Von majortom – Die Monumente Graubündens, Südtirols, der Lombardei. Eine Woche mit hohen Pässen und alpinen Highlights wartet auf uns. Ausgehend vom schweizerischen Chur entdecken wir auf sieben Etappen gemeinsam die Rätischen Alpen. Gekrönt von einer Bergankuft auf der Königin der Passstraßen, dem Stilfser Joch.
Streckenänderungen vorbehalten!
quäldich-Reise Rätische Alpen: Rund um das Stilfser Joch
Von majortom – Die meisten unserer Berichte beginnen folgendermaßen: "Einigermaßen pünktlich um 9 Uhr brechen wir zur ersten Etappe auf." Aber wir sind in der Schweiz. Also brechen wir auf die Sekunde pünktlich zur ersten Etappe auf. Und zwar als Kaltstart, denn nach 50 Meter Einrollen vom Hotel aus beginnt der Anstieg zum Lenzerheidepass. Und gleich nach den ersten 50 Metern begehe ich den ersten Navigationsfehler und wähle die falsche Ausfahrt aus dem Kreisverkehr. Bekanntlich steht in den Guide-Regularien, dass man sich einmal pro Tag verfahren darf, ohne Sanktionen erwarten zu müssen. Okay, das erhöht den Druck für den restlichen Tag. Die Navigation sollte heute bei einer Etappe über zwei Pässe nicht das allergrößte Problem darstellen.
Die Gruppe scheint hochmotiviert und preschen nach vorne davon, während ich dankbar bin, ein drei-Personen-Grupetto um mich scharen zu können. Marco hatte gestern recht mit seinem Hinweis, dass der Verkehr am Lenzerheidepass recht stark sein wird, und tatsächlich werden wir im Minutentakt von allerlei Urlaubern überholt. Dafür bekommen wir aber gleich zu Beginn eine schöne Aussicht über das Rheintal und die umgebenden Berge serviert. Das sonnige Wetter tut sein übriges. Es macht Spaß, auch wenn ein wenig mehr Einrollen vor dem Kaltstart gut getan hätte.
Der Lenzerheidepass ist ein Pass der Kategorie "ganz okay". Ein netter Auftakt, aber natürlich auch noch kein Monument. An der Passhöhe muss ich feststellen, dass sich meine Gruppe etwas dezimiert hat; Teile sind in die sportive Gruppe übergelaufen. Acht Teilnehmer bleiben mir jedoch treu, was mich sehr freut, und wir stürzen uns in die Abfahrt nach Tiefencastel. Wo dann auch sofort der Anstieg zum Albulapass beginnt. Der die Kategorie "Monument" wohl verdient hat. Es beginnt ganz Handzahm mit welligem bis hügeligem Terrain, dass dann jedoch – nach Passieren eines Festivals mit elektronischer Tanzmusik – recht unvermittelt in die erste Rampe übergeht. Der wohl schönste Teil des Passes; hier ist die Straße auf spektakuläre Weise an den senkrechten Abgrund geklatscht. Eine willkommene Gelegenheit für einen Fotostopp.
Kurz darauf erreichen wir Bergün (mit einem kurzen Pavé-Sektor), und am Ortsausgang wartet Sylvia mit einem opulenten Buffet auf uns. Dankbare hungrige Radfahrer scharen sich um allerlei Leckereien, und Sylvia ist ganz in ihrem Element. Herzlichen Dank für diesen fantastischen Service!
Und damit fehlen noch knapp 1000 Höhenmeter Albulapass. Das Mittelstück ist nicht mehr ganz so spektakulär, und leider macht sich bei mir der Trainingsrückstand bemerkbar, und ich kann der Gruppe nicht mehr folgen. Noch vor drei Wochen beim Vogesen-Wochenende hat ein Teilnehmer den Spruch geprägt: "Ich bin ein Waschlappen, und du bist ein Athlet." Heute bin definitiv ich der Waschlappen. Etwas besser wird es dann im oberen Teil hinter Preda, den zum einen wird es hier ein wenig flacher als zuvor, zum anderen sind wir nun in spektakulärer hochalpiner Landschaft unterwegs. Der Albula mag hart sein (besonders für Waschlappen), aber er ist auch einfach sehr schön. Und meine Gruppe empfängt mich äußerst gut gelaunt an der Passhöhe. Danke, es macht Spaß mit euch!
Womit nur noch die Abfahrt nach La Punt, sowie 12 flacher Kilometer nach Pontresina fehlen. Schon wieder muss ich die Gruppe auf mich warten lassen, diesmal liegt es jedoch an einem Platten, den ich relativ souverän im Straßengraben behebe. Im Engadin angekommen spannt sich dann dankenswerterweise Mark an die Spitze unserer Gruppe und zieht uns mit unwiderstehlicher Pace auf Pontresina zu. Bis wir dann den Fehler beghen, auf den Radweg parallel zur Straße zu wechseln, der uns aufgrund des Verkehrs auf der Talstraße als die bessere Alternative erscheint. Leider geht er kurz darauf erst in eine sogenannte Asphaltstraße mit ein bisschen Rollsplitt, dann in einen geschotterten Wanderweg, dann in einen Singletrail über. Der uns allerdings souverän bis kurz vor die Pforten des Hotels führt. Bemerkenswerterweise hält auch die Gute Laune noch an.
Nüchtern betrachtet allerdings auch kein großes Wunder nach einem tollen Tag in Graubünden bei besten äußeren Bedingungen.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung: Die Auftaktetappe führt uns quer durch Graubünden von Chur bis ins Engadin. Dabei werden zwei Pässe befahren, Lenzerheide und Albula – wobei vor allem letzter eine herrliche Landschaft bietet.
Von unserem Startort Chur aus wenden wir uns direkt nach Süden, wo sich die Bündner Alpen vor uns aufbauen. Der Lenzerheidepass ist mittelschwer und so der ideale Auftakt. Viele werden ihn jedoch nur als Aufgalopp für den sich anschließenden Albulapass sehen, der – zurecht – als einer der schönsten der Alpen gilt. Vom Ausgangspunkt Tiefencastel geht es zunächst am steil abfallenden Berghang entlang, dann jedoch in die einsame, hochalpine Landschaft der Albula-Alpen, begleitet von der beeindruckenden Rhätischen Bahn. Die Abfahrt ins Engadin ist nur kurz, und es sind nur noch wenige, leicht ansteigende Kilometer zu bewältigen, bis wir unser Etappenziel in Pontresina erreichen.
Option: Die Alp Lavoz ist ab Lenzerheide eine schöne Stichstraße. Insgesamt hat man so heute 93 km und 3200 Hm zu überwinden.
Von majortom – "Das Wetter findet draußen statt", sagte gestern eine Einheimische in Pontresina angesichts des gestrigen Wetterberichts. Was soviel heißen soll wie: "Lasst euch nicht verrückt machen, wenn die Regen ansagen. Es wird meistens besser als angesagt." Heute morgen stellen wir fest: sie hatte recht. In der Nacht hat es geregnet, ein paar hundert Höhenmeter weiter oben sogar geschneit, aber die Straßen sind trocken, und man meint sogar, dass die Sonne rauskommen könnte. Der Respekt ist hoch vor der heutigen Etappe, was eher weniger am zunächst auf dem Speisezettel liegenden Berninapass liegt, sondern an einer Legende des Giro d'Italia. Der gefürchteten Westauffahrt von Mazzo zum Passo di Mortirolo.
Der Bernina ist ein Rollerberg. Dennoch wird uns glücklicherweise warm in der Auffahrt, denn die Temperaturen sind im einstelligen Bereich und sinken mit jedem Höhenmeter. Fast geht in den tief hängenden Wolken unter, dass der Bernina eigentlich ein sehr schöner Pass ist, sehr hochalpin und mit schönen Blicken auf Gletscher und Berggipfel. 14 Kilometer bergauf mit schlappen 500 Höhenmetern. Wir sind der Bernina-Express Oben wird alles angezogen, was die Trikottaschen hergeben, und dann stürzen wir uns in die - ebenfalls sehr schöne - Abfahrt hinunter nach Tirano. Wobei uns eigentlich nur der echte Bernina-Express (also der Zug) ein wenig aufhalten kann. Ruckzuuck sind wir unten, und kurz vor Ende der Abfahrt überqueren wir dann auch die Grenze nach Italien.
In Tirano stehen bereits die sportive und die ausdauernde Gruppe auf dem Parkplatz, die entspannten sind auch schon teilweise da. Nur Sylvia feht noch, aber wir haben sie heute auch vor eine unlösbare Aufgabe gestellt. da wir ja fast nur Abfahrt hatten, wo wir ähnliches Tempo fahren konnten wie sie mit dem Verpflegungscruiser. Und kaum ist sie dann aus dem Cruiser gesprungen und macht sich ans Waschen der Tomaten. Hilfe wird rigoros abgelehnt, zaghafte Versuche im Keim erstickt ("Nein, die süßen Sachen gehören da drüben hin." Ein Hoch auf Sylvia!
Dann naht die Stunde der Wahrheit. Etwa acht Kilometer flach bis wellig, "Mortirolo-Warmup", wie jemand aus meiner Gruppe es bezeichnet. Und dann biegen wir rechts auf die Passstraße ab, und es gibt kein Zurück mehr. Zumindest wenn man nicht mehr umdrehen will. Was natürlich keiner will. Die Auffahrt beginnt trügerisch. Es ist zwar steil, aber noch nicht so mörderisch steil, immer wieder auch mal flachere Passagen. Man kann nicht verhindern, dass sich Gedanken im Kopf breit machen wie "Vielleicht wird es ja gar nicht so schlimm". Aber das Mittelstück kennt kein Erbarmen. Keine Ahnung, wie steil es hier wirklich ist, aber das ist ja auch nebensächlich, denn wir müssen so oder so hier rauf. Nur das 10-Prozent-Schild am absolut steilsten Stück der gesamten Auffahrt wirkt so, als wolle es uns verhöhnen. 10 Prozent? WOLLEN DIE UNS VERARSCHEN?
Seis drum, weiterquetschen. Immer in der Hoffnung auf die zweite Hälfte des Passes, wo es laut Höhenprofil etwas angenehmer wird. Wie sehr man sich doch über 12 Prozent Steigung freuen kann. Die traumhafte schmale Straße ohne jeden Verkehr und die immer wieder aus dem Wald aufblitzende tolle Aussicht hinab ins Veltlin lässt sich da kaum würdigen. Doch wir zählen die nummerierten Kehren herunter. Bei etwa der Hälfte des Anstieges erreichen wir die 21 – In your face, Alpe d'Huez! Bis es schließlich auf den letzten zwei Kilometern immer alpiner wird, die Kühe uns zwar mitleidig anblicken, aber trotzdem zur Anfeuerung ihre Glocken läuten, und irgendwann dann auch die letzte Rampe an der Passhöhe endet. Und ich glücklicher kaum sein kann, hatte ich angesichts meines waschlappigen Totaleinbruchs am Albula gestern noch das schlimmste befürchtet. Überraschenderweise ist sich die Gruppe erstaunlich einig: So schlimm wie befürchtet war es gar nicht.
Am meisten weh tun dann die folgenden 50 Höhenmeter, die wir auf der Höhenstraße zurücklegen müssen. Leider umwabern uns hier ein paar Wolkenschwaden, so dass uns die richtig tollen Ausblicke verwehrt bleiben. Doch als dann in der nächsten Welle hinten "kürzer" gerufen wird, bleiben dann sowieso alle stehen, denn die Wolkendecke reißt auf und offenbart uns einen Tiefblick hinunter ins Tal. Kommentar: "Ach so, deswegen hast du das die Geile Höhenstraße genannt." Je nach Tempo tun die zwei noch folgenden Hügelchen auf der Höhenstraße über den Passo di Guspessa dann noch richtig weh, aber kaum jemand fährt noch volles Tempo. Ist auch nicht mehr nötig - wir genießen die letzten Kilometer, dann die Abfahrt vom Passo di Trivigno hinab nach Aprica.
Wo Sylvia über uns selbst hinaus wächst und schon die übrig gebliebenen Leckereien vom Mittagsbuffet für uns aufgebaut hat. Ein Hoch auf Sylvia!
Zum Schluss gehen noch die Grüße des Tages an Malin und Ani – vielleicht bekommt ihr ja heute Abend nicht meinen viel zu langen Bericht als Gutenachtgeschichte serviert.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung: Am zweiten Tag überschreiten wir nach dem Berninapass die Grenze nach Italien. Am Passo del Mortirolo sind dann gute Beine gefragt, bevor es über eine Höhenstraße ins Tagesziel Aprica geht.
Der Berninapass ist zwar 2330 m hoch, aber wir starten ja in Pontresina auch schon auf 1800 m, so dass sich dieser Anstieg gleich relativiert. Es ist größtenteils ein Rollerberg, so dass es uns leicht fallen sollte, uns lieber an der hochalpinen Landschaft zu erfreuen, als unnötig viele Körner zu verballern, die wir vielleicht am Mortirolo noch bräuchten. Die Abfahrt vom Bernina ins Veltlin ist lang, und erst kurz vor deren Ende überschreiten wir die Grenze nach Italien. Hier fahren wir ein Stück das Veltlin aufwärts, wollen wir den Mortirolo doch auf der berühmt-berüchtigten Auffahrt von Mazzo erklimmen, die selbst die Giro-Profis zu niedrigeren Übersetzungen verleitet. Es wird steil, keine Frage. Dafür lockt die herrliche einsame Kammstraße, die von der Mortirolo-Passhöhe über Guspessa und Trivigno nach Süden führt. Die Etappe endet in Aprica.
Option: Die Höhenstraße kann man am Mortirolo auch zunächst in nordöstlicher Richtung fahren bis zum Col Carette die Val Bighera. Die Etappe summiert sich dann auf 112 km und 2800 Hm.
Von majortom – Tag drei. Der durchaus schwere Gaviapass steht heute auf dem Programm. Wobei natürlich nach dem Mortirolo-Gemetzel gestern alles andere wie Pillepalle erscheint. Bei herrlichem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen beim Etappenstart im immerhin auf 1100 m Höhe gelegenen Aprica und der Aussicht auf eine erneut tolle Etappe ist die Stimmung extrem gut.
Zum ersten Mal beginnen wir heute mit einer Abfahrt. 15 Kilometer hinab nach Edolo. Es läuft. Zumindest diese erste halbe Stunde vergeht wie im Fluge. Dann folgt das ca. 20 km lange Stück das Val Camonica hinauf bis Ponte di Legno. Es ist zäh, aber wir quetschen das natürlich souverän weg. Kein Stopp, bis kurz vor Ponte di Legno eine Pinkelpause angefordert wird. Machen wir natürlich.
Und schon sind wir im Anstieg zum Gavia. Der ganz locker beginnt, sich dann aber teilweise doch als steil herausstellt. Na ja, die Steilstücke hier wären im Mortirolo die Flachstücke gewesen. Egal. Spätestens als wir das erste Mal den Wald verlassen, und sich die ersten Blicke zurück nach Ponte di Legno und zu den umliegenden Berge einstellen, werden die ersten Fotostopps eingelegt. Nach dem ersten Serpentinenteil sind wir dann in nördlicher Richtung am Hang unterwegs. Großartiges Panorama. Herrlicher Gaviapass. Auch den unbeleuchteten Tunnel meistern wir dank Beleuchtung ohne Probleme, so dass nur noch die letzten zweieinhalb Kilometer bis zur Passhöhe fehlen. Die sind zwar hart nach fast 2000 Höhenmetern am Stück ab Edolo, aber die Lanschaft ist toll, die Euphorie groß, und Sylvias Buffet auf der Passhöhe lockt zusätzlich.
Es ist kalt am Gavia, so dass wir uns recht schnell den Magen voll schlagen und dann nach Santa Catarina Gedöns abfahren, wo wir endlich zu einem Caffè-Stop kommen. Inzwischen sind die Temperaturen wieder sommerlich warm, so dass wir eine ausführliche Pause machen.
Der Moment der Wahrheit kommt dann am Ortseingang von Bormio. Links zum Hotel, rechts zum Passo Torri di Fraele, unserer Zusatzoption für heute. Der größte Teil der Gruppe muss nicht weiter überzeugt werden, der Tatendrang ist noch vorhanden. Und so geht es dann in der Sommersonne am Südhang empor. Der Schweiß fließt, aber die Steigung ist angenehm und regelmäßig. Und als dann der Serpentinenhang und die Torri an der Passhöhe weit über uns auftauchen, ist Umkehren vor der Passhöhe keine Option mehr. Spektakuläre Torri di Fraele...
Dass dieser Bericht vielleicht etwas uninspiriert ist, liegt daran, dass nach der Hirschorgie die Zeit schon fortgeschritten ist.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung: Die dritte Etappe gehört ganz dem Passo di Gavia – dessen spektakuläre Südanfahrt das auch verdient hat.
Es ist eine kurze Etappe, die uns heute erwartet, aber langweilig wird uns mit Sicherheit nicht werden. Dafür wird schon die Südrampe des Passo di Gavia sorgen, die zu den beeindruckendsten Passauffahrten im gesamten Alpenraum gehört. Zunächst fahren wir jedoch noch von Aprica hinab nach Edolo und das Val Camonica hinauf nach Ponte di Legno. Hier beginnt die schmale, oft spektakulär am Hang gebaute Auffahrt auf den Gavia. Nach der Abfahrt in den Etappenort Bormio könnte man vielleicht noch die eine oder andere Stichstraße anschließen – man sollte jedoch auch genug erlebt haben, um den Tag zu beschließen.
Option: Nach dem Gavia kann man noch zum Passo Torri di Fraele fahren - eine herrliche einsame Sackgasse. Das bedeutet eine Etappe von 101 km und 2800 Hm.
Von majortom – Die heutige vierte Etappe führt von Bormio nach Scuol, also wieder zurück in die Schweiz (Pro: bessere Straßen. Contra: höhere Bierpreise). Glücklicherweise hat Marco gestern auch noch das Problem gelöst, dass ich nicht so recht wusste, wie man den Etappenort richtig ausspricht (Skuhl? Sku-oll? Sku-ohl? Skål?). Es gibt nämlich auch einen sagenhaften deutschen Namen für Scuol: Schuls. Also führt die heutige Etappe von Worms nach Schuls. Über das Stilfserjoch.
Da die Etappe auch einen signifikanten Teil Horizontalbewegung enthält (nämlich am Schluss das Engadin hinunter von Zernez nach Schuls), haftete ihr so ein wenig das Stima einer Übergangesetappe an. Irgendwie müssen wir halt auf die andere Seite des Stelvio kommen, um vom Prad die 48 Kehren fahren zu können. Doch der heutige Tag belehrte uns eines besseren. Keine Übergangsetappe, sondern eine Traumetappe, die sich nahtlos in die Serie von Traumetappen dieser Reise einfügt.
Die Auffahrt von Bormio auf das Stilfserjoch ist irgendwie so ein wenig das hässliche Entlein unter den Passauffahrten. Ganz nett, aber eben nicht die Passauffahrt schlechthin, der feuchte Traum aller Rennradfahrer, den die Prad-Auffahrt darstellt. Hier und heute also ein Plädoyer für die Südwestrampe von Bormio. Erst geht es das wildromantische Tal hinauf, dann kommt ein sagenhafter Serpentinenhang, und schließlich schwebt man durch ein malerisches Hochtal, der Passhöhe entgegen. Von der einen dann natürlich noch der steile Schlusshang trennt, aber unsere Regelplanung führt ja gar nicht auf das Stilfserjoch, sondern über den Umbrailpass ins Münstertal. Noch so ein hässliches Entlein übrigens. Doch natürlich lässt es sich der größte Teil aller drei Gruppen nicht nehmen, eben mal noch die letzten 250 Höhenmeter zum Joch raufzuwuppen. Verständlich. Ich dagegen beschließe, Kräfte zu sparen, wo ich kann, und biege gleich zum Umbrail ab. Wo ich dann schön in der Sonne sitze und als einzig verfügbare Person der Passschild-Fotograf für alle eintreffenden Radfahrer bin. Aber man hilft ja, wo man kann.
Doch ruckzuck ist meine Gruppe wieder bei mir (bis auf Günther*, der beschließt, nochmal ca. 150 Höhenmeter Richtung Bormio abzufahren). Und wir genießen die absolut traumhafte Abfahrt auf Schweizer Asphalt hinunter ins Münstertal. Ein wunderschöner Pass, und ich beschließe, eine künftige Reise zu planen, die diese Auffahrt bergauf nimmt. Nach einer Geländestufe (einer steilen Geländestufe) wartet dann Sylvia mit dem erneut opulenten Mittagsbuffet auf uns.
400 Höhenmeter bis zum schönen, aber nicht ganz so spektakulären Ofenpass, und eine unterbrochene Abfahrt nach Zernez. Wo der Vorschlag zu einer Kaffeepause einstimmig angenommen wird. Als der Sylviacruiser dann an uns vorbei fährt, wissen wir, dass das Gepäck wieder vor uns ist, und machen uns auf die finalen 25 Kilometer. Eigentlich wollte ich ja nach etwa fünf Kilometern aus dem Wind gehen, aber es flowt so schön das Engadin hinab, dass ich es mir nicht nehmen lasse, den Tony Martin der ausdauernden Gruppe zu machen und das gut gelaunte Ensemble nach Schuls führe.
Wo wir den Herrgöttli-Zapfhahn von Herrn Schulze aus Schuls glühen lassen.
*Name von der Redaktion geändert.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung: Über den Umbrailpass erreichen wir wieder die Schweiz, und der Ofenpass führt uns zurück ins Engadin, wo wir in Scuol nächtigen.
Das Ortlermassiv grüßt im Osten, das Stilfser Joch grüßt umso mehr. Und tatsächlich fahren wir zunächst von Bormio in Richtung Stilfser Joch. Etwa 300 Höhenmeter vor der Passhöhe wenden wir uns jedoch nach Norden und überqueren die Grenze zur Schweiz. Wer möchte, macht die Auffahrt zum Stilfser Joch einfach noch komplett und dreht wieder um, so viel Zeit muss sein. Dann geht es jedoch vom Umbrailpass hinab ins Münstertal – der ehemals nur geschotterte Pass ist inzwischen vollständig asphaltiert. Dann wenden wir uns nach Westen, wo es hinauf zum Ofenpass geht, quer durch den Schweizerischen Nationalpark. In Zernez erreichen wir wieder das Engadin, dem wir flussabwärts bis zum Etappenort Scuol folgen.
Option: Wenn man schonmal von Bormio bis zum Umbrail-Abzweig gefahren ist, kann man natürlich auch noch ganz aufs Stilfser Joch hoch. In dieser Variante kommt man auf 100 km / 2700 Hm.
Von majortom – Da waren wir doch schon. Herzliche Grüße an alle fleißigen Leser unseres Reiseblogs vom Stilfserjoch. Bergankunft auf 2757 m Höhe. Aus meinem Hotelzimmer blicke ich hinab auf die Südwestauffahrt vom Bormio, kann sozusagen zum Umbrailpass runterwinken, auf dem wir gestern noch standen (die meisten sind ja sogar noch die paar Kehren vom Umbrail zum Stelvio rauf gefahren), schaue auf Augenhöhe auf die gerade noch sonnenbeschienenen Berge ringsrum. So langsam leert sich vermutlich auch der höchste Rummelplatz Europas, die Finisher-Trikot-Ständer werden reingeholt und Ernstl und Richard von ihren respektiven Würstel-Buden essen die letzten Hirsch-Bratwürste con crauti selbst auf. Bald haben wir die Passhöhe wohl fast für uns allein. Ein erhebendes Gefühl nach einer wahrhaft monumentalen Etappe.
Heute morgen in Schuls a.k.a. Scuol: bedeckter Himmel, nicht mehr ganz so heiß wie die letzten beiden Tage. Dennoch starten wir gut gelaunt in die 18 km Abfahrt das Inntal hinunter bis Martina, wo wir sogleich den Fluss überqueren und somit wieder die Europäische Union betreten. Stippvisite in Österreich, denn wir fahren über die Norbertshöhe nach Nauders und weiter zum Reschenpass. Unerklärlicherweise scheint der Tatendrang heute groß zu sein, denn eigentlich viel zu schnell drückt unsere Gruppe zur Norbertshöhe hinauf. Vielleicht Norbert zu Ehren, der allerdings sämtliche Nötigungsversuche, seine Gruppe an seiner Passhöhe zu einem Bacardi pur (oder Jägermeister oder Tequila) einzuladen, nonchalant abwehrt und sich erstmal in die Zigarettenpause verabschiedet.
Eine kurze Abfahrt später sind wir in Nauders und cruisen gemächlich über den Radweg parallel zur Reschenpassstraße. Eine Passhöhe ist nicht auszumachen, sie muss sich wohl irgendwo kurz hinter der Grenze nach Italien verstecken. Also wieder in Italien zurück. Sehr schön ist auch der Radweg entlang des Reschensee, auch wenn wir auf der welligen Straße abermals viele Körner lassen, die wir vielleicht noch am Stelvio bräuchten. Also nichts wie hinab ins Vinschgau nach Glurns, wo Sylvia sich mal wieder nicht lumpen lässt und erneut ein Potpourri an Köstlichkeiten zur Mittagspause anbietet. Kaffee hat sie allerdings (verständlicherweise) nicht, so dass wir in Prad nochmals einkehren, um uns mental für den Schlussanstieg zu wappnen.
1850 Höhenmeter zum Stilfserjoch. Der Respekt ist groß, das Tempo zunächst verhalten, doch es rollt ja noch schön im unteren Teil. Die ersten Kehren lassen noch auf sich warten, doch schließlich steht da auch das Schild mit der 48. Es geht noch verdammt weit rauf. Mein Flow hält an bis zum Mittelteil, wo einige fiese Rampen bezwungen werden wollen. Hier verliere ich den Anschluss zur Verfolgergruppe und beschließe, mich ins Grupetto zurückfallen zu lassen. Das auch gar nicht lange auf sich warten lässt. Ein paar Kehren haben wir auch schon runtergezählt...
Es wird hart. Der Rhythmus ist immer schwieriger zu finden. Und schließlich baut sich auch noch die scheinbar übermächtige Felswand vor uns auf, es sind noch so viele Kehren übrig, und man sieht sie alle. Längst sind alle Einzelkämpfer, Mann oder Frau versus Berg. Doch die Kehren fallen eine nach der anderen, wir zählen sie herunter, und schließlich stellen wir die Räder vor Ernstls Würstel-Paradies ab. Geschafft. Was für ein Moment! Nur ein paar Sekunden den Trubel ausblenden, das Schlangestehen am Passschild ignorieren, und die Bergankunft auf 2757 m genießen.
Eine monumentale Bergankunft.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung Eine Etappe, drei Länder. Wir fahren über die Norbertshöhe nach Nauders in Österreich, über den Reschenpass zurück nach Südtirol und beenden die Etappe mit einer monumentalen Bergankunft auf dem Stilfser Joch.
Stilfser Joch, Königin der Passstraßen. Wer gute Beine hatte, stand vielleicht gestern schon vom Umbrail aus schon kurz oben. Wohl kaum ein Pass ist prestigeträchtiger, und heute machen wir daraus die Bergankunft der Bergankünfte – und übernachten einfach auf dem Pass. Ein bisschen Vorgeplänkel muss natürlich auch sein. So fahren wir das Engadin von Scuol aus weiter bergab und erreichen Nauders über die einsame Norbertshöhe. Dann geht es hinauf zum Reschenpass, wo wir den bekannten vom Stausee fast verschluckten Kirchturm bewundern können. Nach rasanter Abfahrt ins Vinschgau erreichen wir Prad – und dann geht es los. 48 Kehren warten auf uns – die berühmte Ostauffahrt zum Stilfser Joch. Wieder runter fahren wir erst morgen, denn heute übernachten wir auf 2757 m Höhe direkt am Pass.
Variante: Ein schöner Abstecher führt ins Samnauntal. Das bedeutet allerdings eine Etappe von 124 km und 3500 Hm.
Von majortom – Eine lange, aber nicht zu schwere sechste Etappe führt uns über insgesamt fünf Pässe nach Chiavenna.
Am Morgen dürfte es kalt werden – hier heißt es warm anziehen, wenn wir früh morgens vom Stilfser Joch nach Bormio abfahren. Damit uns wieder warm wird, starten wir sogleich in die längste Auffahrt des Tages zum Pässeduo Foscagno/Eira, das uns die ersten beiden Passschilder sozusagen im Doppelpack serviert, nur mit einer kurzen Abfahrt dazwischen. Dann geht es ein Stück hinab nach Livigno, das vor allem vom Zollfrei-Tourismus geprägt ist. Wir ignorieren die Zigaretten- und Schnapsläden, halten uns nicht lange auf und absolvieren mit der Forcola di Livigno Pass Nummer drei. Und schließen, weils so schön war, die Schlusskilometer zum Berninapass gleich an. Die erste Tageshälfte ist rum, vier Pässe sind abgehakt, und der Löwenanteil der Höhenmeter auch. Die Nordwestseite des Bernina kennen wir ja schon, heute nehmen wir sie bergab. Durch das Oberengadin fahren wir flach zum Malojapass, den wir sozusagen geschenkt bekommen – ganz ohne Höhenmeter. Und dann trennt uns nur noch eine lange Abfahrt von unserem Tagesziel im italienischen Chiavenna.
Von majortom – Zum Abschluss geht es heute noch über den Splügenpass, und dann das Hinterrheintal hinab zurück nach Chur.
Schlussetappe, heute heißt es Abschied nehmen. Doch einen haben wir noch, und es ist nochmal ein Highlight. Die Südrampe zum Splügenpass mag vielleicht neben so klangvollen Namen wie Stilfser Joch und Gavia wie ein Geheimtipp anmuten, aber es ist ein Geheimtipp, der sich lohnt. Und die akkuraten Kehren der Norseite sind ein sehenswertes Kuriosum. So gelangen wir nach Splügen im Hinterrheintal, und bis Chur geht es nur noch bergab. Mit der Viamala-Schlucht wird es jedoch landschaftlich nochmal spektakulär, und wir können entspannt in Chur einrollen.
Option: Vom Hinterrheintal kann man noch nach Juf fahren, das höchstgelegene ganzjährig bewohnte Dorf der Alpen. Die Schlussetappe wird dann allerdings mit 140 km und 3300 Hm noch einmal richtig hart.