeder Blick ins Tal und auf die Straße unter mir macht mir Mut, als ich sehe, was wir schon geschafft haben, jeder Blick nach oben bewirkt das genaue Gegenteil, denn der Pass will nicht enden. Nach jeder Kehre kommt wieder eine neue zum Vorschein. Johannes' blaues Trikot sehe ich immer eine Ebene unter mir, was ein schönes Fotomotiv wäre, und die Versuchung ist groß, ebenfalls anzuhalten, und ein Bild von ihm zu machen, doch ich widerstehe und erreiche schließlich die Passhöhe, ohne abgestiegen zu sein. Johannes, die letzten Kilometer im Gespräch mit einem schweizer Rennradler, mit dem wir uns auch auf dem Gipfel noch eine Weile unterhalten, trifft kurz nach mir ein. Aus unerfindlichen Gründen steht das Passschild des Nufenen etwa zweihundert Meter unterhalb der eigentlichen Passhöhe, weswegen wir noch einmal kurz zurück müssen, bevor wir uns an die Abfahrt machen.
Die Abfahrt ist endlich einmal etwas für Johannes, der nun wieder zeigen kann, dass er seinen Spitznamen "der Alpensegler" zurecht trägt. Kurven, die uns aufhalten können, gibt es nur wenige, und er lässt es richtig laufen. Ich brauche noch einen oder zwei Kilometer, bis ich genug Vertrauen in Bremsen, Reaktion und Steuerkünste gewonnen habe, doch mit der Zeit werde dann auch ich immer waghalsiger. Als Johannes hinter einem Auto feststeckt, schließe ich wieder auf, der Tacho zeigt in diesem Abschnitt stolze 92,5 Stundenkilometer. So dauert es nicht lange, bis wir Airolo erreichen, den Fußpunkt des Passes auf der anderen Seite. Wir sind im Tessin angekommen, und hier wird wieder italienisch gesprochen. Da wir noch warten müssen, bis der Supermarkt seine Mittagspause beendet hat, verzögert sich das Mittagessen noch um eine Viertelstunde, doch mit dieser Verspätung können wir gut leben.
Gegen 15 Uhr brechen wir wieder auf, um eine weitere Legende in Angriff zu nehmen: die berüchtigte Tremola auf den St. Gotthard, die alte, immer noch weitgehend kopfsteingepflasterte Passstraße. Parallel zu dieser ursprünglichen Route führt auch noch eine neuere, autobahnartig ausgebaute Straße, die der Bedeutung des Gotthard als eine der wichtigsten Transitstrecken über die Alpen gerecht wird, doch die alte Straße ist noch für den Verkehr zugänglich. Das Kopfsteinpflaster beginnt – gleichzeitig mit der Steigung – kurz nachdem die neue Straße von unserer abgezweigt ist. Johannes fährt an mir vorbei, damit ich ein Foto machen kann, und von da ab sehe ich ihn nur noch von hinten, da er mit seinem kraftvollen Fahrstil mit diesem Untergrund wohl besser zurecht kommt als ich. Immerhin scheint mein Knie den Widerstand jetzt weitgehend aufgegeben zu haben; es schmerzt jetzt deutlich weniger als am Vormittag.
Nach ungefähr fünf Kilometern kommt noch einmal ein kurzes asphaltiertes Flachstück, und die Möglichkeit, auf die neue Straße zu wechseln. Wir bereuen jedoch nicht, auf der Tremolastrecke geblieben zu sein. Auf einer schmalen gepflasterten Straße kämpfen wir uns durch ein schmales Tal, die Serpentinen sind in kurzem Abstand auf beeindruckende Weise an den Hang gemauert. Die Steigung und das Gerüttel sind erbarmungslos. Ich habe das Gefühl, dass nur ungefähr die Hälfte der Kraft, die ich aufwende, auch in die Fortbewegung geht, die andere Hälfte bleibt irgendwo zwischen den Pflastersteinen auf der Strecke. Letztendlich ist es nur der Rausch dieser legendären Alpenkulisse, die mich auf dem Rad hält – und natürlich der Eindruck, dass ich Johannes langsam wieder näher komme. Das motiviert mich, auf den letzten drei Kilometern noch einmal alles aus mir herauszuholen, doch auch Johannes, der bemerkt hat, dass ich aufhole, kann daraus noch einmal Motivation schöpfen. Ich gebe was ich kann, doch letztendlich habe ich keine Chance mehr. Mir fehlt in diesem zweiten schweren Anstieg des Tages einfach die Energie, um das hohe Tempo durchzuhalten. Aber es ist wie auf jedem Berg: in dem Moment, in dem man die imaginäre Ziellinie überfährt, sind sämtliche Strapazen vergessen, und es zählt nur noch der Triumph.
Da wir heute nur noch bis Andermatt kommen wollen, also nur noch die Abfahrt vom Gotthard vor uns haben, lassen wir uns am Gipfel genug Zeit, um den Triumph auch auszukosten. Stolz fügen wir unserer Liste von besiegten Pässen einen weiteren hinzu. Der Gotthard ist nicht nur die Grenze zwischen italienisch- und deutschsprachiger Schweiz, sondern auch zwischen Süd- und Mitteleuropa, doch davon, dass hier das mediterrane in das alpine Klima übergehen soll, bemerken wir nichts. Es ist auf beiden Seiten sommerlich. Dass das Geholper nun ein Ende haben würde, war auch eine Illusion, denn auch die Abfahrt beginnt gepflastert. Was im Anstieg bei vielleicht zehn bis zwölf Stundenkilometern noch erträglich war, wird bei Tempo fünfzig oder sechzig ziemlich grausam, jede Vibration aus dem unebenen Untergrund müssen wir mit unseren müden Muskeln auffangen. Als die alte Straße dann nach etwa zwei Kilometern in die neue mündet, bin ich gerne bereit, den starken Verkehr in Kauf zu nehmen, Hauptsache es holpert nicht mehr. Über Hospental, wo es links wieder Richtung Furkapass und Rhonetal geht, fahren wir nach Andermatt, wo wir uns nach kurzer Diskussion aus finanziellen Gründen dazu entschließen, trotz der zu erwartenden Kälte auf über 1400 Metern Höhe, und trotz des vorhergesagten Regenrisikos auf den Campingplatz zu gehen.
Schon am Nufenen war uns aufgefallen, dass extrem viele Rennradler hier in der Gegend unterwegs sind, und auch auf dem Campingplatz sind, so scheint es, nur Radfahrer abgestiegen. Die Erklärung dafür erfahren wir kurz darauf von der Platzverwalterin: zufällig findet hier am nächsten Tag ein Radmarathon statt, der Alpenbrevet, und ganz Andermatt ist voll mit Teilnehmern. Räder und Radler soweit das Auge reicht. Alle Gespräche um uns herum scheinen sich nur um den Radsport zu drehen, was am Anfang noch lustig ist, uns dann aber ziemlich schnell zu viel wird. Wir bemühen uns nach Kräften, uns aus dem kollektiven Fachgesimpel heraus zu halten. Sobald die Sonne weg ist, wird es dann tatsächlich so bitter kalt wie erwartet, und wir machen nach dem Abendessen noch einen Ausflug ins Dorf, wo wir uns in der warmen Umgebung des "Postillon" noch ein Bier gönnen. Dabei unterhalten wir uns mit Ulli aus Österreich, die scheinbar die einzige in Andermatt ist, die nicht zum Radfahren gekommen ist, und ich verspreche ihr, sie in meinem Bericht zu erwähnen (hiermit geschehen). Es hat acht Grad, als wir zum Campingplatz zurück kommen, also ziehen wir uns erst warm an und dann ins Zelt zurück.
Ich bin diese Etappe gefahren
am
Von majortom –
Ab ungefähr halb sechs Uhr morgens ist schon wieder Leben auf dem Campingplatz, als die ersten Marathonfahrer aufstehen – der Start scheint wohl ziemlich früh zu sein –, doch davon lasen wir uns nicht stören und schlafen einfach weiter. Stören lassen wir uns erst um Viertel vor sieben, als plötzlich wieder Regentropfen auf unser Zelt fallen. Die Gedanken an die Überschwemmung von Sierre sind in unseren Köpfen natürlich noch präsent, und so sind wir sofort auf den Beinen, und tragen das komplette Zelt unter das Vordach der Talstation der Bergbahn, die sich direkt neben dem Campingplatz befindet. Die erste Bahn fährt um neun, also können wir in Ruhe hier im Trockenen das Zelt abbauen, unsere Sachen zusammen packen und frühstücken. Dabei beobachten wir, wie nach und nach die Alpenbrevet-Teilnehmer zum Start rollen; angesichts der miserablen Witterungsverhältnisse, die dieser Morgen für den Tag verspricht, haben sie unser aufrichtiges Mitgefühl.
Da wir zum Glück keine festgelegten Startzeiten haben, bleiben wir im Trockenen sitzen und beschließen, das schlechte Wetter erst einmal auszusitzen. Nachdem es mehrmals so aussieht, als würde es sich aufhellen, der Regen dann aber doch immer wieder einsetzt, schwindet unser Optimismus langsam dahin. Schließlich wird es uns zu kalt, und wir nutzen um zehn Uhr eine erneute Regenpause zum Aufbruch. Die Entscheidung war, wie sich sehr bald herausstellt, goldrichtig, denn nun bleibt es trocken. Am Ortsausgang von Andermatt beginnt auch schon der Anstieg zum Oberalppass, so dass uns auch schnell wieder warm wird. Nach den ersten paar hundert Metern tauchen wir dann in dichten Nebel ein. Johannes ist wahrscheinlich nur zwanzig Meter entfernt, und dennoch komme ich mir mutterseelenallein vor in dieser eiskalten feuchten Endlosigkeit. Irgendwo in der Ferne, vom Nebel verborgen, ertönt der Klang eines Alphorns, was die ganze Atmosphäre noch gespenstischer wirken lässt. Da der Oberalp mit seinen knapp 600 Höhenmetern mit den Riesen von gestern kaum vergleichbar ist, und eigentlich nur ein Pass für die Statistik ist, beschließe ich, die Flucht nach vorne anzutreten, und erhöhe das Tempo. Ich hoffe, so möglichst bald wieder aus dieser Suppe heraus zu kommen, und die Hoffnung trügt mich nicht. Je höher ich komme, desto mehr lichtet sich der Nebel, die Straße wird wieder trocken, und man hat sogar das Gefühl, dass die Sonne heraus kommen möchte. So erreichen wir schließlich die Passhöhe des Oberalp, ohne vom Pass selbst wirklich viel gesehen zu haben.
Wir stürzen uns dann sofort wieder in den Nebel herunter, in die Abfahrt nach Disentis, ins Vorderrheintal. Sicht und Fahrbahnbelag sind schlecht, außerdem bläst uns ein kalter Wind entgegen, so dass wir in flacheren Passagen ziemlich zu kämpfen haben. Ab Disentis wird der Wind dann jedoch schwächer, und es geht dank Rhein immer noch leicht bergab, so dass wir zügig voran kommen und gegen 13.30 Uhr in Ilanz sind. Hier machen wir Mittagspause auf einer Bank im Bahnhof, die jedoch bei knapp 15 Grad Außentemperatur eher kurz ausfällt. Da die Hauptstraße nach Laax hier das Rheintal verlässt und wieder bergauf führt, entscheiden wir uns für die Alternativroute über Versam. Flach verläuft jedoch auch diese Route nicht, wie wir bald feststellen, doch dafür werden wir landschaftlich entschädigt. Zwischen Ilanz und Bonaduz hat sich der Vorderrhein eine tiefe, enge Schlucht gegraben, und unsere Straße führt uns – nach einigem Auf und Ab über ein paar Hügel – direkt an dieser Schlucht entlang. Unmittelbar neben der schmalen, praktisch unbefahrenen Straße tut sich ein bedrohlicher Abgrund auf, wir sind von weißen Felsen umgeben, und tief unter uns fließt der Rhein – wir sind überwältigt.
Nach Regen sieht es nun nicht mehr aus. In Bonaduz, wohin wir dann nach einer rasanten Abfahrt gelangen, vereinigen sich Vorder- und Hinterrhein, und wir biegen nach Süden ab, folgen dem Hinterrhein flussaufwärts. Dass es jetzt leicht bergauf geht, bemerken wir jedoch kaum, denn wieder einmal haben wir Rückenwind. Trotz welligem Profil können wir also ein hohes Tempo durchhalten, und so dauert es nicht lange, bis wir nach Thusis kommen, wo wir das Rheintal verlassen wollen. Dass die Abfahrt Richtung Tiefencastel schlecht ausgeschildert ist, kann uns auch nicht wirklich aufhalten. Eher schon, dass es ab dem Ortsausgang von Thusis wieder bergauf geht. Am Ende des Tages ist so ein unerwartet schwerer Anstieg doppelt anstrengend. Eigentlich hätten wir uns das ja denken können, schließlich befinden wir uns jetzt im Albulatal, und im weitesten Sinne eigentlich schon im Anstieg zum Albulapass, der morgen auf dem Programm steht.
Wieder durchfahren wir eine enge Schlucht, und es ist unglaublich, dass die Schweizer hier nicht nur eine Straße an den Abgrund bauen, sondern auch noch eine Bahnlinie. Es ist die berühmte Rhätische Eisenbahn, und wir können mehr als eine abenteuerliche Brückenkonstruktion bewundern, die die tiefe Albulaschlucht überspannt. Die Straße ist gleichzeitig Radweg, doch das hindert die Schweizer nicht daran, uns auch durch einige Tunnel zu schicken, was wir weniger schön finden, aber mangels Alternative so hinnehmen müssen. Schließlich erreichen wir dann Tiefencastel, unser Tagesziel, und bewältigen, da der Campingplatz oberhalb des Dorfes am Hang liegt, auch noch den letzten Anstieg des Tages.
Es ist ein kleiner, gemütlicher Campingplatz, und etwa eine halbe Stunde nach uns treffen auch Gabi und Jenny aus Stuttgart hier ein, die uns die nächsten Tage mit Auto und Wohnwagen begleiten werden. Sie haben uns allen nötigen Zubehör zu einer kleinen Grillparty mitgebracht, worüber wir uns nach zehn Tagen mit Pastamahlzeiten mittags und abends jetzt doppelt freuen. Natürlich haben wir ihnen viel zu erzählen, und das tun wir auch; auch Campingtisch und -stühle sind für uns Abenteurer zum Luxus geworden, den wir nun gerne genießen – von angenehmer Gesellschaft ganz zu schweigen. So sitzen wir in fröhlicher Runde noch einige Zeit zusammen, bis es uns dann endlich zu kalt wird, und wir Wohnwagen oder Zelt zum Schlafen aufsuchen.
Da wir zum Glück keine festgelegten Startzeiten haben, bleiben wir im Trockenen sitzen und beschließen, das schlechte Wetter erst einmal auszusitzen. Nachdem es mehrmals so aussieht, als würde es sich aufhellen, der Regen dann aber doch immer wieder einsetzt, schwindet unser Optimismus langsam dahin. Schließlich wird es uns zu kalt, und wir nutzen um zehn Uhr eine erneute Regenpause zum Aufbruch. Die Entscheidung war, wie sich sehr bald herausstellt, goldrichtig, denn nun bleibt es trocken. Am Ortsausgang von Andermatt beginnt auch schon der Anstieg zum Oberalppass, so dass uns auch schnell wieder warm wird. Nach den ersten paar hundert Metern tauchen wir dann in dichten Nebel ein. Johannes ist wahrscheinlich nur zwanzig Meter entfernt, und dennoch komme ich mir mutterseelenallein vor in dieser eiskalten feuchten Endlosigkeit. Irgendwo in der Ferne, vom Nebel verborgen, ertönt der Klang eines Alphorns, was die ganze Atmosphäre noch gespenstischer wirken lässt. Da der Oberalp mit seinen knapp 600 Höhenmetern mit den Riesen von gestern kaum vergleichbar ist, und eigentlich nur ein Pass für die Statistik ist, beschließe ich, die Flucht nach vorne anzutreten, und erhöhe das Tempo. Ich hoffe, so möglichst bald wieder aus dieser Suppe heraus zu kommen, und die Hoffnung trügt mich nicht. Je höher ich komme, desto mehr lichtet sich der Nebel, die Straße wird wieder trocken, und man hat sogar das Gefühl, dass die Sonne heraus kommen möchte. So erreichen wir schließlich die Passhöhe des Oberalp, ohne vom Pass selbst wirklich viel gesehen zu haben.
Wir stürzen uns dann sofort wieder in den Nebel herunter, in die Abfahrt nach Disentis, ins Vorderrheintal. Sicht und Fahrbahnbelag sind schlecht, außerdem bläst uns ein kalter Wind entgegen, so dass wir in flacheren Passagen ziemlich zu kämpfen haben. Ab Disentis wird der Wind dann jedoch schwächer, und es geht dank Rhein immer noch leicht bergab, so dass wir zügig voran kommen und gegen 13.30 Uhr in Ilanz sind. Hier machen wir Mittagspause auf einer Bank im Bahnhof, die jedoch bei knapp 15 Grad Außentemperatur eher kurz ausfällt. Da die Hauptstraße nach Laax hier das Rheintal verlässt und wieder bergauf führt, entscheiden wir uns für die Alternativroute über Versam. Flach verläuft jedoch auch diese Route nicht, wie wir bald feststellen, doch dafür werden wir landschaftlich entschädigt. Zwischen Ilanz und Bonaduz hat sich der Vorderrhein eine tiefe, enge Schlucht gegraben, und unsere Straße führt uns – nach einigem Auf und Ab über ein paar Hügel – direkt an dieser Schlucht entlang. Unmittelbar neben der schmalen, praktisch unbefahrenen Straße tut sich ein bedrohlicher Abgrund auf, wir sind von weißen Felsen umgeben, und tief unter uns fließt der Rhein – wir sind überwältigt.
Nach Regen sieht es nun nicht mehr aus. In Bonaduz, wohin wir dann nach einer rasanten Abfahrt gelangen, vereinigen sich Vorder- und Hinterrhein, und wir biegen nach Süden ab, folgen dem Hinterrhein flussaufwärts. Dass es jetzt leicht bergauf geht, bemerken wir jedoch kaum, denn wieder einmal haben wir Rückenwind. Trotz welligem Profil können wir also ein hohes Tempo durchhalten, und so dauert es nicht lange, bis wir nach Thusis kommen, wo wir das Rheintal verlassen wollen. Dass die Abfahrt Richtung Tiefencastel schlecht ausgeschildert ist, kann uns auch nicht wirklich aufhalten. Eher schon, dass es ab dem Ortsausgang von Thusis wieder bergauf geht. Am Ende des Tages ist so ein unerwartet schwerer Anstieg doppelt anstrengend. Eigentlich hätten wir uns das ja denken können, schließlich befinden wir uns jetzt im Albulatal, und im weitesten Sinne eigentlich schon im Anstieg zum Albulapass, der morgen auf dem Programm steht.
Wieder durchfahren wir eine enge Schlucht, und es ist unglaublich, dass die Schweizer hier nicht nur eine Straße an den Abgrund bauen, sondern auch noch eine Bahnlinie. Es ist die berühmte Rhätische Eisenbahn, und wir können mehr als eine abenteuerliche Brückenkonstruktion bewundern, die die tiefe Albulaschlucht überspannt. Die Straße ist gleichzeitig Radweg, doch das hindert die Schweizer nicht daran, uns auch durch einige Tunnel zu schicken, was wir weniger schön finden, aber mangels Alternative so hinnehmen müssen. Schließlich erreichen wir dann Tiefencastel, unser Tagesziel, und bewältigen, da der Campingplatz oberhalb des Dorfes am Hang liegt, auch noch den letzten Anstieg des Tages.
Es ist ein kleiner, gemütlicher Campingplatz, und etwa eine halbe Stunde nach uns treffen auch Gabi und Jenny aus Stuttgart hier ein, die uns die nächsten Tage mit Auto und Wohnwagen begleiten werden. Sie haben uns allen nötigen Zubehör zu einer kleinen Grillparty mitgebracht, worüber wir uns nach zehn Tagen mit Pastamahlzeiten mittags und abends jetzt doppelt freuen. Natürlich haben wir ihnen viel zu erzählen, und das tun wir auch; auch Campingtisch und -stühle sind für uns Abenteurer zum Luxus geworden, den wir nun gerne genießen – von angenehmer Gesellschaft ganz zu schweigen. So sitzen wir in fröhlicher Runde noch einige Zeit zusammen, bis es uns dann endlich zu kalt wird, und wir Wohnwagen oder Zelt zum Schlafen aufsuchen.
Ich bin diese Etappe gefahren
am
Von majortom –
Der Luxus geht am nächsten Morgen gleich weiter, als Gabi uns zum Frühstück riesige Mengen an Rösti, Ei und Speck auftischt. Wir sind jedoch nicht nur für das grandiose Essen dankbar – schließlich müssen wir für zwei Pässe wieder ordentlich Energie tanken – sondern auch für etwas Abwechslung von der Routine, die sich die letzten zehn Tage über eingeschlichen hat. In aller Ruhe packen wir das Zelt und unsere Ausrüstung zusammen – und schnallen alles wieder aufs Rad. Obwohl wir jetzt für ein paar Tage ein Begleitfahrzeug haben werden, empfinden wir es als Betrug, wenn wir Ballast abwerfen würden, und so schleppen wir unseren ganzen Kram weiter mit uns herum.
Nach kurzer Abfahrt vom Campingplatz herunter nach Tiefencastel geht dann der Ansteig zum Albulapass weiter – noch knapp 30 Kilometer und über 1400 Höhenmeter warten noch auf uns. Es fängt an mit etwa zehn Kilometern durch hügeliges Terrain. Im Albulatal geht es zwar tendenziell nach oben, aber die Steigungen sind gering und immer mal wieder von Flach- oder sogar Bergabstücken unterbrochen. Ohne Probleme erreichen wir Filisur. Dann geht der Pass jedoch mit einem Mal richtig los, das Tal verengt sich, und wir schrauben uns in einer schmalen Schlucht am Abgrund entlang nach oben. Die Straße wird auch immer schmaler, und rechts neben uns geht es fast hundert Meter runter – ich möchte nicht in Gabis Haut stecken, die hier Auto und Wohnwagen hinauf befördern muss. Doch auch uns verlangt der Anstieg mit über 10 Prozent Steigung einiges ab.
Kurz darauf öffnet sich das Tal dann in einen weiten Talkessel, und wir fahren wieder ziemlich flach bis Bergün, wo ich noch einmal kurz auf Johannes warte, der im Steilstück hat abreißen lassen müssen. Er hat schon gleich nach dem Aufbruch zu mir gemeint, dass heute wohl nicht sein Tag würde. Leider hat sich das nun bestätigt, doch ich habe Vertrauen in seine Zähigkeit und seinen unglaublichen Kampfgeist und weiß, dass ihn auch der Albula nicht klein kriegen wird. Unsere Zähigkeit können wir dann auch gleich unter Beweis stellen, erst bei der gepflasterten Ortsdurchfahrt von Bergün, dann im wieder heftig steilen Anstieg. Durch eine schöne, einsame Landschaft radeln wir bergauf, neben uns plätschert der Albulabach. Es ist hart, doch ich finde einen guten Tritt und fühle mich immer besser. Und immer noch führt die Bahnstrecke der Rhätischen Eisenbahn neben uns her, über schmale Brücken wechseln die Schienen immer wieder die Talseite und verschwinden dann in Tunnels, um tief im Berg drinnen weiter an Höhe zu gewinnen. Erst kurz vor Ende des Passes taucht die Bahn dann endgültig im Tunnel ab und kommt erst auf der anderen Seite wieder zum Vorschein.
An Höhe gewinnen auch wir, die Steigung wird jedoch immer unregelmäßiger. Extrem steile Rampen erfordern ständige Tempowechsel, und ich spüre, wie ich immer mehr Körner auf der Strecke lasse. Langsam aber sicher kämpfe ich mich jedoch weiter empor, bis ich schließlich an einem Bergsee mit Wasserfall heraus komme. Ein Schild zeigt mir an, dass ich mich auf 1900 Metern Höhe befinde – eine Information, auf die ich auch hätte verzichten können, denn immer noch fehlen fast 450 Höhenmeter. Man kann dabei zusehen, wie sich die Landschaft mehr und mehr verändert, die Bäume werden immer kleiner und spärlicher, und mehr und mehr geht die Umgebung in eine karge Fels- und Geröllwüste über. Ich bin ziemlich am Ende, und muss ziemlich beißen, um einigermaßen voran zu kommen, obwohl die Steigung, nachdem wir Preda, das letzte Dorf, durchfahren haben, wieder etwas gemäßigter wird. Doch dann erlebe ich einen ungeahnten Motivationsschub, als ich unsere Namen auf der Straße lese, und das hilft mir, noch einmal bisher unentdeckte Kräfte zu mobilisieren. Noch zwei oder drei Kilometer sind es bis zur Passhöhe, die sich scheinbar ewig ziehen, auf einer fast schnurgeraden Straße durch diese Mondlandschaft. Doch die Motivation trägt mich bis hinauf – auch gegen schneidend kalten Wind und eine letzte harte Rampe.
Oben angekommen bedanke ich mich als erstes bei Jenny für die indirekte Anfeuerung. Zu dritt warten wir dann auf Johannes, der jedoch nicht lange auf sich warten lässt. Wie immer hat er seine Kräfte gut eingeteilt und – im Gegensatz zu mir – sein Tempo bis zur Passhöhe durchgedrückt. Da es hier oben ziemlich kalt ist – nach recht schönem Wetter heute morgen ist es nun bewölkt und windig – genießen wir die Gipfelatmosphäre nur kurz und fahren direkt nach dem obligatorischen Foto auch schon wieder hinunter. Bis nach La Punt, dem Fußpunkt des Passes im Engadin, dem schweizer Inntal, sind es nur etwas über neun Kilometer, und wir verlieren auch nur 600 Höhenmeter; viel bekommen wir also in dieser Abfahrt nicht geschenkt, zumal der Wind uns entgegen bläst. In La Punt wenden wir uns dann nach Nordosten. Hinter uns wird es am Himmel immer dunkler, also legen wir ein ordentliches Tempo vor, was nicht allzu schwierig ist, da wir dem Inn flussabwärts folgen. Da wir die Hauptstraße mit dem Fahrrad nicht fahren dürfen, weichen wir auf eine Nebenstrecke aus, die uns durch einige malerische rätoromanische Dörfer führt, und erreichen so schließlich Zernez, wo das Mittagessen schon auf uns wartet.
Die ersten Regentropfen sind schon gefallen, als wir noch etwa zwei Kilometer vor Zernez waren, und als es nun immer mehr schüttet, sind wir gezwungen, im Wohnwagen zu essen. Die Hoffnung, dass es nur ein kurzer Schauer sein könnte, zerstreut sich schon bald, denn es regnet sich immer mehr ein. Johannes und ich beschließen daher einstimmig, die Mittagspause noch etwas zu verlängern. Da wir auf dem Parkplatz zum Museum des Schweizerischen Nationalparks pausiert haben, nehmen wir die Gelegenheit wahr, uns ein bisschen weiterzubilden. Der Eintritt ins Museum ist frei, drinnen ist es warm, und die Ausstellung ist nicht nur lehrreich, sondern auch wirklich interessant. Jeder Blick nach draußen überzeugt uns, dass wir uns noch etwas ausgiebiger über Murmeltiere und Bartgeier informieren sollten.
Um 16.30 Uhr nutzen wir dann eine Regenpause, um endlich aufzubrechen. Lange bleibt es jedoch nicht trocken, denn schon nach wenigen Minuten setzt der Regen wieder ein. Wir befinden uns nun schon im Anstieg zum Ofenpass (oder Pass dal Fuorn auf rätoromanisch), doch der Pass scheint nicht sonderlich schwierig zu sein, und so entscheide ich mich wieder dafür, die Flucht nach vorne anzutreten. Ich halte das Tempo hoch, so bleibe ich wenigstens warm. Nach sechs Kilometern scheint der Regen etwas schwächer zu werden, doch das macht jetzt auch keinen Unterschied mehr, denn wir haben Ova Spin erreicht, einen ersten Zwischengipfel, und hier geht es erst einmal wieder fünf Kilometer bergab bis zur Abzweigung in den Livignotunnel. Wir spritzen uns das Wasser von der Straße literweise ins Gesicht. Da wir sowieso schon nass bis auf die Knochen sind, ist es auch bitter kalt. Johannes erweist sich einmal mehr als furchtloser Abfahrer und zieht mir davon.
Dann geschieht das Unfassbare: als ich gerade den tiefsten Punkt erreicht habe, sehe ich plötzlich meinen Schatten. Hinter uns kommt die Sonne raus. Die Abzweigung nach Livigno lassen wir rechts liegen und machen uns an den zweiten Teil des Passes. Auf unserem Höhenprofil sieht der Rest flach und regelmäßig aus, doch das wäre natürlich zu schön gewesen. Flachstücke gibt es zwar, auf denen ich richtig Tempo drücken kann, doch sie werden immer wieder von kurzen, steileren Abschnitten unterbrochen. Das ist verdammt kräftezehrend; so ein Tempobrecher ist das letzte, was ich jetzt gebrauchen kann. Landschaftlich wird der Pass in diesem Abschnitt immer schöner, wir sind inzwischen auch im Nationalpark, und man kann einige der Schmelzöfen aus früherer Zeit erkennen, nach denen der Pass benannt ist, doch das nehme ich nur noch am Rande war. Der Ofenpass, auf dem Papier einer der leichtesten, schafft mich wirklich, und mit wirklich allerletzter Kraft drücke ich die letzten zwei Kilometer, die wieder ziemlich steil sind, hinauf.
Gabi hält an der Passhöhe schon eine warme Decke bereit, die ich sofort dankbar um mich schlinge, denn ich bin immer noch völlig durchnässt. Zu meiner großen Überraschung ist Johannes, den ich das letzte Mal in der Zwischenabfahrt gesehen habe, noch nicht da. Bevor ich anfangen kann, mir Sorgen zu machen, kommt er jedoch auf den Gipfel gestürmt, und es stellt sich heraus, dass er an der Abzweigung nach Livigno auf mich gewartet hat, ich bin jedoch völlig blind an ihm vorbei gerauscht. Das bessere Wetter hat sich inzwischen tatsächlich durchgesetzt, und vor uns im Münstertal ist der Himmel wieder blau. Auch die Straße ist zum Glück wieder trocken, und so ziehen wir uns gleich warm an und machen uns an die Abfahrt. Santa Maria, unser Etappenort, ist nur noch 13 Kilometer entfernt. Mein unverwüstlicher Begleiter macht im Münstertal das Tempo, während ich völlig fertig bin, und nur noch an Johannes' Hinterrad hänge.
Das Wetter hält, was es verspricht, und wir kommen mit den letzten Abendsonnenstrahlen in Santa Maria an, einem netten kleinen Dorf mit enger Ortsdurchfahrt (kaum zu glauben, dass hier der Wohnwagen durch gepasst hat) und bemalten Hauswänden. Ein letzter Anstieg wartet auf uns, 200 Meter bis zum Campingplatz, der oberhalb des Dorfes liegt, dann reicht es wirklich für heute. Ich muss wieder einmal feststellen, dass ich wirklich ein Schönwetterfahrer bin, das Regenwetter hat mir wieder einmal sämtliche Lust am Radfahren genommen. Oben am Ofenpass hätte ich ein Ticket nach Hause ohne zu zögern angenommen, und das gibt mir jetzt ziemlich zu denken. Doch die Moral steigt wieder, als wir uns für je zwei Franken je zwei mal drei Minuten heiße Dusche gönnen, und dann hinunter ins Dorf laufen. Gabi lädt uns "zur Feier des Tages", wie sie erklärt, und zur Feier unserer Pässe Nummer acht und neun, zum Abendessen ins Restaurant ein, wo wir uns für die leckeren Münstertaler Spezialitäten mit Wirz (was auch immer das ist) entscheiden. Zwei große Bier tragen auch dazu bei, dass ich nach dem Essen wieder fast der Alte bin. Jetzt würde ich mir das mit der Heimreise zweimal überlegen, und freue mich mit Johannes auf das morgige Dach unserer Tour, das Stilfser Joch.
Nach kurzer Abfahrt vom Campingplatz herunter nach Tiefencastel geht dann der Ansteig zum Albulapass weiter – noch knapp 30 Kilometer und über 1400 Höhenmeter warten noch auf uns. Es fängt an mit etwa zehn Kilometern durch hügeliges Terrain. Im Albulatal geht es zwar tendenziell nach oben, aber die Steigungen sind gering und immer mal wieder von Flach- oder sogar Bergabstücken unterbrochen. Ohne Probleme erreichen wir Filisur. Dann geht der Pass jedoch mit einem Mal richtig los, das Tal verengt sich, und wir schrauben uns in einer schmalen Schlucht am Abgrund entlang nach oben. Die Straße wird auch immer schmaler, und rechts neben uns geht es fast hundert Meter runter – ich möchte nicht in Gabis Haut stecken, die hier Auto und Wohnwagen hinauf befördern muss. Doch auch uns verlangt der Anstieg mit über 10 Prozent Steigung einiges ab.
Kurz darauf öffnet sich das Tal dann in einen weiten Talkessel, und wir fahren wieder ziemlich flach bis Bergün, wo ich noch einmal kurz auf Johannes warte, der im Steilstück hat abreißen lassen müssen. Er hat schon gleich nach dem Aufbruch zu mir gemeint, dass heute wohl nicht sein Tag würde. Leider hat sich das nun bestätigt, doch ich habe Vertrauen in seine Zähigkeit und seinen unglaublichen Kampfgeist und weiß, dass ihn auch der Albula nicht klein kriegen wird. Unsere Zähigkeit können wir dann auch gleich unter Beweis stellen, erst bei der gepflasterten Ortsdurchfahrt von Bergün, dann im wieder heftig steilen Anstieg. Durch eine schöne, einsame Landschaft radeln wir bergauf, neben uns plätschert der Albulabach. Es ist hart, doch ich finde einen guten Tritt und fühle mich immer besser. Und immer noch führt die Bahnstrecke der Rhätischen Eisenbahn neben uns her, über schmale Brücken wechseln die Schienen immer wieder die Talseite und verschwinden dann in Tunnels, um tief im Berg drinnen weiter an Höhe zu gewinnen. Erst kurz vor Ende des Passes taucht die Bahn dann endgültig im Tunnel ab und kommt erst auf der anderen Seite wieder zum Vorschein.
An Höhe gewinnen auch wir, die Steigung wird jedoch immer unregelmäßiger. Extrem steile Rampen erfordern ständige Tempowechsel, und ich spüre, wie ich immer mehr Körner auf der Strecke lasse. Langsam aber sicher kämpfe ich mich jedoch weiter empor, bis ich schließlich an einem Bergsee mit Wasserfall heraus komme. Ein Schild zeigt mir an, dass ich mich auf 1900 Metern Höhe befinde – eine Information, auf die ich auch hätte verzichten können, denn immer noch fehlen fast 450 Höhenmeter. Man kann dabei zusehen, wie sich die Landschaft mehr und mehr verändert, die Bäume werden immer kleiner und spärlicher, und mehr und mehr geht die Umgebung in eine karge Fels- und Geröllwüste über. Ich bin ziemlich am Ende, und muss ziemlich beißen, um einigermaßen voran zu kommen, obwohl die Steigung, nachdem wir Preda, das letzte Dorf, durchfahren haben, wieder etwas gemäßigter wird. Doch dann erlebe ich einen ungeahnten Motivationsschub, als ich unsere Namen auf der Straße lese, und das hilft mir, noch einmal bisher unentdeckte Kräfte zu mobilisieren. Noch zwei oder drei Kilometer sind es bis zur Passhöhe, die sich scheinbar ewig ziehen, auf einer fast schnurgeraden Straße durch diese Mondlandschaft. Doch die Motivation trägt mich bis hinauf – auch gegen schneidend kalten Wind und eine letzte harte Rampe.
Oben angekommen bedanke ich mich als erstes bei Jenny für die indirekte Anfeuerung. Zu dritt warten wir dann auf Johannes, der jedoch nicht lange auf sich warten lässt. Wie immer hat er seine Kräfte gut eingeteilt und – im Gegensatz zu mir – sein Tempo bis zur Passhöhe durchgedrückt. Da es hier oben ziemlich kalt ist – nach recht schönem Wetter heute morgen ist es nun bewölkt und windig – genießen wir die Gipfelatmosphäre nur kurz und fahren direkt nach dem obligatorischen Foto auch schon wieder hinunter. Bis nach La Punt, dem Fußpunkt des Passes im Engadin, dem schweizer Inntal, sind es nur etwas über neun Kilometer, und wir verlieren auch nur 600 Höhenmeter; viel bekommen wir also in dieser Abfahrt nicht geschenkt, zumal der Wind uns entgegen bläst. In La Punt wenden wir uns dann nach Nordosten. Hinter uns wird es am Himmel immer dunkler, also legen wir ein ordentliches Tempo vor, was nicht allzu schwierig ist, da wir dem Inn flussabwärts folgen. Da wir die Hauptstraße mit dem Fahrrad nicht fahren dürfen, weichen wir auf eine Nebenstrecke aus, die uns durch einige malerische rätoromanische Dörfer führt, und erreichen so schließlich Zernez, wo das Mittagessen schon auf uns wartet.
Die ersten Regentropfen sind schon gefallen, als wir noch etwa zwei Kilometer vor Zernez waren, und als es nun immer mehr schüttet, sind wir gezwungen, im Wohnwagen zu essen. Die Hoffnung, dass es nur ein kurzer Schauer sein könnte, zerstreut sich schon bald, denn es regnet sich immer mehr ein. Johannes und ich beschließen daher einstimmig, die Mittagspause noch etwas zu verlängern. Da wir auf dem Parkplatz zum Museum des Schweizerischen Nationalparks pausiert haben, nehmen wir die Gelegenheit wahr, uns ein bisschen weiterzubilden. Der Eintritt ins Museum ist frei, drinnen ist es warm, und die Ausstellung ist nicht nur lehrreich, sondern auch wirklich interessant. Jeder Blick nach draußen überzeugt uns, dass wir uns noch etwas ausgiebiger über Murmeltiere und Bartgeier informieren sollten.
Um 16.30 Uhr nutzen wir dann eine Regenpause, um endlich aufzubrechen. Lange bleibt es jedoch nicht trocken, denn schon nach wenigen Minuten setzt der Regen wieder ein. Wir befinden uns nun schon im Anstieg zum Ofenpass (oder Pass dal Fuorn auf rätoromanisch), doch der Pass scheint nicht sonderlich schwierig zu sein, und so entscheide ich mich wieder dafür, die Flucht nach vorne anzutreten. Ich halte das Tempo hoch, so bleibe ich wenigstens warm. Nach sechs Kilometern scheint der Regen etwas schwächer zu werden, doch das macht jetzt auch keinen Unterschied mehr, denn wir haben Ova Spin erreicht, einen ersten Zwischengipfel, und hier geht es erst einmal wieder fünf Kilometer bergab bis zur Abzweigung in den Livignotunnel. Wir spritzen uns das Wasser von der Straße literweise ins Gesicht. Da wir sowieso schon nass bis auf die Knochen sind, ist es auch bitter kalt. Johannes erweist sich einmal mehr als furchtloser Abfahrer und zieht mir davon.
Dann geschieht das Unfassbare: als ich gerade den tiefsten Punkt erreicht habe, sehe ich plötzlich meinen Schatten. Hinter uns kommt die Sonne raus. Die Abzweigung nach Livigno lassen wir rechts liegen und machen uns an den zweiten Teil des Passes. Auf unserem Höhenprofil sieht der Rest flach und regelmäßig aus, doch das wäre natürlich zu schön gewesen. Flachstücke gibt es zwar, auf denen ich richtig Tempo drücken kann, doch sie werden immer wieder von kurzen, steileren Abschnitten unterbrochen. Das ist verdammt kräftezehrend; so ein Tempobrecher ist das letzte, was ich jetzt gebrauchen kann. Landschaftlich wird der Pass in diesem Abschnitt immer schöner, wir sind inzwischen auch im Nationalpark, und man kann einige der Schmelzöfen aus früherer Zeit erkennen, nach denen der Pass benannt ist, doch das nehme ich nur noch am Rande war. Der Ofenpass, auf dem Papier einer der leichtesten, schafft mich wirklich, und mit wirklich allerletzter Kraft drücke ich die letzten zwei Kilometer, die wieder ziemlich steil sind, hinauf.
Gabi hält an der Passhöhe schon eine warme Decke bereit, die ich sofort dankbar um mich schlinge, denn ich bin immer noch völlig durchnässt. Zu meiner großen Überraschung ist Johannes, den ich das letzte Mal in der Zwischenabfahrt gesehen habe, noch nicht da. Bevor ich anfangen kann, mir Sorgen zu machen, kommt er jedoch auf den Gipfel gestürmt, und es stellt sich heraus, dass er an der Abzweigung nach Livigno auf mich gewartet hat, ich bin jedoch völlig blind an ihm vorbei gerauscht. Das bessere Wetter hat sich inzwischen tatsächlich durchgesetzt, und vor uns im Münstertal ist der Himmel wieder blau. Auch die Straße ist zum Glück wieder trocken, und so ziehen wir uns gleich warm an und machen uns an die Abfahrt. Santa Maria, unser Etappenort, ist nur noch 13 Kilometer entfernt. Mein unverwüstlicher Begleiter macht im Münstertal das Tempo, während ich völlig fertig bin, und nur noch an Johannes' Hinterrad hänge.
Das Wetter hält, was es verspricht, und wir kommen mit den letzten Abendsonnenstrahlen in Santa Maria an, einem netten kleinen Dorf mit enger Ortsdurchfahrt (kaum zu glauben, dass hier der Wohnwagen durch gepasst hat) und bemalten Hauswänden. Ein letzter Anstieg wartet auf uns, 200 Meter bis zum Campingplatz, der oberhalb des Dorfes liegt, dann reicht es wirklich für heute. Ich muss wieder einmal feststellen, dass ich wirklich ein Schönwetterfahrer bin, das Regenwetter hat mir wieder einmal sämtliche Lust am Radfahren genommen. Oben am Ofenpass hätte ich ein Ticket nach Hause ohne zu zögern angenommen, und das gibt mir jetzt ziemlich zu denken. Doch die Moral steigt wieder, als wir uns für je zwei Franken je zwei mal drei Minuten heiße Dusche gönnen, und dann hinunter ins Dorf laufen. Gabi lädt uns "zur Feier des Tages", wie sie erklärt, und zur Feier unserer Pässe Nummer acht und neun, zum Abendessen ins Restaurant ein, wo wir uns für die leckeren Münstertaler Spezialitäten mit Wirz (was auch immer das ist) entscheiden. Zwei große Bier tragen auch dazu bei, dass ich nach dem Essen wieder fast der Alte bin. Jetzt würde ich mir das mit der Heimreise zweimal überlegen, und freue mich mit Johannes auf das morgige Dach unserer Tour, das Stilfser Joch.
Ich bin diese Etappe gefahren
am
Von majortom –
In Erwartung einer kalten Nacht haben wir uns entschlossen, im Wohnwagen zu schlafen, und wie uns die Temperaturen am Morgen zeigen, war es eine gute Entscheidung. Es ist bewölkt und bitter kalt, doch wir lassen uns unseren Tatendrang nicht nehmen, steht doch heute eine weitere wahre Legende unter den Alpenpässen auf dem Programm. Nach dem Frühstück versorgen wir noch unsere Wäsche und erneuern Johannes' Bremsbeläge, da die alten der 48-Kehren-Abfahrt vom Stilfser Joch wohl nicht mehr stand halten würden. Immer wieder wage ich einen sorgenvollen Blick zum Himmel – ich hoffe inständig, dass es trocken bleibt – doch Johannes versichert mir mehr oder weniger glaubhaft, es sähe nicht nach Regen aus. Na ja, denke ich mir mit vorsichtigem Optimismus, immerhin ist für die nächsten Tage wieder schönes Wetter vorausgesagt.
Die 200 Meter Anstieg zum Campingplatz gestern Abend waren gleichzeitig die ersten 200 Meter des Umbrailpasses, der aus dem Münstertal heraus Richtung Italien führt. Aufs Einrollen müssen wir heute also verzichten, denn es wird sofort sehr steil, und das bleibt es auch, lediglich in den Kehren wird es mal geringfügig flacher. Ganz optimistisch mache ich das Tempo, und Johannes hält mein Hinterrad. Es ist ein sehr schöner Pass: schmale Straße, wenig Verkehr, enge Serpentinen, malerische Landschaft – und eine regelmäßige Steigung, die einen kraftvollen, gleichmäßigen Tritt ermöglicht. So lassen sich auch Steigungsprozente über neun Prozent gut ertragen.
Nach etwa sechs Kilometern zeigt sich dann jedoch erst richtig, dass dies hier – obwohl der höchste Pass der Schweiz – kein bedeutender Verkehrsweg ist. Die bis dahin gut geteerte Straße geht in eine Schotterpiste über – Naturstraße nennen das die Schweizer. Der Untergrund ist jedoch hart und trocken, keine Schlaglöcher und nur wenig Steine, so dass wir um unsere Reifen eigentlich keine Angst haben müssen, und trotz des Geholpers unsere Geschwindigkeit halten können. Erst lässt auch die Steigung etwas nach, doch sobald wir über eine kleine Brücke fahren und die Seite des Tals wechseln, wird sie wieder mörderisch, und Johannes lässt abreißen. Insgesamt etwa zwei Kilometer Naturstraße bringen wir so hinter uns, doch auch als wir wieder Asphalt unter unseren Rädern haben, wird es nicht leichter, so dass auch für mich der konditionsmäßige Wendepunkt naht. Immer noch geht es steil bergauf, die Luft wird nicht nur immer dünner, sondern auch immer kälter. Die Baumgrenze ist längst erreicht, und jegliche Vegetation verschwunden. Wir fahren durch ein hellbraun-steiniges Nichts, immer noch folgt Kehre auf Kehre, das Ziel liegt irgendwo über unseren Köpfen, und es ist noch lange kein Ende in Sicht.
Mit seiner Voraussage, dass es nicht regnen würde, soll Johannes tatsächlich recht behalten, denn es beginnt nicht zu regnen, sondern zu schneien. Obwohl ich mit dem Umbrail enorm zu kämpfen habe, und mein auf vollen Touren laufender Stoffwechsel eigentlich jede Menge Wärme liefern sollte, ist mir verdammt kalt, meine Finger spüre ich kaum noch. Auf den letzten Kurven, die sich noch einmal einen Steilhang hinauf winden, muss ich wirklich alles geben; je nach Fahrtrichtung macht der Gegenwind es uns noch steiler und noch kälter, als es sowieso schon ist. In der Ferne sieht man zwar noch nicht die Passhöhe des Umbrail, dafür jedoch die des Stilfser Jochs – die beiden Pässe liegen nur etwa drei Kilometer auseinander – und ich stelle fest, dass heute noch eine ganze Menge Höhenmeter auf uns warten. Doch wie immer ist es eigentlich nur eine Sache der Ausdauer, jeder Meter zählt, und so erreiche ich schließlich den Gipfel. Alles, was es hier oben gibt, ist ein (nicht geöffnetes) Restaurant und der (nicht besetzte) Grenzübergang nach Italien – wir scheinen hier wirklich ziemlich in der Wildnis gelandet zu sein. Noch immer fällt Schnee, weswegen mir die Situation in den paar Minuten, die wir auf Johannes warten, ziemlich absurd vorkommt.
Die Abfahrt, die nun folgt, ist eigentlich nicht der Rede wert. Nach 300 Metern und 13 Höhenmetern bergab treffen wir auf die Passstraße zum Stilfser Joch. Die Gruppe Schweizer Radfahrer, die wir am Umbrail getroffen haben, biegen nach rechts ab, in die Abfahrt nach Bormio, wo sie „erst mal ein Eis essen“ wollen, wir dagegen wenden uns nach links, dem Pass zu. Drei Kilometer trennen uns noch vom höchsten Pass Italiens, und in unserer Planung hatten wir gedacht, dass wir diesen Pass dann praktisch geschenkt bekämen, doch auch diese drei Kilometer erweisen sich noch einmal als enorm hart, zumal wir ja noch gar keine Zeit hatten, uns vom Umbrail zu erholen, und unsere Reserven fast vollständig aufgebraucht sind. Hinzu kommt, dass der Wind auf dieser Seite noch wesentlich stärker bläst, und so auch die gefühlte Temperatur immer weiter sinkt. Das Verkehrsaufkommen hat auch enorm zugenommen, von einer Sekunde auf die andere sind wir wieder auf einer stark befahrenen Straße, und wir lesen auch nicht mehr unsere Namen auf der Straße (Jenny hat uns am Umbrail wieder verewigt), sondern die der diesjährigen Giro dItalia-Teilnehmer.
Doch auch dieser Berg schafft uns nicht, und wir kämpfen uns mit letzter Kraft – dem Einbruch ziemlich nahe – auf den 2757 Meter hohen Gipfel, den höchsten Punkt unserer Tour. Hier oben ist die Hölle los, die riesigen Parkplätze sind überfüllt, Touristen, Motor- und Fahrräder soweit das Auge reicht, eine Würstchenbude reiht sich an die andere. Gabi hat Auto und Wohnwagen, da es keine andere Möglichkeit gibt, direkt an der Passhöhe am Straßenrand geparkt. Immer noch schneit es; wir sehen auch einige Leute, die ihre Ski geschultert haben, offenbar gibt es hier ein Gletscherskigebiet. Noch vor einer Viertelstunde standen wir völlig mutterseelenallein am Umbrailpass, und jetzt dieser Trubel – größer könnten die Unterschiede gar nicht sein. Um unser Passfoto zu machen, müssen wir uns sogar in einer Schlange anstellen. Dennoch macht wohl auch gerade das die einzigartige Atmosphäre hier am Stelvio aus, und es ist ein unglaubliches Gefühl, auch diesen Riesen trotz widriger Wetterbedingungen gestürmt zu haben.
Neue Motivation für die Abfahrt müssen wir also nicht mehr tanken, auch wenn wir dankbar neue Energie in Form von Müsliriegeln und Äpfeln zu uns nehmen. Am Gipfel überschreiten wir die Grenze nach Südtirol, und 48 durchnummerierte Kehren warten auf uns. Die 25 Kilometer bergab sind jedoch alles andere als geschenkt. Nicht nur beansprucht 48-maliges scharfes Abbremsen unser Material, sondern auch 48-maliges wieder Beschleunigen unsere müde Muskulatur. Im oberen Teil ist der Straßenbelag ziemlich schlecht, und praktisch ständig hängen wir hinter Autos fest, die eigentlich langsamer fahren als wir, die wir aber auch nicht überholen können. Immerhin sieht das Wetter auf dieser Seite des Passes wesentlich besser aus, der Niederschlag hat aufgehört, und es wird wieder deutlich wärmer. So gelangen wir schließlich bei Spondinig ins Etschtal, wo wir auf die Hauptstraße treffen, die links Richtung Reschenpass und nach Österreich führt. Unsere Route führt uns allerdings talabwärts weiter nach Südtirol hinein. Kurz nach Spondinig treffen wir dann auf dem Parkplatz eines Elektronikgeschäfts die Servicecrew wieder, und die beiden haben – zuverlässig wie immer – schon damit begonnen, das Mittagessen zu kochen.
Der Nachmittag hat schon längst begonnen, als wir mit Essen fertig sind. Wieder einmal sind wir spät dran, und es warten bis Bozen noch über 70 Kilometer auf uns. Wir entschließen uns trotzdem, am Etappenziel festzuhalten – für morgen haben wir schließlich einen Ruhetag eingeplant. Beim Mittagessen war es noch kalt und windig, doch das ändert sich schnell. Kaum sind wir zehn Minuten unterwegs, kommt die Sonne heraus, und das milde Südtiroler Klima zeigt sich von seiner besten Seite. Die Italiener lotsen uns auf eine sogenannte Radroute, die sich jedoch als Trampel- und Touristenpfad herausstellt, direkt an der Etsch entlang geht es ständig auf und ab durch die Wildnis (zwischen Laas und Schlanders sowie zwischen Morter und Latsch – auf den anderen Streckenabschnitten befindet sich der Radweg in gutem, geteerten Zustand). Wir haben für heute genug von Naturstraße und wechseln daher wieder auf die Hauptstraße. Diese ist zwar stark befahren, doch wir können bei Rückenwind und ständig leichtem Gefälle kräftig aufs Tempo drücken. Eine halbe Stunde lang halten wir einen Schnitt von 38 Stundenkilometern. Etwa zwanzig Kilometer vor Meran geben wir der Radroute dann noch eine zweite Chance, und liegen diesmal goldrichtig. Ein durchgehend asphaltierter Weg folgt wieder dem Fluss, eine richtige Radautobahn, und durch ausgedehnte Apfelplantagen können wir unser Tempo weiter hochhalten.
Es ist 17.30 Uhr, als wir Meran erreichen, und so langsam macht sich wieder die Erschöpfung bemerkbar – nicht nur von heute, sondern auch von den über 1200 Kilometern, die wir seit Avignon schon hinter uns gebracht haben. Doch wir bleiben tapfer, und suchen nach sehr kurzer Pause gleich die Straße aus Meran heraus nach Bozen. Das erweist sich als ziemlich schwierig, da die Italiener immer nur die Autobahn ausschildern, was für uns natürlich keine Alternative ist. So landen wir schließlich auf der rechten Seite des Etschtals, das in Meran einen Bogen nach Süden macht. Über hügeliges Terrain fahren wir weiter Richtung Süden, und wieder einmal leistet Johannes einen Löwenanteil der Arbeit. In Lana beschließen wir dann, wieder auf die andere Seite des Tals zu wechseln, da es auf unserer Seite wesentlich bergiger aussieht, und wir auch inzwischen im Schatten radeln.
Kurz darauf ruft Johannes eine weitere kurze Pause aus, da er immer stärkere Schmerzen in der Ferse bekommt. Klarer Fall von Überlastung, und es muss wirklich höllisch schmerzen, doch an Aufgeben ist jetzt nicht zu denken (sagt er), und wir setzen die Fahrt fort. Auf der linken Seite des Tals kommen wir tatsächlich wieder in die Abendsonne, und nach weiteren 20 Kilometen durch die Ausläufer der Hügel, die das Tal flankieren, finden wir für die letzten zwölf Kilometer wieder die Radroute, die – wie schon vor Meran – wieder eine Flussautobahn ist. Ich lasse es mir nicht nehmen – zumal mein Kompagnon ja gehandicapt ist – diese letzten Kilometer die Führung zu machen, so dass wir um 19.30 Uhr endlich am Campingplatz in Bozen eintreffen. Trotz fortgeschrittener Stunde ist es hier endlich wieder sommerlich warm. Kaum zu glauben, dass wir heute auch schon im Schnee gestanden sind. Das Wetter hält anscheinend doch, was der Bericht versprochen hat, allerdings befinden wir uns auch nur noch auf einer Höhe von 270 Metern. Den morgigen Ruhetag haben wir uns wirklich mehr als verdient, denken wir, als wir bei den letzten Abendsonnenstrahlen im Pool des Campingplatzes noch eine Runde schwimmen gehen.
Die 200 Meter Anstieg zum Campingplatz gestern Abend waren gleichzeitig die ersten 200 Meter des Umbrailpasses, der aus dem Münstertal heraus Richtung Italien führt. Aufs Einrollen müssen wir heute also verzichten, denn es wird sofort sehr steil, und das bleibt es auch, lediglich in den Kehren wird es mal geringfügig flacher. Ganz optimistisch mache ich das Tempo, und Johannes hält mein Hinterrad. Es ist ein sehr schöner Pass: schmale Straße, wenig Verkehr, enge Serpentinen, malerische Landschaft – und eine regelmäßige Steigung, die einen kraftvollen, gleichmäßigen Tritt ermöglicht. So lassen sich auch Steigungsprozente über neun Prozent gut ertragen.
Nach etwa sechs Kilometern zeigt sich dann jedoch erst richtig, dass dies hier – obwohl der höchste Pass der Schweiz – kein bedeutender Verkehrsweg ist. Die bis dahin gut geteerte Straße geht in eine Schotterpiste über – Naturstraße nennen das die Schweizer. Der Untergrund ist jedoch hart und trocken, keine Schlaglöcher und nur wenig Steine, so dass wir um unsere Reifen eigentlich keine Angst haben müssen, und trotz des Geholpers unsere Geschwindigkeit halten können. Erst lässt auch die Steigung etwas nach, doch sobald wir über eine kleine Brücke fahren und die Seite des Tals wechseln, wird sie wieder mörderisch, und Johannes lässt abreißen. Insgesamt etwa zwei Kilometer Naturstraße bringen wir so hinter uns, doch auch als wir wieder Asphalt unter unseren Rädern haben, wird es nicht leichter, so dass auch für mich der konditionsmäßige Wendepunkt naht. Immer noch geht es steil bergauf, die Luft wird nicht nur immer dünner, sondern auch immer kälter. Die Baumgrenze ist längst erreicht, und jegliche Vegetation verschwunden. Wir fahren durch ein hellbraun-steiniges Nichts, immer noch folgt Kehre auf Kehre, das Ziel liegt irgendwo über unseren Köpfen, und es ist noch lange kein Ende in Sicht.
Mit seiner Voraussage, dass es nicht regnen würde, soll Johannes tatsächlich recht behalten, denn es beginnt nicht zu regnen, sondern zu schneien. Obwohl ich mit dem Umbrail enorm zu kämpfen habe, und mein auf vollen Touren laufender Stoffwechsel eigentlich jede Menge Wärme liefern sollte, ist mir verdammt kalt, meine Finger spüre ich kaum noch. Auf den letzten Kurven, die sich noch einmal einen Steilhang hinauf winden, muss ich wirklich alles geben; je nach Fahrtrichtung macht der Gegenwind es uns noch steiler und noch kälter, als es sowieso schon ist. In der Ferne sieht man zwar noch nicht die Passhöhe des Umbrail, dafür jedoch die des Stilfser Jochs – die beiden Pässe liegen nur etwa drei Kilometer auseinander – und ich stelle fest, dass heute noch eine ganze Menge Höhenmeter auf uns warten. Doch wie immer ist es eigentlich nur eine Sache der Ausdauer, jeder Meter zählt, und so erreiche ich schließlich den Gipfel. Alles, was es hier oben gibt, ist ein (nicht geöffnetes) Restaurant und der (nicht besetzte) Grenzübergang nach Italien – wir scheinen hier wirklich ziemlich in der Wildnis gelandet zu sein. Noch immer fällt Schnee, weswegen mir die Situation in den paar Minuten, die wir auf Johannes warten, ziemlich absurd vorkommt.
Die Abfahrt, die nun folgt, ist eigentlich nicht der Rede wert. Nach 300 Metern und 13 Höhenmetern bergab treffen wir auf die Passstraße zum Stilfser Joch. Die Gruppe Schweizer Radfahrer, die wir am Umbrail getroffen haben, biegen nach rechts ab, in die Abfahrt nach Bormio, wo sie „erst mal ein Eis essen“ wollen, wir dagegen wenden uns nach links, dem Pass zu. Drei Kilometer trennen uns noch vom höchsten Pass Italiens, und in unserer Planung hatten wir gedacht, dass wir diesen Pass dann praktisch geschenkt bekämen, doch auch diese drei Kilometer erweisen sich noch einmal als enorm hart, zumal wir ja noch gar keine Zeit hatten, uns vom Umbrail zu erholen, und unsere Reserven fast vollständig aufgebraucht sind. Hinzu kommt, dass der Wind auf dieser Seite noch wesentlich stärker bläst, und so auch die gefühlte Temperatur immer weiter sinkt. Das Verkehrsaufkommen hat auch enorm zugenommen, von einer Sekunde auf die andere sind wir wieder auf einer stark befahrenen Straße, und wir lesen auch nicht mehr unsere Namen auf der Straße (Jenny hat uns am Umbrail wieder verewigt), sondern die der diesjährigen Giro dItalia-Teilnehmer.
Doch auch dieser Berg schafft uns nicht, und wir kämpfen uns mit letzter Kraft – dem Einbruch ziemlich nahe – auf den 2757 Meter hohen Gipfel, den höchsten Punkt unserer Tour. Hier oben ist die Hölle los, die riesigen Parkplätze sind überfüllt, Touristen, Motor- und Fahrräder soweit das Auge reicht, eine Würstchenbude reiht sich an die andere. Gabi hat Auto und Wohnwagen, da es keine andere Möglichkeit gibt, direkt an der Passhöhe am Straßenrand geparkt. Immer noch schneit es; wir sehen auch einige Leute, die ihre Ski geschultert haben, offenbar gibt es hier ein Gletscherskigebiet. Noch vor einer Viertelstunde standen wir völlig mutterseelenallein am Umbrailpass, und jetzt dieser Trubel – größer könnten die Unterschiede gar nicht sein. Um unser Passfoto zu machen, müssen wir uns sogar in einer Schlange anstellen. Dennoch macht wohl auch gerade das die einzigartige Atmosphäre hier am Stelvio aus, und es ist ein unglaubliches Gefühl, auch diesen Riesen trotz widriger Wetterbedingungen gestürmt zu haben.
Neue Motivation für die Abfahrt müssen wir also nicht mehr tanken, auch wenn wir dankbar neue Energie in Form von Müsliriegeln und Äpfeln zu uns nehmen. Am Gipfel überschreiten wir die Grenze nach Südtirol, und 48 durchnummerierte Kehren warten auf uns. Die 25 Kilometer bergab sind jedoch alles andere als geschenkt. Nicht nur beansprucht 48-maliges scharfes Abbremsen unser Material, sondern auch 48-maliges wieder Beschleunigen unsere müde Muskulatur. Im oberen Teil ist der Straßenbelag ziemlich schlecht, und praktisch ständig hängen wir hinter Autos fest, die eigentlich langsamer fahren als wir, die wir aber auch nicht überholen können. Immerhin sieht das Wetter auf dieser Seite des Passes wesentlich besser aus, der Niederschlag hat aufgehört, und es wird wieder deutlich wärmer. So gelangen wir schließlich bei Spondinig ins Etschtal, wo wir auf die Hauptstraße treffen, die links Richtung Reschenpass und nach Österreich führt. Unsere Route führt uns allerdings talabwärts weiter nach Südtirol hinein. Kurz nach Spondinig treffen wir dann auf dem Parkplatz eines Elektronikgeschäfts die Servicecrew wieder, und die beiden haben – zuverlässig wie immer – schon damit begonnen, das Mittagessen zu kochen.
Der Nachmittag hat schon längst begonnen, als wir mit Essen fertig sind. Wieder einmal sind wir spät dran, und es warten bis Bozen noch über 70 Kilometer auf uns. Wir entschließen uns trotzdem, am Etappenziel festzuhalten – für morgen haben wir schließlich einen Ruhetag eingeplant. Beim Mittagessen war es noch kalt und windig, doch das ändert sich schnell. Kaum sind wir zehn Minuten unterwegs, kommt die Sonne heraus, und das milde Südtiroler Klima zeigt sich von seiner besten Seite. Die Italiener lotsen uns auf eine sogenannte Radroute, die sich jedoch als Trampel- und Touristenpfad herausstellt, direkt an der Etsch entlang geht es ständig auf und ab durch die Wildnis (zwischen Laas und Schlanders sowie zwischen Morter und Latsch – auf den anderen Streckenabschnitten befindet sich der Radweg in gutem, geteerten Zustand). Wir haben für heute genug von Naturstraße und wechseln daher wieder auf die Hauptstraße. Diese ist zwar stark befahren, doch wir können bei Rückenwind und ständig leichtem Gefälle kräftig aufs Tempo drücken. Eine halbe Stunde lang halten wir einen Schnitt von 38 Stundenkilometern. Etwa zwanzig Kilometer vor Meran geben wir der Radroute dann noch eine zweite Chance, und liegen diesmal goldrichtig. Ein durchgehend asphaltierter Weg folgt wieder dem Fluss, eine richtige Radautobahn, und durch ausgedehnte Apfelplantagen können wir unser Tempo weiter hochhalten.
Es ist 17.30 Uhr, als wir Meran erreichen, und so langsam macht sich wieder die Erschöpfung bemerkbar – nicht nur von heute, sondern auch von den über 1200 Kilometern, die wir seit Avignon schon hinter uns gebracht haben. Doch wir bleiben tapfer, und suchen nach sehr kurzer Pause gleich die Straße aus Meran heraus nach Bozen. Das erweist sich als ziemlich schwierig, da die Italiener immer nur die Autobahn ausschildern, was für uns natürlich keine Alternative ist. So landen wir schließlich auf der rechten Seite des Etschtals, das in Meran einen Bogen nach Süden macht. Über hügeliges Terrain fahren wir weiter Richtung Süden, und wieder einmal leistet Johannes einen Löwenanteil der Arbeit. In Lana beschließen wir dann, wieder auf die andere Seite des Tals zu wechseln, da es auf unserer Seite wesentlich bergiger aussieht, und wir auch inzwischen im Schatten radeln.
Kurz darauf ruft Johannes eine weitere kurze Pause aus, da er immer stärkere Schmerzen in der Ferse bekommt. Klarer Fall von Überlastung, und es muss wirklich höllisch schmerzen, doch an Aufgeben ist jetzt nicht zu denken (sagt er), und wir setzen die Fahrt fort. Auf der linken Seite des Tals kommen wir tatsächlich wieder in die Abendsonne, und nach weiteren 20 Kilometen durch die Ausläufer der Hügel, die das Tal flankieren, finden wir für die letzten zwölf Kilometer wieder die Radroute, die – wie schon vor Meran – wieder eine Flussautobahn ist. Ich lasse es mir nicht nehmen – zumal mein Kompagnon ja gehandicapt ist – diese letzten Kilometer die Führung zu machen, so dass wir um 19.30 Uhr endlich am Campingplatz in Bozen eintreffen. Trotz fortgeschrittener Stunde ist es hier endlich wieder sommerlich warm. Kaum zu glauben, dass wir heute auch schon im Schnee gestanden sind. Das Wetter hält anscheinend doch, was der Bericht versprochen hat, allerdings befinden wir uns auch nur noch auf einer Höhe von 270 Metern. Den morgigen Ruhetag haben wir uns wirklich mehr als verdient, denken wir, als wir bei den letzten Abendsonnenstrahlen im Pool des Campingplatzes noch eine Runde schwimmen gehen.
Ich bin diese Etappe gefahren
am
Von majortom –
Am Ruhetag ist natürlich erst einmal Ausschlafen angesagt, nach fast zwei Wochen auf Tour ist jedoch sogar der überzeugte Langschläfer Tom zum Frühaufsteher geworden, und ich krieche gegen neun Uhr aus dem Zelt. Johannes treffe ich am Pool wieder, wo er wohl schon längere Zeit in der Morgensonne liegt. Es verspricht ein echter Sommertag zu werden, und es braucht nicht lange, bis wir in Urlaubsstimmung sind. Da die Servicecrew noch schläft, bereiten wir heute das Frühstück vor. Erst nach und nach wird mir bewusst, wie dringend nötig ich diesen Ruhetag hatte. Es ist weniger der Tag Pause vom Radfahren, der uns gut tut, sondern vor allem ein Tag Pause von der Routine, vom Leben auf der Durchreise. Endlich einmal zwei Nächte am selben Ort, kein Zelt abbauen, keine Taschen packen, kein Mittagessen auf dem Parkplatz.
Ganz aufs Radfahren wollen wir jedoch auch nicht verzichten, damit wir im Training bleiben, und so brechen wir gegen Mittag zu einer kleinen Tour nach Kohlern auf, einem Dorf, das in den Bergen oberhalb von Bozen liegt, wo sich ein Aussichtsturm befinden soll. Es wird wesentlich härter als gedacht, auch ohne Gepäck. Wir wussten zwar, dass uns ein elf Kilometer langer Anstieg erwartet, doch dass es richtig steil werden würde, und dass die enorme schwüle Hitze uns den Schweiß literweise aus den Poren treiben würde, hätten wir nicht gedacht. Johannes geht den Anstieg auch alles andere als gemütlich an und drückt schon in den ersten Kehren so kräftig aufs Tempo, dass ich nur mit Mühe und Not den Anschluss halten kann. Doch die Vernunft und der schmerzende Fuß melden sich schnell, und nach zwei Kehren lassen wir den Unfug und gehen in gemächlicheres Tempo über.
Dass sich Strapazen auch am Ruhetag lohnen können, zeigt sich dann, als wir oben auf dem Aussichtsturm stehen. Man sieht über fast ganz Südtirol von hier oben – das Etschtal in beide Richtungen und das Eisacktal nach Osten, und Bozen direkt unter uns, wo die beiden Flüsse sich treffen. Eine malerische Alpenkulisse mit deutlich südländischem Einschlag, Apfelplantagen soweit das Auge reicht, und die zerklüfteten grauen Gipfel der Dolomiten am Horizont – sehr sehenswert, finden wir, und bedauern, dass unsere Kamera gerade im Wohnwagen darauf wartet, dass der Akku auflädt.
Da unser Ausflug länger gedauert hat als vorausgesehen, kommen wir zu spät zum Mittagessen, doch da wir heute Urlaub haben, macht das nichts. Den Nachmittag verbringen wir in Bozen, einer sehr schönen Stadt, mit einer interessanten Mischung aus Österreich und Italien – eine österreichische Stadt mit italienischem Flair, und das ganze mit mildem mediterranem Klima gesegnet. Wir nutzen die Besorgungen, die wir noch machen müssen, zu einem ausgedehnten Stadtbummel. Dann, zurück auf dem Campingplatz, am frühen Abend, machen wir uns an die Wartung der Räder, überprüfen die Bremsen und flicken endlich den Schlauch, den wir schon in Frankreich gewechselt hatten. Inzwischen hat ein immer stärker werdender, böiger Ostwind eingesetzt, und wir sind froh, dass wir heute nicht auf der Straße sein müssen. Nach dem Abendessen entdecken wir im Wohnwagen die Spielesammlung und verbringen den restlichen Abend mit lustigem Gänsespiel und Mensch-ärgere-dich-nicht, wobei Johannes den Titel „Gänsekönig“ erringt. Alles in allem ist es ein auch wirklich ruhiger Ruhetag gewesen, und nicht nur unsere Kamera, sondern auch wir selbst hatten Gelegenheit, unsere Akkus wieder aufzuladen. So gehen wir schließlich ins Bett und sind bester Dinge für die morgige Königsetappe unserer Tour durch die Dolomiten.
Ganz aufs Radfahren wollen wir jedoch auch nicht verzichten, damit wir im Training bleiben, und so brechen wir gegen Mittag zu einer kleinen Tour nach Kohlern auf, einem Dorf, das in den Bergen oberhalb von Bozen liegt, wo sich ein Aussichtsturm befinden soll. Es wird wesentlich härter als gedacht, auch ohne Gepäck. Wir wussten zwar, dass uns ein elf Kilometer langer Anstieg erwartet, doch dass es richtig steil werden würde, und dass die enorme schwüle Hitze uns den Schweiß literweise aus den Poren treiben würde, hätten wir nicht gedacht. Johannes geht den Anstieg auch alles andere als gemütlich an und drückt schon in den ersten Kehren so kräftig aufs Tempo, dass ich nur mit Mühe und Not den Anschluss halten kann. Doch die Vernunft und der schmerzende Fuß melden sich schnell, und nach zwei Kehren lassen wir den Unfug und gehen in gemächlicheres Tempo über.
Dass sich Strapazen auch am Ruhetag lohnen können, zeigt sich dann, als wir oben auf dem Aussichtsturm stehen. Man sieht über fast ganz Südtirol von hier oben – das Etschtal in beide Richtungen und das Eisacktal nach Osten, und Bozen direkt unter uns, wo die beiden Flüsse sich treffen. Eine malerische Alpenkulisse mit deutlich südländischem Einschlag, Apfelplantagen soweit das Auge reicht, und die zerklüfteten grauen Gipfel der Dolomiten am Horizont – sehr sehenswert, finden wir, und bedauern, dass unsere Kamera gerade im Wohnwagen darauf wartet, dass der Akku auflädt.
Da unser Ausflug länger gedauert hat als vorausgesehen, kommen wir zu spät zum Mittagessen, doch da wir heute Urlaub haben, macht das nichts. Den Nachmittag verbringen wir in Bozen, einer sehr schönen Stadt, mit einer interessanten Mischung aus Österreich und Italien – eine österreichische Stadt mit italienischem Flair, und das ganze mit mildem mediterranem Klima gesegnet. Wir nutzen die Besorgungen, die wir noch machen müssen, zu einem ausgedehnten Stadtbummel. Dann, zurück auf dem Campingplatz, am frühen Abend, machen wir uns an die Wartung der Räder, überprüfen die Bremsen und flicken endlich den Schlauch, den wir schon in Frankreich gewechselt hatten. Inzwischen hat ein immer stärker werdender, böiger Ostwind eingesetzt, und wir sind froh, dass wir heute nicht auf der Straße sein müssen. Nach dem Abendessen entdecken wir im Wohnwagen die Spielesammlung und verbringen den restlichen Abend mit lustigem Gänsespiel und Mensch-ärgere-dich-nicht, wobei Johannes den Titel „Gänsekönig“ erringt. Alles in allem ist es ein auch wirklich ruhiger Ruhetag gewesen, und nicht nur unsere Kamera, sondern auch wir selbst hatten Gelegenheit, unsere Akkus wieder aufzuladen. So gehen wir schließlich ins Bett und sind bester Dinge für die morgige Königsetappe unserer Tour durch die Dolomiten.
Von majortom –
Die Königsetappe unserer Tour über drei Pässe quer durch die italienischen Dolomiten steht heute auf dem Programm, und uns ein langer Tag bevor, weswegen wir froh darüber sind, dass wir am gestrigen Ruhetag noch einmal kräftig Energie tanken konnten. Das Pässefahren ist inzwischen ja schon ein bisschen zur Routine geworden, aber an diesem Morgen sind wir trotzdem wieder aufgeregt. Die äußeren Bedingungen sind großartig: keine Wolke am Himmel, fast windstill, heiß. Wir brechen nach dem Frühstück gegen neun Uhr auf und durchqueren Bozen – eine sehr fahrradfreundliche Stadt – auf dem Radweg entlang der Eisack, den wir schon von gestern kennen. Nach wenigen Kilometern erreichen wir Cardano, wo eigentlich die Straße zum Karerpass (oder Passo Costalunga) abgehen soll, die wir jedoch nicht auf Anhieb finden, da es kein einziges Hinweisschild gibt. Schließlich hilft uns die Auskunft eines Einheimischen weiter: die neue Passstraße geht direkt von der Autobahn ab und dann durch einen Tunnel; wir können jedoch die alte, für Autos gesperrte, aber mit dem Rad passierbare Straße nehmen.
Wir ignorieren also sämtliche Verkehrsschilder, fahren auf einer schmalen Straße durch eine schattige Schlucht und werden auch gleich mit einer kurzen 13-Prozent-Steigung konfrontiert. Danach treffen wir wieder auf die Hauptstraße, die aus dem Tunnel kommt und sich weiter durch die Schlucht schlängelt. Rechts und links von uns sind senkrechte Felswände, gerade einmal eine Straßenbreite auseinander - wahrscheinlich ist das der Grund, dass dieser Pass für unseren Begleitwohnwagen nicht erlaubt ist. Gleich darauf, nachdem wir einen Naturtunnel passiert haben, öffnet sich jedoch das Tal, es wird sonniger und flacher, und ich kann das Tempo etwas erhöhen. Johannes, dem sein Fuß immer noch sehr zu schaffen macht, gibt mir die Anweisung, erst an der Passhöhe auf ihn zu warten. Er scheint wirklich zu leiden, und ich leide mit ihm, aber ich ziehe weiter meinen eigenen Tritt durch, denn es macht keinen Sinn, schon am Beginn dieser schweren Etappe durch unregelmäßiges Tempo Kraft zu verschwenden.
Bis zur Abzweigung nach San Valentino bleibt es, unterbrochen von ein paar steileren Rampen, relativ flach, dann wird der Anstieg steiler, aber regelmäßiger bis Welschnofen, wo im Ort zum ersten Mal wieder ein über zehn Prozent steiler Abschnitt kommt. Ich nehme etwas Tempo heraus, finde aber gleich wieder einen ruhigen Tritt, so dass ich auch diesen Abschnitt bis zum Karersee (einem schönen grünen, klaren Bergsee) ohne Probleme bewältige, und die Aussicht auf die haifischzahnartigen Berggipfel, die mich umgeben, bestaunen kann. Der Pass ist zwar lang, aber ich fühle mich gut, und so ist die große Hitze eigentlich alles, wogegen ich zu kämpfen habe. Da die Straße jedoch weitgehend durch den Wald führt, ist es schattig, erst auf dem letzten Kilometer fahre ich dann in der Sonne. Der Pass ist nur 1750 Meter hoch und noch deutlich vom mediterranen Klima geprägt, und so hält die Urlaubsstimmung von gestern noch an, als ich mich auf die Wiese setze und auf Johannes warte. Was meinen Kompagnon betrifft, rechne ich schon mit dem Schlimmsten, nachdem sein schmerzender Fuß ihm im unteren Teil des Passes schon jeden Tritt zur Qual gemacht hat, doch wieder einmal habe ich seinen Kampfgeist unterschätzt und werde eines besseren belehrt. Ich muss zwar noch etwas warten, aber statt mit schmerzverzerrtem Gesicht kommt Johannes mit einem breiten Grinsen oben an. Ich hatte insgeheim schon befürchtet, wir würden unser großes Vorhaben heute abbrechen und aufgeben müssen, doch nachdem Pass Nummer eins jetzt so gut lief, beschließen wir, auch die zwei noch verbleibenden in Angriff zu nehmen.
Am Karerpass verlassen wir Südtirol. Die Abfahrt nach Vigo di Fassa ist kurz und wenig spektakulär, ebenso wie ein leicht ansteigendes, etwa zwanzig Kilometer langes Überführungsstück nach Canazei, wo wir Gabi und Jenny wiedertreffen, die den Karerpass umfahren haben. Auf einem Parkplatz am Ortsausgang von Canazei machen wir Mittagspause, und müssen leider tatenlos dabei zusehen, wie am Himmel mehr und mehr Wolken aufziehen. Der Mittag geht auch immer mehr in den Nachmittag über, und es liegen noch zwei Pässe vor uns, also starten wir gegen 15 Uhr in die zweite Runde, hinauf zum Passo Fedaia.
Die ersten drei Kilometer hinter Canazei geht es nur leicht bergauf, danach wird es etwas steiler, und als nach sieben Kilometern durchs Tal die Serpentinen beginnen, beträgt die Steigung an die neun Prozent. Landschaftlich gesehen ist dieser Pass allerdings wenig spektakulär, wir fahren im Wald, viele Tunnels und Galerien, je weiter wir nach oben kommen, desto felsiger wird es. Da das steile Stück laut Höhenprofil nur etwa drei Kilometer lang ist, und insgesamt nur etwa 600 Höhenmeter zu überwinden sind, entscheide ich mich dafür, ein ordentliches Tempo vorzulegen. Es läuft nach wie vor gut, und so dauert es nicht lang, bis der Lago Fedaia vor mir auftaucht. Die Passhöhe liegt an diesem Stausee, außerdem befindet sich darüber der Marmoladagletscher, so dass ich in den wenigen Minuten, die ich warten muss, das Panorama genießen kann. Es ist inzwischen richtig kalt geworden, außerdem ist hier oben alles voll mit Wanderern und Touristen, so dass Johannes und ich gleich nach dem Passfoto die zwei Kilometer lange Galerie am See entlang durchfahren.
Bis hierhin war der Fedaia eigentlich nur ein Pass, um die Statistik aufzubessern. Nachdem wir dann noch einmal kurz Motivation und Konzentration gesammelt haben, und uns an die Abfahrt nach Caprile machen, wird uns jedoch schnell klar, dass es sich trotzdem gelohnt hat, dass wir den Fedaia mit ins Programm genommen haben. Mit langen Geraden und Gefälle bis zu 16 Prozent scheint diese Abfahrt für waghalsige Geschwindigkeitsfanatiker wie gemacht – und wir haben immerhin den Alpensegler im Team. Letztendlich verhindern nur die Autos, die wir nicht überholen können, dass wir den Geschwindigkeitsrekord vom Nufenen einstellen oder sogar deutlich überbieten. So dauert es überhaupt nicht lange, bis wir Caprile erreichen.
Ein schwerer und ein mittelschwerer Pass stecken uns nun schon in den Beinen, und eigentlich würde es uns für heute auch schon reichen. Doch der schwerste Pass des Tages wartet immer noch auf uns, der Passo Giau, mit einer durchschnittlichen Steigung von 9,1 Prozent und über zehn Kilometern Länge. Da Gabi und Jenny wahrscheinlich schon auf der anderen Seite des Berges in Cortina dAmpezzo auf uns warten, bleibt uns also nichts anderes übrig, als uns noch einmal etwa 900 Höhenmeter nach oben zu quälen. Auch das Überführungsstück am Fluss entlang bis Selva di Cadore geht schon leicht bergauf und raubt uns weitere wertvolle Kräfte, und zwei lange unbeleuchtete Tunnel tragen auch nicht gerade dazu bei, unsere Laune zu verbessern. Kurz vor Selva di Cadore geht der Anstieg dann auch richtig los, als wir das Tal verlassen und uns nach Norden wenden.
Unterbrochen von einem kurzen Flachstück kurz nach Selva di Cadore ist und bleibt es so steil, wie die Zahlen versprechen. Jetzt dürfen wir nicht überziehen, und uns auch nicht davon beunruhigen lassen, dass es schon so spät ist. Ich wähle gleich von Beginn an eine kleine Übersetzung und gehe es langsam an, da ich genau weiß, dass eigentlich nur noch Durchhaltevermögen gefragt ist. Jetzt heißt es einfach nur Zähne zusammen beißen und treten. Es ist eine schöne ruhige Passstraße, durch immer einsamer werdende Gebirgslandschaften, wenig Verkehr und sehr idyllisch. Die Steigung ist wirklich mörderisch, aber schön regelmäßig, und ich versuche nicht daran zu denken, wie viele Kilo- und Höhenmeter noch fehlen. Als mir dann aber ungefähr nach der Hälfte des Anstiegs klar wird, dass mich auch der Giau nicht klein kriegen wird, stellt sich ein immer größeres Glücksgefühl ein, das mich mit herauf trägt. Nachdem wir den Bach, dem wir gefolgt sind, mehrmals überquert haben, verlassen wir schließlich das Tal, und sind nun von kargen Wiesenlandschaften und weißen Felsen umgeben. Die Kehren sind wie am Stilfser Joch durchnummeriert, und während der Pass sich immer länger zieht und die Zahlen immer größer werden, frage ich mich langsam, ob wir die 48 vielleicht sogar übertreffen. Doch schließlich ist bei 30 Schluss, und wir haben auch den dritten und letzten Gipfel gestürmt.
Johannes ist ebenso überwältigt von der Schönheit der Dolomiten und unserer Leistung wie ich, als er oben ankommt. Gerade als wir uns am Passschild zum Fototermin versammeln wollen, kommt auch noch die Abendsonne zwischen den Wolken hervor – fast schon ein magischer Moment. Obwohl die Dämmerung schon hereinzubrechen droht – es ist 19.30 Uhr – können wir nicht anders, als einige Minuten diesen einzigartigen Augenblick zu genießen. Wir ahnen beide, dass wir gerade einen absoluten Höhepunkt unserer Reise erleben.
Auf der Abfahrt nach Cortina können wir die Zeit, die wir mit Staunen vertrödelt haben, dann wieder hereinholen. Weite Kehren, keine Autos, und eine neu geteerte Straße – es ist eine Abfahrt, die richtig Spaß macht, von zwei kurzen Gegensteigungen vielleicht einmal abgesehen. Die untergehende Sonne taucht die hellgrauen Dolomitengipfel in ein flammendes Rot – ein unglaubliches Naturschauspiel einerseits, andererseits erinnert es uns natürlich auch daran, dass wir nicht mehr lange Tageslicht haben werden. Als wir Cortina dAmpezzo schließlich erreichen, ist es fast schon dunkel, und es wird noch einmal zu einer großen Herausforderung, den Campingplatz zu finden. Ausgeschildert ist keiner, Auskunft auf italienisch hilft uns auch nur begrenzt weiter, ebenso wie Gabis Hinweis per Mobiltelefon, der Campingplatz liege „unterhalb vom Berg” – mitten in den Alpen alles andere als eine eindeutige Beschreibung.
Als wir endlich am Campingplatz eintreffen, sind wir wirklich mit unseren Kräften am Ende. Es ist inzwischen 20.30 Uhr und stockdunkel. Beim Abendessen, das dank hervorragender Betreuung wieder einmal schon auf uns wartet, erfahren wir dann, dass Gabi und Jenny auf ihrer für Wohnwagen erlaubten Route über die Pässe Pordoi und Falzarego fast den ganzen Tag im Stau gestanden sind, während wir, vom Gipfel des Fedaia vielleicht einmal abgesehen, heute kaum Touristen gesehen haben. Die Gänsespielrevanche entscheidet Johannes im Anschluss ans Abendessen dann wieder für sich und krönt sich damit endgültig zum Gänsekönig. Danach geht bei uns Radfahrern allerdings nicht mehr viel. Drei Pässe an einem Tag – jetzt hören wir das Nachtlager rufen. Gabi erklärt sich freundlicherweise bereit, noch auf die Waschmaschine zu warten und unsere Wäsche aufzuhängen, wir schaffen es nämlich nicht mehr, noch so lange wach zu bleiben.
Wir ignorieren also sämtliche Verkehrsschilder, fahren auf einer schmalen Straße durch eine schattige Schlucht und werden auch gleich mit einer kurzen 13-Prozent-Steigung konfrontiert. Danach treffen wir wieder auf die Hauptstraße, die aus dem Tunnel kommt und sich weiter durch die Schlucht schlängelt. Rechts und links von uns sind senkrechte Felswände, gerade einmal eine Straßenbreite auseinander - wahrscheinlich ist das der Grund, dass dieser Pass für unseren Begleitwohnwagen nicht erlaubt ist. Gleich darauf, nachdem wir einen Naturtunnel passiert haben, öffnet sich jedoch das Tal, es wird sonniger und flacher, und ich kann das Tempo etwas erhöhen. Johannes, dem sein Fuß immer noch sehr zu schaffen macht, gibt mir die Anweisung, erst an der Passhöhe auf ihn zu warten. Er scheint wirklich zu leiden, und ich leide mit ihm, aber ich ziehe weiter meinen eigenen Tritt durch, denn es macht keinen Sinn, schon am Beginn dieser schweren Etappe durch unregelmäßiges Tempo Kraft zu verschwenden.
Bis zur Abzweigung nach San Valentino bleibt es, unterbrochen von ein paar steileren Rampen, relativ flach, dann wird der Anstieg steiler, aber regelmäßiger bis Welschnofen, wo im Ort zum ersten Mal wieder ein über zehn Prozent steiler Abschnitt kommt. Ich nehme etwas Tempo heraus, finde aber gleich wieder einen ruhigen Tritt, so dass ich auch diesen Abschnitt bis zum Karersee (einem schönen grünen, klaren Bergsee) ohne Probleme bewältige, und die Aussicht auf die haifischzahnartigen Berggipfel, die mich umgeben, bestaunen kann. Der Pass ist zwar lang, aber ich fühle mich gut, und so ist die große Hitze eigentlich alles, wogegen ich zu kämpfen habe. Da die Straße jedoch weitgehend durch den Wald führt, ist es schattig, erst auf dem letzten Kilometer fahre ich dann in der Sonne. Der Pass ist nur 1750 Meter hoch und noch deutlich vom mediterranen Klima geprägt, und so hält die Urlaubsstimmung von gestern noch an, als ich mich auf die Wiese setze und auf Johannes warte. Was meinen Kompagnon betrifft, rechne ich schon mit dem Schlimmsten, nachdem sein schmerzender Fuß ihm im unteren Teil des Passes schon jeden Tritt zur Qual gemacht hat, doch wieder einmal habe ich seinen Kampfgeist unterschätzt und werde eines besseren belehrt. Ich muss zwar noch etwas warten, aber statt mit schmerzverzerrtem Gesicht kommt Johannes mit einem breiten Grinsen oben an. Ich hatte insgeheim schon befürchtet, wir würden unser großes Vorhaben heute abbrechen und aufgeben müssen, doch nachdem Pass Nummer eins jetzt so gut lief, beschließen wir, auch die zwei noch verbleibenden in Angriff zu nehmen.
Am Karerpass verlassen wir Südtirol. Die Abfahrt nach Vigo di Fassa ist kurz und wenig spektakulär, ebenso wie ein leicht ansteigendes, etwa zwanzig Kilometer langes Überführungsstück nach Canazei, wo wir Gabi und Jenny wiedertreffen, die den Karerpass umfahren haben. Auf einem Parkplatz am Ortsausgang von Canazei machen wir Mittagspause, und müssen leider tatenlos dabei zusehen, wie am Himmel mehr und mehr Wolken aufziehen. Der Mittag geht auch immer mehr in den Nachmittag über, und es liegen noch zwei Pässe vor uns, also starten wir gegen 15 Uhr in die zweite Runde, hinauf zum Passo Fedaia.
Die ersten drei Kilometer hinter Canazei geht es nur leicht bergauf, danach wird es etwas steiler, und als nach sieben Kilometern durchs Tal die Serpentinen beginnen, beträgt die Steigung an die neun Prozent. Landschaftlich gesehen ist dieser Pass allerdings wenig spektakulär, wir fahren im Wald, viele Tunnels und Galerien, je weiter wir nach oben kommen, desto felsiger wird es. Da das steile Stück laut Höhenprofil nur etwa drei Kilometer lang ist, und insgesamt nur etwa 600 Höhenmeter zu überwinden sind, entscheide ich mich dafür, ein ordentliches Tempo vorzulegen. Es läuft nach wie vor gut, und so dauert es nicht lang, bis der Lago Fedaia vor mir auftaucht. Die Passhöhe liegt an diesem Stausee, außerdem befindet sich darüber der Marmoladagletscher, so dass ich in den wenigen Minuten, die ich warten muss, das Panorama genießen kann. Es ist inzwischen richtig kalt geworden, außerdem ist hier oben alles voll mit Wanderern und Touristen, so dass Johannes und ich gleich nach dem Passfoto die zwei Kilometer lange Galerie am See entlang durchfahren.
Bis hierhin war der Fedaia eigentlich nur ein Pass, um die Statistik aufzubessern. Nachdem wir dann noch einmal kurz Motivation und Konzentration gesammelt haben, und uns an die Abfahrt nach Caprile machen, wird uns jedoch schnell klar, dass es sich trotzdem gelohnt hat, dass wir den Fedaia mit ins Programm genommen haben. Mit langen Geraden und Gefälle bis zu 16 Prozent scheint diese Abfahrt für waghalsige Geschwindigkeitsfanatiker wie gemacht – und wir haben immerhin den Alpensegler im Team. Letztendlich verhindern nur die Autos, die wir nicht überholen können, dass wir den Geschwindigkeitsrekord vom Nufenen einstellen oder sogar deutlich überbieten. So dauert es überhaupt nicht lange, bis wir Caprile erreichen.
Ein schwerer und ein mittelschwerer Pass stecken uns nun schon in den Beinen, und eigentlich würde es uns für heute auch schon reichen. Doch der schwerste Pass des Tages wartet immer noch auf uns, der Passo Giau, mit einer durchschnittlichen Steigung von 9,1 Prozent und über zehn Kilometern Länge. Da Gabi und Jenny wahrscheinlich schon auf der anderen Seite des Berges in Cortina dAmpezzo auf uns warten, bleibt uns also nichts anderes übrig, als uns noch einmal etwa 900 Höhenmeter nach oben zu quälen. Auch das Überführungsstück am Fluss entlang bis Selva di Cadore geht schon leicht bergauf und raubt uns weitere wertvolle Kräfte, und zwei lange unbeleuchtete Tunnel tragen auch nicht gerade dazu bei, unsere Laune zu verbessern. Kurz vor Selva di Cadore geht der Anstieg dann auch richtig los, als wir das Tal verlassen und uns nach Norden wenden.
Unterbrochen von einem kurzen Flachstück kurz nach Selva di Cadore ist und bleibt es so steil, wie die Zahlen versprechen. Jetzt dürfen wir nicht überziehen, und uns auch nicht davon beunruhigen lassen, dass es schon so spät ist. Ich wähle gleich von Beginn an eine kleine Übersetzung und gehe es langsam an, da ich genau weiß, dass eigentlich nur noch Durchhaltevermögen gefragt ist. Jetzt heißt es einfach nur Zähne zusammen beißen und treten. Es ist eine schöne ruhige Passstraße, durch immer einsamer werdende Gebirgslandschaften, wenig Verkehr und sehr idyllisch. Die Steigung ist wirklich mörderisch, aber schön regelmäßig, und ich versuche nicht daran zu denken, wie viele Kilo- und Höhenmeter noch fehlen. Als mir dann aber ungefähr nach der Hälfte des Anstiegs klar wird, dass mich auch der Giau nicht klein kriegen wird, stellt sich ein immer größeres Glücksgefühl ein, das mich mit herauf trägt. Nachdem wir den Bach, dem wir gefolgt sind, mehrmals überquert haben, verlassen wir schließlich das Tal, und sind nun von kargen Wiesenlandschaften und weißen Felsen umgeben. Die Kehren sind wie am Stilfser Joch durchnummeriert, und während der Pass sich immer länger zieht und die Zahlen immer größer werden, frage ich mich langsam, ob wir die 48 vielleicht sogar übertreffen. Doch schließlich ist bei 30 Schluss, und wir haben auch den dritten und letzten Gipfel gestürmt.
Johannes ist ebenso überwältigt von der Schönheit der Dolomiten und unserer Leistung wie ich, als er oben ankommt. Gerade als wir uns am Passschild zum Fototermin versammeln wollen, kommt auch noch die Abendsonne zwischen den Wolken hervor – fast schon ein magischer Moment. Obwohl die Dämmerung schon hereinzubrechen droht – es ist 19.30 Uhr – können wir nicht anders, als einige Minuten diesen einzigartigen Augenblick zu genießen. Wir ahnen beide, dass wir gerade einen absoluten Höhepunkt unserer Reise erleben.
Auf der Abfahrt nach Cortina können wir die Zeit, die wir mit Staunen vertrödelt haben, dann wieder hereinholen. Weite Kehren, keine Autos, und eine neu geteerte Straße – es ist eine Abfahrt, die richtig Spaß macht, von zwei kurzen Gegensteigungen vielleicht einmal abgesehen. Die untergehende Sonne taucht die hellgrauen Dolomitengipfel in ein flammendes Rot – ein unglaubliches Naturschauspiel einerseits, andererseits erinnert es uns natürlich auch daran, dass wir nicht mehr lange Tageslicht haben werden. Als wir Cortina dAmpezzo schließlich erreichen, ist es fast schon dunkel, und es wird noch einmal zu einer großen Herausforderung, den Campingplatz zu finden. Ausgeschildert ist keiner, Auskunft auf italienisch hilft uns auch nur begrenzt weiter, ebenso wie Gabis Hinweis per Mobiltelefon, der Campingplatz liege „unterhalb vom Berg” – mitten in den Alpen alles andere als eine eindeutige Beschreibung.
Als wir endlich am Campingplatz eintreffen, sind wir wirklich mit unseren Kräften am Ende. Es ist inzwischen 20.30 Uhr und stockdunkel. Beim Abendessen, das dank hervorragender Betreuung wieder einmal schon auf uns wartet, erfahren wir dann, dass Gabi und Jenny auf ihrer für Wohnwagen erlaubten Route über die Pässe Pordoi und Falzarego fast den ganzen Tag im Stau gestanden sind, während wir, vom Gipfel des Fedaia vielleicht einmal abgesehen, heute kaum Touristen gesehen haben. Die Gänsespielrevanche entscheidet Johannes im Anschluss ans Abendessen dann wieder für sich und krönt sich damit endgültig zum Gänsekönig. Danach geht bei uns Radfahrern allerdings nicht mehr viel. Drei Pässe an einem Tag – jetzt hören wir das Nachtlager rufen. Gabi erklärt sich freundlicherweise bereit, noch auf die Waschmaschine zu warten und unsere Wäsche aufzuhängen, wir schaffen es nämlich nicht mehr, noch so lange wach zu bleiben.
Ich bin diese Etappe gefahren
am
Von majortom –
Zum einen liegt es wohl am anstrengenden Vortag, dass sich das Frühstück heute ziemlich lange hin zieht, zum anderen aber auch daran, dass wir unserer Wäsche noch etwas Gelegenheit geben wollen, in der Sonne zu trocknen. So gegen 10 Uhr sind war dann gerüstet zur Abfahrt, guter Laune und bereit für einen weiteren Tag im Sattel. Das erste Hindernis, mit dem wir uns auseinander zu setzen haben, lässt jedoch nicht lange auf sich warten, nämlich die Ortsdurchfahrt von Cortina. Hunderte von Touristen stehen hier mit ihren Autos im Stau und drängen, vermutlich die Wanderstiefel schon geschnürt, an diesem sonnigen Tag in die Berge. Uns bleibt nichts anderes übrig, als im Strom mitzuschwimmen, in Richtung Passo Tre Croci.
Der Anstieg zu diesem Pass beginnt noch im Ort. Nach wie vor herrscht viel Trubel auf der Straße, ansonsten stellt der Tre Croci jedoch keine besondere Herausforderung dar. Eine kurze, steile Rampe auf dem zweiten von knapp acht Kilometern, dann ein ruhiger, gemächlicher Anstieg durch eine Waldlandschaft, die eher Mittelgebirgs- als Hochgebirgscharakter hat. Am Anfang sind die Beine zwar noch ziemlich fest von gestern, vor allem da wir keine Gelegenheit zum Einrollen hatten, doch die Verspannungen lösen sich schon bald, und wir erreichen den Gipfel, ohne dass wir uns wirklich verausgaben mussten. Oben auf der Passhöhe ist wieder mal die Hölle los; der Ort ist fest in der Hand der österreichischen und bayerischen Familien- und Wanderurlauber. Wir machen schnell unser Passfoto, und uns dann gleich wieder auf den Weg.
Bergab geht es jedoch nur kurz. Schon nach einem oder zwei Kilometern folgt noch ein zweiter Anstieg, wieder ein paar Kilometer bergauf bis zum Lago Misurina. Wir halten kurz an und stellen anhand der Tretboote fest, dass wir uns immer noch im Naherholungsgebiet befinden. Dann geht die richtige Abfahrt los, die uns bis nach Toblach führt, wo wir wieder auf die Hauptstraße treffen. Inzwischen haben wir wieder Südtirol erreicht und sind auch von Österreich nicht mehr weit entfernt. Wir wundern uns noch über die etwas seltsame Führung des Radwegs durch den Ort, lassen uns davon aber auch nicht aufhalten. Erst nach Toblach erweist sich der Radweg dann als völlig unbrauchbar, da er voll mit Hindernissen in Form von zehn-Stundenkilometer-Urlaubsradlern ist. Also entschließen wir uns, auf die Hauptstraße zu wechseln, die dank Drautal auch in der Ebene verläuft und zum Glück auch nicht besonders befahren ist. Im Verlauf der Etappe werden die Beine immer besser, wie wir erfreut feststellen; je länger wir fahren, desto besser rollt es.
Kurz nachdem wir die Grenze nach Österreich überschritten haben, treffen wir in Sillian den Begleitwohnwagen wieder und machen Mittagspause auf einem „grünen Parkplatz”, einer Wiese direkt an der Drau. Die Tradition der letzten Tage, dass das Wetter während des Essens schlechter wird, setzt sich leider auch heute fort. An den Hängen rechts und links von uns türmen sich immer mehr Wolken auf, und hinter uns, in Richtung Italien, sieht es sehr nach Regen aus. Als wir dann nach etwa einer Stunde wieder unterwegs sind, dauert es nur zwei oder drei Kilometer, bis die Straße nass ist – offenbar hat es auch hier geregnet, doch wir hatten anscheinend Glück und sind trocken geblieben. Trotz leichten Gegenwinds schlagen wir nun ein ziemlich hohes Tempo an, wechseln uns regelmäßig in der Führung ab und stellen somit wieder einmal unsere Teamfähigkeit unter Beweis. So erreichen wir Lienz gegen 16 Uhr und liegen endlich mal wieder gut im imaginären Zeitplan.
In unserer Karte ist als Verbindung zwischen Drau- und Mölltal, zwischen Lienz und Winklern, der Iselsbergpass eingezeichnet; mit knapp 1200 Metern Höhe haben wir den allerdings immer eher für einen Witz gehalten. Damit haben wir uns jedoch getäuscht, denn die ersten drei Kilometer von Lienz bis Iselsberg sind ziemlich steil, fast zehn Prozent im Schnitt, und wir müssen jetzt feststellen, dass wir uns von gestern wohl doch noch nicht zu hundert Prozent erholt haben. Die Wolken, die uns aus Westen seit Sillian verfolgen, holen uns zu allem Überfluss jetzt auch noch ein, und als wir in einen Regenschauer geraten, entscheide ich mich wieder für die beliebte und bewährte Flucht-nach-vorn-Strategie: Tempo bis zur Passhöhe. Dort gibt es tatsächlich auch ein Passschild, so dass wir den Iselsberg gerne in unsere Statistik als Pass Nummer 16 aufnehmen. Wir helfen noch einem italienischen Radkollegen mit unserer Karte aus, der – wie sich herausstellt – morgen ebenfalls das Hochtor zum Ziel hat, dann nehmen wir das letzte Stück des Tages in Angriff.
In Kärnten, auf der anderen Seite des Iselsbergpasses, ist das Wetter wesentlich besser, als in Osttirol, und so macht auch die kurze Abfahrt nach Winklern wieder Spaß. Eigentlich wollten wir die Etappe in Winklern beenden, doch unsere Servicecrew hat uns inzwischen telefonisch informiert, dass sie erst in Mörtschach einen Campingplatz gefunden haben, also hängen wir noch ein paar Kilometer dran – immerhin sind das Kilometer, die wir uns dann morgen sparen können. Gegen 17.30 Uhr kommen wir in Mörtschach an, auf einem sehr einfachen aber gemütlichen Campingplatz, der zu einem Bauernhof gehört. Zum Abendessen, das gleichzeitig Abschiedsessen von der Servicecrew ist (die uns wirklich unbezahlbare Dienste geleistet hat), lädt uns Gabi dann in den Kirchenwirt nach Mörtschach ein, wo zwar fast ausschließlich Schnitzel (in allen Varianten) auf der Speisekarte steht, wir aber dennoch gut und pompös speisen. Trotz zwei Pässen war es heute eigentlich nur eine Überführungsetappe, und in Gedanken sind wir eigentlich schon wieder bei der nächsten großen Herausforderung, die morgen auf uns wartet: der Großglockner-Hochalpenstraße.
Der Anstieg zu diesem Pass beginnt noch im Ort. Nach wie vor herrscht viel Trubel auf der Straße, ansonsten stellt der Tre Croci jedoch keine besondere Herausforderung dar. Eine kurze, steile Rampe auf dem zweiten von knapp acht Kilometern, dann ein ruhiger, gemächlicher Anstieg durch eine Waldlandschaft, die eher Mittelgebirgs- als Hochgebirgscharakter hat. Am Anfang sind die Beine zwar noch ziemlich fest von gestern, vor allem da wir keine Gelegenheit zum Einrollen hatten, doch die Verspannungen lösen sich schon bald, und wir erreichen den Gipfel, ohne dass wir uns wirklich verausgaben mussten. Oben auf der Passhöhe ist wieder mal die Hölle los; der Ort ist fest in der Hand der österreichischen und bayerischen Familien- und Wanderurlauber. Wir machen schnell unser Passfoto, und uns dann gleich wieder auf den Weg.
Bergab geht es jedoch nur kurz. Schon nach einem oder zwei Kilometern folgt noch ein zweiter Anstieg, wieder ein paar Kilometer bergauf bis zum Lago Misurina. Wir halten kurz an und stellen anhand der Tretboote fest, dass wir uns immer noch im Naherholungsgebiet befinden. Dann geht die richtige Abfahrt los, die uns bis nach Toblach führt, wo wir wieder auf die Hauptstraße treffen. Inzwischen haben wir wieder Südtirol erreicht und sind auch von Österreich nicht mehr weit entfernt. Wir wundern uns noch über die etwas seltsame Führung des Radwegs durch den Ort, lassen uns davon aber auch nicht aufhalten. Erst nach Toblach erweist sich der Radweg dann als völlig unbrauchbar, da er voll mit Hindernissen in Form von zehn-Stundenkilometer-Urlaubsradlern ist. Also entschließen wir uns, auf die Hauptstraße zu wechseln, die dank Drautal auch in der Ebene verläuft und zum Glück auch nicht besonders befahren ist. Im Verlauf der Etappe werden die Beine immer besser, wie wir erfreut feststellen; je länger wir fahren, desto besser rollt es.
Kurz nachdem wir die Grenze nach Österreich überschritten haben, treffen wir in Sillian den Begleitwohnwagen wieder und machen Mittagspause auf einem „grünen Parkplatz”, einer Wiese direkt an der Drau. Die Tradition der letzten Tage, dass das Wetter während des Essens schlechter wird, setzt sich leider auch heute fort. An den Hängen rechts und links von uns türmen sich immer mehr Wolken auf, und hinter uns, in Richtung Italien, sieht es sehr nach Regen aus. Als wir dann nach etwa einer Stunde wieder unterwegs sind, dauert es nur zwei oder drei Kilometer, bis die Straße nass ist – offenbar hat es auch hier geregnet, doch wir hatten anscheinend Glück und sind trocken geblieben. Trotz leichten Gegenwinds schlagen wir nun ein ziemlich hohes Tempo an, wechseln uns regelmäßig in der Führung ab und stellen somit wieder einmal unsere Teamfähigkeit unter Beweis. So erreichen wir Lienz gegen 16 Uhr und liegen endlich mal wieder gut im imaginären Zeitplan.
In unserer Karte ist als Verbindung zwischen Drau- und Mölltal, zwischen Lienz und Winklern, der Iselsbergpass eingezeichnet; mit knapp 1200 Metern Höhe haben wir den allerdings immer eher für einen Witz gehalten. Damit haben wir uns jedoch getäuscht, denn die ersten drei Kilometer von Lienz bis Iselsberg sind ziemlich steil, fast zehn Prozent im Schnitt, und wir müssen jetzt feststellen, dass wir uns von gestern wohl doch noch nicht zu hundert Prozent erholt haben. Die Wolken, die uns aus Westen seit Sillian verfolgen, holen uns zu allem Überfluss jetzt auch noch ein, und als wir in einen Regenschauer geraten, entscheide ich mich wieder für die beliebte und bewährte Flucht-nach-vorn-Strategie: Tempo bis zur Passhöhe. Dort gibt es tatsächlich auch ein Passschild, so dass wir den Iselsberg gerne in unsere Statistik als Pass Nummer 16 aufnehmen. Wir helfen noch einem italienischen Radkollegen mit unserer Karte aus, der – wie sich herausstellt – morgen ebenfalls das Hochtor zum Ziel hat, dann nehmen wir das letzte Stück des Tages in Angriff.
In Kärnten, auf der anderen Seite des Iselsbergpasses, ist das Wetter wesentlich besser, als in Osttirol, und so macht auch die kurze Abfahrt nach Winklern wieder Spaß. Eigentlich wollten wir die Etappe in Winklern beenden, doch unsere Servicecrew hat uns inzwischen telefonisch informiert, dass sie erst in Mörtschach einen Campingplatz gefunden haben, also hängen wir noch ein paar Kilometer dran – immerhin sind das Kilometer, die wir uns dann morgen sparen können. Gegen 17.30 Uhr kommen wir in Mörtschach an, auf einem sehr einfachen aber gemütlichen Campingplatz, der zu einem Bauernhof gehört. Zum Abendessen, das gleichzeitig Abschiedsessen von der Servicecrew ist (die uns wirklich unbezahlbare Dienste geleistet hat), lädt uns Gabi dann in den Kirchenwirt nach Mörtschach ein, wo zwar fast ausschließlich Schnitzel (in allen Varianten) auf der Speisekarte steht, wir aber dennoch gut und pompös speisen. Trotz zwei Pässen war es heute eigentlich nur eine Überführungsetappe, und in Gedanken sind wir eigentlich schon wieder bei der nächsten großen Herausforderung, die morgen auf uns wartet: der Großglockner-Hochalpenstraße.
Ich bin diese Etappe gefahren
am
Von majortom –
Unser letzter Tag im Hochgebirge ist gleichzeitig unser letzter Tag in Begleitung. Nach dem Hochtor werden sich unsere Wege trennen: Gabi und Jenny fahren wieder nach Stuttgart zurück, während Johannes und meine Reise noch weiter gehen soll bis Budapest. Deshalb brauchen wir an diesem Morgen eine Weile, um unsere Taschen gründlich zu packen; schließlich wollen wir nichts Wichtiges vergessen, aber auch nichts Unnötiges noch bis nach Ungarn mit uns herum schleppen. Unter anderem erweitern wir unser Gepäck noch um eine Flasche Sekt, damit wir heute an Ort und Stelle auf unseren letzten Pass anstoßen können. Die Abfahrt erfolgt also erst gegen 10.30 Uhr, und wir beginnen auch recht gemütlich. Nachdem es in der Nacht wieder geregnet hat, ist der Tag heute wieder sonnig und schön, und in mäßigem Tempo legen wir die ersten Kilometer bis Döllach zurück. Von hier ab wird es dann langsam aber sicher immer steiler, und die schneebedeckten Gipfel des Großglocknermassivs direkt vor uns vermitteln uns schon einmal eine vage Ahnung davon, was uns heute noch erwartet. Die Stimmung ist ausgezeichnet; zum ersten Mal stellt sich das Gefühl ein, dem großen Ziel richtig nahe zu sein.
Ab Döllach nimmt die Steigung immer mehr zu, ab Pockhorn wird es dann richtig steil, und in Heiligenblut überschreiten wir dann endgültig die zehn-Prozent-Marke. Da wir schon auf den Mittag zu steuern, wird es auch immer heißer. Laut Höhenprofil bleibt es nun durchgehend so schweißtreibend steil. Keine guten Aussichten für einen Fahrer wie mich, der sich im unteren Teil eines Passes tendenziell eher überschätzt. Am Ortsausgang von Heiligenblut erreicht mich dann eine telefonische Nachricht von Gabi: das Auto verliert Kühlwasser, was nicht gerade ein Zustand ist, in dem man eine der längsten und höchsten Passstraßen Europas überqueren sollte, und schon gar nicht, wenn man auch noch einen Wohnwagen zu ziehen hat. Also müssen wir die Trennung leider vorziehen. Kurz vor der Mautstelle warten die beiden, und ich halte kurz an, um Nudeln und Soße für unser Mittagessen zu übernehmen, ich verabschiede mich, und wir wünschen uns gegenseitig alles Gute.
Bei Steigungen um die 13 Prozent ist noch mehr Ballast natürlich das letzte, was ich brauchen kann, aber irgendwie fühle ich mich immer noch ziemlich unbesiegbar. Der Ehrgeiz hat mich jetzt gepackt. Wenn schon eine letzte Herausforderung, dann richtig, denke ich, und so trete ich kräftig in die Pedale, um Johannes, der voraus gefahren ist, wieder einzuholen. An der Mautstelle wird es noch mal ein bisschen flacher, doch die Gelegenheit zum Erholen ist nur kurz. Noch bevor ich wieder Tempo aufnehmen kann, geht es mit elf Prozent weiter, so dass ich sogar gezwungen bin, auf eine kleinere Übersetzung zu wechseln – viel Spielraum nach unten habe ich jetzt nicht mehr. Johannes wartet in Kasereck, an einem ersten Zwischengipfel auf mich, und wir tanken noch einmal Energie und bewundern ein paar Minuten lang das Großglocknerpanorama, bevor wir uns an eine etwa zwei Kilometer lange Zwischenabfahrt machen. Am tiefsten Punkt teilt sich dann die Straße. Links geht es zur Franz-Josephs-Höhe; wir biegen nach rechts ab Richtung Hochtor.
Sofort wird es wieder extrem steil. Ich versuche, den Schwung aus der Abfahrt in den Anstieg zu retten, doch mir ist klar, dass wir das Schlimmste immer noch vor uns haben, und dass der Schwung kaum bis ganz oben reichen wird. Bis zum Gipfel fehlen zwar nur noch sechs Kilometer, aber auch noch über 600 Höhenmeter – da heißt es ruhig bleiben und einen ökonomischen Tritt finden. Die Baumgrenze haben wir inzwischen auch überschritten und fahren durch spärlich bewachsene Fels- und Wiesenlandschaften; die ganze Zeit sind wir von den Riesen der Hohen Tauern umgeben. Eigentlich ein wunderschönes Alpenpanorama, doch mit jeder Minute kümmert mich das weniger. Die Fortbewegung erfordert jetzt meine ganze Konzentration, denn die gefühlte Steigung wird immer schlimmer, auch wenn die tatsächliche Steigung in etwa gleich bleibt. In jeder Kehre steht ein Schild mit den aktuellen Höhenmetern, und bald kann ich an nichts anderes mehr denken als an das nächste Schild. Ständig rechne ich mir selbst vor, wie viel noch fehlt. Das Gefühl der Unbesiegbarkeit ist längst verschwunden, und ich verwünsche meinen Ehrgeiz. Hatte ich zu wenig Respekt vor dem Berg? frage ich mich jetzt. Auf das zusätzliche Gewicht von Sekt und Mittagessen könnte ich jedenfalls gut verzichten. Als dann auch noch eine kopfsteingepflasterte Kehre kommt, bin ich kurz davor auszuflippen, doch zum Glück ist es eine der letzten, und man hat das Ende dieser erbarmungslosen Straße schon im Blick.
Mont Ventoux, Grand St. Bernard, Gotthard und die Kombination Umbrail/Stelvio waren hart, aber das Hochtor übertrifft sie alle, da sind Johannes und ich uns einig, als wir endlich oben an der Passhöhe auf 2504 Metern Höhe stehen, zwar inmitten lauter Touristen, aber dennoch irgendwie ganz alleine in der Weite der Alpen. Es war einfach verdammt steil, und selten habe ich so gelitten wie auf dem Weg hier hinauf. Doch umso unbeschreiblicher ist der Triumph in diesem Moment. Hinter uns liegen 17 Alpenpässe, und der letzte war noch einmal eine richtig harte Nuss, doch aufhalten konnte uns letztendlich keiner. Den Sekt haben wir gleich nach der Ankunft im Schnee noch einmal kalt gestellt, und nun lassen wir also den Korken knallen. Die Flasche teilen wir uns mit einer Gruppe Wanderer, die in den letzten Tagen sechs 3000er bestiegen haben – auch sie haben sich unserer Meinung nach diese Siegtrophäe verdient.
Es braucht annährend eine Stunde, bis wir den Triumph ausgekostet haben. Dann durchfahren wir den Tunnel, der uns endgültig auf die andere Seite des Berges führt, lassen es auf den ersten vier Kilometern bergab richtig krachen, und schaffen dann auch die folgenden zwei Kilometer Gegenanstieg zum Fuscher Törl, der, was die Steigung betrifft, mindestens genauso hart ist wie die Auffahrt zum Hochtor, oder uns mit unseren inzwischen ziemlich schweren Beinen zumindest so vorkommt. Die Abfahrt, die dann folgt, entschädigt uns dann allerdings dafür, denn bergab ist es ungefähr genauso steil wie es bergauf war, und wieder einmal sind es nur die Autos und Reisebusse, die unserem Unternehmen Geschwindigkeitsrekord einen Strich durch die Rechnung machen. In einer engen Kehre steht ein Engländer am Straßenrand, und da wir mit fast schon wahnsinnigem Tempo an ihm vorbei rasen, kann ich leider nicht verstehen, ob er uns „you people are great” oder „you people are crazy” hinterher ruft.
Wie immer sind Abfahrtskilometer geschenkt, und so kommen wir wohlbehalten in Bruck an. Es ist zwar schon eher später Nachmittag, aber wir machen trotzdem erst mal Mittagspause und kochen seit langer Zeit wieder das erste Essen auf unserem Campingkocher. So langsam kehrt auch die Ernüchterung wieder zurück – wir haben zwar den Berg bravourös besiegt, aber bis zum Etappenziel in Altenmarkt fehlen uns immer noch knapp 60 Kilometer. Da wir bisher noch jedes Tagesziel, das wir uns zu erreichen vorgenommen hatten, auch erreicht haben, packt uns nach der Pause noch einmal der Ehrgeiz, und wir drücken noch einmal kräftig in die Pedale. Da wir dem Salzachtal flussabwärts folgen, es nahezu windstill ist, und wir das Teamwork in der Ebene inzwischen ziemlich perfektioniert haben, fällt es uns nicht allzu schwer, das Tempo hoch zu halten. Über Taxenbach und Schwarzach gelangen wir so nach St. Johann im Pongau. Wir kommen dort ein paar Minuten nach Ladenschluss an, doch der Supermarktbesitzer, den wir ansprechen, hat ein Herz für Radfahrer, und öffnet seine Tore extra für uns noch einmal, so dass auch das Abendessen gesichert ist.
Dann geht es noch einmal bergauf. Der direkte Weg nach Altenmarkt führt uns über den Wagrainer Sattel mit noch einmal fast 400 Höhenmetern. Lächerlich wenig verglichen mit dem, was wir schon hinter uns haben, denken wir, aber am Ende eines solchen Tages geht jeder Anstieg noch einmal richtig an die Substanz. Johannes macht jetzt das Tempo, und ich bin froh, dass ich nur folgen muss. Wirkliches Hochgebirge ist das hier nicht mehr, und so trägt uns unsere Ausdauer schließlich auch nach Wagrain hinauf. Kurz vor dem höchsten Punkt treffen wir auf zwei Mountainbiker, mit denen wir uns in der Abfahrt zusammen tun, und wir können nicht anders, als noch einmal alles zu geben. Besonders Johannes scheint fest entschlossen, die beiden zu beeindrucken, und es gelingt ihm wohl auch. Unser auf vier Fahrer erweitertes Feld rauscht mit dem unverwüstlichen Johannes an der Spitze und mit halsbrecherischer Geschwindigkeit nach Altenmarkt hinein.
Wir sind sogar noch deutlich vor Einbruch der Dunkelheit auf dem sehr noblen Campingplatz in Altenmarkt, wo uns eine nette italienische Familie, die wir eigentlich nur nach etwas Öl zur Zubereitung des Abendessens gefragt haben, eine riesige Viertelwassermelone als Nachtisch schenkt. So macht es auch Spaß, wieder Selbstversorger zu sein. Und wieder einmal haben wir allen Grund, uns auf die Schulter zu klopfen. Per Telefon erfahren wir, dass Gabi in Heiligenblut auf der anderen Seite des Großglockners wohl noch ein paar Tage auf ein Ersatzteil warten muss. Und noch eine weitere schlechte Nachricht nehmen wir zur Kenntnis: für die nächsten Tage ist ein Wetterumschwung angesagt – Dauerregen und kalt. Doch um uns darüber viele Gedanken zu machen, sind wir sowieso viel zu erschöpft.
Ab Döllach nimmt die Steigung immer mehr zu, ab Pockhorn wird es dann richtig steil, und in Heiligenblut überschreiten wir dann endgültig die zehn-Prozent-Marke. Da wir schon auf den Mittag zu steuern, wird es auch immer heißer. Laut Höhenprofil bleibt es nun durchgehend so schweißtreibend steil. Keine guten Aussichten für einen Fahrer wie mich, der sich im unteren Teil eines Passes tendenziell eher überschätzt. Am Ortsausgang von Heiligenblut erreicht mich dann eine telefonische Nachricht von Gabi: das Auto verliert Kühlwasser, was nicht gerade ein Zustand ist, in dem man eine der längsten und höchsten Passstraßen Europas überqueren sollte, und schon gar nicht, wenn man auch noch einen Wohnwagen zu ziehen hat. Also müssen wir die Trennung leider vorziehen. Kurz vor der Mautstelle warten die beiden, und ich halte kurz an, um Nudeln und Soße für unser Mittagessen zu übernehmen, ich verabschiede mich, und wir wünschen uns gegenseitig alles Gute.
Bei Steigungen um die 13 Prozent ist noch mehr Ballast natürlich das letzte, was ich brauchen kann, aber irgendwie fühle ich mich immer noch ziemlich unbesiegbar. Der Ehrgeiz hat mich jetzt gepackt. Wenn schon eine letzte Herausforderung, dann richtig, denke ich, und so trete ich kräftig in die Pedale, um Johannes, der voraus gefahren ist, wieder einzuholen. An der Mautstelle wird es noch mal ein bisschen flacher, doch die Gelegenheit zum Erholen ist nur kurz. Noch bevor ich wieder Tempo aufnehmen kann, geht es mit elf Prozent weiter, so dass ich sogar gezwungen bin, auf eine kleinere Übersetzung zu wechseln – viel Spielraum nach unten habe ich jetzt nicht mehr. Johannes wartet in Kasereck, an einem ersten Zwischengipfel auf mich, und wir tanken noch einmal Energie und bewundern ein paar Minuten lang das Großglocknerpanorama, bevor wir uns an eine etwa zwei Kilometer lange Zwischenabfahrt machen. Am tiefsten Punkt teilt sich dann die Straße. Links geht es zur Franz-Josephs-Höhe; wir biegen nach rechts ab Richtung Hochtor.
Sofort wird es wieder extrem steil. Ich versuche, den Schwung aus der Abfahrt in den Anstieg zu retten, doch mir ist klar, dass wir das Schlimmste immer noch vor uns haben, und dass der Schwung kaum bis ganz oben reichen wird. Bis zum Gipfel fehlen zwar nur noch sechs Kilometer, aber auch noch über 600 Höhenmeter – da heißt es ruhig bleiben und einen ökonomischen Tritt finden. Die Baumgrenze haben wir inzwischen auch überschritten und fahren durch spärlich bewachsene Fels- und Wiesenlandschaften; die ganze Zeit sind wir von den Riesen der Hohen Tauern umgeben. Eigentlich ein wunderschönes Alpenpanorama, doch mit jeder Minute kümmert mich das weniger. Die Fortbewegung erfordert jetzt meine ganze Konzentration, denn die gefühlte Steigung wird immer schlimmer, auch wenn die tatsächliche Steigung in etwa gleich bleibt. In jeder Kehre steht ein Schild mit den aktuellen Höhenmetern, und bald kann ich an nichts anderes mehr denken als an das nächste Schild. Ständig rechne ich mir selbst vor, wie viel noch fehlt. Das Gefühl der Unbesiegbarkeit ist längst verschwunden, und ich verwünsche meinen Ehrgeiz. Hatte ich zu wenig Respekt vor dem Berg? frage ich mich jetzt. Auf das zusätzliche Gewicht von Sekt und Mittagessen könnte ich jedenfalls gut verzichten. Als dann auch noch eine kopfsteingepflasterte Kehre kommt, bin ich kurz davor auszuflippen, doch zum Glück ist es eine der letzten, und man hat das Ende dieser erbarmungslosen Straße schon im Blick.
Mont Ventoux, Grand St. Bernard, Gotthard und die Kombination Umbrail/Stelvio waren hart, aber das Hochtor übertrifft sie alle, da sind Johannes und ich uns einig, als wir endlich oben an der Passhöhe auf 2504 Metern Höhe stehen, zwar inmitten lauter Touristen, aber dennoch irgendwie ganz alleine in der Weite der Alpen. Es war einfach verdammt steil, und selten habe ich so gelitten wie auf dem Weg hier hinauf. Doch umso unbeschreiblicher ist der Triumph in diesem Moment. Hinter uns liegen 17 Alpenpässe, und der letzte war noch einmal eine richtig harte Nuss, doch aufhalten konnte uns letztendlich keiner. Den Sekt haben wir gleich nach der Ankunft im Schnee noch einmal kalt gestellt, und nun lassen wir also den Korken knallen. Die Flasche teilen wir uns mit einer Gruppe Wanderer, die in den letzten Tagen sechs 3000er bestiegen haben – auch sie haben sich unserer Meinung nach diese Siegtrophäe verdient.
Es braucht annährend eine Stunde, bis wir den Triumph ausgekostet haben. Dann durchfahren wir den Tunnel, der uns endgültig auf die andere Seite des Berges führt, lassen es auf den ersten vier Kilometern bergab richtig krachen, und schaffen dann auch die folgenden zwei Kilometer Gegenanstieg zum Fuscher Törl, der, was die Steigung betrifft, mindestens genauso hart ist wie die Auffahrt zum Hochtor, oder uns mit unseren inzwischen ziemlich schweren Beinen zumindest so vorkommt. Die Abfahrt, die dann folgt, entschädigt uns dann allerdings dafür, denn bergab ist es ungefähr genauso steil wie es bergauf war, und wieder einmal sind es nur die Autos und Reisebusse, die unserem Unternehmen Geschwindigkeitsrekord einen Strich durch die Rechnung machen. In einer engen Kehre steht ein Engländer am Straßenrand, und da wir mit fast schon wahnsinnigem Tempo an ihm vorbei rasen, kann ich leider nicht verstehen, ob er uns „you people are great” oder „you people are crazy” hinterher ruft.
Wie immer sind Abfahrtskilometer geschenkt, und so kommen wir wohlbehalten in Bruck an. Es ist zwar schon eher später Nachmittag, aber wir machen trotzdem erst mal Mittagspause und kochen seit langer Zeit wieder das erste Essen auf unserem Campingkocher. So langsam kehrt auch die Ernüchterung wieder zurück – wir haben zwar den Berg bravourös besiegt, aber bis zum Etappenziel in Altenmarkt fehlen uns immer noch knapp 60 Kilometer. Da wir bisher noch jedes Tagesziel, das wir uns zu erreichen vorgenommen hatten, auch erreicht haben, packt uns nach der Pause noch einmal der Ehrgeiz, und wir drücken noch einmal kräftig in die Pedale. Da wir dem Salzachtal flussabwärts folgen, es nahezu windstill ist, und wir das Teamwork in der Ebene inzwischen ziemlich perfektioniert haben, fällt es uns nicht allzu schwer, das Tempo hoch zu halten. Über Taxenbach und Schwarzach gelangen wir so nach St. Johann im Pongau. Wir kommen dort ein paar Minuten nach Ladenschluss an, doch der Supermarktbesitzer, den wir ansprechen, hat ein Herz für Radfahrer, und öffnet seine Tore extra für uns noch einmal, so dass auch das Abendessen gesichert ist.
Dann geht es noch einmal bergauf. Der direkte Weg nach Altenmarkt führt uns über den Wagrainer Sattel mit noch einmal fast 400 Höhenmetern. Lächerlich wenig verglichen mit dem, was wir schon hinter uns haben, denken wir, aber am Ende eines solchen Tages geht jeder Anstieg noch einmal richtig an die Substanz. Johannes macht jetzt das Tempo, und ich bin froh, dass ich nur folgen muss. Wirkliches Hochgebirge ist das hier nicht mehr, und so trägt uns unsere Ausdauer schließlich auch nach Wagrain hinauf. Kurz vor dem höchsten Punkt treffen wir auf zwei Mountainbiker, mit denen wir uns in der Abfahrt zusammen tun, und wir können nicht anders, als noch einmal alles zu geben. Besonders Johannes scheint fest entschlossen, die beiden zu beeindrucken, und es gelingt ihm wohl auch. Unser auf vier Fahrer erweitertes Feld rauscht mit dem unverwüstlichen Johannes an der Spitze und mit halsbrecherischer Geschwindigkeit nach Altenmarkt hinein.
Wir sind sogar noch deutlich vor Einbruch der Dunkelheit auf dem sehr noblen Campingplatz in Altenmarkt, wo uns eine nette italienische Familie, die wir eigentlich nur nach etwas Öl zur Zubereitung des Abendessens gefragt haben, eine riesige Viertelwassermelone als Nachtisch schenkt. So macht es auch Spaß, wieder Selbstversorger zu sein. Und wieder einmal haben wir allen Grund, uns auf die Schulter zu klopfen. Per Telefon erfahren wir, dass Gabi in Heiligenblut auf der anderen Seite des Großglockners wohl noch ein paar Tage auf ein Ersatzteil warten muss. Und noch eine weitere schlechte Nachricht nehmen wir zur Kenntnis: für die nächsten Tage ist ein Wetterumschwung angesagt – Dauerregen und kalt. Doch um uns darüber viele Gedanken zu machen, sind wir sowieso viel zu erschöpft.
Ich bin diese Etappe gefahren
am
Von majortom –
Als wir gegen halb acht aufstehen, sind unsere Befürchtungen fast schon wahr geworden. Die Wolken hängen tief an den umliegenden Hügeln, und es sieht ganz so aus, als würde der Regen nicht mehr lange auf sich warten lassen. Schnell bauen wir das Zelt ab, solange es noch trocken ist. Kurz bevor wir aufbrechen, fallen dann auch schon die ersten Tropfen. Noch bevor wir Altenmarkt verlassen haben, sind wir nass, und als wir in Radstadt, dem nächsten Ort, einen Supermarkt ansteuern, um dort Frühstück zu kaufen, gießt es wie aus Kübeln. Durchnässt und dreckig – dank nasser Straße waren schon die ersten paar Kilometer eine richtige Dreckschlacht – suchen wir zum Essen Zuflucht in einer kleinen Holzhütte der Zimmerei Striegel, wo es allerdings auch durch Dach und Fenster herein regnet. Wir beobachten schweigend das Wetter, und es sieht leider immer mehr danach aus, als würde es den ganzen Tag lang schütten. Gestern noch überglücklich und scheinbar unbesiegbar, ist meine Motivation, noch bis Budapest durchzuhalten, inzwischen fast komplett verschwunden. Irgendwie habe ich, nachdem wir nun die Pässe hinter uns gebracht haben, gedacht, der Rest würde ein Kinderspiel werden, Touristenradsport entlang der Donau. Und jetzt soll ich schon wieder leiden? Ich bin eben ein Schönwetterfahrer, und es bedarf einiges an Mühe und Hartnäckigkeit von Johannes Seite, um mich überhaupt vom Weiterfahren zu überzeugen.
Frustriert und lustlos steige ich also wieder aufs Rad, und überstehe auch den Moment, in dem das Regen- und Spritzwasser in meine Schuhe dringt. Das Gefühl, in jedem Schuh mindestens zwei Liter Wasser mitzukurbeln, ist so ziemlich das unangenehmste Gefühl, das ich kenne. Zum Glück hört der Regen kurz nach Schladming vorübergehend auf, und wir kommen auf der Bundesstraße Richtung Liezen gut voran, auch wenn wir aufs Windschattenfahren lieber verzichten – es reicht schon völlig, das Spritzwasser vom eigenen Vorderrad ins Gesicht zu bekommen. Wenigstens geht es hier im Ennstal größtenteils bergab, und wir bringen Kilometer um Kilometer hinter uns. Immer wenn ich jedoch das Gefühl habe, langsam wieder abzutrocknen, setzt ein neuer Regenschauer ein, so dass ich irgendwann resigniere und mich meinem Schicksal füge.
Gegen Mittag erreichen wir Liezen, und es ist tatsächlich längere Zeit trocken geblieben. Wir machen erst einmal einen Großeinkauf, da morgen Sonntag ist, und dann Mittagspause im Busbahnhof. Noch bevor wir aufgegessen haben, setzt dann auch schon wieder der Regen ein, zuerst nur leicht, doch dann, als wir wieder unterwegs sind, immer stärker. Die winzige Hoffnung, der Nachmittag könnte doch noch schöner werden, müssen wir also wieder aufgeben. Wir verlassen Liezen, verlassen auch die verkehrsreiche Bundesstraße, nicht jedoch das Ennstal, das sich nun mehr und mehr verengt und einen immer verlasseneren Eindruck macht. Ich versuche mit wachsender Verzweiflung, irgendwie neue Motivation zu schöpfen, doch so richtig will es mir nicht gelingen. Wir ignorieren Kälte und Nässe, so weit es eben geht, und kommen so bis Admont, wo wir uns erst mal unterstellen. Eine Weile beschäftigen wir uns dann mit einem Computerterminal an der Touristeninformation, mit dem man Foto-Emails versenden kann, während die Wettersituation einfach nicht besser und es uns immer kälter wird.
Schließlich nutzen wir eine vermeintliche Regenpause zur Weiterfahrt. Wieder können wir jedoch unsere Hoffnung nicht lange aufrecht erhalten, denn noch bevor wir Admont verlassen haben, regnet es stärker denn je, und wir sind sofort wieder nass bis auf die Knochen. Wir kommen nun ins Gesäuse, eine schmale Schucht, die sicherlich sehr wildromantisch wäre, wenn man denn von der Landschaft etwas sehen würde. Stattdessen sieht man nur graue Wolken, grauen Nebel und eine darin verschwommene Umgebung. Das Terrain wird nun zunehmend hügeliger. Außer uns ist hier keine Menschenseele unterwegs – wozu auch bei diesem Wetter? Es ist ein ständiges Auf und Ab im strömenden Regen, und ich meine auch immer mehr zu spüren, wie mir das Wasser die Kraft aus den Beinen spült. Johannes erweist sich dennoch wieder einmal als harter Kerl und fährt mutig voraus, während ich versuche, an etwas Schöneres oder an gar nichts zu denken, und ihm folge. Was wollen wir auch sonst tun an diesem Tag im ziemlich gottverlassenen Gesäuse?
Erlöst werden wir dann in Hieflau, wo das Gesäuse endet, und wir – da sich der Tag auch dem Ende neigt – beschließen, diesen zum Schluss fast schon surrealen Tag auf dem Fahrrad zu beenden. Zelten kommt natürlich nicht in Frage, also steigen wir in einer Pension ab, wo wir auch freundlich empfangen werden. Wir sind beide total durchnässt und durchgefroren, doch nach einer heißen Dusche kehren die Lebensgeister wenigstens teilweise zurück. In unserem Zimmer machen wir Abendessen, danach leihen wir uns einen Regenschirm und gönnen uns in einem Gasthof noch einen Apfelstrudel und ein Bier zum Nachtisch. Es braucht jedoch einige Stunden im Warmen und Trockenen, bis ich den heutigen Tag einigermaßen verdrängen kann. War es wirklich erst gestern, frage ich mich, dass uns auf dem Hochtor nicht nur die Alpen, sondern die ganze Welt zu Füßen zu liegen schien? Mir reicht es inzwischen völlig, ich habe inzwischen eigentlich nicht mehr die geringste Lust auf Radfahren, und die Aussicht auf weitere Tage wie diesen ist der absolute Horror. Doch Aufgeben – davon bin inzwischen auch ich wieder überzeugt – kommt nicht in Frage.
Frustriert und lustlos steige ich also wieder aufs Rad, und überstehe auch den Moment, in dem das Regen- und Spritzwasser in meine Schuhe dringt. Das Gefühl, in jedem Schuh mindestens zwei Liter Wasser mitzukurbeln, ist so ziemlich das unangenehmste Gefühl, das ich kenne. Zum Glück hört der Regen kurz nach Schladming vorübergehend auf, und wir kommen auf der Bundesstraße Richtung Liezen gut voran, auch wenn wir aufs Windschattenfahren lieber verzichten – es reicht schon völlig, das Spritzwasser vom eigenen Vorderrad ins Gesicht zu bekommen. Wenigstens geht es hier im Ennstal größtenteils bergab, und wir bringen Kilometer um Kilometer hinter uns. Immer wenn ich jedoch das Gefühl habe, langsam wieder abzutrocknen, setzt ein neuer Regenschauer ein, so dass ich irgendwann resigniere und mich meinem Schicksal füge.
Gegen Mittag erreichen wir Liezen, und es ist tatsächlich längere Zeit trocken geblieben. Wir machen erst einmal einen Großeinkauf, da morgen Sonntag ist, und dann Mittagspause im Busbahnhof. Noch bevor wir aufgegessen haben, setzt dann auch schon wieder der Regen ein, zuerst nur leicht, doch dann, als wir wieder unterwegs sind, immer stärker. Die winzige Hoffnung, der Nachmittag könnte doch noch schöner werden, müssen wir also wieder aufgeben. Wir verlassen Liezen, verlassen auch die verkehrsreiche Bundesstraße, nicht jedoch das Ennstal, das sich nun mehr und mehr verengt und einen immer verlasseneren Eindruck macht. Ich versuche mit wachsender Verzweiflung, irgendwie neue Motivation zu schöpfen, doch so richtig will es mir nicht gelingen. Wir ignorieren Kälte und Nässe, so weit es eben geht, und kommen so bis Admont, wo wir uns erst mal unterstellen. Eine Weile beschäftigen wir uns dann mit einem Computerterminal an der Touristeninformation, mit dem man Foto-Emails versenden kann, während die Wettersituation einfach nicht besser und es uns immer kälter wird.
Schließlich nutzen wir eine vermeintliche Regenpause zur Weiterfahrt. Wieder können wir jedoch unsere Hoffnung nicht lange aufrecht erhalten, denn noch bevor wir Admont verlassen haben, regnet es stärker denn je, und wir sind sofort wieder nass bis auf die Knochen. Wir kommen nun ins Gesäuse, eine schmale Schucht, die sicherlich sehr wildromantisch wäre, wenn man denn von der Landschaft etwas sehen würde. Stattdessen sieht man nur graue Wolken, grauen Nebel und eine darin verschwommene Umgebung. Das Terrain wird nun zunehmend hügeliger. Außer uns ist hier keine Menschenseele unterwegs – wozu auch bei diesem Wetter? Es ist ein ständiges Auf und Ab im strömenden Regen, und ich meine auch immer mehr zu spüren, wie mir das Wasser die Kraft aus den Beinen spült. Johannes erweist sich dennoch wieder einmal als harter Kerl und fährt mutig voraus, während ich versuche, an etwas Schöneres oder an gar nichts zu denken, und ihm folge. Was wollen wir auch sonst tun an diesem Tag im ziemlich gottverlassenen Gesäuse?
Erlöst werden wir dann in Hieflau, wo das Gesäuse endet, und wir – da sich der Tag auch dem Ende neigt – beschließen, diesen zum Schluss fast schon surrealen Tag auf dem Fahrrad zu beenden. Zelten kommt natürlich nicht in Frage, also steigen wir in einer Pension ab, wo wir auch freundlich empfangen werden. Wir sind beide total durchnässt und durchgefroren, doch nach einer heißen Dusche kehren die Lebensgeister wenigstens teilweise zurück. In unserem Zimmer machen wir Abendessen, danach leihen wir uns einen Regenschirm und gönnen uns in einem Gasthof noch einen Apfelstrudel und ein Bier zum Nachtisch. Es braucht jedoch einige Stunden im Warmen und Trockenen, bis ich den heutigen Tag einigermaßen verdrängen kann. War es wirklich erst gestern, frage ich mich, dass uns auf dem Hochtor nicht nur die Alpen, sondern die ganze Welt zu Füßen zu liegen schien? Mir reicht es inzwischen völlig, ich habe inzwischen eigentlich nicht mehr die geringste Lust auf Radfahren, und die Aussicht auf weitere Tage wie diesen ist der absolute Horror. Doch Aufgeben – davon bin inzwischen auch ich wieder überzeugt – kommt nicht in Frage.
Von majortom –
Es regnet die ganze Nacht, und auch am Morgen ist es draußen noch grau und nass, außerdem noch wesentlich kälter als gestern. Ganz Österreich scheint davon zu schwimmen, und wir reden während des Frühstücks nicht viel. Dass uns ein weiterer Tag in der Regenhölle bevor steht, müssen wir uns nicht auch noch gegenseitig unter die Nase reiben, und so genießen wir das Kümmelbrot, dass uns in unserer Pension serviert wird. Danach brechen wir sofort auf, als der Regen wieder einmal eine seiner kurzen Pausen einzulegen scheint, doch da die Straße in Hieflau eine einzige Pfütze ist, werden wir eben nur vom Spritzwasser nass.
Wir folgen weiter der Enns Richtung Norden, doch nach etwa vier Kilometern verlassen wir das Tal und stehen vor einem vier Kilometer langen und bis zu 18 Prozent steilen Anstieg nach Gams. Komischerweise bessert sich meine Laune, als ich mich anstrengen muss, vielleicht weil ich merke, dass die Beine durchaus wollen, nur der Kopf eben nicht. Nachdem wir von diesem Hügel wieder abgefahren sind, treffen wir auf das Salzatal. Die Salza ist normalerweise wahrscheinlich nichts weiter als ein unbedeutendes Rinnsal, aber über Nacht ist ein reißender brauner Strom daraus geworden. Wieder verengt sich das Tal und bekommt mehr und mehr Schluchtcharakter. Der direkte Weg nach Wien führt uns wieder durch eine ziemlich verlassene Gegend. Leider folgt die Straße nicht immer dem Flusslauf, und so geht es ständig rauf und runter, was an einem Tag wie diesem doppelt zermürbend ist, zumal es wieder zu regnen beginnt.
Nass sind wir sowieso schon, und so radeln wir ohne Erbarmen mit uns selbst weiter. Johannes, dem solche kurzen, unregelmäßigen, steilen Hügel nicht besonders liegen, leidet noch wesentlich mehr als ich, doch das Ziel ist, heute Abend in Tagesentfernung von Wien zu sein. Ab Wildalpen wird das bisher sehr wellige Profil dann zum Glück immer gleichmäßiger, doch da wir flussaufwärts fahren, geht es eben ständig leicht bergauf, und das Tal zieht sich scheinbar endlos dahin. Bis zum Mittag haben wir etwa 70 Kilometer zurückgelegt, und wir sind kurz vor Mariazell, wo wir uns an einer Bushaltestelle unterstellen und Essen machen. Hoffnungsvoll beobachten wir, wie der Regen immer mehr nachlässt, doch wieder einmal trügt die Hoffnung, und als wir weiterfahren, schüttet es wieder richtig. In Mariazell erwartet uns noch einmal ein kurzer Anstieg, bei dem uns aber wenigstens wieder warm wird. Weiter folgen wir dem Tal nach Osten, um nach etwa zwölf Kilometern erneut nach Norden abzubiegen.
Wir befinden uns nun im Anstieg zum Knollenhals, einem etwa 900 Meter hohen Übergang. Es regnet abartig, es wird immer kälter und ekelhafter, und unsere Frustration befindet sich jetzt auf dem absoluten Höhepunkt. Auf der eiskalten Abfahrt nach St. Aegyd möchte ich am liebsten absteigen und mein Rad in den Straßengraben werfen. So langsam schlägt die Frustration in Aggression um, und ich kann es einfach nicht fassen, dass wir uns freiwillig durch diese nasse Hölle quälen. Es ist etwa 16 Uhr, und wir haben etwa 110 Kilometer geschafft, als wir in St. Aegyd eine Notpause mit Kuchen und Schokoladenheißgetränk einlegen.
Intensiv studieren wir unsere Karte und beratschlagen, wie wir weiter machen sollen. Was die zurückgelegten Kilometer betrifft, so hätten wir unseren Soll mehr als erfüllt, und von hier aus wäre Wien auch in einem Tag zu erreichen. Doch als schließlich der Regen aufhört, schöpfen wir wieder Mut und beschließen, noch weiter zu fahren. Nach St. Aegyd kommt ein weiterer Anstieg zum Ochssattel, und während sich der Nebel mehr und mehr lichtet, und sogar die Straße abzutrocknen beginnt, erkennt man mehr und mehr von der Landschaft und kann erahnen, was für eine schöne Gegend das eigentlich wäre. Auf dem Weg zum Ochssattel, dem längsten, regelmäßigsten und anstrengendsten Anstieg des Tages, bin ich fast schon wieder dabei, meinen Frieden mit mir selbst zu finden. Es ist eine unglaubliche Genugtuung, wieder gegen die Steigung und nicht gegen die Elemente zu kämpfen, und im Rausch des Optimismus sehe ich fast schon die Sonne heraus kommen. Doch das war wohl nichts als Wunschdenken und optische Täuschung, denn in der Abfahrt setzt der Regen wieder ein.
Dennoch rauschen wir in halsbrecherischem Tempo hinab nach Rohr. Hier verlassen wir die Hauptstraße und wählen eine Alternativroute über die Haselrast, da wir hier laut Karte weniger Höhenmeter zu überwinden haben. Tatsächlich kommen wir auf einer winzigen Straße heraus, und wieder wäre es wohl eine bei Sonnenschein wunderschöne Landschaft irgendwo im österreichischen Niemandsland, doch wieder einmal wissen wir es nicht richtig zu würdigen. Langsam näheren wir uns jetzt dem Wendepunkt, ab dem man die Schmerzen nicht mehr spürt, und das tut gut. Die Abfahrt von der Haselrast hinab nach Gutenstein ist dann sogar im strömenden Regen und bei einsetzender Dämmerung schön – eine vielleicht zwei Meter breite Straße durch eine nicht viel breitere Schlucht. Gutenstein sollte eigentlich Etappenziel werden, doch wieder einmal meint es das Schicksal nicht gut mit uns. Hier finden zur Zeit die Raimundfestspiele statt (was auch immer das ist), und es ist im ganzen Ort kein einziges Zimmer mehr frei. Während wir von Pension zu Pension geschickt werden, wird es immer dunkler, und der Regen artet immer mehr in ein richtiges Unwetter aus. Es blitzt und donnert und regnet so, wie wir es selten gesehen haben. Und immer wieder erhalten wir dieselbe Auskunft: wir sollen es doch in Pernitz versuchen, sieben Kilometer weiter.
Da wir letztendlich keine Option haben, und uns nach diesem Tag eigentlich auch alles egal ist, beschließen wir, dass wir auch das noch schaffen können, auch bei diesem Wolkenbruch und bei inzwischen völliger Dunkelheit. Wir sind so am Ende, dass uns jetzt nichts mehr kümmert, und wir so ziemlich alles tun würden für ein warmes und trockenes Zimmer. Währenddessen geht Österreich endgültig unter. Da wir nichts mehr sehen, haben wir keine Ahnung wo wir sind, doch von irgendwoher hören wir eine Sirene heulen – wie wir später herausfinden, ist es die Hochwassersirene von Pernitz. Die Straße, auf der wir fahren, steht – was wir eigentlich nur richtig sehen, wenn ein Blitz die Nacht erhellt – mindestens zwanzig Zentimeter unter Wasser. Und wir befinden uns in einem Zustand irgendwo zwischen Betäubung und einem hysterischen Lachanfall.
Auch in Pernitz ist die Zimmersuche mit gewissen Schwierigkeiten verbunden, doch schließlich finden wir doch noch eine an eine Bäckerei angeschlossene Pension, die uns freundlich aufnimmt. Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes durchnässt bis auf die Knochen, und wir sind uns einig, dass wir so nass noch nie waren. Eine heiße Dusche, ein heißer Tee und ein an einen Hefezopf erinnernder Teigkloß, der uns von unserem Bäcker serviert wird, trägt schließlich dazu bei, dass wir auch diesen Tag zu den Akten legen können. Wir sind zwar den zweiten Tag in Folge durch die Hölle gegangen, aber der Schluss heute war so unglaubwürdig, dass wir eigentlich nur noch darüber lachen können. Budapest ist wieder ein ganzes Stück näher gerückt.
Wir folgen weiter der Enns Richtung Norden, doch nach etwa vier Kilometern verlassen wir das Tal und stehen vor einem vier Kilometer langen und bis zu 18 Prozent steilen Anstieg nach Gams. Komischerweise bessert sich meine Laune, als ich mich anstrengen muss, vielleicht weil ich merke, dass die Beine durchaus wollen, nur der Kopf eben nicht. Nachdem wir von diesem Hügel wieder abgefahren sind, treffen wir auf das Salzatal. Die Salza ist normalerweise wahrscheinlich nichts weiter als ein unbedeutendes Rinnsal, aber über Nacht ist ein reißender brauner Strom daraus geworden. Wieder verengt sich das Tal und bekommt mehr und mehr Schluchtcharakter. Der direkte Weg nach Wien führt uns wieder durch eine ziemlich verlassene Gegend. Leider folgt die Straße nicht immer dem Flusslauf, und so geht es ständig rauf und runter, was an einem Tag wie diesem doppelt zermürbend ist, zumal es wieder zu regnen beginnt.
Nass sind wir sowieso schon, und so radeln wir ohne Erbarmen mit uns selbst weiter. Johannes, dem solche kurzen, unregelmäßigen, steilen Hügel nicht besonders liegen, leidet noch wesentlich mehr als ich, doch das Ziel ist, heute Abend in Tagesentfernung von Wien zu sein. Ab Wildalpen wird das bisher sehr wellige Profil dann zum Glück immer gleichmäßiger, doch da wir flussaufwärts fahren, geht es eben ständig leicht bergauf, und das Tal zieht sich scheinbar endlos dahin. Bis zum Mittag haben wir etwa 70 Kilometer zurückgelegt, und wir sind kurz vor Mariazell, wo wir uns an einer Bushaltestelle unterstellen und Essen machen. Hoffnungsvoll beobachten wir, wie der Regen immer mehr nachlässt, doch wieder einmal trügt die Hoffnung, und als wir weiterfahren, schüttet es wieder richtig. In Mariazell erwartet uns noch einmal ein kurzer Anstieg, bei dem uns aber wenigstens wieder warm wird. Weiter folgen wir dem Tal nach Osten, um nach etwa zwölf Kilometern erneut nach Norden abzubiegen.
Wir befinden uns nun im Anstieg zum Knollenhals, einem etwa 900 Meter hohen Übergang. Es regnet abartig, es wird immer kälter und ekelhafter, und unsere Frustration befindet sich jetzt auf dem absoluten Höhepunkt. Auf der eiskalten Abfahrt nach St. Aegyd möchte ich am liebsten absteigen und mein Rad in den Straßengraben werfen. So langsam schlägt die Frustration in Aggression um, und ich kann es einfach nicht fassen, dass wir uns freiwillig durch diese nasse Hölle quälen. Es ist etwa 16 Uhr, und wir haben etwa 110 Kilometer geschafft, als wir in St. Aegyd eine Notpause mit Kuchen und Schokoladenheißgetränk einlegen.
Intensiv studieren wir unsere Karte und beratschlagen, wie wir weiter machen sollen. Was die zurückgelegten Kilometer betrifft, so hätten wir unseren Soll mehr als erfüllt, und von hier aus wäre Wien auch in einem Tag zu erreichen. Doch als schließlich der Regen aufhört, schöpfen wir wieder Mut und beschließen, noch weiter zu fahren. Nach St. Aegyd kommt ein weiterer Anstieg zum Ochssattel, und während sich der Nebel mehr und mehr lichtet, und sogar die Straße abzutrocknen beginnt, erkennt man mehr und mehr von der Landschaft und kann erahnen, was für eine schöne Gegend das eigentlich wäre. Auf dem Weg zum Ochssattel, dem längsten, regelmäßigsten und anstrengendsten Anstieg des Tages, bin ich fast schon wieder dabei, meinen Frieden mit mir selbst zu finden. Es ist eine unglaubliche Genugtuung, wieder gegen die Steigung und nicht gegen die Elemente zu kämpfen, und im Rausch des Optimismus sehe ich fast schon die Sonne heraus kommen. Doch das war wohl nichts als Wunschdenken und optische Täuschung, denn in der Abfahrt setzt der Regen wieder ein.
Dennoch rauschen wir in halsbrecherischem Tempo hinab nach Rohr. Hier verlassen wir die Hauptstraße und wählen eine Alternativroute über die Haselrast, da wir hier laut Karte weniger Höhenmeter zu überwinden haben. Tatsächlich kommen wir auf einer winzigen Straße heraus, und wieder wäre es wohl eine bei Sonnenschein wunderschöne Landschaft irgendwo im österreichischen Niemandsland, doch wieder einmal wissen wir es nicht richtig zu würdigen. Langsam näheren wir uns jetzt dem Wendepunkt, ab dem man die Schmerzen nicht mehr spürt, und das tut gut. Die Abfahrt von der Haselrast hinab nach Gutenstein ist dann sogar im strömenden Regen und bei einsetzender Dämmerung schön – eine vielleicht zwei Meter breite Straße durch eine nicht viel breitere Schlucht. Gutenstein sollte eigentlich Etappenziel werden, doch wieder einmal meint es das Schicksal nicht gut mit uns. Hier finden zur Zeit die Raimundfestspiele statt (was auch immer das ist), und es ist im ganzen Ort kein einziges Zimmer mehr frei. Während wir von Pension zu Pension geschickt werden, wird es immer dunkler, und der Regen artet immer mehr in ein richtiges Unwetter aus. Es blitzt und donnert und regnet so, wie wir es selten gesehen haben. Und immer wieder erhalten wir dieselbe Auskunft: wir sollen es doch in Pernitz versuchen, sieben Kilometer weiter.
Da wir letztendlich keine Option haben, und uns nach diesem Tag eigentlich auch alles egal ist, beschließen wir, dass wir auch das noch schaffen können, auch bei diesem Wolkenbruch und bei inzwischen völliger Dunkelheit. Wir sind so am Ende, dass uns jetzt nichts mehr kümmert, und wir so ziemlich alles tun würden für ein warmes und trockenes Zimmer. Währenddessen geht Österreich endgültig unter. Da wir nichts mehr sehen, haben wir keine Ahnung wo wir sind, doch von irgendwoher hören wir eine Sirene heulen – wie wir später herausfinden, ist es die Hochwassersirene von Pernitz. Die Straße, auf der wir fahren, steht – was wir eigentlich nur richtig sehen, wenn ein Blitz die Nacht erhellt – mindestens zwanzig Zentimeter unter Wasser. Und wir befinden uns in einem Zustand irgendwo zwischen Betäubung und einem hysterischen Lachanfall.
Auch in Pernitz ist die Zimmersuche mit gewissen Schwierigkeiten verbunden, doch schließlich finden wir doch noch eine an eine Bäckerei angeschlossene Pension, die uns freundlich aufnimmt. Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes durchnässt bis auf die Knochen, und wir sind uns einig, dass wir so nass noch nie waren. Eine heiße Dusche, ein heißer Tee und ein an einen Hefezopf erinnernder Teigkloß, der uns von unserem Bäcker serviert wird, trägt schließlich dazu bei, dass wir auch diesen Tag zu den Akten legen können. Wir sind zwar den zweiten Tag in Folge durch die Hölle gegangen, aber der Schluss heute war so unglaubwürdig, dass wir eigentlich nur noch darüber lachen können. Budapest ist wieder ein ganzes Stück näher gerückt.
Von majortom –
Der morgendliche Blick aus dem Fenster kündigt den dritten Regentag in Folge an, so dass wir uns erst einmal auf das Frühstück konzentrieren, das nicht nur reichlich, sondern auch wirklich ausgezeichnet ist. Aus der Zeitung erfahren wir dann, dass in den letzten zwei Tagen nicht nur wir beide untergegangen sind, sondern fast die ganzen Alpen – heftigste Unwetter haben auch in der Schweiz, in Österreich und in Bayern zu Überschwemmungen und Hochwasser geführt. Als wir die Bilder davon sehen, wird uns klar, dass wir wirklich noch mit einem blauen Auge davon gekommen sind. Auch Gabi, mit der ich kurz telefoniere, und deren Auto inzwischen repariert ist, sitzt noch immer in Heiligenblut fest, da sämtliche möglichen Heimreiserouten noch nicht wieder befahrbar sind.
Der Dauerregen geht weiter, doch die für heute geplante Distanz ist zum Glück überschaubar, und so ziehen wir das Frühstück in die Länge, bis der Regen gegen 10.30 Uhr endlich aufhört. Während wir packen, wird es immer heller, und die Wolken bekommen das erste Mal seit vorgestern morgen wieder eine sichtbare Struktur. Als wir um 11 Uhr aufbrechen, beginnt auch die Straße schon abzutrocknen. Ist das etwa schon der sehnsüchtig erwartete Wetterumschwung hin zum besseren? Wir sind verhalten optimistisch und fahren los, bergab entlang der Priegnitz, die uns endgültig aus den Alpen heraus führen soll. Bis die Straße ganz trocken ist, sind wir zwar völlig verdreckt, aber als wir dann nach etwa 15 Kilometern das erste bisschen blauen Himmel sehen, bessert sich die Laune immer mehr.
Die Euphorie hat uns wieder gepackt, als wir das Priegnitztal verlassen, und uns – inzwischen in der Ebene des Wiener Beckens angelangt – nach Norden wenden. Die Wolkenlücken werden immer größer, und zeitweise kommt sogar die Sonne heraus. Eine stark befahrene, nicht besonders schöne Bundesstraße führt uns Richtung Wien, die Gegend wird langsam auch immer großstädtischer, doch wir können mit hohem Tempo fahren und machen so Boden gut. Bis 14 Uhr haben wir Traiskirchen erreicht, wo wir beschließen, Mittagspause zu machen, das erste Mal seit drei Tagen unter freiem Himmel. Das Mittagessen fällt jedoch eher kurz aus, nicht nur weil uns ein eher aufdringlicher Mann, während er zwei Dosenbier trinkt, seine mit Schicksalsschlägen gespickte Lebensgeschichte erzählt, sondern auch, weil von Osten eine schwarze Gewitterfront immer näher kommt. Nach dem überstürzten Aufbruch bleibt es noch gut zehn Minuten trocken, dann zwingt uns ein heftiges Gewitter zur Flucht in einen Supermarkt. Da wir gut im Zeitplan liegen und keine Lust haben, schon wieder nass zu werden, beschließen wir, das schlechte Wetter auszusitzen, und nach einer Stunde Wartezeit kommt auch wieder die Sonne heraus.
Wir setzen unsere Reise nach Wien fort, schließlich sind wir längst in den Vororten angelangt. Die Straße wandelt sich immer mehr zu einer Vorstadtautobahn und wird für uns immer unerträglicher. Zu allem Überfluss sind wir auch noch mitten in die Rushhour gekommen, doch mangels Alternative müssen wir auf der Bundesstraße bleiben. Gegen 17 Uhr überschreiten wir die Stadtgrenze nach Wien. An den Großstadttrubel müssen wir uns nach fast drei Wochen in mehr oder weniger entlegenen Alpenregionen wohl erst mal wieder gewöhnen. Straßenbahnschienen auf der Straße, rücksichtslose Autofahrer, viele Einbahnstraßen und schlecht ausgeschilderte Radwege (falls überhaupt vorhanden) machen Wien nicht gerade zu einer fahrradfreundlichen Stadt, doch wir schlagen uns tapfer durch den Großstadtdschungel und erreichen schließlich die Innenstadt.
Die Touristeninformation im Rathaus hat leider schon geschlossen, doch wir finden dann dank telefonischer Hilfe von Johannes Vater ein Quartier, das zwar fast schon im Wienerwald, aber dafür auch in unserer Preiskategorie liegt. Abendessen haben wir auch gerade noch rechtzeitig vor Ladenschluss gekauft, und als wir uns und unsere Räder im Hotel einquartiert und gegessen haben, ist der Tag auch schon fast vorbei. Im Vorstadtbahnhof trinken wir noch ein Bier und beschließen, dass wir zufrieden sind. Wir haben endgültig die Berge hinter uns gelassen, wir haben Wien erreicht, wir haben morgen einen Ruhetag, und wir haben endlich auch wieder begründete Aussicht auf besseres Wetter.
Der Dauerregen geht weiter, doch die für heute geplante Distanz ist zum Glück überschaubar, und so ziehen wir das Frühstück in die Länge, bis der Regen gegen 10.30 Uhr endlich aufhört. Während wir packen, wird es immer heller, und die Wolken bekommen das erste Mal seit vorgestern morgen wieder eine sichtbare Struktur. Als wir um 11 Uhr aufbrechen, beginnt auch die Straße schon abzutrocknen. Ist das etwa schon der sehnsüchtig erwartete Wetterumschwung hin zum besseren? Wir sind verhalten optimistisch und fahren los, bergab entlang der Priegnitz, die uns endgültig aus den Alpen heraus führen soll. Bis die Straße ganz trocken ist, sind wir zwar völlig verdreckt, aber als wir dann nach etwa 15 Kilometern das erste bisschen blauen Himmel sehen, bessert sich die Laune immer mehr.
Die Euphorie hat uns wieder gepackt, als wir das Priegnitztal verlassen, und uns – inzwischen in der Ebene des Wiener Beckens angelangt – nach Norden wenden. Die Wolkenlücken werden immer größer, und zeitweise kommt sogar die Sonne heraus. Eine stark befahrene, nicht besonders schöne Bundesstraße führt uns Richtung Wien, die Gegend wird langsam auch immer großstädtischer, doch wir können mit hohem Tempo fahren und machen so Boden gut. Bis 14 Uhr haben wir Traiskirchen erreicht, wo wir beschließen, Mittagspause zu machen, das erste Mal seit drei Tagen unter freiem Himmel. Das Mittagessen fällt jedoch eher kurz aus, nicht nur weil uns ein eher aufdringlicher Mann, während er zwei Dosenbier trinkt, seine mit Schicksalsschlägen gespickte Lebensgeschichte erzählt, sondern auch, weil von Osten eine schwarze Gewitterfront immer näher kommt. Nach dem überstürzten Aufbruch bleibt es noch gut zehn Minuten trocken, dann zwingt uns ein heftiges Gewitter zur Flucht in einen Supermarkt. Da wir gut im Zeitplan liegen und keine Lust haben, schon wieder nass zu werden, beschließen wir, das schlechte Wetter auszusitzen, und nach einer Stunde Wartezeit kommt auch wieder die Sonne heraus.
Wir setzen unsere Reise nach Wien fort, schließlich sind wir längst in den Vororten angelangt. Die Straße wandelt sich immer mehr zu einer Vorstadtautobahn und wird für uns immer unerträglicher. Zu allem Überfluss sind wir auch noch mitten in die Rushhour gekommen, doch mangels Alternative müssen wir auf der Bundesstraße bleiben. Gegen 17 Uhr überschreiten wir die Stadtgrenze nach Wien. An den Großstadttrubel müssen wir uns nach fast drei Wochen in mehr oder weniger entlegenen Alpenregionen wohl erst mal wieder gewöhnen. Straßenbahnschienen auf der Straße, rücksichtslose Autofahrer, viele Einbahnstraßen und schlecht ausgeschilderte Radwege (falls überhaupt vorhanden) machen Wien nicht gerade zu einer fahrradfreundlichen Stadt, doch wir schlagen uns tapfer durch den Großstadtdschungel und erreichen schließlich die Innenstadt.
Die Touristeninformation im Rathaus hat leider schon geschlossen, doch wir finden dann dank telefonischer Hilfe von Johannes Vater ein Quartier, das zwar fast schon im Wienerwald, aber dafür auch in unserer Preiskategorie liegt. Abendessen haben wir auch gerade noch rechtzeitig vor Ladenschluss gekauft, und als wir uns und unsere Räder im Hotel einquartiert und gegessen haben, ist der Tag auch schon fast vorbei. Im Vorstadtbahnhof trinken wir noch ein Bier und beschließen, dass wir zufrieden sind. Wir haben endgültig die Berge hinter uns gelassen, wir haben Wien erreicht, wir haben morgen einen Ruhetag, und wir haben endlich auch wieder begründete Aussicht auf besseres Wetter.
Von majortom –
Nach den Hochwassertagen freuen wir uns jetzt besonders auf diesen Ruhetag, und da wir nun fast schon am Ende unserer Reise sind, soll heute der richtige Urlaub beginnen. Bevor wir uns ins Großstadtleben und auf die Sehenswürdigkeiten stürzen, müssen wir uns jedoch um neue Hinterreifen kümmern, da die alten die Nässe und das schwere Gepäck wohl nicht vertragen haben und sich nun in ihre Bestandteile auflösen. Bewaffnet mit dem Wiener Telefonbuch fängt Johannes an, sämtliche Radläden in der Innenstadt durchzutelefonieren, jedoch ohne Erfolg. Unsere Reifen hat keiner auf Lager. Als er ungefähr 30 Möglichkeiten durch hat, übergibt er das Telefon entnervt an mich, und tatsächlich habe ich gleich beim ersten Versuch Glück. Also lassen wir uns die Reifen bis zum Nachmittag zurücklegen.
Dann fangen wir mit dem Touristenprogramm an und fahren mit dem Rad in die Stadt, was ohne Hektik und ohne Gepäck, dafür aber mit besserem Orientierungssinn als gestern wesentlich leichter ist. Nachdem wir etwas über den Markt gebummelt sind, und nach einigen Schwierigkeiten – die Wiener Gastronomie befindet sich scheinbar kollektiv im Sommerurlaub – auch eine Möglichkeit zum Mittagessen gefunden haben, klappern wir dann, während wir uns zum Radladen vorarbeiten, die Sehenswürdigkeiten ab. Parlament, Museumsquartier, Rathaus, Hofburg, Sezession, Orangerie – wir machen Sightseeing im Schnelldurchlauf. Nachdem wir dann die Reifen gekauft haben, kehren wir am späten Nachmittag zum Hotel zurück und bringen die Räder wieder in Ordnung.
Nach dem Abendessen an einem Pizzastand machen wir dann einen weiteren Abstecher in die Stadt – dieses Mal ganz gemütlich per U-Bahn. Nachdem wir in einem Internetcafé die Daten aus dem Fahrradcomputer sichergestellt haben, setzen wir das Touristenprogramm mit dem Programmpunkt „Wien bei Nacht” fort, und schlendern ein bisschen durch die Innenstadt, am Stephansdom vorbei ins Universitäts- und Kneipenviertel. Um das wirkliche Nachtleben kennen zu lernen, fehlt uns jedoch die Energie, und so beschließen wir gegen halb zwölf, dass wir genug gesehen haben. Das letzte Bier des Tages nehmen wir dann lieber nicht in einem Szenelokal im sogenannten Bermudadreieck zu uns, sondern in der Stamm- und Bahnhofskneipe in unserem Vorort, und wir kommen uns nun schon fast wie wirkliche Touristen vor.
Dann fangen wir mit dem Touristenprogramm an und fahren mit dem Rad in die Stadt, was ohne Hektik und ohne Gepäck, dafür aber mit besserem Orientierungssinn als gestern wesentlich leichter ist. Nachdem wir etwas über den Markt gebummelt sind, und nach einigen Schwierigkeiten – die Wiener Gastronomie befindet sich scheinbar kollektiv im Sommerurlaub – auch eine Möglichkeit zum Mittagessen gefunden haben, klappern wir dann, während wir uns zum Radladen vorarbeiten, die Sehenswürdigkeiten ab. Parlament, Museumsquartier, Rathaus, Hofburg, Sezession, Orangerie – wir machen Sightseeing im Schnelldurchlauf. Nachdem wir dann die Reifen gekauft haben, kehren wir am späten Nachmittag zum Hotel zurück und bringen die Räder wieder in Ordnung.
Nach dem Abendessen an einem Pizzastand machen wir dann einen weiteren Abstecher in die Stadt – dieses Mal ganz gemütlich per U-Bahn. Nachdem wir in einem Internetcafé die Daten aus dem Fahrradcomputer sichergestellt haben, setzen wir das Touristenprogramm mit dem Programmpunkt „Wien bei Nacht” fort, und schlendern ein bisschen durch die Innenstadt, am Stephansdom vorbei ins Universitäts- und Kneipenviertel. Um das wirkliche Nachtleben kennen zu lernen, fehlt uns jedoch die Energie, und so beschließen wir gegen halb zwölf, dass wir genug gesehen haben. Das letzte Bier des Tages nehmen wir dann lieber nicht in einem Szenelokal im sogenannten Bermudadreieck zu uns, sondern in der Stamm- und Bahnhofskneipe in unserem Vorort, und wir kommen uns nun schon fast wie wirkliche Touristen vor.
Von majortom –
Nach dem Touristen- und Ruhetag gestern, an dem das Wetter weitgehend gehalten hat, fühlen wir uns heute wieder erholt und freuen uns darauf, die Reise bei Trockenheit fortzusetzen. Knapp 350 Kilometer ist Budapest noch entfernt, doch auch wenn es nur noch flach an der Donau entlang geht, ist das noch ein ganz schönes Stück, und wir haben – da wir von unserem Ziel auch noch etwas sehen wollen – beschlossen, morgen Abend dort anzukommen. Dass aus diesem Plan wohl nichts wird, wird uns dann klar, als wir aufbrechen wollen: mein Hinterrad eiert wie verrückt, und bei genauerem Hinsehen entdecken wir einen zwei Zentimeter langen Riss in der Felge. Es scheint so, als müssten wir unseren Aufenthalt in Wien noch einmal verlängern. Wir checken dennoch aus dem Hotel aus, und steuern dann als erstes den Radladen an, den wir noch von gestern in guter Erinnerung haben. Das Austauschen der Felge wird jedoch bis zum Nachmittag brauchen.
Also verlängern wir gezwungenermaßen das Sightseeing um einen weiteren halben Tag, und schauen uns die Wiener Innenstadt noch einmal bei Tag an. Nach einem Mittagessen am Universitätsplatz und einer Runde Tee und Kuchen im Kaffeehaus ist mein Rad dann gegen 16.30 Uhr wieder einsatzklar. Johannes und ich brauchen nicht lange, um die Situation zu besprechen, denn wir wissen beide, dass wir – wenn wir Budapest noch sehen wollen – heute noch so weit wie möglich kommen müssen, auf jeden Fall noch bis Bratislava.
Die erste Herausforderung auf unserem Weg in die Slowakei ist jedoch der Weg aus Wien heraus, denn der Radweg am Donaukanal entlang ist gerade wegen Bauarbeiten gesperrt, und so müssen wir uns wieder einmal mit den Wiener Einbahnstraßen auseinandersetzen. Als wir dann die Praterallee erreichen, können wir durch hohes Tempo wieder einiges an verlorener Zeit herein holen, die wir jedoch wieder verlieren, als wir die richtige Donaubrücke verfehlen. Der Donau-Radweg, der angeblich so toll ausgeschildert ist, überzeugt uns bisher gar nicht. Und noch ein Problem wird uns jetzt bewusst, als wir die Wiener Außenbezirke auf dem Damm passieren: natürlich fließt das ganze Unwetterhochwasser aus Österreich und Bayern nun über die Donau ab, so dass man nun fast schon dabei zusehen kann, wie der Pegelstand stetig steigt. Auch der Radweg steht zum Teil schon unter Wasser.
Im Ölhafen verfehlen wir wegen miserabler Ausschilderung wieder den Weg, finden dann schließlich aber doch den Marchfelddamm, der uns weiter durch die Donauauen führen soll. Auf dem breiten asphaltierten Radweg machen wir nun richtig Tempo, halten einen Schnitt von weit über dreißig, kommen jedoch wiederum nicht weit. Kurz vor Schönau steht eine Brücke, die uns über einen unbedeutenden Donauzuflussbach führen sollte, komplett unter Wasser. Die Flussrichtung in diesem Bach hat sich umgekehrt, das Wasser fließt jetzt nicht in die Donau, sondern aus der Donau heraus. Wir entscheiden uns dafür, weiter auf dem Damm zu bleiben, auch wenn es hier nur noch einen unbefestigten Feldweg gibt. Warum manche Radfahrer freiwillig solches Gelände den Straßen vorziehen, können wir im Moment wirklich nicht verstehen. Gut 500 Meter weit kommen wir noch, dann endet auch der Damm, weil Donau und Bach hier zusammen fließen. Während wir von Stechmücken fast aufgefressen werden, erkundigt sich Johannes über den Bach hinweg bei einem Spaziergänger, wo es vielleicht noch eine passierbare Brücke gibt.
Es bleibt uns nichts anderes übrig, als umzukehren, und etwa zwölf Kilometer Umweg in Kauf zu nehmen. Die Brücke, die uns beschrieben wurde, ist tatsächlich noch passierbar, allerdings fehlen der Donau gerade einmal noch zwei Zentimeter. In einer Stunde wäre wohl auch hier kein Durchkommen mehr. Auf diesem Umweg erreichen wir schließlich Schönau, und auch die Stelle, von wo aus uns vorhin der ortskundige Spaziergänger per Zuruf den Weg erklärt hat. Etwas mehr als eine halbe Stunde haben wir verloren, die Uhr zeigt 19.30 Uhr, und lange haben wir auch kein Tageslicht mehr. Bratislava heute noch zu erreichen, können wir wohl vergessen, und auch Hainburg, der letzte Ort auf österreichischem Boden, ist in weite Ferne gerückt.
Tatsächlich schaffen wir es noch sieben Kilometer weit bis Orth an der Donau. Nach Orth kommt erst mal neun Kilometer lang kein potentielles Nachtquartier mehr, und so zwingt uns die Dunkelheit jetzt zum Abbruch der Etappe. Nach einigem Suchen – inzwischen ist die Nacht auch endgültig herein gebrochen – finden wir schließlich auch eine Pension, die uns aufnimmt. Unser Vermieter macht zwar zur Bedingung, dass wir mit ihm um spätestens sieben Uhr morgens das Haus verlassen, da er mit einer Gruppe Gäste nach Wien fährt, doch da wir morgen jede Menge heute versäumter Kilometer nachzuholen haben, ist uns das ein willkommener Anlass, morgen auch wirklich früh aufzustehen. Auch wenn an diesem Tag rückblickend so ziemlich alles schief gegangen ist, lassen wir uns die mühevoll zurückgewonnene Urlaubsstimmung jetzt nicht mehr vermiesen. Im Gasthaus gegenüber bekommen wir ein hervorragendes Abendessen, informieren uns per Fernsehen noch über die für morgen guten Wetteraussichten und träumen dann von der Ankunft in Budapest.
Also verlängern wir gezwungenermaßen das Sightseeing um einen weiteren halben Tag, und schauen uns die Wiener Innenstadt noch einmal bei Tag an. Nach einem Mittagessen am Universitätsplatz und einer Runde Tee und Kuchen im Kaffeehaus ist mein Rad dann gegen 16.30 Uhr wieder einsatzklar. Johannes und ich brauchen nicht lange, um die Situation zu besprechen, denn wir wissen beide, dass wir – wenn wir Budapest noch sehen wollen – heute noch so weit wie möglich kommen müssen, auf jeden Fall noch bis Bratislava.
Die erste Herausforderung auf unserem Weg in die Slowakei ist jedoch der Weg aus Wien heraus, denn der Radweg am Donaukanal entlang ist gerade wegen Bauarbeiten gesperrt, und so müssen wir uns wieder einmal mit den Wiener Einbahnstraßen auseinandersetzen. Als wir dann die Praterallee erreichen, können wir durch hohes Tempo wieder einiges an verlorener Zeit herein holen, die wir jedoch wieder verlieren, als wir die richtige Donaubrücke verfehlen. Der Donau-Radweg, der angeblich so toll ausgeschildert ist, überzeugt uns bisher gar nicht. Und noch ein Problem wird uns jetzt bewusst, als wir die Wiener Außenbezirke auf dem Damm passieren: natürlich fließt das ganze Unwetterhochwasser aus Österreich und Bayern nun über die Donau ab, so dass man nun fast schon dabei zusehen kann, wie der Pegelstand stetig steigt. Auch der Radweg steht zum Teil schon unter Wasser.
Im Ölhafen verfehlen wir wegen miserabler Ausschilderung wieder den Weg, finden dann schließlich aber doch den Marchfelddamm, der uns weiter durch die Donauauen führen soll. Auf dem breiten asphaltierten Radweg machen wir nun richtig Tempo, halten einen Schnitt von weit über dreißig, kommen jedoch wiederum nicht weit. Kurz vor Schönau steht eine Brücke, die uns über einen unbedeutenden Donauzuflussbach führen sollte, komplett unter Wasser. Die Flussrichtung in diesem Bach hat sich umgekehrt, das Wasser fließt jetzt nicht in die Donau, sondern aus der Donau heraus. Wir entscheiden uns dafür, weiter auf dem Damm zu bleiben, auch wenn es hier nur noch einen unbefestigten Feldweg gibt. Warum manche Radfahrer freiwillig solches Gelände den Straßen vorziehen, können wir im Moment wirklich nicht verstehen. Gut 500 Meter weit kommen wir noch, dann endet auch der Damm, weil Donau und Bach hier zusammen fließen. Während wir von Stechmücken fast aufgefressen werden, erkundigt sich Johannes über den Bach hinweg bei einem Spaziergänger, wo es vielleicht noch eine passierbare Brücke gibt.
Es bleibt uns nichts anderes übrig, als umzukehren, und etwa zwölf Kilometer Umweg in Kauf zu nehmen. Die Brücke, die uns beschrieben wurde, ist tatsächlich noch passierbar, allerdings fehlen der Donau gerade einmal noch zwei Zentimeter. In einer Stunde wäre wohl auch hier kein Durchkommen mehr. Auf diesem Umweg erreichen wir schließlich Schönau, und auch die Stelle, von wo aus uns vorhin der ortskundige Spaziergänger per Zuruf den Weg erklärt hat. Etwas mehr als eine halbe Stunde haben wir verloren, die Uhr zeigt 19.30 Uhr, und lange haben wir auch kein Tageslicht mehr. Bratislava heute noch zu erreichen, können wir wohl vergessen, und auch Hainburg, der letzte Ort auf österreichischem Boden, ist in weite Ferne gerückt.
Tatsächlich schaffen wir es noch sieben Kilometer weit bis Orth an der Donau. Nach Orth kommt erst mal neun Kilometer lang kein potentielles Nachtquartier mehr, und so zwingt uns die Dunkelheit jetzt zum Abbruch der Etappe. Nach einigem Suchen – inzwischen ist die Nacht auch endgültig herein gebrochen – finden wir schließlich auch eine Pension, die uns aufnimmt. Unser Vermieter macht zwar zur Bedingung, dass wir mit ihm um spätestens sieben Uhr morgens das Haus verlassen, da er mit einer Gruppe Gäste nach Wien fährt, doch da wir morgen jede Menge heute versäumter Kilometer nachzuholen haben, ist uns das ein willkommener Anlass, morgen auch wirklich früh aufzustehen. Auch wenn an diesem Tag rückblickend so ziemlich alles schief gegangen ist, lassen wir uns die mühevoll zurückgewonnene Urlaubsstimmung jetzt nicht mehr vermiesen. Im Gasthaus gegenüber bekommen wir ein hervorragendes Abendessen, informieren uns per Fernsehen noch über die für morgen guten Wetteraussichten und träumen dann von der Ankunft in Budapest.
Von majortom –
Um 6.30 Uhr stehen wir auf, so dass wir auch wirklich pünktlich um sieben Uhr unser Quartier verlassen können. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, es ist neblig und bitter kalt, aber wir können schon jetzt erahnen, dass der Sommer heute wohl endgültig zurückkehren wird. Nachdem wir in einer Bäckerei gefrühstückt haben, verlassen wir Orth so gegen acht Uhr und kehren auf den Donauradweg zurück, der weiter auf dem Damm verläuft. Der Belag ist ziemlich schlecht, an Kreuzungen teilweise nur Schotter, und dann Höhe Stopfenreuth vier Kilometer Schotter am Stück. Wie mag das wohl erst in der Slowakei und in Ungarn aussehen, wo die Radweg- und Straßenbaubudgets sicher geringer sind als in Österreich? Dann wechseln wir per Brücke das Donauufer und erreichen kurz darauf Hainburg, wo der Radweg direkt am Ufer zwar wieder unter Wasser steht, aber der Umweg durch den Ort kein Problem darstellt. Ab Hainburg führt der Radweg dann parallel zur Bundesstraße, und nach etwa zwölf Kilometern erreichen wir die Grenze zur Slowakei. Zum fünften Mal überschreiten wir nun eine Landesgrenze, und zum ersten Mal werden wir ernsthaft kontrolliert. Doch nach einem kurzen Blick in unsere Pässe ist es auch hier getan, und wir betreten das fünfte Land unserer Reise.
Sofort nach der Grenze werden wir wieder auf einen Radweg gelotst, der von der Qualität her durchaus mit dem österreichischen mithalten kann, und der uns abseits der Hauptstraße wieder zur Donau zurück führt. Inzwischen ist der Tag endgültig sonnig und warm geworden, der Nebel hat sich aufgelöst, und der Himmel ist wieder strahlend blau. Bratislava liegt am nördlichen Ufer, und am südlichen Ufer passieren wir die Hauptstadt der Slowakei ohne jeden Großstadtdschungel relativ bequem. Für eine Pause ist keine Zeit; da wir ja von Bratislava aus zurück nach Stuttgart fliegen wollen, verschieben wir die Stadtbesichtigung eben noch um ein paar Tage. Ein ausgezeichnet ausgebauter Radweg führt uns weiter entlang der Donau, die hier in der Slowakei stark kanalisiert ist und landschaftlich gesehen dem Vergleich mit den österreichischen Donauauen bei weitem nicht stand hält. Wir können uns also voll und ganz auf die noch vor uns liegenden Kilometer konzentrieren, und versuchen, schon am Vormittag so viele davon wie möglich hinter uns zu bringen.
Nach 16 Kilometern erreichen wir Cunovo. Ab hier ist der Fluss zur Energiegewinnung zu einem gigantischen See aufgestaut, und wir sehen nur noch Donau bis zum Horizont. Zur Zeit, bei Hochwasser, sind diese Wassermassen wohl noch eindrucksvoller als sonst. Der Radweg führt uns jetzt auf den Damm, der die eigentliche Donau, die gleichzeitig die Grenze zu Ungarn darstellt, und den Stausee voneinander trennt. Auf flacher, fast schnurgerader Straße bringen wir, uns regelmäßig im Wind abwechselnd, mit hohem Tempo weitere 30 Kilometer hinter uns. Auf Höhe von Gabcikovo wechseln wir dann ans nordwestliche Ufer, aus dem Stausee wird wieder ein Kanal, und wir kommen weiter gut voran. Gegen 12.30 Uhr erreichen wir Medved’ov, wo Donau und Kanal wieder zusammen fließen, der Fluss wieder seinem natürlichen Lauf folgt, und der Radwanderweg uns nun über praktisch unbefahrene Landstraßen durch die Dörfer führt. Seltsamerweise gibt es in allen Dörfern an jeder Straßenecke Lautsprecher, über die wohl zur Mittagszeit wichtige Durchsagen gemacht werden; genau können wir das jedoch nicht beurteilen, da wir kein einziges Wort slowakisch verstehen.
Ich fühle mich heute nicht besonders gut. Keine Ahnung, ob mir die wiedergekehrte Hitze, das frühe Aufstehen heute Morgen oder vielleicht sogar ein beginnender Infekt Probleme macht, auf jeden Fall werde ich von Magenkrämpfen geplagt, die auf dem Weg über die Dörfer immer heftiger werden. Ich muss mich ziemlich quälen und überlasse Johannes den Großteil der Führungsarbeit. Um 13 Uhr kommen wir in Cicov an, einem etwas größeren Dorf, wo es auch einen Supermarkt gibt, doch da wir heute Morgen an der Grenze keine Gelegenheit hatten, Geld einzutauschen, stehen wir nun mit unseren Euroscheinen ziemlich hilflos da. Wir befinden uns allerdings auch schon in der tiefsten slowakischen Provinz, wo sich Touristen wohl nur selten hin verirren. Man begegnet uns ziemlich misstrauisch und macht auch keinen Versuch, die Sprachbarriere zu überwinden. Zum ersten Mal auf unserer Tour kommen wir uns wirklich so fremd vor, wie wir es eigentlich ja auch sind.
Obwohl wir hier nichts zu Essen bekommen, machen wir eine halbe Stunde Pause, weil ich hoffe, dass sich so mein Magen wieder etwas beruhigen kann. Tatsächlich geht es mir danach wesentlich besser, und ich kann mich wieder verstärkt an der Tempoarbeit beteiligen. Da wir jedoch zunehmend Hunger bekommen, nimmt unsere Durchschnittsgeschwindigkeit jetzt stetig ab. Unsere Rettung ist ein Apfelbaum am Straßenrand kurz vor Okanikovo, von dem wir uns eine Notration ernten. Ab hier sind es noch 17 Kilometer bis Komárno, einer größeren Stadt, die wir aus so ziemlich letzter Kraft bewältigen. Am Ortseingang von Komárno gibt es verschiedene große Supermärkte, die allesamt zu deutschen und österreichischen Ketten gehören; hier zeigt sich nun deutlich der westliche Einfluss, von dem auf den Dörfern noch überhaupt nichts zu sehen war. An der Grenze nach Ungarn können wir endlich Geld tauschen, und uns dann Zutaten für ein spätes Mittagessen kaufen, dass wir auf einer Bank im Stadtpark kochen.
155 Kilometer haben wir bis hier schon zurück gelegt, eigentlich schon längst eine volle Etappendistanz, doch wir wollen unbedingt heute noch bis Ungarn kommen. Mein Magen hat das Essen auch gut vertragen, und so kehren wir gegen 16.30 Uhr wieder zurück auf die Straße. Einen als solchen ausgeschilderten Radweg gibt es längst nicht mehr, und wir fahren auf der (allerdings nur mäßig stark befahrenen) Bundesstraße 63 weiter nach Osten. Nachdem wir schon den ganzen Tag in der Ebene gefahren sind, wird das Terrain um uns herum nun zunehmend hügeliger, doch für uns als alpenerfahrene Tourenradler ist das immer noch ein ziemlicher Witz, und wir können – frisch gestärkt – wieder kräftig auf die Tube drücken. Bei Moca fahren wir noch einmal ein kurzes Stück auf dem Damm, kehren kurz vor Muzla jedoch auf die Bundesstraße zurück, die uns weiter Richtung Stúrovo führt. Ein kurzer Anstieg in Muzla, der einzige des Tages, kann uns auch nicht mehr aufhalten, und das Überschreiten der 200-Kilometer-Marke verschafft uns noch einmal Motivation. Bei untergehender Sonne erreichen wir Stúrovo und überschreiten hier sowohl die Donau als auch die Grenze nach Ungarn. Von der Grenzbrücke aus bestaunen wir für einen Moment die wunderschöne Aussicht auf die im Abendlicht leuchtende Festung von Esztergom.
Damit sind wir in Ungarn angekommen, dem dritten Land für heute, der sechsten und letzten Gastgebernation unserer Tour quer durch Europa. Bis Budapest sind es noch ungefähr 70 Kilometer, eine Distanz, die morgen gut zu schaffen wäre, doch wir beschließen trotzdem, heute noch so weit zu fahren, wie wir kommen. Ab Esztergom gibt es wieder einen Radweg direkt an der Donau, und auch hier kommt uns das Hochwasser einige Male ziemlich nahe. Unpassierbar wird der Weg erst nach vier Kilometern, wo normalerweise irgendein winziger Bach in die Donau fließt. Während wieder einmal die Mücken über uns her fallen, schleppen wir unsere Räder durch die Wiese in Richtung höher gelegenem Land – die Alternative wäre Umkehren nach Esztergom gewesen. Wie geplant stoßen wir auf die Hauptstraße. Nachdem wir uns an einem Kiosk noch einmal mit ungarischem Bier gestärkt haben, nehmen wir die letzten Kilometer bei völliger Dunkelheit in Angriff. Kurz vor Pilismarót kommt uns dann noch ein Rennradler entgegen, der uns mit aufgeregten Gesten zum Anhalten bringt. Er hat einen Platten, und wir helfen ihm mit unserer Pumpe aus. Wie lange er schon auf der Felge fährt, bekommen wir leider nicht heraus, da ein paar Wörter französisch unsere einzige sprachliche Schnittmenge darstellen, doch gemessen an seiner überschwänglichen Dankbarkeit waren wir wohl seine letzte Rettung.
Nach einigem hin und her und mit tatkräftiger Unterstützung von fast der gesamten Dorfbevölkerung (die uns bereitwillig auf ungarisch Auskunft erteilt) finden wir in Pilismarót schließlich auch ein Nachtquartier in einer Art Ferienwohnung. Unsere überaus freundliche Wirtin – die ungarische Gastfreundschaft lässt wirklich bisher kaum Wünsche offen – bietet uns dann sogar noch an, für uns Abendessen zu kochen, was wir auch gerne annehmen. Es schmeckt ausgezeichnet und ist reichlich – nach über 220 Kilometern auf der Straße und Durchquerung der Slowakei in einem einzigen Tag also genau das, was wir brauchen. Während Johannes, eindeutig der bessere Smalltalker von uns beiden, sich mit der Wirtin unterhält, konzentriere ich mich lieber auf das Bier und den 7-jährigen Obstler, den sie uns serviert. Wir haben nach diesem langen Tag jetzt zwar ziemlich feste Beine, aber mehr denn je haben wir heute Abend das große Ziel vor Augen.
Sofort nach der Grenze werden wir wieder auf einen Radweg gelotst, der von der Qualität her durchaus mit dem österreichischen mithalten kann, und der uns abseits der Hauptstraße wieder zur Donau zurück führt. Inzwischen ist der Tag endgültig sonnig und warm geworden, der Nebel hat sich aufgelöst, und der Himmel ist wieder strahlend blau. Bratislava liegt am nördlichen Ufer, und am südlichen Ufer passieren wir die Hauptstadt der Slowakei ohne jeden Großstadtdschungel relativ bequem. Für eine Pause ist keine Zeit; da wir ja von Bratislava aus zurück nach Stuttgart fliegen wollen, verschieben wir die Stadtbesichtigung eben noch um ein paar Tage. Ein ausgezeichnet ausgebauter Radweg führt uns weiter entlang der Donau, die hier in der Slowakei stark kanalisiert ist und landschaftlich gesehen dem Vergleich mit den österreichischen Donauauen bei weitem nicht stand hält. Wir können uns also voll und ganz auf die noch vor uns liegenden Kilometer konzentrieren, und versuchen, schon am Vormittag so viele davon wie möglich hinter uns zu bringen.
Nach 16 Kilometern erreichen wir Cunovo. Ab hier ist der Fluss zur Energiegewinnung zu einem gigantischen See aufgestaut, und wir sehen nur noch Donau bis zum Horizont. Zur Zeit, bei Hochwasser, sind diese Wassermassen wohl noch eindrucksvoller als sonst. Der Radweg führt uns jetzt auf den Damm, der die eigentliche Donau, die gleichzeitig die Grenze zu Ungarn darstellt, und den Stausee voneinander trennt. Auf flacher, fast schnurgerader Straße bringen wir, uns regelmäßig im Wind abwechselnd, mit hohem Tempo weitere 30 Kilometer hinter uns. Auf Höhe von Gabcikovo wechseln wir dann ans nordwestliche Ufer, aus dem Stausee wird wieder ein Kanal, und wir kommen weiter gut voran. Gegen 12.30 Uhr erreichen wir Medved’ov, wo Donau und Kanal wieder zusammen fließen, der Fluss wieder seinem natürlichen Lauf folgt, und der Radwanderweg uns nun über praktisch unbefahrene Landstraßen durch die Dörfer führt. Seltsamerweise gibt es in allen Dörfern an jeder Straßenecke Lautsprecher, über die wohl zur Mittagszeit wichtige Durchsagen gemacht werden; genau können wir das jedoch nicht beurteilen, da wir kein einziges Wort slowakisch verstehen.
Ich fühle mich heute nicht besonders gut. Keine Ahnung, ob mir die wiedergekehrte Hitze, das frühe Aufstehen heute Morgen oder vielleicht sogar ein beginnender Infekt Probleme macht, auf jeden Fall werde ich von Magenkrämpfen geplagt, die auf dem Weg über die Dörfer immer heftiger werden. Ich muss mich ziemlich quälen und überlasse Johannes den Großteil der Führungsarbeit. Um 13 Uhr kommen wir in Cicov an, einem etwas größeren Dorf, wo es auch einen Supermarkt gibt, doch da wir heute Morgen an der Grenze keine Gelegenheit hatten, Geld einzutauschen, stehen wir nun mit unseren Euroscheinen ziemlich hilflos da. Wir befinden uns allerdings auch schon in der tiefsten slowakischen Provinz, wo sich Touristen wohl nur selten hin verirren. Man begegnet uns ziemlich misstrauisch und macht auch keinen Versuch, die Sprachbarriere zu überwinden. Zum ersten Mal auf unserer Tour kommen wir uns wirklich so fremd vor, wie wir es eigentlich ja auch sind.
Obwohl wir hier nichts zu Essen bekommen, machen wir eine halbe Stunde Pause, weil ich hoffe, dass sich so mein Magen wieder etwas beruhigen kann. Tatsächlich geht es mir danach wesentlich besser, und ich kann mich wieder verstärkt an der Tempoarbeit beteiligen. Da wir jedoch zunehmend Hunger bekommen, nimmt unsere Durchschnittsgeschwindigkeit jetzt stetig ab. Unsere Rettung ist ein Apfelbaum am Straßenrand kurz vor Okanikovo, von dem wir uns eine Notration ernten. Ab hier sind es noch 17 Kilometer bis Komárno, einer größeren Stadt, die wir aus so ziemlich letzter Kraft bewältigen. Am Ortseingang von Komárno gibt es verschiedene große Supermärkte, die allesamt zu deutschen und österreichischen Ketten gehören; hier zeigt sich nun deutlich der westliche Einfluss, von dem auf den Dörfern noch überhaupt nichts zu sehen war. An der Grenze nach Ungarn können wir endlich Geld tauschen, und uns dann Zutaten für ein spätes Mittagessen kaufen, dass wir auf einer Bank im Stadtpark kochen.
155 Kilometer haben wir bis hier schon zurück gelegt, eigentlich schon längst eine volle Etappendistanz, doch wir wollen unbedingt heute noch bis Ungarn kommen. Mein Magen hat das Essen auch gut vertragen, und so kehren wir gegen 16.30 Uhr wieder zurück auf die Straße. Einen als solchen ausgeschilderten Radweg gibt es längst nicht mehr, und wir fahren auf der (allerdings nur mäßig stark befahrenen) Bundesstraße 63 weiter nach Osten. Nachdem wir schon den ganzen Tag in der Ebene gefahren sind, wird das Terrain um uns herum nun zunehmend hügeliger, doch für uns als alpenerfahrene Tourenradler ist das immer noch ein ziemlicher Witz, und wir können – frisch gestärkt – wieder kräftig auf die Tube drücken. Bei Moca fahren wir noch einmal ein kurzes Stück auf dem Damm, kehren kurz vor Muzla jedoch auf die Bundesstraße zurück, die uns weiter Richtung Stúrovo führt. Ein kurzer Anstieg in Muzla, der einzige des Tages, kann uns auch nicht mehr aufhalten, und das Überschreiten der 200-Kilometer-Marke verschafft uns noch einmal Motivation. Bei untergehender Sonne erreichen wir Stúrovo und überschreiten hier sowohl die Donau als auch die Grenze nach Ungarn. Von der Grenzbrücke aus bestaunen wir für einen Moment die wunderschöne Aussicht auf die im Abendlicht leuchtende Festung von Esztergom.
Damit sind wir in Ungarn angekommen, dem dritten Land für heute, der sechsten und letzten Gastgebernation unserer Tour quer durch Europa. Bis Budapest sind es noch ungefähr 70 Kilometer, eine Distanz, die morgen gut zu schaffen wäre, doch wir beschließen trotzdem, heute noch so weit zu fahren, wie wir kommen. Ab Esztergom gibt es wieder einen Radweg direkt an der Donau, und auch hier kommt uns das Hochwasser einige Male ziemlich nahe. Unpassierbar wird der Weg erst nach vier Kilometern, wo normalerweise irgendein winziger Bach in die Donau fließt. Während wieder einmal die Mücken über uns her fallen, schleppen wir unsere Räder durch die Wiese in Richtung höher gelegenem Land – die Alternative wäre Umkehren nach Esztergom gewesen. Wie geplant stoßen wir auf die Hauptstraße. Nachdem wir uns an einem Kiosk noch einmal mit ungarischem Bier gestärkt haben, nehmen wir die letzten Kilometer bei völliger Dunkelheit in Angriff. Kurz vor Pilismarót kommt uns dann noch ein Rennradler entgegen, der uns mit aufgeregten Gesten zum Anhalten bringt. Er hat einen Platten, und wir helfen ihm mit unserer Pumpe aus. Wie lange er schon auf der Felge fährt, bekommen wir leider nicht heraus, da ein paar Wörter französisch unsere einzige sprachliche Schnittmenge darstellen, doch gemessen an seiner überschwänglichen Dankbarkeit waren wir wohl seine letzte Rettung.
Nach einigem hin und her und mit tatkräftiger Unterstützung von fast der gesamten Dorfbevölkerung (die uns bereitwillig auf ungarisch Auskunft erteilt) finden wir in Pilismarót schließlich auch ein Nachtquartier in einer Art Ferienwohnung. Unsere überaus freundliche Wirtin – die ungarische Gastfreundschaft lässt wirklich bisher kaum Wünsche offen – bietet uns dann sogar noch an, für uns Abendessen zu kochen, was wir auch gerne annehmen. Es schmeckt ausgezeichnet und ist reichlich – nach über 220 Kilometern auf der Straße und Durchquerung der Slowakei in einem einzigen Tag also genau das, was wir brauchen. Während Johannes, eindeutig der bessere Smalltalker von uns beiden, sich mit der Wirtin unterhält, konzentriere ich mich lieber auf das Bier und den 7-jährigen Obstler, den sie uns serviert. Wir haben nach diesem langen Tag jetzt zwar ziemlich feste Beine, aber mehr denn je haben wir heute Abend das große Ziel vor Augen.
Von majortom –
Das Frühstück, dass uns von Frau Pergel serviert wird, steht dem gestrigen Abendessen in nichts nach: es ist gut und reichlich. Bis auf das in Ungarn wohl unumgängliche Double aus Paprika und scharfer Salami (das ist uns so früh am Morgen dann doch zu heftig) verputzen wir auch alles, was uns aufgetischt wird. Dann räumen wir unser Quartier und machen uns wieder auf den Weg. Die Aufregung ist so kurz vor dem Ziel noch einmal verdammt groß. Heute steht die letzte Etappe auf dem Programm, dank kurzer Distanz wohl nur noch eine tour dhonneur, doch da wir von Budapest auch noch etwas sehen wollen, schlagen wir auch heute wieder ein ordentliches Tempo an.
Wir folgen weiter dem rechten Donauufer. Da es gestern Abend schon dunkel war, konnten wir gar nicht mehr sehen, wie sehr sich die Landschaft auf den letzten Kilometern verändert hat. Während die Donau zwischen Bratislava und Esztergom durch eine scheinbar endlose Ebene fließt, hat sie sich hier ihren Weg durch eine Hügellandschaft gebahnt und schlängelt sich nun um die Felsen herum. So spektakulär, wie es uns angepriesen wurde, finden wir das legendäre Donauknie jedoch nicht, und auch die königlichen Ruinen in Visegrad, der angeblichen Wiege der ungarischen Kultur, nehmen wir nur im Vorbeifahren zur Kenntnis. Bei Kisoroszi setzen wir dann per Fähre zur Donauinsel Szentendrei Sziget über, wo wir auf weniger Straßenverkehr hoffen. Tatsächlich ist es hier auf der Insel ruhig und idyllisch, landschaftlich gesehen vielleicht etwas öde, aber da wir mit recht hohem Tempo knapp zwanzig Kilometer zurück legen können, macht uns das nichts aus. Dann setzen wir bei Szentendre wieder aufs Festland über. Schlagartig ändert sich das Landschaftsbild, gerade noch auf einer ziemlich verlassenen Insel, sind wir nun schon in einem Vorort der Millionenstadt Budapest. Einen Radweg gibt es auch wieder, der wegen Schotter, riesigen Schlaglöchern und Wurzeln diesen Namen zwar eigentlich kaum verdient hat, doch bei der vierspurigen Schnellstraße, zu der die Hauptstraße inzwischen geworden ist, stellt der Radweg eindeutig die sicherere Alternative dar.
Der Radweg führt parallel zur Hauptstraße, und auch wenn wir wegen seiner schlechten Beschaffenheit kein hohes Tempo mehr fahren können, erreichen wir schließlich unser Ziel. Am Ortsschild von Budapest halten wir an, um unser Siegerfoto zu schießen. Johannes gibt sich alle Mühe, mit Hilfe einer Radkappe eine Konstruktion zu bauen, mit der wir uns per Selbstauslöser ablichten können, doch gerade in diesem Moment geht unserer Kamera der Akku aus. Unsere Freude darüber, endlich am Ziel zu sein, lassen wir uns jedoch nicht nehmen, und verschieben das Siegerfoto eben auf später. Der Radweg führt uns nun von der Hauptstraße weg Richtung Donau, und direkt am Ufer entlang halten wir Einzug nach Budapest. Der Radweg ist wieder extrem schlecht in Schuss, dennoch werden diese letzten Kilometer unserer Tour, die uns durch ganz Europa geführt hat, zu der Triumphfahrt, die wir uns selbst versprochen haben.
Immer tiefer dringen wir nach Budapest ein, und die Stadt beeindruckt uns immer mehr. Die Donau, die die Hauptstadt Ungarns in die zwei Stadtteile Buda und Pest teilt, macht sich gleichzeitig auch zum Mittelpunkt der Stadt. Ein gigantischer Fluss, umso mehr bei Hochwasser, doch sieben Brücken, darunter die berühmte Kettenbrücke, machen eine gemeinsame Stadt daraus. Rechts liegt Pest, der moderne und kulturelle Stadtkern mit dem ungarischen Parlament direkt am Donauufer, links von uns auf dem Hügel erhebt sich das historische Budaer Burgviertel mit Fischerbastei und Burgpalast. Wir schieben unseren touristischen Angriff auf die Stadt jedoch noch etwas heraus und steuern erst einmal den Bahnhof Keleti-pu an, um unsere Heimreise zu organisieren. Während es entlang der Donau noch einen durchgehenden Radweg gibt, und man vom Großstadtverkehr weitgehend verschont bleibt, sind wir nun den Autos von Budapest ziemlich hilflos ausgeliefert. Teils auf Gehwegen, teils auf der Busspur, teils schiebend kämpfen wir uns zum Bahnhof vor, und dann – nachdem wir für morgen einen Zug Richtung Bratislava gebucht haben – wieder zurück nach Buda, wo wir in einem in den Sommermonaten zum Travelers Hostel umfunktionierten Studentenwohnheim ein billiges Quartier finden. Unser Zimmer ist winzig, die Duschen sind gemischt und haben keine Türen, und insgesamt vermittelt das Gebäude eher Kasernen- oder Gefängnisatmosphäre, doch irgendwie hat es auch seinen Charme, und wir fühlen uns durchaus wohl.
Viel erleben wir an diesem Abend nicht mehr. Nachdem wir in einem sehr authentischen Gulaschrestaurant gut und billig gespeist haben, ist es auch schon dunkel, und wir laufen noch ein bisschen durch die Stadt. Wir sehen eine (für uns namenlose) Barockkirche, den zentralen Stefansplatz, und die Kettenbrücke, kaufen uns noch Strudel und Bier zum Nachtisch, und kehren dann per Straßenbahn in unsere Baracke zurück. Während vor dem Haus noch die Traveler feiern, ziehen wir uns auf unser Zimmer zurück, da wir wohl noch einen Moment Ruhe brauchen, um zu begreifen, dass wir tatsächlich am Ziel angelangt sind. Hatten wir damals, vor drei Wochen beim Aufbruch in Avignon, oder im Februar in Freiburg wirklich daran geglaubt, dass wir so weit kommen würden? Sicher, die Reise ist noch lange nicht zuende, wir müssen irgendwie noch zurück nach Bratislava und dann über Stuttgart nach Freiburg, doch unsere Tour Avignon-Budapest ist es. Nach über drei Wochen und nach fast 2500 Kilometern ist das Ziel endlich erreicht. Irgendwie können wir das noch kaum glauben. Dennoch können wir deutlich spüren, dass heute etwas zu Ende geht, und zwar etwas, dass wir beide, Johannes und ich, nie vergessen werden. Mit Sekt haben wir schon einmal auf den Sieg über die Alpen angestoßen, auf dem Hochtor, unserem letzten Pass, und nun gibt es eben Bier und Strudel in einem acht Quadratmeter großen Zimmer, um den Sieg über die gesamte Tour, die Distanz, die Elemente, und nicht zuletzt uns selbst zu besiegeln.
Wir folgen weiter dem rechten Donauufer. Da es gestern Abend schon dunkel war, konnten wir gar nicht mehr sehen, wie sehr sich die Landschaft auf den letzten Kilometern verändert hat. Während die Donau zwischen Bratislava und Esztergom durch eine scheinbar endlose Ebene fließt, hat sie sich hier ihren Weg durch eine Hügellandschaft gebahnt und schlängelt sich nun um die Felsen herum. So spektakulär, wie es uns angepriesen wurde, finden wir das legendäre Donauknie jedoch nicht, und auch die königlichen Ruinen in Visegrad, der angeblichen Wiege der ungarischen Kultur, nehmen wir nur im Vorbeifahren zur Kenntnis. Bei Kisoroszi setzen wir dann per Fähre zur Donauinsel Szentendrei Sziget über, wo wir auf weniger Straßenverkehr hoffen. Tatsächlich ist es hier auf der Insel ruhig und idyllisch, landschaftlich gesehen vielleicht etwas öde, aber da wir mit recht hohem Tempo knapp zwanzig Kilometer zurück legen können, macht uns das nichts aus. Dann setzen wir bei Szentendre wieder aufs Festland über. Schlagartig ändert sich das Landschaftsbild, gerade noch auf einer ziemlich verlassenen Insel, sind wir nun schon in einem Vorort der Millionenstadt Budapest. Einen Radweg gibt es auch wieder, der wegen Schotter, riesigen Schlaglöchern und Wurzeln diesen Namen zwar eigentlich kaum verdient hat, doch bei der vierspurigen Schnellstraße, zu der die Hauptstraße inzwischen geworden ist, stellt der Radweg eindeutig die sicherere Alternative dar.
Der Radweg führt parallel zur Hauptstraße, und auch wenn wir wegen seiner schlechten Beschaffenheit kein hohes Tempo mehr fahren können, erreichen wir schließlich unser Ziel. Am Ortsschild von Budapest halten wir an, um unser Siegerfoto zu schießen. Johannes gibt sich alle Mühe, mit Hilfe einer Radkappe eine Konstruktion zu bauen, mit der wir uns per Selbstauslöser ablichten können, doch gerade in diesem Moment geht unserer Kamera der Akku aus. Unsere Freude darüber, endlich am Ziel zu sein, lassen wir uns jedoch nicht nehmen, und verschieben das Siegerfoto eben auf später. Der Radweg führt uns nun von der Hauptstraße weg Richtung Donau, und direkt am Ufer entlang halten wir Einzug nach Budapest. Der Radweg ist wieder extrem schlecht in Schuss, dennoch werden diese letzten Kilometer unserer Tour, die uns durch ganz Europa geführt hat, zu der Triumphfahrt, die wir uns selbst versprochen haben.
Immer tiefer dringen wir nach Budapest ein, und die Stadt beeindruckt uns immer mehr. Die Donau, die die Hauptstadt Ungarns in die zwei Stadtteile Buda und Pest teilt, macht sich gleichzeitig auch zum Mittelpunkt der Stadt. Ein gigantischer Fluss, umso mehr bei Hochwasser, doch sieben Brücken, darunter die berühmte Kettenbrücke, machen eine gemeinsame Stadt daraus. Rechts liegt Pest, der moderne und kulturelle Stadtkern mit dem ungarischen Parlament direkt am Donauufer, links von uns auf dem Hügel erhebt sich das historische Budaer Burgviertel mit Fischerbastei und Burgpalast. Wir schieben unseren touristischen Angriff auf die Stadt jedoch noch etwas heraus und steuern erst einmal den Bahnhof Keleti-pu an, um unsere Heimreise zu organisieren. Während es entlang der Donau noch einen durchgehenden Radweg gibt, und man vom Großstadtverkehr weitgehend verschont bleibt, sind wir nun den Autos von Budapest ziemlich hilflos ausgeliefert. Teils auf Gehwegen, teils auf der Busspur, teils schiebend kämpfen wir uns zum Bahnhof vor, und dann – nachdem wir für morgen einen Zug Richtung Bratislava gebucht haben – wieder zurück nach Buda, wo wir in einem in den Sommermonaten zum Travelers Hostel umfunktionierten Studentenwohnheim ein billiges Quartier finden. Unser Zimmer ist winzig, die Duschen sind gemischt und haben keine Türen, und insgesamt vermittelt das Gebäude eher Kasernen- oder Gefängnisatmosphäre, doch irgendwie hat es auch seinen Charme, und wir fühlen uns durchaus wohl.
Viel erleben wir an diesem Abend nicht mehr. Nachdem wir in einem sehr authentischen Gulaschrestaurant gut und billig gespeist haben, ist es auch schon dunkel, und wir laufen noch ein bisschen durch die Stadt. Wir sehen eine (für uns namenlose) Barockkirche, den zentralen Stefansplatz, und die Kettenbrücke, kaufen uns noch Strudel und Bier zum Nachtisch, und kehren dann per Straßenbahn in unsere Baracke zurück. Während vor dem Haus noch die Traveler feiern, ziehen wir uns auf unser Zimmer zurück, da wir wohl noch einen Moment Ruhe brauchen, um zu begreifen, dass wir tatsächlich am Ziel angelangt sind. Hatten wir damals, vor drei Wochen beim Aufbruch in Avignon, oder im Februar in Freiburg wirklich daran geglaubt, dass wir so weit kommen würden? Sicher, die Reise ist noch lange nicht zuende, wir müssen irgendwie noch zurück nach Bratislava und dann über Stuttgart nach Freiburg, doch unsere Tour Avignon-Budapest ist es. Nach über drei Wochen und nach fast 2500 Kilometern ist das Ziel endlich erreicht. Irgendwie können wir das noch kaum glauben. Dennoch können wir deutlich spüren, dass heute etwas zu Ende geht, und zwar etwas, dass wir beide, Johannes und ich, nie vergessen werden. Mit Sekt haben wir schon einmal auf den Sieg über die Alpen angestoßen, auf dem Hochtor, unserem letzten Pass, und nun gibt es eben Bier und Strudel in einem acht Quadratmeter großen Zimmer, um den Sieg über die gesamte Tour, die Distanz, die Elemente, und nicht zuletzt uns selbst zu besiegeln.
Von majortom –
Bis wir dann wieder in Freiburg waren, vergingen noch ein paar Tage, doch ganz im Gegensatz zur eigentlichen Tour vergingen sie wie im Flug.
Am Tag nach unserer Ankunft in Budapest machten wir dann noch Express-Sightseeing, und stellten fest, dass Budapest eine schöne und vor allem auch sehr lebendige Stadt ist, die definitiv auch einmal eine längere Reise wert wäre, und wo es sicher nicht nur kulturell gesehen eine Menge zu erleben gibt. Mit der Straßenbahn fuhren wir ins Zentrum, liefen zum Burgviertel hoch und schlenderten dann ein bisschen durch die Gassen des Viertels. Wir bewunderten Mathiaskirche und Fischerbastei und betrachteten von dort die Aussicht auf die Donau und den Stadtteil Pest mit dem Parlament. Zu Fuß stiegen wir wieder zur Donau ab, nahmen auf dem Weg zur Haltestelle in Pest noch ein paar weitere Sehenswürdigkeiten zur Kenntnis und fuhren dann per Straßenbahn zurück zum Quartier, wo wir Räder und Gepäck auslösten und dann Richtung Bahnhof radelten. Um 14.05 Uhr fuhr unser Zug ab, und das war keine Minute zu früh, denn um 14 Uhr sollte die Budapest Parade, anscheinend die ungarische Ausgabe der Love Parade, beginnen.
Die Zugfahrt quer durch Ungarn war sehr gemütlich, und wir vertrieben uns – was inzwischen schon fast zur Gewohnheit geworden war – die Zeit mit Salami, Strudel und Bier. Am späten Nachmittag kamen wir in Györ an, ca. 80 Kilometer vor Bratislava, einer sehr netten Kleinstadt, wo wir den Abend noch zu einem Stadtbummel nutzten und dann die Nacht im Bahnhofshotel verbrachten. Am nächsten Morgen stiegen wir dann noch einmal aufs Rad, hängten sozusagen noch eine letzte Etappe an. Es gab einen Radweg mäßiger Qualität, und wir radelten über ungarische Dörfer entlang der Mosoni Duna, der kleinen Donau; inzwischen befanden wir uns wieder da, wo die Donau auf slowakischer Seite kanalisiert und aufgestaut ist. Nach und nach setzte noch einmal der Regen ein und zwang uns zu einer kurzen Pause in Dunakiliti, doch als wir dann in Rajka die Grenze zur Slowakei überschritten, hatte sich das Wetter bereits wieder gebessert. Die letzten zwanzig Kilometer nach Bratislava legten wir auf dem Radweg zurück, den wir bereits von der Hinfahrt kannten.
Nachdem wir in Budapest im Traveler’s Hostel relativ günstig übernachtet hatten, versuchten wir es in Bratislava wieder, doch die Hostels waren entweder überfüllt oder verlangten für den wenigen Komfort, den sie bieten, absurd hohe Preise. In einem Vorstadthotel, das zudem noch in der Nähe des Flughafens liegt, was für uns ziemlich praktisch war, fanden wir eine zufriedenstellende Alternative. Den folgenden Tag über hatten wir dann noch Zeit, Bratislava kennen zu lernen. Gegen Mittag fuhren wir mit dem Bus in die Stadt und bestiegen den Hügel zur berühmten Burg. Nachdem wir diese ausgiebig besichtigt hatten, liefen wir, dem sogenannten „Krönungsweg“ folgend, durch die historische Innenstadt. In einer Studentenkneipe gab es dann Mittagessen. Für den Nachmittag waren dann nicht mehr viele Sehenswürdigkeiten übrig, und so verbrachten wir den restlichen Tag – es war sonnig und heiß, wieder ein richtiger Sommertag – auf einer Wiese auf der anderen Seite der Donau, wohl ein bekannter Treffpunkt der Jugend von Bratislava, und machten noch einmal richtig Urlaub. Abends kehrten wir dann ins Hotel zurück, um unser Gepäck für den Flug umzupacken: alle schweren Gegenstände ins Handgepäck. Eigentlich hatten wir geplant, ein Paket mit den schweren Sachen per Post nach Hause zu schicken, was wir jedoch nicht konnten, da die Post wegen Feiertags geschlossen hatte, und so mussten wir angesichts 20 Kilo Gepäcklimit nun eben umdisponieren. Jeder sollte eine Fahrradtasche mit dem Rad als Gepäck aufgeben, und die andere zum Handgepäck machen.
Um 0.30 Uhr gingen wir dann ins Bett, standen um 4.30 Uhr schon wieder auf, frühstückten, und verarbeiteten unsere letzten Vorräte an Brot und Salami zum Reiseproviant. Um 5.30 Uhr waren wir dann abfahrtbereit, und im Morgengrauen radelten wir zum Flughafen. Einen Schock bekamen wir, als uns ein Bediensteter von SkyEurope Airlines mitteilte, dass Fahrräder auf unserem Flug verboten seien, doch als ich auf die Auskunft der deutschen SkyEurope-Hotline verwies, die mir vor der Buchung des Flugs noch versichert hatte, es sei erlaubt, beschlossen sie, eine Ausnahme zu machen. Tatsächlich konnten wir, als wir im Bus zu unserem Flugzeug fuhren, sehen, wie unsere Räder im Gepäckraum auf den Koffern der übrigen Passagiere lagen. Pünktlich um 7 Uhr hoben wir ab. Da ich nicht gern fliege, verzichtete ich auch auf unsere Salamibrötchen.
Die Landung um 8.30 Uhr in Stuttgart war sehr unsanft, aber wir kamen wohlbehalten an. Während wir ausstiegen, hörten wir noch, wie sich die Flughafenarbeiter hinter uns im Gepäckraum über unsere Räder lustig machten. Für eine weitere Halbetappe stiegen wir dann ein wirklich letztes Mal aufs Rad. Wir hätten uns natürlich auch vom Flughafen abholen lassen können, doch wir bestanden darauf, auch die letzten Kilometer aus eigener Kraft zurück zu legen. Einen kurzen Zwischenstop machten wir bei Gabi in Stuttgart-Plieningen, die inzwischen auch wohlbehalten in die Landeshauptstadt zurückgekehrt war. Die ständig leicht ansteigende Mittlere Filderlinie war dann noch einmal sehr kräftezehrend, zumal Johannes ein hohes Tempo vorgab, doch dann, als wir auf der Neuen Weinsteige in den Stuttgarter Talkessel hinein fuhren, jagten wir dann noch ein letztes Mal den Geschwindigkeitsrekord. Kurz darauf machten wir dann an dem Punkt, wo sich zum ersten Mal seit nun fast vier Wochen unsere Wege trennten, noch das verschobene Siegerfoto.
Nach ein paar Tagen Ausruhen im jeweiligen Elternhaus fuhren wir dann nach Freiburg zurück.
Am Tag nach unserer Ankunft in Budapest machten wir dann noch Express-Sightseeing, und stellten fest, dass Budapest eine schöne und vor allem auch sehr lebendige Stadt ist, die definitiv auch einmal eine längere Reise wert wäre, und wo es sicher nicht nur kulturell gesehen eine Menge zu erleben gibt. Mit der Straßenbahn fuhren wir ins Zentrum, liefen zum Burgviertel hoch und schlenderten dann ein bisschen durch die Gassen des Viertels. Wir bewunderten Mathiaskirche und Fischerbastei und betrachteten von dort die Aussicht auf die Donau und den Stadtteil Pest mit dem Parlament. Zu Fuß stiegen wir wieder zur Donau ab, nahmen auf dem Weg zur Haltestelle in Pest noch ein paar weitere Sehenswürdigkeiten zur Kenntnis und fuhren dann per Straßenbahn zurück zum Quartier, wo wir Räder und Gepäck auslösten und dann Richtung Bahnhof radelten. Um 14.05 Uhr fuhr unser Zug ab, und das war keine Minute zu früh, denn um 14 Uhr sollte die Budapest Parade, anscheinend die ungarische Ausgabe der Love Parade, beginnen.
Die Zugfahrt quer durch Ungarn war sehr gemütlich, und wir vertrieben uns – was inzwischen schon fast zur Gewohnheit geworden war – die Zeit mit Salami, Strudel und Bier. Am späten Nachmittag kamen wir in Györ an, ca. 80 Kilometer vor Bratislava, einer sehr netten Kleinstadt, wo wir den Abend noch zu einem Stadtbummel nutzten und dann die Nacht im Bahnhofshotel verbrachten. Am nächsten Morgen stiegen wir dann noch einmal aufs Rad, hängten sozusagen noch eine letzte Etappe an. Es gab einen Radweg mäßiger Qualität, und wir radelten über ungarische Dörfer entlang der Mosoni Duna, der kleinen Donau; inzwischen befanden wir uns wieder da, wo die Donau auf slowakischer Seite kanalisiert und aufgestaut ist. Nach und nach setzte noch einmal der Regen ein und zwang uns zu einer kurzen Pause in Dunakiliti, doch als wir dann in Rajka die Grenze zur Slowakei überschritten, hatte sich das Wetter bereits wieder gebessert. Die letzten zwanzig Kilometer nach Bratislava legten wir auf dem Radweg zurück, den wir bereits von der Hinfahrt kannten.
Nachdem wir in Budapest im Traveler’s Hostel relativ günstig übernachtet hatten, versuchten wir es in Bratislava wieder, doch die Hostels waren entweder überfüllt oder verlangten für den wenigen Komfort, den sie bieten, absurd hohe Preise. In einem Vorstadthotel, das zudem noch in der Nähe des Flughafens liegt, was für uns ziemlich praktisch war, fanden wir eine zufriedenstellende Alternative. Den folgenden Tag über hatten wir dann noch Zeit, Bratislava kennen zu lernen. Gegen Mittag fuhren wir mit dem Bus in die Stadt und bestiegen den Hügel zur berühmten Burg. Nachdem wir diese ausgiebig besichtigt hatten, liefen wir, dem sogenannten „Krönungsweg“ folgend, durch die historische Innenstadt. In einer Studentenkneipe gab es dann Mittagessen. Für den Nachmittag waren dann nicht mehr viele Sehenswürdigkeiten übrig, und so verbrachten wir den restlichen Tag – es war sonnig und heiß, wieder ein richtiger Sommertag – auf einer Wiese auf der anderen Seite der Donau, wohl ein bekannter Treffpunkt der Jugend von Bratislava, und machten noch einmal richtig Urlaub. Abends kehrten wir dann ins Hotel zurück, um unser Gepäck für den Flug umzupacken: alle schweren Gegenstände ins Handgepäck. Eigentlich hatten wir geplant, ein Paket mit den schweren Sachen per Post nach Hause zu schicken, was wir jedoch nicht konnten, da die Post wegen Feiertags geschlossen hatte, und so mussten wir angesichts 20 Kilo Gepäcklimit nun eben umdisponieren. Jeder sollte eine Fahrradtasche mit dem Rad als Gepäck aufgeben, und die andere zum Handgepäck machen.
Um 0.30 Uhr gingen wir dann ins Bett, standen um 4.30 Uhr schon wieder auf, frühstückten, und verarbeiteten unsere letzten Vorräte an Brot und Salami zum Reiseproviant. Um 5.30 Uhr waren wir dann abfahrtbereit, und im Morgengrauen radelten wir zum Flughafen. Einen Schock bekamen wir, als uns ein Bediensteter von SkyEurope Airlines mitteilte, dass Fahrräder auf unserem Flug verboten seien, doch als ich auf die Auskunft der deutschen SkyEurope-Hotline verwies, die mir vor der Buchung des Flugs noch versichert hatte, es sei erlaubt, beschlossen sie, eine Ausnahme zu machen. Tatsächlich konnten wir, als wir im Bus zu unserem Flugzeug fuhren, sehen, wie unsere Räder im Gepäckraum auf den Koffern der übrigen Passagiere lagen. Pünktlich um 7 Uhr hoben wir ab. Da ich nicht gern fliege, verzichtete ich auch auf unsere Salamibrötchen.
Die Landung um 8.30 Uhr in Stuttgart war sehr unsanft, aber wir kamen wohlbehalten an. Während wir ausstiegen, hörten wir noch, wie sich die Flughafenarbeiter hinter uns im Gepäckraum über unsere Räder lustig machten. Für eine weitere Halbetappe stiegen wir dann ein wirklich letztes Mal aufs Rad. Wir hätten uns natürlich auch vom Flughafen abholen lassen können, doch wir bestanden darauf, auch die letzten Kilometer aus eigener Kraft zurück zu legen. Einen kurzen Zwischenstop machten wir bei Gabi in Stuttgart-Plieningen, die inzwischen auch wohlbehalten in die Landeshauptstadt zurückgekehrt war. Die ständig leicht ansteigende Mittlere Filderlinie war dann noch einmal sehr kräftezehrend, zumal Johannes ein hohes Tempo vorgab, doch dann, als wir auf der Neuen Weinsteige in den Stuttgarter Talkessel hinein fuhren, jagten wir dann noch ein letztes Mal den Geschwindigkeitsrekord. Kurz darauf machten wir dann an dem Punkt, wo sich zum ersten Mal seit nun fast vier Wochen unsere Wege trennten, noch das verschobene Siegerfoto.
Nach ein paar Tagen Ausruhen im jeweiligen Elternhaus fuhren wir dann nach Freiburg zurück.
Von majortom –
Am 4. August 2005 waren wir in Avignon aufgebrochen, und am 26. August kamen wir wohlbehalten in Budapest an. Zwischen der Provence- und der Donaumetropole lag eine Alpenüberquerung mit dem Fahrrad. Wir sind durch fast die gesamte Ausdehnung des Gebirges gefahren, von West nach Ost. An 23 Tagen, auf 2435 Kilometern und 27 030 Höhenmetern, in insgesamt 218 Stunden und 34 Minuten auf dem Rad, an 17 Alpenpässen und in sechs europäischen Ländern haben Johannes und ich gemeinsam Höhen und Tiefen erlebt, und das nicht nur in geographischer, sondern auch in emotionaler Hinsicht. Inzwischen sind einige Monate vergangen, es ist Dezember, es ist Winter, das Fahrrad steht im Keller. Doch was geblieben ist, sind Erinnerungen, die wir wohl niemals vergessen werden, sind Eindrücke, die unser junges Leben wohl entscheidend geprägt haben, ist eine Geschichte, die wir wahrscheinlich auch gerne immer wieder erzählen werden.
Es sind Erinnerungen an ereignisreiche drei Wochen, an aufregende drei Wochen, an sehr schöne drei Wochen, aber auch an verdammt harte drei Wochen. Wenn ich schreibe, dass es nicht immer leicht war, dann ist das sicher nicht einmal die halbe Wahrheit, denn es war objektiv betrachtet verdammt schwer. Von den 17 Gipfeln haben wir eigentlich keinen einzigen „gestürmt“, auch wenn wir vielleicht gerne mal das Gefühl vermitteln. Jeder einzelne Höhenmeter war hart erkämpft, mit einem halben Jahr Vorbereitung, mit literweise Schweiß, mit kiloweise Kohlehydraten. Wir haben uns gequält, wir haben gelitten, und wir haben uns trotzdem weiter geschunden. Und nicht nur gegen den die Berge haben wir gekämpft, sondern auch gegen die Distanz, den Wind, den Regen, die Dunkelheit, den Hunger, die eigene Trägheit. Dass wir anscheinend völlig verrückt sind, haben wir uns nicht nur immer wieder von anderen anhören müssen – vor, während und nach der Tour –, auch die innere Stimme hat es uns immer wieder zugeflüstert. Warum um alles in der Welt haben wir, mag man sich fragen, uns also überhaupt auf den Weg gemacht? Was bringt zwei junge Menschen dazu, eine solche Herausforderung anzunehmen, wenn sie in derselben Zeit auch drei Wochen Urlaub am Strand verbringen könnten? Wen wollten wir beeindrucken und wem wollten wir etwas beweisen? All denen, die jemals an uns gezweifelt haben, all denen, die immer an uns geglaubt haben, uns selbst, oder vielleicht uns gegenseitig?
Die einfachste Erklärung ist vielleicht diese: Als wir mit den Planungen begonnen haben, hatten wir eigentlich noch keine richtige Ahnung davon, was uns wirklich erwartet. Doch ganz so einfach kann die Antwort nicht sein. Die Fahrtroute hatten wir ganz bewusst so gewählt, dass sie eine besondere Herausforderung darstellt. Und wir wurden nicht enttäuscht. Unsere Tour ist sicherlich bei weitem nicht die extremste Radtour, die jemals gefahren wurde, doch wir wollten an unsere eigenen Grenzen stoßen, und wir sind an unsere Grenzen gestoßen. Wir wollten ein Abenteuer erleben, und wir haben eins erlebt. Vielleicht wurde die Idee im Februar tatsächlich vor allem deswegen geboren, weil wir uns selbst auf die Schulter klopfen wollten, oder weil wir wollten, dass andere uns auf die Schulter klopfen. Und tatsächlich sind wir mit einer Geschichte zurück gekehrt, auf die wir mit Stolz zurück blicken, mit Bildern und Eindrücken, die uns viel Bewunderung eingebracht haben. Und so gleicht die gesamte Tour letztendlich jedem einzelnen Tag, oder jedem einzelnen Pass. Man leidet, man quält und schindet sich, und stellt sich eigentlich andauernd selbst die Frage, warum man sich selbst das alles antut. In dem Moment, in dem man die Ziellinie überfährt, weiß man dann jedoch, warum man es getan hat.
Jetzt, im Dezember, rückblickend, ist mir jedoch klar geworden, dass das wirkliche Ziel der Weg, und nicht das Ziel war. Was in diesen drei Wochen wirklich geschehen ist, lässt sich auch durch den ausführlichsten Reisebericht nicht schildern, und lässt sich auch in fast dreihundert Fotos nicht einfangen. Wir haben nicht nur die Schönheit der Alpen bewundert, sondern die ganze Vielfalt Europas, und kein Tag, keine Stunde, keine Minute war wie die andere. Wir waren unter der gnadenlosen Sonne und in den ausgetrockneten Hügeln der Provence unterwegs, auf legendärem Tour-de-France-Territorium, in der Kuhglockenlandschaft der Zentralschweiz, in den wildromantischen Schluchten Graubündens, in den ausgedehnten Apfelplantagen Südtirols, zwischen den grauen Gipfeln der Dolomiten, in verlassenen österreichischen Tälern, in den endlosen Ebenen entlang der Donau, und in Weltstädten wie Wien oder Budapest. Wir sind unzähligen Menschen verschiedenster Herkunft begegnet, doch viel öfter waren wir allein. Verloren mit uns selbst, in der grenzenlosen Weite der Natur. Die Alpen haben ihr Erscheinungsbild für uns jeden Tag geändert. Und so wurden aus Baguette schließlich Weggli, daraus wurde Ciabatta, wurden Semmeln, wurden Zemle. Aus Kronenbourg wurde Calanda, wurde Forst, wurde Stiegl, wurde Dreher, wurde Zlatny. Wir haben sechs europäische Länder sehr nahe und sehr intensiv kennen lernen dürfen, sechs unterschiedliche Nationen West-, Mittel-, Süd- und Osteuropas. Doch in seiner Vielfalt zeigte Europa uns auch seine Einigkeit. Wir konnten wirklich erleben, was die Vision von einem Europa ohne Grenzen bedeutet. Das alles sind Erfahrungen, die man vielleicht nur machen kann, wenn man sich jeden Meter Fortbewegung aus eigener Kraft erkämpft.
Eine andere Frage, die uns oft gestellt wird, ist die nach unseren weiteren Planungen. Welche wahnwitzigen Touren kommen als nächstes, womit wollt ihr Avignon-Budapest denn noch toppen? Tatsächlich spuken in unseren Köpfen schon einige verrückte Pläne herum. Es gibt noch viel zu entdecken, Europa ist schließlich groß. Doch wahrscheinlich werden wir nicht dazu kommen, diese Pläne in den nächsten Jahren zu realisieren. Im Moment kann ich auch noch nicht sagen, ob ich überhaupt noch einmal einen draufsetzen will. Ganz sicher wird es noch weitere Touren geben, doch höchstwahrscheinlich bleibt Avignon-Budapest 2005 unerreicht. Möglicherweise hat ja auch gerade das den Reiz ausgemacht, dass diese Tour in dieser Größenordnung vielleicht für immer einzigartig bleiben wird.
Am Ende dieses Schlusswortes bleiben mir jetzt nur noch die Danksagungen. Nahezu unzählige Personen haben uns auf unserer Reise unterstützt oder geholfen. Wir danken dem Werkstattbesitzer, der in Avignon unsere Wasserflaschen gefüllt hat, dem netten Franzosen, der uns im Rhonetal zum Mittagessen seine Stühle zur Verfügung gestellt hat, dem schweizer Camper, der uns nach unserer Regennacht einen heißen Tee gekocht hat, dem namenlosen Alphornbläser, der uns durch den Nebel geleitet hat, dem österreichischen Supermarktbesitzer, der für uns seinen Markt nach Ladenschluss noch einmal geöffnet hat, der italienischen Familie, die uns eine riesige Viertelwassermelone geschenkt hat, dem Besitzer des Wiener Radladens, der alles stehen und liegen hat lassen, um meine Felge auszutauschen, damit wir möglichst schnell weiterfahren konnten, der Dorfbevölkerung von Pilismaròt in Ungarn, die sich kollektiv darum bemüht hat, uns dem Weg zu erklären, dem slowakischen Studenten, der an der Kasse im Supermarkt für uns übersetzt hat. Wir danken allen Einheimischen, die uns in unserer geographischen Ratlosigkeit weiter geholfen haben. Wir danken jedem, der uns angefeuert hat, wenn wir gelitten haben, ganz besonders allen Radfahrkollegen für den Daumen nach oben. Wir danken allen Einheimischen, die uns in unserer geographischen Ratlosigkeit weiter geholfen haben. Wir danken allen, die uns in ihrer Heimat willkommen geheißen haben. Auch bedanken müssen wir uns bei unserem kompetenten Radausrüster aus Weil der Stadt, dessen Räder uns nun schon zum zweiten Mal sicher und zuverlässig über die Alpen geführt haben, und dessen exzellenter Service vor der Abreise uns auch immer das beruhigende Gefühl gegeben hat, mit dem besten Material unterwegs zu sein. Ein ganz besonderes Danke geht an unsere Servicecrews. Simon und Daniel (Provence) und Gabi und Jenny (Ostschweiz/Italien) haben ihren eigenen Urlaub für uns geopfert, haben Wasserflaschen gereicht und Nudeln gekocht, haben die besten Fotos gemacht und waren nicht zuletzt eine sehr angenehme Reisebegleitung und eine Bereicherung für unsere Tour. Das allergrößte Dankeschön gilt jedoch meinem Kompagnon für seine Treue, seine Zähigkeit, seine gute Laune. Ich glaube, kein anderer als Johannes hätte so viel Geduld mit mir und meiner schlechten Laune gehabt, und kein anderer hätte es auch geschafft, mich auf unserem langen Weg immer und immer wieder zu motivieren. Mit keinem anderen hätte ich das Ziel erreicht.
Wir hatten einmalige drei Wochen diesen Sommer, und wir können versprechen, dass wir dem Radsport treu bleiben werden.
Es sind Erinnerungen an ereignisreiche drei Wochen, an aufregende drei Wochen, an sehr schöne drei Wochen, aber auch an verdammt harte drei Wochen. Wenn ich schreibe, dass es nicht immer leicht war, dann ist das sicher nicht einmal die halbe Wahrheit, denn es war objektiv betrachtet verdammt schwer. Von den 17 Gipfeln haben wir eigentlich keinen einzigen „gestürmt“, auch wenn wir vielleicht gerne mal das Gefühl vermitteln. Jeder einzelne Höhenmeter war hart erkämpft, mit einem halben Jahr Vorbereitung, mit literweise Schweiß, mit kiloweise Kohlehydraten. Wir haben uns gequält, wir haben gelitten, und wir haben uns trotzdem weiter geschunden. Und nicht nur gegen den die Berge haben wir gekämpft, sondern auch gegen die Distanz, den Wind, den Regen, die Dunkelheit, den Hunger, die eigene Trägheit. Dass wir anscheinend völlig verrückt sind, haben wir uns nicht nur immer wieder von anderen anhören müssen – vor, während und nach der Tour –, auch die innere Stimme hat es uns immer wieder zugeflüstert. Warum um alles in der Welt haben wir, mag man sich fragen, uns also überhaupt auf den Weg gemacht? Was bringt zwei junge Menschen dazu, eine solche Herausforderung anzunehmen, wenn sie in derselben Zeit auch drei Wochen Urlaub am Strand verbringen könnten? Wen wollten wir beeindrucken und wem wollten wir etwas beweisen? All denen, die jemals an uns gezweifelt haben, all denen, die immer an uns geglaubt haben, uns selbst, oder vielleicht uns gegenseitig?
Die einfachste Erklärung ist vielleicht diese: Als wir mit den Planungen begonnen haben, hatten wir eigentlich noch keine richtige Ahnung davon, was uns wirklich erwartet. Doch ganz so einfach kann die Antwort nicht sein. Die Fahrtroute hatten wir ganz bewusst so gewählt, dass sie eine besondere Herausforderung darstellt. Und wir wurden nicht enttäuscht. Unsere Tour ist sicherlich bei weitem nicht die extremste Radtour, die jemals gefahren wurde, doch wir wollten an unsere eigenen Grenzen stoßen, und wir sind an unsere Grenzen gestoßen. Wir wollten ein Abenteuer erleben, und wir haben eins erlebt. Vielleicht wurde die Idee im Februar tatsächlich vor allem deswegen geboren, weil wir uns selbst auf die Schulter klopfen wollten, oder weil wir wollten, dass andere uns auf die Schulter klopfen. Und tatsächlich sind wir mit einer Geschichte zurück gekehrt, auf die wir mit Stolz zurück blicken, mit Bildern und Eindrücken, die uns viel Bewunderung eingebracht haben. Und so gleicht die gesamte Tour letztendlich jedem einzelnen Tag, oder jedem einzelnen Pass. Man leidet, man quält und schindet sich, und stellt sich eigentlich andauernd selbst die Frage, warum man sich selbst das alles antut. In dem Moment, in dem man die Ziellinie überfährt, weiß man dann jedoch, warum man es getan hat.
Jetzt, im Dezember, rückblickend, ist mir jedoch klar geworden, dass das wirkliche Ziel der Weg, und nicht das Ziel war. Was in diesen drei Wochen wirklich geschehen ist, lässt sich auch durch den ausführlichsten Reisebericht nicht schildern, und lässt sich auch in fast dreihundert Fotos nicht einfangen. Wir haben nicht nur die Schönheit der Alpen bewundert, sondern die ganze Vielfalt Europas, und kein Tag, keine Stunde, keine Minute war wie die andere. Wir waren unter der gnadenlosen Sonne und in den ausgetrockneten Hügeln der Provence unterwegs, auf legendärem Tour-de-France-Territorium, in der Kuhglockenlandschaft der Zentralschweiz, in den wildromantischen Schluchten Graubündens, in den ausgedehnten Apfelplantagen Südtirols, zwischen den grauen Gipfeln der Dolomiten, in verlassenen österreichischen Tälern, in den endlosen Ebenen entlang der Donau, und in Weltstädten wie Wien oder Budapest. Wir sind unzähligen Menschen verschiedenster Herkunft begegnet, doch viel öfter waren wir allein. Verloren mit uns selbst, in der grenzenlosen Weite der Natur. Die Alpen haben ihr Erscheinungsbild für uns jeden Tag geändert. Und so wurden aus Baguette schließlich Weggli, daraus wurde Ciabatta, wurden Semmeln, wurden Zemle. Aus Kronenbourg wurde Calanda, wurde Forst, wurde Stiegl, wurde Dreher, wurde Zlatny. Wir haben sechs europäische Länder sehr nahe und sehr intensiv kennen lernen dürfen, sechs unterschiedliche Nationen West-, Mittel-, Süd- und Osteuropas. Doch in seiner Vielfalt zeigte Europa uns auch seine Einigkeit. Wir konnten wirklich erleben, was die Vision von einem Europa ohne Grenzen bedeutet. Das alles sind Erfahrungen, die man vielleicht nur machen kann, wenn man sich jeden Meter Fortbewegung aus eigener Kraft erkämpft.
Eine andere Frage, die uns oft gestellt wird, ist die nach unseren weiteren Planungen. Welche wahnwitzigen Touren kommen als nächstes, womit wollt ihr Avignon-Budapest denn noch toppen? Tatsächlich spuken in unseren Köpfen schon einige verrückte Pläne herum. Es gibt noch viel zu entdecken, Europa ist schließlich groß. Doch wahrscheinlich werden wir nicht dazu kommen, diese Pläne in den nächsten Jahren zu realisieren. Im Moment kann ich auch noch nicht sagen, ob ich überhaupt noch einmal einen draufsetzen will. Ganz sicher wird es noch weitere Touren geben, doch höchstwahrscheinlich bleibt Avignon-Budapest 2005 unerreicht. Möglicherweise hat ja auch gerade das den Reiz ausgemacht, dass diese Tour in dieser Größenordnung vielleicht für immer einzigartig bleiben wird.
Am Ende dieses Schlusswortes bleiben mir jetzt nur noch die Danksagungen. Nahezu unzählige Personen haben uns auf unserer Reise unterstützt oder geholfen. Wir danken dem Werkstattbesitzer, der in Avignon unsere Wasserflaschen gefüllt hat, dem netten Franzosen, der uns im Rhonetal zum Mittagessen seine Stühle zur Verfügung gestellt hat, dem schweizer Camper, der uns nach unserer Regennacht einen heißen Tee gekocht hat, dem namenlosen Alphornbläser, der uns durch den Nebel geleitet hat, dem österreichischen Supermarktbesitzer, der für uns seinen Markt nach Ladenschluss noch einmal geöffnet hat, der italienischen Familie, die uns eine riesige Viertelwassermelone geschenkt hat, dem Besitzer des Wiener Radladens, der alles stehen und liegen hat lassen, um meine Felge auszutauschen, damit wir möglichst schnell weiterfahren konnten, der Dorfbevölkerung von Pilismaròt in Ungarn, die sich kollektiv darum bemüht hat, uns dem Weg zu erklären, dem slowakischen Studenten, der an der Kasse im Supermarkt für uns übersetzt hat. Wir danken allen Einheimischen, die uns in unserer geographischen Ratlosigkeit weiter geholfen haben. Wir danken jedem, der uns angefeuert hat, wenn wir gelitten haben, ganz besonders allen Radfahrkollegen für den Daumen nach oben. Wir danken allen Einheimischen, die uns in unserer geographischen Ratlosigkeit weiter geholfen haben. Wir danken allen, die uns in ihrer Heimat willkommen geheißen haben. Auch bedanken müssen wir uns bei unserem kompetenten Radausrüster aus Weil der Stadt, dessen Räder uns nun schon zum zweiten Mal sicher und zuverlässig über die Alpen geführt haben, und dessen exzellenter Service vor der Abreise uns auch immer das beruhigende Gefühl gegeben hat, mit dem besten Material unterwegs zu sein. Ein ganz besonderes Danke geht an unsere Servicecrews. Simon und Daniel (Provence) und Gabi und Jenny (Ostschweiz/Italien) haben ihren eigenen Urlaub für uns geopfert, haben Wasserflaschen gereicht und Nudeln gekocht, haben die besten Fotos gemacht und waren nicht zuletzt eine sehr angenehme Reisebegleitung und eine Bereicherung für unsere Tour. Das allergrößte Dankeschön gilt jedoch meinem Kompagnon für seine Treue, seine Zähigkeit, seine gute Laune. Ich glaube, kein anderer als Johannes hätte so viel Geduld mit mir und meiner schlechten Laune gehabt, und kein anderer hätte es auch geschafft, mich auf unserem langen Weg immer und immer wieder zu motivieren. Mit keinem anderen hätte ich das Ziel erreicht.
Wir hatten einmalige drei Wochen diesen Sommer, und wir können versprechen, dass wir dem Radsport treu bleiben werden.