Von Lienz nach Tirano über ein paar Hügelchen 2018: Pläne sind da um sie über den Haufen zu schmeißen
858,1 km / 20236 Hm
Hohe Tauern, Alpen, Osttirol, Gailtaler Alpen, Karnische Alpen, Dolomiten, Südtirol, Lago di Garda (Gardasee), Rätische Alpen, Oberschwaben, Allgäu, Kärnten, Friaul - Julisch Venetien, Venetien, Trentino - Südtirol, Lombardei, Graubünden, Vorarlberg, Bayern
Redaktionell bestätigte Tour von Bergziegenmutant
Der Autor des Tourtagebuches ist: "Flugrad" Ulrich Bauer
Anno 2018 war eigentlich zur Freude von Michael eine Tour durch die Bergwelt nahezu aller austriakischen Bundesländer geplant. Doch unser Notarzt war im Spätwinter schifahren gegangen und hat sich dabei leider sein Knie beschädigt. Folglich fiel er dieses Jahr als Teilnehmer aus - und folglich konnten wir auch schlecht ohne ihn durch Österreich pedalieren.
Plan B musste her. Dummerweise war aber der Startort dank der Hartnäckigkeit unseres Jungspundes schon fix: Lienz in Osttirol. Jürgen hatte nämlich messerscharf und frühzeitig herausgefunden, dass just zu unserem geplanten Reisetermin dorten die 31. ,,Lienzer Dolomitenradrundfahrt" stattfinden würde und hatte uns sehr aktiv überredet, gleich zu Tourbeginn mit diesem Ereignis zu starten. Anmeldung und Übernachtung waren demzufolge schon gebucht. Wir waren also zu dritt gemeldet, und als sich endgültig abzeichnete, dass es für Michael nicht zur Teilnahme reichen würde, konnte der Bauersche Filius Lukas für die Rundfahrt als Ersatz gewonnen werden. Mit seinem neu erworbenen Karbon-Renner war er die unterforderte Begleitung der beiden verbliebenen alten Esel.
Nun musste nur noch für den kleinen Rest des Programmes eine neue Tour her. Ich entschloss mich, hierfür einen südlichen Bogen durch die alpine Bergwelt zu planen: über Kärnten, Slowenien, Friaul, Südtirol und die Bergamasker Alpen zum Kultpass Mortirolo und zum Endpunkt Tirano samt Rückfahrt mit der unvergleichlichen Bernina- und Albulabahn.
Natürlich war dies auch nicht die letzte Umplanung. Neben diversen Jürgen'schen Sonderwünschen kam dann noch kurzfristig eine familieninterne Änderung, was eine Tourverkürzung um einige Tage erforderlich machte. Dieser und der etwas unsicheren Wetterlage geschuldet, wurde spontan der Slowenien-Abstecher komplett gestrichen. Dafür konnten wir den Rest der Tour komplett nach Plan C fahren - trotz vertrauter technischer Hindernisse wie dem schon obligat leckenden Vorderbremshebel an Jürgens Velo und einem Speichenriß an meinem Exemplar. Wetterglück hatten wir dabei auch noch: trotz dauerhaft schwülheiß-gewittriger Wetterlage haben wir außer einmaligem leichtem Nieselregen nichts abbekommen, d.h. wir konnten diversen Sintflut-Donnerwettern durch Flucht in trockene Unterstände bzw. Quartiere knapp entkommen.
Gesamtbilanz: 12 Tage, 30 Pässe, 1040 Kilometer, 24250 Höhenmeter, fast komplett trocken geblieben, eine defekte Bremse, 1 Speichenbruch, allzeit gut verpflegt (Ausnahme italienisches Frühstück), wunderschöne wilde Landschaften, keine Verletzungen, viel Quälen bei sehr viel Spaß!
24 gefahrene Pässe
Grödnerjoch, Sellajoch, Passo Fedaia, Würzjoch, Passo San Giovanni, Lenzerheidepass, Gailbergsattel, Forcella Staulanza, Nassfeldpass, Kartitscher Sattel, ...Als Option: Passo del Mortirolo, Monte Baldo, Luzisteig, Passo di Trivigno, Valico di Baite Salena, Passo di Guspessa
Gesamtstrecke
Einzelstrecken
E1: Tag 1: "gemütliches" Einrollen - Zugfahrt - Pustertaler Höhenstraße und ein Lienzer MonsterTag 1: "gemütliches" Einrollen - Zugfahrt - Pustertaler Höhenstraße und ein Lienzer Monster
41,7 km
1804 Hm
Tatsächlich gefahren: 70 Kilometer, 2100 Höhenmeter
Diesmal sollte es gemütlich losgehen: 7:31 Uhr ab Wangen mit dem Zug Richtung Bregenz-Innsbruck-Osttirol. War dann natürlich nicht ganz so. Nach dem üblichen gemeinsamen Frühstück bei Bauers gab es ein weniger gemütliches flottes ,,Einrollen" per Velo bei prächtigem Wetter bis Bregenz. Im Gegensatz zum Vorjahr verzichteten wir nur auf das frühe Bad im Bodensee.
Der Railjet brachte uns dann komfortabel über den Arlberg bis Innsbruck. Dort wechselten wir auf den EC über den Brenner. Dieser war gut gefüllt, weswegen wir uns gleich im Speisewagen niederließen und die wirklich gute Qualität des neuen Betreibers der ÖBB-Speisewagen zum zweiten Mal testeten. Franzensfeste war pünktlich erreicht, und genauso pünktlich chauffierte uns der Südtiroler Triebwagen durchs Pustertal bis kurz hinter die Grenze.
Sillian hieß unser Zielbahnhof. Und in Sillian ging es gegen 14:30 auch gleich los mit der Quälerei: Vorprogramm der Pustertaler Höhenstraße war die - natürlich überflüssige - Einlage über den Tessenberg-Fronstadel (1276 m). Vollkommen überflüssig, denn nach flotter Abfahrt landeten wir in Strasser wieder auf der Pustertaler Bundesstraße. Wenige km weiter konnten wir diese erneut verlassen, um mittels einer weiteren unnötigen Zwischeneinlage über Abfaltern endlich die Pustertaler Höhenstraße (1441 m) zu erreichen.
Diese hielt in allen Punkten, was die Beschreibung versprach: teilweise ultrasteil, ein dreifaches Auf-und-Ab, und gigantische Aussichten auf die Lienzer und Sextner Dolomiten. Uns kamen etliche Rennradler entgegen, mutmaßlich Trainierende für die sonntägliche Dolomitenradrundfahrt.
Bisweilen erschienen die dunklen Gewitterwolken hinter uns bedrohlich, doch sie verschonten uns. Trocken erreichten wir das Dorf Bannberg. Geradeaus wäre es nur noch bergab gegangen Richtung Lienz. Wir hatten jedoch unser erstes Quartier schon vorgebucht auf der Hochsteinhütte (http://www.hochsteinhütte.at/), auf 2023 m ü.M. Heißt: noch ein klitzekleiner 6 km langer abendlicher Schlussaufstieg mit einer Durchschnittssteigung von 12,5 %. Auf der Hütte kamen wir erst nach 19 Uhr an, wurden aber äußerst freundlich von den beiden freakigen Hüttenwirten empfangen - als einzige Gäste. Rundblick und Abendessen waren vom Feinsten.
Lukas machte sich in Wangen per Bahn auf den Weg nach Lienz. Gelegenheit für die Alten, noch ein bißchen zu radeln. Aber erst einmal frühstückten wir in luftiger Höhe, unter der Friedensglocke und mit diesmal sonnigem Rundblick von den Tauern zu den Dolomiten. 1400 m tiefer, uns zu Füßen: die ,,Sonnenstadt" Lienz. Dorthin wollten wir zunächst. Und das versprach eine rasant-schöne Abfahrt zunächst bis Bannberg. Dort waren wir uns nicht einig, ob die gesperrte Römerstraße nach Thal an die Drau passierbar war. Ich wollte schon die Hauptstraße über Leisach nehmen, da trieb Jürgen eine fachkundige Einheimische auf, die das direkte Sträßchen für befahrbar hielt. So war es dann auch - bis auf den Schluss. Wunderschöne Kehren in üppig blühende Almwiesen eingebettet. Und dann, ganz am Schluss in Thal: ein Bagger, der den Weg komplett versperrte. Schon der etwas Schlankere des Duos scheiterte, deshalb blieb nur der Weg über eine steile Wiese zur Talstraße. Nachdem diese Geländeeinlage erfolgreich bewältigt war, fuhren wir auf dem gut ausgebauten und noch ruhigen Radweg bequem der Drau entlang durch die Schlucht hinab nach Lienz. Dort war die von Jürgen gebuchte Ferienwohnung Neumaier (https://www.tirol.at/urlaub-buchen/ferienwohnungen/a-ferienwohnung-neumaier) schnell gefunden, die Aufnahme herzlich.
Wir luden unser Gepäck ab und machten uns gleich auf den Weg, das zweite der vier ,,Lienzer Monster" (http://www.quaeldich.de/touren/lienzer-monster-runde/) zu bezwingen: das Zettersfeld (1880 m). Dieses hatte es schon ganz am Anfang in sich: auf 2 km bis zu 15 % bei knallender Mittagshitze. Danach gab es als Erholungskomponente wenigstens abschnittsweise schattenspendenden Wald. Und am Schluss waren wir wieder fast so hoch wie beim morgendlichen Start, nur eben auf der anderen Talseite. Die Schotterquerung zur Faschingalm dagegen war reinste Erholung, und auf der Abfahrt von dieser mussten wir es richtig laufenlassen, um noch rechtzeitig am Lienzer Bahnhof zur Begrüßung von Sohnemann Lukas zu sein. Gemeinsam fuhren wir dann zur Ferienwohnung der Familie Neumaier, wo wir vom Hausherrn gleich einmal zu einem Begrüßungsbier eingeladen wurden.
Nach Auspacken, Duschen, Umziehen und Einkauf fürs Frühstück ging es zum Einschreiben und zur ,,Kaiserschmarrnparty" wieder quer durch die Stadt und auf die andere Drauseite. Um es kurz zu machen: Kaiserschmarrn im Plasteteller fanden wir nicht so ganz überzeugend, weswegen wir uns der Altstadtgastronomie zuwandten - wie offensichtlich gar viele Radlerkollegen.
Wir drückten uns vor dem Massenstart und entschlossen uns dazu, dem großen Feld per Einzelstarter vorauszufahren. 25 km Drauabwärts zum Einrollen, bei Gegenwind. Dank eines flotten Ulmer Zweierteams als Windschattengeber gelang es uns, diese Flachetappe mit hoher Geschwindigkeit hinter uns zu bringen. Der Rest rollte gut, dank schon teilweise volksfestartiger Stimmung in den durchfahrenen Dörfern. Wir hatten ausgemacht, jeweils an den Versorgungsstellen aufeinander zu warten, weswegen es mir erfolgreich gelungen ist, den voranstürmenden Jung- und Ganzjungspunden einen allzuguten Schnitt zu versauen. Der erste der beiden Anstiege, der Gailbergsattel (982 m), lief noch flott, wogegen der zweite, der Kartitscher Sattel (1530 m), sich sehr wellig, sehr lang und mit sehr vielen Zwischenabfahrten als kräftezehrend erwies. Dazu wurde ich einmal trotz Tarnung mit Radhelm aus Kindesmund kräftig angefeuert mit ,,Hopp, Opa, hopp". Rasant dagegen lief es auf der langen und als zäh befürchteten Abfahrt im Drautal bis Lienz: wir erwischten einen sehr flotten Zug und konnten als Windschattenlutscher überraschend mithalten. So hatten wir auch noch das nötige Wetterglück, denn erst 1 km vor dem Ziel in der Lienzer Altstadt erwischte uns der Regen. Zieleinlauf in Dreierreihe, Feierbier im benachbarten Café, Besuch in der Sporthalle zur Ergebnisbesichtigung. Eine wirklich sehr schöne Veranstaltung diese Dolomitenradrundfahrt. Und wer es ultrahart mag, der wage sich an den parallel stattfindenden Super Giro Dolomiti!
Euphorisch fuhren wir zurück in unsere Ferienwohnung. Das Abschlußessen genossen wir im Gastgarten des ,,Goldenen Fisch" (http://www.goldener-fisch.at/) mit ausgezeichneter Tiroler Küche.
E4: Tag 4: Von Osttirol über Kärnten nach FriaulTag 4: Von Osttirol über Kärnten nach Friaul
88,1 km
2033 Hm
Die beiden älteren Herren hatten viel vor, und Lukas auch schon einen recht frühen Zug für die Heimfahrt gebucht. Hieß: zeitiges Frühstück und ab zum Bahnhof. Jürgen und ich fuhren mit dem Zug 8:27 Uhr gen Obergreifenberg, Lukas eine halbe Stunde später in die andere Richtung, mit dem Südtiroler Zug Drauaufwärts ins Pustertal.
Im Bf Obergreifenberg wechselten wir wieder die Pferde und gleich ging es heftig zur Sache: Kurz und anfangs knackig steil, so könnte man eine Kurzbeschreibung des Kreuzberges (1077 m) in den Gailtaler Alpen verfassen. Schwül-heiß war es auch schon. Auf der anderen Seite, in Hermagor im Gailtal angekommen wurde endgültig die Entscheidung getroffen, Slowenien sausen zu lassen und stattdessen lieber möglichst das komplette Programm durch Friaul zu fahren. Nicht so einfach war die Ausfahrt aus Hermagor auf den Gailtal-Radweg. Und nach wenigen km war dieser dann komplett gesperrt. So mussten wir noch für 4 km auf die Bundesstraße ausweichen bis zum Abzweig Richtung Naßfeldpass (1530 m). Am Fußpunkt des Passes, in Tröpolach, wurde noch eine kleine Eiskaffee-Stärkungspause eingelegt. Dann nahmen wir den abschnittsweise arg steilen Grenzpass unter die Räder. Oben zeigte dieser zwei komplett unterschiedliche Gesichter: auf der österreichischen Seite ein großes Schigebiet mit ebensolchen Hotelbauten und breit ausgebauter Straße, auf der italienischen ein wunderschönes Hochmoor, ein etwas verlebtes Passhotel und ein nahezu einspuriges Sträßchen. Dazwischen haben die Austriaken wohl in Erwartung kommender Flüchtlinge die ausrangierten Grenzanlagen reaktiviert samt grotesk großem Zelt. Dazugehöriges Personal allerdings war keines auszumachen, und die neuen Provisorien wirkten schon wieder leicht vergammelt. Dafür befanden wir uns wieder in den Kampflinien des ersten Weltkrieges, an die neben etlichen Relikten auch eine Friedenskirche erinnert.
Das Sträßchen nach Pontebba ins Kanaltal hinab hatte alles zu bieten: viele Kehren, eine wilde Schlucht, abenteuerliche Brücken und sogar einen Kehrtunnel. Kurz nach diesem entdeckte der Autor ein recht neues Relikt: das Portal eines Tunnelneubaus. Dem musste nachgegangen werden, trotz Absperrung. Die Tunnelbaustelle entpuppte sich aber als Baustellenruine. Der Bau eines breiten Umgehungstunnel wurde wohl aufgrund geologischer Probleme abgebrochen.
In Pontebba hatten die wenigen noch vorhandenen Bars alle Mittagspause. So mussten wir bei schwindenden Wasservorräten die Sella di Cereschiatis (1066 m) anfahren. Auch dieser Pass entpuppte sich als Kleinod, mit herrlichen Ausblicken ab dem Hochtal um Studena Alta auf den Zuc dal Bôr (2197 m). Wieder ins Kanaltal führte uns die Abfahrt durch das äußerst wild wirkende Val d'Aupa. Hinter Móggio lauerten schwarze Wolken - und es lockte ein neu ausgebauter Radweg auf der alten Pontebbana-Trasse (http://www.bahntrassenradwege.de/index.php?page=pontebbana-radweg). Das Vergnügen war allerdings sehr kurz: es endete an einem Bauzaun. Wir mussten umkehren und ganz offiziell auf die Schnellstraße wechseln. Geradewegs ging es Richtung Gewitterfront. Rettung in letzter Sekunde: das Hotel ,,Carnia" am Abzweig nach Cárnia-Venzone. Gerade rechtzeitig verstauten wir die Räder in der Garage, ehe zwei Stunden lang Weltuntergangsstimmung samt unglaublichem Gewitter-Wolkenbruch über uns hinwegzog. Glück gehabt.
Unser Hotel, unmittelbar an der Schnellstraße, versprühte arg häßlichen Motel-Charakter der 1970er-Jahre, dafür warb es aktiv um Radtouristen und der Chef war früher selbst aktiver Radrennfahrer. Und das Abendessen gehörte zu den besseren der Tour.
E5: Tag 5: Einsames, wildes Friaul mit trockenem GewitterunterstandTag 5: Einsames, wildes Friaul mit trockenem Gewitterunterstand
98,3 km
2157 Hm
Dass wir im Epizentrum der schweren Erdbeben von 1975/76 waren, die damals Friaul heimgesucht hatten, sahen wir an Bildern
des benachbarten mittelalterlichen Städtchen Venzone (https://de.wikipedia.org/wiki/Venzone#Erdbeben_1976), das damals samt seiner dicken Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert
komplett zerstört worden war. Bilder der damaligen Katastrophe gab es im Hotel zu besichtigen.
Nach dem Frühstück versuchten wir, möglichst bald der Schnellstraße zu entrinnen. In Richtung Tolmezzo konnten wir die alte ehemals kombinierte Bahn-/Straßenbrücke über die Fella mit ihrem riesigen Flußbett nutzen. Danach ging es wieder für einen kurzen Abschnitt auf die heutige Staatsstraße. Von Amaro bis Tolmezzo konnten wir nochmals auf die alte Straße nördlich des talfüllenden Flußbettes des Tagliamento (https://de.wikipedia.org/wiki/Tagliamento) ausweichen, parallel zur stillgelegten Bahn Cárnia-Tolmezzo. Wir waren sehr beeindruckt von diesem Flußbett, des größten und eines der letzten noch wilden Alpenflüsse überhaupt.
In Tolmezzo überquerten wir den Tagliamento auf einer große Brücke, mussten ein wenig nach der richtigen Ausfahrt aus dem Straßenwirrwarr suchen - und fanden sehr schnell wieder ein kleines idyllisches Sträßchen, das uns in die karnischen Berge zurückführte, über Verzegnis zur Sella Chianzután (954 m) . Schöne kehrenreiche, nicht allzusteile Auffahrt, auf deren Passhöhe sich ein kleines, eher verwahrlostes Schigebiet findet und eine sehr lange, nicht mehr genutzte, Seilbahn mit der einst der hier oben am Bergkamm gebrochene rote Marmor auf die Passhöhe befördert worden ist. Noch schöner gestaltete sich die Abfahrt ins einsame Tal des Torrente Alzino. Dieses verließen wir bei der ersten westwärts führenden Möglichkeit - und entdeckten eines der schönsten Bergsträßchen der Tour, über Pielungo zum auf dem Bergkamm gelegenen kleinen Ort Orton (690 m). Und natürlich bewegten wir uns nicht nur in prachtvoller Landschaft, sondern auch entlang einer der Hauptkampflinien des ersten Weltkrieges. Vom damaligen ,,Völker"hass zeugen dort u.a. ein Soldatenfriedhof und manche Ruine.
Der versprochene Ausblick über die venezianische Tiefebene bis zur Adria blieb uns aufgrund der immer noch drohenden Wolken leider verwehrt. Und so machten wir uns schnell an eine Zwischenabfahrt bis Prádis-di-Sotto und gleich wieder hinauf zu einem von unserer Seite her kaum wahrnehmbaren Zwischenpass, den Piani di Clauzetto (670 m). So langweilig die Ostseite war, so wild und schön gestaltete sich die Westabfahrt über Campone entlang des Torrente Chiarzó zum Lago dei Tramonti.
Nun wurde es richtig spannend: egal, ob gen Monte Rest, oder gen Tiefebene: überall lauerten ein oder mehrere gewaltige schön anzusehende aber leider gar nichts gutes verheißende dunkle Wolkengebirge. Was tun? Erst einmal einkehren und die Wolken beobachten bei pasta bester italienischer mama-Qualität, in der Locanda al Lago (http://www.locandalago.it/index_d.html) in Remona bei der Staumauer des Lago dei Tramonti. Das zugehörige Dorf ist anno 1949 in den Fluten des Stausees verschwunden, was blieb, ist dieses Lokal samt Kirche mit Paulaner-Bierfahne davor...
Auch nach Genuss der Pasti hatte sich die Wetterentwicklung nicht geklärt. Was tun? Wir entschlossen uns mutig zur Weiterfahrt, zunächst an der Staumauer vorbei bis zum Talboden des Torrente Meduna hinab und dann auf schmaler Straße über Navarons hinauf nach Poffabro. Den Rand dieses Bergdorfes erreichten wir gerade rechtzeitig vor einem erneuten Weltuntergang. Heißt: wir fanden ein trockenes Plätzchen vor den Garagen einer Apotheke, verschönerten dieses mit einer ,,organisierten" Gartenbank. Den Wäscheständer der Besitzer brachten wir auch noch in Sicherheit. Dann hieß es eine Stunde abwarten. Um uns herum ging ein enormes Gewitter nieder samt Wolkenbruch, Hagel und Sturmböen vom feinsten. Irgendwann kam die Apothekerin mit ihrem Daimler angefahren, betrachtete unser Stilleben grinsend und verzog sich unter dem Regen schleunigst in ihre Apotheke. Dann hatte der Spuk ein Ende, wir konnten die Gartenbank zurückstellen und unser Obdach verlassen. Und wieder einmal konnten wir eine sehr schöne, sehr einsame Passanfahrt genießen zur Forcella di Pala Barzana (840 m). Wie offenbar in den Karinischen Alpen üblich: die Westabfahrt toppte die schon schöne Ostseite noch. Allerdings war dieser fast verkehrsfreien Straße anzumerken, dass wir wieder in einer geologisch sehr unruhigen Gegend unterwegs waren: Die Straße war trotz guten Belages gekennzeichnet von Hangrutschungen und Senkungen. Wir mussten doch arg konzentriert unterwegs sein. Rechterhand boten die langsam wieder gen 2000 m hohen Berge ein überwältigendes Panorama. .Kurz hinter dem Abzweig ins Bergdorf Andreis hinauf erreichten wir dieSchlucht Gola del Cellina (https://www.dolomiten-friaul.de/naturparks-der-dolomiten/naturpark-cellina-schlucht/). Diese hatte uns in der Vorplanung erheblich beschäftigt. Führte doch bis 1992 die Straße von der Tiefebene nach Bárcis abenteuerlich durch diese wunderbare Schlucht. Dann wurde ein 4,5 km langer Tunnel gebohrt, und die Schluchtstraße auf Teilen gesperrt - die Radler schauten buchstäblich in die Röhre. Inzwischen ist ein Teil der Schluchtstraße gegen Eintritt wieder geöffnet, aber nur am Wochenende und nicht durchgehend. Wir standen deshalb vor verschlossenen Gittern und mussten uns auf der alten Straße an Molassa vorbei zum Stausee Lago di Bárcis hocharbeiten. Nach beinahe 100 km wurde der Entschluss gefasst, in Bárcis eine Herberge zu suchen, also konnten wir uns Zeit lassen und den Stausee auf seiner Südseite umrunden. Was uns am oberen Ende dann erwartete war eine imposante ultraschmale Hängebrücke, die für Automobile bis zu 2,10 m Breite (Fahrbahnbreite höchstens 2,30 m!) und immerhin 1,5 t freigegeben war. Wir konnten es nicht glauben, konnten leider jedoch keinen Praxistest beobachten. Nettes Quartier mit familiärer Aufnahme fanden wir im Hotel Celis (http://celis.it/) in der Ortsmitte von Bárcis, direkt an der Seepromenade. Auch abendessenstechnisch war die Herberge ein absoluter Glücksgriff.
Leider fehlten noch 1,5 km am Hunderter. Dies wurde selbstverständlich mittels einer kleinen Ortsrunde nachgeholt.
E6: Tag 6: Mitten durch einen ehemaligen Stausee und ab Richtung DolomitenTag 6: Mitten durch einen ehemaligen Stausee und ab Richtung Dolomiten
86,9 km
2047 Hm
In der Nacht hatten sich die Himmelsschleusen wieder kräftig geöffnet. Morgens war der gröbste Spuk vorüber, es nieselte nur noch. Italienisches Frühstück unterscheidet sich qualitativ doch gewaltig von italienischem Abendessen, das mussten wir auch diesmal wieder feststellen.
Wir machten uns bei Nieselregen auf in die Cellinaschlucht oberhalb des Stausees Richtung Passo San Osvaldo (827 m). Die wolkenbruchartigen Regenfälle vom Vortag und der Nacht hatten ganze Arbeit geleistet: der Torrente war voll mit Schmutzwasser und drückte dieses farblich imposant beinahe bis zur Mitte des Stausees! Unsere Schluchtpassage war von Unsicherheit geprägt: brauchten wir nun Regenschutz oder nicht? Erst 15 km schluchtaufwärts, am Ende des Talbeckens von Cimoláis, war die Sache dann klar. So schnell wurde es nichts mit Dauerregen - es trocknete spürbar. Und es wurde auch spürbar steiler. Am Ende zeigte der Pass doch, dass er ein richtiger Pass war. Oben nur eine Kapelle, sonst nichts. Dafür eine spektakuläre Abfahrt, mit einem Stopp nach wenigen km: links weg führte ein ultraschmales und ebenso steiles Wegchen hinunter in die Schucht, reichlich mit Warn- und Verbotstafeln versehen - sicheres Indiz, dass dieses Sträßchen auch weiterführt. Wir legten eine Nachdenkpause ein. Wer das Ergebnis errät, dem gratulieren wir mit einem warmen Händedruck. Nun, es handelte sich um die ehemalige Staudamm-Wartungsstraße rund um den ex-See. Beinhaltend: abenteuerliche Einspurtunnels, eine gleichgeartete Schluchtbrücke, dann liebliche Almlandschaft, wieder Abenteuertunnels und Brücken. Irgendwann wurde die Landschaft chaotischer - wir waren im ehemaligen Bergsturzgebiet angekommen. Gruselig: auch nach 55 Jahren ist die über 2 km lange Abrisskante vom 09. Oktober 1963 (https://de.wikipedia.org/wiki/Vajont-Staumauer) samt entblößtem darunterliegendem Fels deutlich zu erkennen. Auf den sich auf dem ehemaligen Seegrund auftürmenden zig Millionen Kubikmeter Erdmassen fuhren wir durch wiederaufgebaute Siedlungen. Hoch über dem gegenüberliegenden ehemaligen Ufer: die Dörfer Erto und Casso, beide wurden durch die damalige Flutwelle schwerst geschädigt, es gab sehr viele Opfer, in Longarone hat praktisch niemand überlebt.
Schließlich erreichten wir die Staatsstraße, kurz vor der ehemaligen Staumauer - heute zugleich Mahnmal und Technikmuseum. Die tunnelreiche Abfahrt nach Longarone wurde schnell bewältigt. Unten konnten wir nachvollziehen, wie die damalige Flutwelle die Stadt Longarone am anderen Piave-Ufer komplett zerstören konnte. Wir durchquerten die neu und modern aufgebaute Stadt, um dann tunnelabgekürzt in das langgezogene Val di Zoldo mit dem Torrente Maè zu gelangen. Anfangs ging es auf den ersten 13 km flott und mäßig steil bergan. Orte tauchten keine auf, dafür ein Hungerast. Eine heftige Rampe hatte es in sich an der Staumauer des nur spärlich gefüllten Lago di Pontesei. Endlich tauchte der langgezogeneTouristenort Forno di Zoldo auf, Zeit für Cola etc. Die Wolken holten uns wieder mal ein und es begann leicht zu nieseln. Diese Erfrischung begleitete uns bis zur Passhöhe der Forcella Staulanza (1773 m). Deren Weg war uns ab Dont wohlbekannt von unserer ersten Dolomitentour 2010 (http://www.quaeldich.de/touren/suedtirol-trentino-dolomiten-2010_a/). Diesmal jedoch im Nieselregen und verschärft dadurch, dass Jürgens Magura-Vorderradbremse angefangen hat, leck zu werden. Die Abfahrt bis Selva di Cadore war demzufolge nicht unbedingt vergnügnungssteuerpflichtig. Das anschließende Steilstück direkt hinunter nach Caprile auch nicht. Dort fanden wir zwar keinen Radladen, dafür das radlerfreundliche Hotel La Montanina (https://www.hotelmontanina.com/de).
E7: Tag 7: Am Fuß der Marmolada und Sellaronda - wer braucht da ne Vorderbremse ?Tag 7: Am Fuß der Marmolada und Sellaronda - wer braucht da ne Vorderbremse ?
87,9 km
2783 Hm
Der Passo di Fedaia (2057 m) stand u.a. auf dem heutigen Programm, dazu eine halbe Sella-Runde. Dafür sollten die Bremsen voll funktionsfähig sein. Waren sie bei Jürgens Velo nicht. Dennoch fuhren wir los. Anfangs ging es steil bergan bis Sottoguda. Die bekannte Schlucht Serrai di Sottoguda (http://treninodeiserrai.com/it/i-serrai.html) mußte sein, trotz der 2,50 EUR Eintrittsgeld. Es hat sich gelohnt. Im Anschluß folgte die größte Herausforderung: die endlos lange Gerade, noch dazu ultrasteil, bis zum finalen Kehrensalat. Am See oben wählten wir die Hauptstraße durch die Galerien. Vorteil: zauberhafte Blicke auf die Marmolada. Nachteil: Vollidioten aus Freising, die mindestens bei Tempo 120 mit ihren Terror-Motorrädern unbeschreiblich laut und kriminell durch die Galerien hin und her rasten. An der Staumauer wurden dann die letzten Fotos der Marmolada geschossen, sehr zum Mißfallen einer italienischen Motorrad-Amazone, die es nicht ertragen konnte, ihre Bilder der verlärmten Bergwelt mit Velofahrern zu verschönern... Flotte Abfahrt nach Canazei, gerade noch rechtzeitig vor der Mittagspause. Jedoch: der einzige geöffnete Radladen hatte zwar freundliche, aber leider hilflose Mechaniker (Magura Felgenbremsen scheinen in Südtirol/Italien eher unbekannt zu sein). Deren Tipp: Corvara jenseits der Sellagruppe. Klare Ansage: noch 2 Pässe ohne Vorderbremse für Jürgen und der warmherzige Tipp der Schrauber: in jeder Abfahrt mindestens 2x10 min Pause, um die Hinterradfelge wieder abzukühlen!
Wir nahmen das Sellajoch (2244 m) unter die Räder, uns bis zum Abzweig von der Pordoi-Straße bekannt von der Tour 2011 (http://www.quaeldich.de/touren/allgaeu-slowenien-2011-bar-jeglicher-vernunft/).
Motorräder gab es leider reichlich, doch auch Rennradler bevölkerten die Bergstraße. Richtung Paßhöhe wurde die Straße immer schmaler - was in den engen Kehren Probleme mit den Reisebussen zur Folge hatte. Oben hatten wir eine Prachtsaussicht auf die Dolomiten-Bergwelt. In der kurzen Abfahrt zum Beginn des Anstieges zum Grödnerjoch (2121 m) wurde Jürgen von den schon sattsam bekannten Freisinger Zweiradterroristen bei hoher Geschwindigkeit gefährlich geschnitten. Noch zitternd fuhr er nahtlos in den Aufstieg zum Grödnerjoch. Im Vergleich zu den anderen Pässen war dies nur ein ,,Nupsi", fast vollständig mit Schwung zu durchfahren. Schwieriger wurde es bei der Abfahrt nach Corvara: die Vorderradbremse war inzwischen total ausgefallen, und die reichlich mit Kehren und Baustellen gespickte Straße für solche Handicaps nicht geeignet. In Corvara fanden wir einen Radladen mit Mechaniker, der sich zwar nicht mit Magura-Bremsen auskannte, aber ,,alle nötigen Werkzeuge" da hatte. Nach ½ h hatte er vermeintlich das Problem gelöst. Dafür verlangte er 30 Euronen. Wir bezahlten und fuhren los - und nach einer weiteren ½ h Abfahrt durchs Gadertal war das Problem leider wieder da!
Was nun? Es war schon spät, die Talstraße durchs Gadertal nervig-stark befahren, LKW-lastig. Kurz vor St. Martin in Thurn, am Abzweig der Straße zum Würzjoch (1987 m) gab es daher eine Telefonpause: Jürgen besprach sich mit Stefan Pochert von bici-Weingarten wegen möglicher Magura-Bremsen-kundiger Veloschrauber in Südtirol. Einstweilen fuhren wir also das Würzjoch an, doch schon vor der Zwischenabfahrt nach Untermoi meldete sich Stefan mit der einigermaßen frohen Kunde von gleich 2 Radläden in Brixen, die Magura-kundig seien. Wir telefonierten mit beiden Läden und kündigten unser Kommen für Freitagmorgen an.
Trotz der nahen und noch machbaren 3000 hm-Marke entschlossen wir uns, im Hotel Fontanella (https://hotel-fontanella.com/de/hotel/unser-haus), im Oberdorf von Antermoia, Quartier zu nehmen. Das war genau richtig. Südtiroler Küche vom Feinsten, und das bei excellenter Gastfreundlichkeit!
E8: Tag 8: Bremse wieder fit, dafür Speiche abTag 8: Bremse wieder fit, dafür Speiche ab
90,0 km
1944 Hm
Auch das Frühstück verdiente die Führungsposition auf unserer Reise-Hitliste (vom Kaffee abgesehen). Früh brachen wir auf. Die verbliebenen 4 km bis zum Paß entpuppten sich doch als recht zäh und steil. Oben am Würzjoch (1987 m): Prachtspanorama bis zum Ortlermassiv und dem Zillertaler Hauptkamm. Wir machten nur kurz Pause, die Werkstatt in Brixen rief. Dennoch genossen wir die schöne und aussichtsreiche Abfahrt über Afers - St. Andrä. In Brixen fanden wir ohne Schwierigkeiten den Radladen am Sonnentor, ,,Sportler" (https://my.sportler.com/sportler-filialen/sportler-brixen/). Ergebnis: nach 30 min war das Problem tatsächlich behoben, und sie wollten nicht einmal Geld dafür!
Wir legten noch eine kleine Stadtrundfahrt ein, dann ging es auf den Radweg Eisacktalawärts gen Blumau. Wirklich hervorragend, nicht nur die Qualität, sondern auch die Kunst, eine Route zu finden, die beinahe durchgehend vergessen lässt, dass man sich in vom automobilen Wahnsinn geschundenem Tal fortbewegt. 35 km Express forderten aber auch bei leichtem Gefälle ihren Tribut, so dass in Blumau im schönen Gastgarten des gemütlichen Albergo/Hotel Schloßhof (http://www.schlosshof-castello.it/) eine Pasta-Pause eingelegt werden musste.
Dann ging es wieder zur Sache, und das heftig: der Anstieg nach Obergummer (1349 m) mit über 1000 hm und zahllosen Kehren stand auf dem Programm. Für mich hieß es aber nach Kehre Nr. 4: runter vom Rad. Eine Speiche am Hinterrad (natürlich auf der Kassettenseite) war gebrochen, und der sofort aufgetretene Achter so heftig, daß das Rad sich nicht mehr drehen ließ. Was tun? Ich schob das Rad weiter bis zu einem Schattenplatz. Derweil kam aber ein Kleintransporter, der mich mitnahm bis Steinegg. Jürgen staunte nicht schlecht, als ich an ihm vorbeifuhr - das erste und einzige Mal auf der Tour!
In Steinegg versuchte ich, den Achter einigermaßen auszubügeln - leider erfolglos. Inzwischen traf auch Jürgen ein. Wir entwarfen einen Plan C/D/E... Ich fuhr mit dem nächsten Linienbus nach Bozen hinunter und Jürgen per Velo weiter auf den Gummer. Mein Chauffeur hatte Schwierigkeiten, dem Drucker eine Fahrkarte zu entlocken - was ihn aber nicht davon abhielt, gekonnt elegant und einhändig sein Riesengefährt durch die engen Serpentinen zu kurbeln. Er hatte aber auch Unterstützung einer ganze Reihe Marienbildnisse und mehrerer Rosenkränze an der Frontscheibe. Und er wußte einen Schrauber ganz in Bozner Bahnhofsnähe. Der erwies sich als Spitzentipp: ein richtiger Schrauber alter Schule. 20 min, und das Rad war wieder perfekt geflickt und zentriert.
Ich telefonierte mit Jürgen und machte mich eilends auf den Weg zurück nach Blumau und hinauf auf den Obergummer. Jürgen suchte einstweilen ein Quartier - und fand auch ein nettes im oberen Eggental kurz vor Birchabruck, beim Kreuzwirt (http://www.hotel-kreuz.it/). Als ich dann endlich eintraf stand ein regelrechtes Empfangskomitee aus Jürgen und der Wirtin an der leider sehr verkehrsmalträtierten und verlärmten Eggentalstraße.
Tagesbilanz Ulrich: 104 Kilometer, 2200 Höhenmeter
E9: Tag 9: Noch einmal Dolomiten - Zugtransfer - Monte BaldoTag 9: Noch einmal Dolomiten - Zugtransfer - Monte Baldo
41,2 km
791 Hm
Gesamter Tag: 84 Kilometer, 2420 Höhenmeter
Abendessen: sehr gut. Zimmer: schön, viel Holz. Frühstück: man paßt sich den Italienern an. Wir brachen wieder früh auf, zunächst im Eggental bis Birchabruck, dann dem Zengenbach entlang bis zur Wieser Säge, und dann...das Schwarzenbachtal hinauf in der Gewißheit, dass man die zu bewältigenden hm auf möglichst wenige km konzentrieren sollte. Doch der Lohn: prächtige Ausblicke auf Rosengarten etc.. Hinter Deutschnofen auf der Hochfläche folgte gleich eine längere Abfahrt, ehe es wieder sanft bergan ging bis nach Petersberg (1367 m). Von nun an gings bergab - anfangs noch schön über Aldein auf wenig befahrener Straße, doch nach der Aldeiner Brücke über die Schwarzenbachklamm mußten wir doch noch auf die Staatsstraße aus dem Fleimstal enbiegen. Auch bergab bereitete deren Verkehr kein Vergnügen, und so freuten wir uns, als wir endlich in Montan diese Straße verlassen und auf direktem Weg Neumarkt im Etschtal ansteuern konnten. Nun begannen allerdings die Schwierigkeiten: Neben der Etsch trennte auch eine recht neue Schnellstraße den Ort vom Bahnhof. Und die Beschilderung war schlicht nicht vorhanden. Also landeten wir nach einigen Wirren doch auf dieser Schnellstraße und mußten notgedrungen eine 2 km-Irrfahrt südwärts samt Wechsel in die Gegenrichtung zurücklegen, ehe wir doch noch auf der Bahnhofsstraße landeten und erfolgreich unseren Zug erreichten.
Dieser brachte uns über Trient und Rovereto bis zum Bf Ávio. Nur noch die Etsch überqueren, kurze Pasta Pause und dann hoch gen Monte Baldo (1617 m). Schön wäre es gewesen. Doch in Ávios Zentrum gab es schlicht kein geöfnetes Restaurant, außer einer Tankstellen-Bar mit Gummi-Panini im Angebot. Na ja, dann haben wir auch das einmal genossen.
Die lange und mit 1530 hm sehr anspruchsvolle Auffahrt legten wir natürlich in der größten Mittagshitze zurück. Schön war sie trotzdem. Im unteren Teil eher schroff, dann wunderbar weites Alm-Weidegebiet. Und als Höhepunkt die Bocca di Navene, von der man einen phantastischen Blick auf den 1400 m tieferen Gardasee hat. Trotz diesigen Wetters wurde natürlich wie wild fotografiert, ehe wir die letzten 200 hm unter die Räder nahmen. Sehr lohnenswertes Radrevier das Monte Baldo Massiv.
Es ging auf 18 Uhr zu - wo übernachten wir? Zunächst nahmen wir uns die Abfahrt vor. Zumindest bis Crosano klappte dies bis auf zwei kurze Gegenanstiege auch gut. In einer Kehre am Rande dieses kleinen Ortes fanden wir eine schön hergerichtete Villa, das Albergo/Pizzeria/Restaurant Miramonti (http://www.miramonti-brentonico.com/). Ganz das Richtige, und trotz Wochenende auch noch kaum Gäste. Was will man mehr?
E10: Tag 10: Gardasee, traumhafte alte Ponalestraße und wieder zurück in die EinsamkeitTag 10: Gardasee, traumhafte alte Ponalestraße und wieder zurück in die Einsamkeit
76,1 km
1994 Hm
Wie schon gewohnt: Abendessen hui, Frühstück... Tagesbeginn: Abfahrt bis Mori, dann auf einem gut ausgebauten Radweg (großteils alte Bahntrasse https://de.wikipedia.org/wiki/Lokalbahn_Mori%E2%80%93Arco%E2%80%93Riva) am ausgelasenen ehemaligen Lago di Lóppio entlang und zum Mini-Passo San Giovanni (287 m). Dieser hat immerhin ein Superlativ: niedrigster Passübergang der Alpen! Dann hinunter nach Torbole zum Gardasee. Wir hatten Sonntag, und auf der Strandpromenade war viel los. Nix mit Nacktbaden. Doch auf ein Bad wollten wir nicht verzichten, also mit Badehose. Der Rest: wirres Durchgeschlängel durch Riva und den Automoloch bis zum Eingang der alten Ponalestraße (https://de.wikipedia.org/wiki/Ponalestra%C3%9Fe). Nun wurde es wieder sehr schön. Zwar auf Schotter, aber äußerst eindrücklich, wie sich die alte Ponalestraße regelrecht in den Fels gemeißelt langsam über den Gardasee ehebt. Und mit Einbiegen ins Val di Ledro kommen noch einige Serpentinen hinzu. Höchste Straßenbaukunst. Am oberen Eingang des neuen Tunnel erreichten wir die heutige Staatsstraße. Jürgen wechselte auf den schottrigen Radweg, ich blieb auf der Straße. In Prédi Ledro wechselte auch ich auf den Radweg - der dann vor Molina di Ledro wieder richtig steil wurde. Nun hatten wir es aber bald geschafft. Der Lago di Ledro war erreicht. Jürgen drängte es zu Pasta und Cola, mich ins Wasser des Lago. Dann der GAU: bestellt hatte ich ein alkoholfreies Weißbier, gebracht hat die Wirtstochter ein WARSTEINER! Und das ohne Aspirin! Schnell weg.
Der Rest bis zum Passo d'Ámpola(747 m) war mehr oder weniger flaches Gegurke durch ein allerdings recht schönes Hochtal. Wieder viel schöner: die Westabfahrt nach Storo und zum Lago d'Idro. Auf Radwegen konnten wir uns im Tal des Fiume Chiese durchschlagen bis Lodrone. Dann folgten: ein fast verkehrsfreier ultrasteiler Anstieg bis Riccomassimo, ein noch verkehrsärmeres unheimlich schön angelegtes Hangsträßchen nach Bagolino und schließlich die Passanfahrt zum Goletto di Cadino (1943 m). Wellig und lang war die Anfahrt in Richtung Cadino/Croce Domini. Und es war ungewiss, ob wir weiter oben in dieser Einsamkeit der Bergamasker Alpen noch eine Übernachtungsmöglichkeit bekommen würden. Deshalb brachen wir die Paßanfahrt im Weiler Valle Dorizzo ab und suchten Quartier im dortigen Kaufladen mit angeschlossenem Bed & Breakfast (https://www.bedandbreakfast.eu/privatzimmer/valle-dorizzo/affittacamere-di-scavoni-paolo/1991959/). Auf diese Art kam Jürgen auch noch zu seinem Mexico-Spiel in der benachbarten Kneipe. Anschließend gab es ein recht käselastiges Menu und einen gesunden Schlaf.
E11: Tag 11: Schöner Croce Domini und Mythos MortiroloTag 11: Schöner Croce Domini und Mythos Mortirolo
33,9 km
807 Hm
Gesamter Tag: 82 Kilometer, 2313 Höhenmeter
Ein letztes Mammutprogramm begann in der Küche der Vermieterin, hinter dem Laden. Wieder käselastig, aber vom feinsten. So gesättigt saßen wir schon kurz nach acht auf den Rädern, und es ging flott voran gen Paßhöhe. Bei der Malga Gaver gab es ein kleines Schigebiet mit langen Tellerliften zu bewundern. Dann arbeiteten wir uns hoch in wunderbares Almengebiet, stets mit Ausblicken auf das fast 3500 m hohe Adamello-Massiv. An der Paßhöhe des Croce Domini/Goletto di Cadino (1943 m) gab es nicht nur Verwirrung wegen des Hochpunktes, sondern auch wegen seiner Höhe. Wir machten uns nach den üblichen Fotos auf die flotte Abfahrt gen Breno. Nur gebremst durch eine Kuhherde auf Almauftrieb. Und weil es gar so gut lief, schafften wir in Breno tatsächlich noch den Zug um 10:31 Uhr gen Édolo, der uns 30 öde Staatsstraßen-km ersparte. Geeignet sind die ehemaligen FS-Triebwagen der TreNord zwar nicht für Radmitnahme, aber das störte hier niemanden.
Édolo: Jürgen hatte wieder einmal das dringende Bedürfnis nach Pasta/Cola, also wurde dasselbige in der Stadtmitte befriedigt. So gestärkt konnte es losgehen mit der Befahrung des Passo del Mortirolo (1852 m). Bis Monno hatten wir es noch mit der stark befahrenen Talstraße zu tun, dann wurde es einsam - und steil. Zwei km hinter Monno: in einer Kehre gab es auch eine ultrasteile Variante geradeaus weiter auf der alten Römerstraße. Jürgen entschied sich nach kurzer intensiver Bedenkzeit für diese maximale Quälervariante - es war hart aber schön für ihn und er war glücklich. Ich beschränkte mich auf meine Vernunft und nahm meinen Kräften angepaßt die etwas harmlosere "normale" Straße. Die letzten, gemeinsamen km wurden aber doch wieder sausteil, doch die Endorphine sorgten für die nötigen Kräfte. Oben angekommen gab es dann eine wahre Fotoorgie.
Wir spendeten den Rennradlern, die aus dem Adda-Tal oben ankamen, großmütig Beifall und machten uns schließlich davon Richtung Höhenstraße / Passo di Guspessa (1824 m). Gigantisch die Aussichten auf der Ostseite des Kammes Richtung Adamello-Bergamasker Alpen, genauso auf der Gegenseite ins schwindelerregend tief unten liegende Adda-Tal nach Tirano und das Bernina-Massiv. Und anstrengend die steile und lange Talfahrt über Trivigno ins hektische Tirano.
Dort suchten wir Quartier in Bahnhofsnähe, quälten uns durch die Massen von PKW und LKW, die diese Stadt malträtieren und fanden direkt an der Adda das Albergo Stelvio (https://albergostelvio.com/). Zum Abendessen gab es dann noch ausgezeichnete Pizza in der Antica Osteria dell'Angelo (http://www.osteriadellangelo.com/) in der Altstadt und einen Absacker zur Feier des (vermeintlichen) Tour-Endes.
E12: Tag 12: Bonuseinlage: Weltkulturerbe Rätische Bahn, per Rad die Albulaabfahrt, Lenzerheide und die Luzi zum SchlussTag 12: Bonuseinlage: Weltkulturerbe Rätische Bahn, per Rad die Albulaabfahrt, Lenzerheide und die Luzi zum Schluss
49,5 km
722 Hm
Gesamter Tag: 110 Kilometer, 1378 Höhenmeter
Vermeintliches Tour-Ende/Alternativ-Programm:
Bezug des Unesco Weltkulturerbe Rhätische Bahn (https://de.wikipedia.org/wiki/Rh%C3%A4tische_Bahn), prachtvolle Fahrt mit der Bernina Bahn (https://de.wikipedia.org/wiki/Berninabahn) durchs Puschlav zum Berninasee, dann zur Albula (https://de.wikipedia.org/wiki/Albulabahn) durch den alten Albulatunnel und Ausstieg auf der anderen Seite in Preda. Dann folgte per Rad eine kleine Wettfahrt mit dem roten Zug bis hinter Alvaneu-Bad - gewonnen! Aufgrund der schwärmerischen Beschreibung des Lenzerheidepass (1549 m) nahmen wir diesen unter die Räder (Original Zitat aus der QD Beschreibung: "Kurz vor Lenz biegt von rechts die Ostanfahrt vom Albula/Flüela ein. Kurz nach Lenz beginnt das schönste Stück dieser Auffahrt, das Rollen über das Hochplateau. Gesäumt von einem Nadelwald thront zur rechten Seite das Aroser Rothorn über allem. Diese 5 km gehören zu den Schönsten überhaupt in den Schweizer Alpen.") - und mußten arg enttäuscht feststellen, daß der Autor entweder nur Schweizer Autobahn-Standstreifen als Vergleich gekannt hat, oder irgendwas geraucht haben muß. Gerade, langweilige und anstrengende Straßenführung, landschaftlich nicht reizvoll und zudem viel Verkehr, all dies hat frustriert. Jedenfalls stürzten wir uns schnell in die Abfahrt nach Chur und, da von starkem Gegenwind behindert, zum dortigen Bahnhof, um für das Flachstück bis Maienfeld die Hilfe der SBB in Anspruch zu nehmen. Ab Maienfeld erradelten wir noch den St. Luzisteig (713 m), der wirklich nett zu fahren war. Anschließend ging es im Zweierzug gegen den Wind durchs Geldkofferland bis Feldkirch, von wo uns die ÖBB bis Bregenz Hafen brachten.
Und dann wurde die Frage aufgeworfen: Zug nach Lindau-Wangen oder Fahrrad? Da die 100 Tageskm noch nicht voll waren, entschieden wir uns für letztere Variante und radelten erstaunlich flott berwärts in einer Stunde vom Bregenzer Hafen bis Wangen, wo im obligaten Lamm-Gastgarten (https://www.lamm-wangen.de/) das Wiedersehen mit den Holden und dem Radrennfahrer Lukas gefeiert wurde. Das obligatorische Landzüngle und ein "Krumme" durfte da nicht fehlen!
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