Von majortom – Heute wären wir zu Basel-Barcelona 2020 aufgebrochen.
Wären.
Corona hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wie so vielen besonderen, epochalen Veranstaltungen, Ereignissen und Rennradreisen.
Wir hätten uns heute in einem pompösen Speisesaal in einem noblen Hotel an der Messe in Basel versammelt. In bester ausgelassener Stimmung. Mit Vorfreude. Natürlich auch ein wenig bange, denn vor uns hätten zehn epische Etappen zwischen der Stadt im Dreiländereck am Rhein und der katalanischen Metropole gelegen. Basel-Barcelona. 1465 km, 19900 Höhenmeter. Nominell. Irgendwo unterwegs hätten wir auch noch eine 100-Höhenmeter-Welle gefunden, um die 20000 Höhenmeter voll zu machen. Wie so üblich bei Grand Tours von quäldich wäre innerhalb von Tagen aus einem Haufen starker Indiviualisten eine verschworene Gemeinschaft geworden. Gemeinsam hätten wir die Berge gemeistert. Im Jura, im Zentralmassiv, den Cevennen, den Pyrenäen, dem katalanischen Bergland. Und wären nach 10 Tagen triumphal in Barcelona eingezogen.
Wären. Hätten.
Es ist nichts draus geworden. Doch wir blicken nach vorne.
Zum einen läuft zur Zeit unser Saison-Neustart in der Pfalz. Zum anderen gehen am Montag Punkt Mitternacht die Schlagbäume an vielen europäischen Grenzen wieder auf. Unter verschärften Hygiene- und Abstandsbedingungen können wir unser Reiseprogramm wieder aufnehmen. Wer hätte das im März oder April noch gedacht?
Von Jan – Wir reisen wieder! Das ist die wichtigste Botschaft des heutigen Tages und ein großer Grund zur Freude! Aufgrund der dichten Ereignisse des Tages kann ich auch schon vom Abendessen in der Brasserie de la Poste zu Pontarlier berichten, wo wir ein in Vin Jaune gegartes Hühnchen an Reis und Salat mit Apfeltarte genossen haben, ganz zur Freude der ganzen Reisegruppe.
Nur ein kleiner Wermutstropfen trübt die Freude über diesen wundervolle Auftakt durch den Jura von Weil am Rhein (bei Basel) auf dem im Wesentlichen kürzesten Weg nach Pontarlier: der Umstand, dass wir nun schon 10 % des Wegs nach Barcelona bestritten haben. Und in den nächsten Tagen kommen unweigerlich täglich Prozente dazu!
In Erinnerung bleibt der giftige Anstieg nach Les Verreries, der Col de Montvoie, die rasante Fahrt entlang des glitzernden Doubs, die fantastische Verpflegung bei Helena und Volker, der ebenso glitzernde Dessoubre und ganz viel Rückenwind bis zum Cirque de Consolation, wo uns nicht nur die hiesige Madonna, sondern auch Alexander Trost zusprach: Trost in Form von weiteren Höhenmetern, die wir spontan zur Rôche du Prêtre einstreuten, um auch von oben einen Blick in den Cirque zu erhaschen. Wow!
Die restlichen 50 km der Etappe versinken im Nebel der letzlich erfolglosen Kaffeesuche. Dafür Schmutzbier im motelesken Hotel Campanile in Pontarlier, das kaum noch Raum ließ für die nun in die Nacht fallenden Reiseleiterpflichten.
Ein Hoch auf den Tourenplaner majortom, ein Hoch auf diese fantastische Reisegruppe –- vive la France!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Es geht los. In vier Gruppen verlassen wir Basel im Dreiländereck Schweiz-Deutschland-Frankreich. Wir überqueren den Rhein und sind dann im Elsass unterwegs, kurz darauf erreichen wir jedoch wieder Schweizer Boden, wo wir mit dem Col de Montvoie die schwerste Bergwertung des Tages absolvieren und endgültig in den französischen Teil des Jura gelangen. Damit erreichen wir das malerische Doubs-Tal, das ins Dessoubre-Tal übergeht - auf der langen Auftaktetappe versuchen wir möglichst höhenmetersparend durch den Jura zu fahren. Am Cirque de la Consolaison überwinden wir eine Geländestufe, überqueren bei Longuemaison den höchsten Punkt des Tages und kommen im oberen Teil des Doubs-Tal heraus, wo es nicht mehr weit bis in den auf ca. 830 m Höhe gelegenen Etappenort Pontarlier ist.
Von Jan – Zum ersten Mal in der Geschichte der Grand Tours rezyklieren wir heute eine Etappe, und zwar von Pontarlier nach Bourg-en-Bresse, so schon gefahren bei Freiburg-Bordeaux 2018. Und das war kein Fehler: der Jura ist hier noch einsamer als gestern, der Doubs glitzert in der Morgensonne, der Ain brennt sich ins Gedächtnis mit der wunderbaren Stausee-Aussicht hinter Montcusel. Traumhaft! Dazu weht uns ein steter Rückenwind schnell gen Mittagsverpflegung – aber Moment! Wir sind in Gruppe 2 (ich bin heute der Hilfsguide von mago) viel zu schnell unterwegs, Volker erwartet uns erst um zwölf, und wenn wir weiter so drücken, sind wir um halb elf bei ihm! Also doch noch ein Café aufgesucht, statt Getränkeverpflegung 1, denn Helenas Fahrzeug ist in der Werkstatt, die Abgasfilteranlagenwarnleuchte brennt. Der Café in Saint-Laurent-en-Grandvaux tut gut, und dem Zapfhahn entfließt eiskaltes Wasser. An diesem nun heißer werdenden Tag eine Wohltat! 17 zügig auf der Jura-Hochfläche gefahrene Kilometer später treffen wir als vorletzte Gruppe bei Volkers Waldschattenverpflegung an der Côte des Pirards ein. Hinter uns ist nur noch die deutlich später gestartete Gruppe 1. Volker überschlägt sich förmlich bei dem Versuch, die ausgefallene Verpflegung bei seiner besseren Hälfte zu kompensieren. Bei der zügig aufgebauten Behelfs-Mechanikerstation (Sergej, wo bist du?) montieren wir Thomas' 10-fach-Kassette auf ein Ersatzlaufrad (Freilaufschaden) und Freds nagelneuen Reifen neu (Schlauch tritt aus). Das muntere Gruppenwürfeln geht somit in die nächste Runde.
Die direkt anschließende Abfahrt von der Côte des Pirards durch die jurassische Almenidylle gehört mit zum Schönsten der heutigen Etappe. Wellig, aber deutlich stärker abfallend als ansteigend fliegen wir hiernach dem Höhepunkt der heutigen Etappe zu, dem Aussichtspunkt über dem Ain, den wir als Führende der Gesamtetappe erreichen. Wunderbar, siehe Tagestitelbild!
Die Gefahrenstelle der folgenden rasanten Abfahrt meistern wir gekonnt, die kurz darauf anschließende enge Brückenquerung führt zu einer Überinterpretation der deutsch-schweizer Freundschaft mit übersteigertem Nähebedürfnis. Zum Glück bleiben nur Schürfwunden und ein von mago meisterhaft zentriertes eierndes Vorderrad von der Asphalt-Kontaktaufnahme.
Wir sammeln uns mental und lassen Gruppen 3 und 4 vorbei. Hiernach ist die Luft etwas raus, und wir erfreuen uns am Windschatten der bald vorbeischießenden Gruppe 1, die sich nach der Vorbeifahrt von unserer Lethargie anstecken lässt. Freundlicherweise erwartet uns ein nicht-identifizierter Engel einer der Vorgruppen auf der Pont de l'Ain de Thoirette. Thoirette (nicht verwandt mit dem Tourette-Syndrom) heißt Jubeln auf französisch, und so nehmen alle Gruppen zusammen im Café du Pont einen oder zwei davon!
Wir verlassen den Ain und wenden uns der längsten Tagesauffahrt zu, zur Côte de Corveissat. Die Steigungsprozente sind gnädig, die Mittagshitze nicht. Ich muss zugeben, dass ich leide! Ein Königreich für ein Eisbad!
Das bekommen wir nicht, aber die erhabene Überfahrt über den Col de France dafür fast geschenkt! Die ganze Gruppe ist daran vorbei gefahren. Die ganze Gruppe? Nein! Ein unbeugsamer Reiseleiter hört nicht auf, die französischen Passschilder zu markieren. Wir waren hier!
Ein Einzelzeitfahren und etwas Stadtverkehr später rollen wir triumphal in Bresse ein! Schmutzbier kennt Gruppe 2 nicht. Thomas und ich begeben uns auf die Grand Mechanical Tour de Bresse und beheben im Optimum Bikes den Freilaufschaden! Darauf ein Bresse-Huhn!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Die Etappe ist eine alte Bekannte für Veteranen von Freiburg-Dune du Pilat 2018. Von Pontarlier nach Bourg-en-Bresse. Wieder eine lange, aber nicht allzu schwere Etappe durch den einsamen Teil des französischen Jura in den Departements Jura und Ain. Höhepunkt der Etappe ist ausnahmsweise mal kein Anstieg, sondern eine wildromantische Abfahrt: diejenige von Montcusel hinab zum Stausee Lac de Choiselet. Die einzige wirkliche Bergwertung des Tages ist die nicht wirklich anspruchsvolle Côte de Corveissat, dann sind wir schon vor den Toren von Bourg-en-Bresse.
Von Jan – St. Etienne liegt schon mitten im Zentralmassiv, schreibt Tom in seinem Etappenbriefing. Hier sind wir jetzt nach drei Etappen! Heute morgen sagt Tom noch zu mir, die heutige sei wohl diejenige, die von allen vielleicht etwas schwach auf der Brust wäre. Das kann ich nicht bestätigen.
Die Etappe war vielmehr wunderschön, und das sehen auch die Teilnehmer von Gruppe vier so, aus der ich heute berichte. Schon die 60 ersten ungewöhnlich flachen Kilometer durch die Bresse wissen zu überzeugen, es rollt gut, die Gruppe harmoniert, und weil wir als erstes gestartet und schnell sind, halten wir uns die anderen Gruppen erfolgreich vom Leib. Drei Mal das Knie gerade gemacht, vier Mal rechts-links abgebogen, fünfmal per Speeddating durchgewechselt, und schon stehen wir in Ars-sur-Formans bei He, denn ja: die Flaschen sind leer, es ist schon wieder heiß! Heute nehme ich gute Zero-Calory-Dextro-Elektrolyt-Tabletten ins Wasser – viel besser als gestern ohne! Und schon rollen wir über die Saone und befinden uns im Beaujolais. Weinreben, Steinmauern, Weingüter so weit das Auge reicht, und ein immer besser werdender Ausblick auf Lyon ergeben sich im ersten qualifizierten Anstieg nach Marcy.
Oben treffen wir zwei knorrige Franzosen auf Rennrädern, und sie freuen sich, dass wir durch ihr gesamtes Heimatland nach Barcelona fahren. Mein einziges bekanntes französisches Wortspiel mit den Deutschen und den anderen Hunden sorgt immerhin für Belustigung auf die Frage nach unseren Nationalitäten. Otto trägt es mit Fassung.
Jubel bricht aus auf der anschließenden Abfahrt mit weiten Blicken zur Rechten über die Weinberge und das Hügelland des Beaujolais. Dann kommt schließlich Gruppe 1 vorbei. Michaels neu gebrandetes Sattelrohr erfreut die Reiseleitung. In Pollionay optimiert Volker kurzerhand die Mittagsverpflegungsposition in den Schatten mit Lyonblick. Fantastisch! Der Col de la Luère liegt wie angekündigt meistens im Wald, bombastisch ist aber die über ihn erschlossene Route-des-Crêtes, mit Blicken zur Rechten in die Monts de Lyonnais und zur Linken auf die in der Ferne winkende Großstadt. Wie findet Tom nur diese Strecken? Fragt mich Alexander bei der zweiten Getränkeverpflegung, nachdem wir von Saint-Martin-en-Haute auf der alten Bahntrasse hinunter nach Nézel gesegelt sind. Ich fahre kein Snowboard, aber ungefähr so stelle ich mir das vor! Er ist einfach gut, antworte ich ihm, denn in diesem Fall hatten wir denke ich niemanden aus dem quäldich-Netzwerk, der ihm diesen Abschnitt empfohlen hatte. oder, majortom?
Nun steht nur noch der letzte Anstieg des Tages über L'Aubépin auf dem Programm, Gruppe 2 ist schon am Luère vorbei, jetzt kommt auch Gruppe 3 von hinten, aber nur in Ausschnitten. Nach einer letzten tollen Abfahrt nach St. Etienne retten wir einen knappen Vorsprung vor Gruppe 3 ins Ziel. Nicht, weil wir schneller fuhren, sondern weil René blindr in den letzten Tagen Gruppe 4 auf mechanisches Topniveau gehoben hat, und wir daher natürlich pannenfrei durchkamen. Vielen Dank an René, Klaus, Malte, Otto, Oliver, Jan und Ulrich – es war ein sehr, sehr schöner Tag bei euch!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Die dritte Etappe beginnt flach. Es geht durch die sumpfige Ebene zwischen dem Jura und dem Zentralmassiv, bis wir bei Kilometer 60 die Saône überqueren und in den Weinbergen des Beaujolais mit dem ersten Anstieg nach Marcy konfrontiert werden. Ab hier wird es hügeliger, auch wenn wir heute nicht höher hinaus als etwa 820 m kommen. Auf den Höhenstraßen der Monts du Lyonnais genießen wir vor allem schöne Ausblicke, auf die Großstadt Lyon, die wir weiträumig umfahren, aber auch im Westen weit in das Zentralmassiv hinein. Der Col de la Luère ist der längste Anstieg des Tages. Die letzten 15 km vom Col de la Gachet sind dann Abfahrt nach Saint-Etienne.
Von Jan – Heute meldet sich die Grand-Tour-Berichterstattung aus der Welterbestatt Puy-en-Velay, Ausgangsort des französischen Jakobswegs, mit Kapelle und Madonna auf zwei markanten vullkanischen Basaltschloten.
Und das nach einer fulminanten Etappe mit drei ausgewachsenen Pässen zu Beginn und unglaublichen Flugpassagen im zweiten Abschnitt, die nicht bei der ganzen Kabinenbesatzung auf Gegenliebe stoßen. Das Cockpit aber war sehr zufrieden! Flow, Flow, Flow, oder, um mit Det zu sprechen: Doppelporno!
Die Anstiege werden mittlerweile länger, und der Col de la Croix de Chaubouret , der den Einstieg ins Zentralmassiv, genauer ins Pilat markiert, schlägt heute morgen gleich mit 600 Hm zu Buche. Wunderschöne Tiefblicke, tolle Abfahrt hinunter nach La Gare! Und schon befinden wir uns im zweiten Anstieg nach Burdignes, den wir im Gruppenkopf der Gruppe 3 mit viel Zug auf der Kette weg drücken. Zuletzt ist nur noch Dörte neben mir, trotz der hohen Geschwindigkeit im munteren Gespräch.
Oben wartet He an einem der ungezählten französischen Orts-Rastplätze mit ihrer Getränkeverpflegung. Es ist schon warm, und ich habe kaum getrunken. Ups! Das kann sich rächen. Bei der Ausfahrt aus Burdignes genießen wir wunderbare Weitblicke in das Zentralmassiv, und finden uns gleich im zweiten Hauptanstieg des Tages wieder, dem Col de la Charousse, der zwar ausschließlich im Wald verläuft, aber dennoch aufgrund der zunehmenden Tageshitze den Schweiß fließen lässt. Die Passhöhe liegt an einer neuen Rodung, die Sommerhitze ist unbarmherzig, aber wir werden von einem Franzosen mit Vintage-Rennrad und Gepäck unterhalten, der heute morgen schon um 6 Uhr los gefahren ist, um der Mittagshitze zu entgehen. Klug!
Die Mittagsverpflegung liegt im Ort unterhalb des Passes, in Riotord. Volker hat die Verpflegung kurzerhand umgelegt, an einen weiteren der unzähligen schönen Picknickplätze in französischen Orten. Mit ein wenig Suchen finden auch fast alle Gruppen die Ausweichstelle. Die andere verpflegt sich etwas später im Carrefour.
Nun rollt der Airbus aufs Rollfeld, die Cabincrew bereitet die Maschine für den Start vor, und abwärts geht es im Tiefflug mit Hochgeschwindigkeit in Richtung Puy, nur unterbrochen von einigen false plains und dem Hauch eines Schimmers von Gewitterregen, der uns gerade bei Erreichen der Loire überrascht. Cafés gibt es hier keine, und aufgrund der Gewittertendenz verzichten wir auch auf das von langer Hand geplante Bad in der Loire.
Und reiten relativ früh in Puy-en-Velay ein, wo wir uns (Premiere für mich, gefühlt überhaupt!) noch einen kulturellen Abendspaziergang mit Barbesuch gönnen. Trotz Kniefalls kommen wir nicht mehr in die Saint-Michel d'Aiguilhe, weil wir 7 Minuten nach Toresschluss dort sind!
Aber dafür genießen wir die Puy-Linse beim üppigen Abendessen! Wir freuen uns auf morgen!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Saint-Etienne liegt bereits mitten im Zentralmassiv, und unmittelbar südlich liegt das Bergmassiv des Pilat. Dieses beschert uns auch den ersten langgezogenen Anstieg des Tages, den Col de la Croix de Chaubouret. Mit dem Anstieg nach Burdignes und dem Col de la Charousse schließen sich zwei weitere Pässe an, und inzwischen sind wir im Departement Ardèche angekommen, gleichzeitig auch am Rande des Territoriums des bekannten Radmarathons L'Ardèchoise. Die meisten Höhenmeter haben wir zwar nach der Hälfte der Etappe schon zurückgelegt, dennoch bleibt es hügelig und somit anspruchsvoll. Erst auf den letzten zwanzig Kilometern geht es hinab ins Tal der jungen Loire und flach bis nach Le Puy-en-Velay, das mit seinen Bauwerken auf markanten Vulkankegeln zum Unesco-Weltkulturerbe gehört.
Von Jan – Nach einer wunderbar einsamen Etappe durch das Velay, wie die Vulkanlandschaft rund um Puy heißt, haben wir nun schon die Hälfte auf unserem Weg nach Barcelona zurück gelegt. Noch sind wir im Zentralmassiv, morgen wartet unsere Königsetappe durch die Cevennen, und durchfahren die Port du Soleil, die Pforte nach Südfrankreich!
Aber heute haben wir erstmal kennen gelernt, wie kühl es im Zentralmassiv werden kann, auch wenn ringsum die Sommer brennt. Haut und Körper waren dankbar über die geschlossene Wolkendecke, die uns heute morgen in Puy-en-Velay empfängt. Ein kleiner Haufen trifft sich schon um viertel nach acht vor dem Hotel, um noch einen explorativen Track zur Madonna von Puy auszuprobieren, der uns über die Basaltkopfsteinpflasterrampe zur Kathedrale, um sie herum und zu den Füßen der Madonna führen soll. Und auch führt. Ich hatte mich auf eine Enttäuschung eingestellt, aber die 800 Hdm waren doch lustig und kurzweilig.
Dennoch gerate ich kurz in Stress wegen Volkers hartem Abfahrtsregiment. Um 8.52 Uhr ist mein Koffer im Auto – das ist nochmal gut gegangen!
Beim Start habe ich das Tagesprofil klar vor meinen Augen: drei sanfte Anstiege und eine kurze Etappe mit 117 km und 2400 Hm, das drücken wir heute ganz schnell weg in Gruppe 2 – ich bin wieder Markus' Hilfsguide. Und tatsächlich sind die ersten 22 Kilometer hauptsächlich ein großer Genuss. Die Steigung ist sanft, die Vulkankegel des Velay liegen unter uns wie gemalt, und schon sehen wir He an der Passhöhe des Col de Peyra Taillade, markieren in aller Ruhe das Revier und freuen uns auf das Kommende, denn die Blicke nach vorne verheißen Bestes: ein tief eingeschnittenes Tal zeigt sich am Horizont, die Allier-Schlucht, aus der die furchteinflößendste Rampe der Region hier hoch führt: das absolute Gegenprogramm zur von uns gewählten Rollerseite. Romain Bardet hatte hier 2017 Chris Froome herausgefordert, wenn auch vergeblich.
Wir bremsen uns in aller Seelenruhe die miese Rampe herunter. Wenn ich bessere Beine und nicht so viel Rundfahrt schon hinter uns und noch vor uns hätte, hätte ich hier vielleicht noch gezuckt, aber so warte ich lieber auf der malerischen Brücke über die Allier auf Markus, der den letzten Mann in der Abfahrt macht. Imposant steht hier die senkrecht gefaltete Felswand hunderte Meter in die Höhe.
Und nun stellt sich heraus, dass all diese Gedanken an den heutigen Ruhetag vor allem eins sind: eine Bildungslücke. Denn die drei sanften Anstiege stellen sich als zwei sanfte Anstiege und ein ganz dickes Brett heraus. Die Rampe, die uns wieder aus der Allierschlucht hinaus führt, ist nicht minder steil als die, die wir gerade herunter gekommen sind (und die in Gruppe 4 auch prompt einen Bremsplatten verursacht hat). Hier war wohl der Wunsch Vater des Gedanken! Ich quetsche Markus hinterher was geht, aber trotz 1400 Höhenmeter pro Stunde Steigleistung enteilt er mir. Ich übe mich in Demut und lecke im weiteren Etappenverlauf nur noch die hier geschlagenen Wunden.
Nee, erstmal lecke ich mir die Lippen nach der nun folgenden Abfahrt, die sich auf gut zweispurig ausgebauter Straße rasant gestaltet. Glücklicherweise hat Tom den Abzweig im Track markiert, sonst wären wir wohl alle im Geschwindigkeitsrausch vorbei geschossen. Ab dem Abzweig folgen wir dem Bachbett der L'Ance bis zur Mittagsverpflegung. So oder ähnlich stelle ich mir das schottische Hochland vor. Und tatsächlich bewegen wir uns hier stets über 1100 m Höhe.
Erstmals trinke ich etwas Cola an der Verpflegung. Bisher haben immer Volkers fantastische Stullen gereicht, und was es sonst noch gab. Heutiges Special: Pastete! Dann aber schnell weiter, die 56 km sind für mich eher Pflicht als Vorfreude – ungewöhnlich! Die Auffahrt auf den Col de la Croix de Bor könnte sanfter kaum sein, aber der Gegenwind setzt uns kräftig zu, als kleine wohlverdiente Rache für die Anfangstage. Das Kreuz sehen wir oben nicht, weder aus Bor, noch aus Holz, aber die Abfahrt tut gut. 3 % Abfahrt bei Gegenwind ist einfach besser als 3 % Auffahrt bei Gegenwind, wo wir eben der Ance folgten, folgen wir nun der Truyère. Wir erreichen den kleinen Weiler La Villedieu, der verlassen wirkt, und den Eindruck verstärkt, als sei diese Region aufgelassen. Für mich als pandemiegebeutelter Großstadtmensch eine Labsal, für die Einheimischen sicher eine Herausforderung. Hausaufgabe: welche zweite Sprache wird hier an den Ortsschildern angeschlagen?
Eine kleine Rampe führt uns aus dem Truyère-Tal hinaus und über den Col de la Croix de Beton ins Tal der Taronne, wo wir – oh Wunder – tatächlich auf eine verkehrsreiche Straße treffen. Die wir mit einem kleinen Gegenanstieg über den Col de Chauvets umgehen. Stolz verkündet das Département, dass man in diese Straße investiere, mit einer Aufsplittung natürlich, der nachhaltigsten Instandhaltungsmaßnahme aller Zeiten. Mir wäre die Investition in ein Passschild lieber gewesen. In der Abfahrt hält uns noch ein Kettenwickler mit Doppelverknotung auf, den Markus in Rekordzeit behebt, bevor wir das Etappenziel Mende erreichen – einmal vor Volker, einmal vor dem Gepäck.
Das gibt uns nach einer sehr kurzen Etappe etwas mehr Zeit auszuruhen. Das Abendessen wird rasant serviert, es gibt hiesige Saucisson mit Aligot (im Wesentlichen Kartoffelbrei mit Cantal-Käse), ein von mir und Tom ausgehecktes Experiment, das auf geteiltes, aber vornehmlich positives Echo stößt. Ich notiere: die doppelte Menge Aligot plus Salat ist die optimale Sporternährung zu Mende!
Schön war's! Und morgen warten die Cevennen!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Eine verhältnismäßig kurze Grand-Tour-Etappe, aber in den Bergen des Velay dennoch kein Zuckerschlecken. Wir verlassen Le Puy und das Loire-Tal und erklimmen mit sanfter Steigung das Plateau zwischen den Flüssen Loire und Allier. Begleitet von traumhaften Aussichten stürzen wir uns auf steiler Abfahrt vom Col de Peyra Taillade in die Allier-Schlucht, nur um auf ebenso steiler Straße wieder empor zu klettern nach Les Hers. Auf der zweiten Etappenhälfte wird es etwas angenehmer: entlang des Flusses Ance gewinnen wir langsam aber sicher Höhe bis zum 1416 m hohen Col de la Croix de Bor in einer kargen Hochmoorlandschaft. Nach dem Schlussanstieg zum Col de Chauvets geht es hinab ins Lot-Tal in den Etappenort Mende.
Von Jan – «Die Eindrücke dieser Etappe reichen eigentlich für drei», sagt einer meiner Mitstreiter aus Gruppe vier heute, als wir hinter Le Rozier in die Causse Noir auffahren und damit auch noch die Verlängerungsvariante der Königsetppe geschlossen in Angriff nehmen. Ich weiß leider nicht mehr, wer es war – vielleicht Otto, vielleicht Klaus, vielleicht Ulrich, vielleicht Alexander, vielleicht Ulf – aber Recht hat er!
Und dabei hat der Tag alles andere als verheißungsvoll begonnen heute morgen in Mende, als der Regen gegen die Hotelfensterscheibe schlug. Aber René hatte gestern noch behauptet, dass wir nicht nass werden, und so ist die Abkürzungsgruppe, die 90 statt 158 km fahren will, auch nur 7 Personen stark.
Der Rest macht sicht auf in Richtung Col de Finiels. Die Straßen sind nass, aber es regnet nicht mehr, und so ist Gruppe 4 frohen Mutes, fährt geschlossen und relativ zügig nach oben – nicht zu schnell allerdings für Gespräche über Gott und die Welt in allen möglichen Konstellationen. Uns geht es gut, wir können Rad fahren, in den Cevennen auch noch, Königsetappe! Was stören da die paar Wolken! Aber... in Le Bleymard biegen wir nach Süden ab, genau in die dunklen Regenwolken, die den Col de Finiels umlagern. Und haben ziemliches Glück viel sehen wir nicht von der kargen, ginsterschwangeren Gebirgslandschaft, aber die Atmosphäre ist toll und wir fast trocken. Das ist deutlich besser als befürchtet! Und Helena verprüht oben ihre Herzenswärme, wer braucht da die Sonne?
In der Abfahrt klart es immer weiter auf, die Wolken brechen auf, die Sonne durch, und bald riechen wir den Süden in der nicht enden wollenden Abfahrt in Richtung Gorge du Tarn, Alexander sieht Steineichen, wir hören Zikaden, es wird heiß – wir sind in Südfrankreich!
Und einige Fotostopps an der Gorge du Tarn und eine Geschichtsstunde bei Ulrich über die Sünden des mittelalterlichen Landadels reiten wir in St-Enemie ein, wo Volker frische Erdbeeren serviert. Der Bürgermeister ist uns nicht recht wohlgesonnen, Volker wird aber in der letzten Ecke des Parkplatzes geduldet. Wir sollten wohl lieber in die Gastronomie einkehren, findet der Bürgermeister. Stattdessen halten wir unsere Füße in den Tarn und schieben die Weiterfahrt getrost vor uns her. Gefühlt sind wir eh schon am Ziel in Millau.
Die weitere Fahrt durch die Gorge du Tarn wird tatsächlich eher noch spektakulärer. In La Malène biegen wir nach links ab und tauschen ein Spektakel gegen das nächste: die Schlucht gegen das Serpentinenmassaker der Lacets de La Malène, die sich hier über 360 Hm auf vier Km in die Höhe schrauben. Das ist ganz anspruchsvoll und geht angesichts der grandiosen Straßenführung doch irgendwie von alleine.
Die oben anschließenden Blumenwiesen der Causse Méjean erinnern mich an die Campi Fioriti im Apennin. Die 6 Kilometer bis zur zweiten Getränkeverpflegung ziehen sich doch länger als ich dem Papier angesehen habe... Gruppen 1 und 2 fahren gerade ab, als wir He erreichen, und wir halten uns auch nicht lange auf, weil wir doch noch einen Café in Le Rozier trinken wollen. Die Abfahrt hinunter in den Canyon de Jonte ist wunderbar. Auch Volker treffen wir hier nochmals, der sich das Spektakel auch noch genauer ansehen möchte. Unten im Canyon bin ich mir nicht sicher, ob er nicht vielleicht spektakulärer ist als die Gorge du Tarn. Auf jeden Fall kommt diese Schlucht mit den massiven Felsformationen rechts und links absolut unverhofft. Ebenso wie die Geier, die in Scharen über uns kreisen.
Vor Le Rozier müssen wir noch einen kleinen Schluchtpass wegdrücken, aber dann sitzen wir schon am Tarn und werden von einer reizenden Nordfranzösin mit fantastischem Double Expresso und spanischer Musik versorgt. Solcherart angeregt biegt die gesamte Gruppe 4 auf die Verlängerungsoption über die Causse Noir ein, wohl verstärkt von Dörte, Torsten und Hans Joachim, die sich noch aus Gruppe 3 anschließen. René hatte uns nicht mehr an der letzten Verpflegung angetroffen, und wir hatten uns telefonisch auf die Gruppenvereinigung beim Café geeinigt. So kann jeder fahren, was er will. Wunderbares Timing!
Und so sehen wir auch noch die einsame Causse Noir, und, Ziel der Übung, die Autobahnbrücke von Millau, die erste Autobahnbrücke, die auf quäldich-Reisen als Motivationselement herhalten konnte. Gelohnt hat es sich allemal.
Was für eine epische Etappe durch die Cevennen!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Die wilden Cevennen sind ein absolutes Highlight unserer Grand Tour, für die wir die eigentlich kurze Distanz zwischen Mende und Millau auf Königsetappendistanz aufbauschen. Aber spätestens wenn am 1541 m hohen Col de Finiels im Lozère-Massiv traumhafte Fernsicht über das Gebirge genießen, wissen wir, warum wir den Umweg auf uns nehmen. Und wenn dann mit der Abfahrt die wunderschöne Tarn-Schlucht erreicht wird, und wir den atemberaubenden Serpentinenhang von La Malène erklimmen, sollte jedem klar werden, dass sich jeder Kilometer gelohnt hat. Von der Hochfläche Causse Méjean fahren wir zurück ins Tarn-Tal und rollen dann in Millau ein. Und werden feststellen, dass wir eine unsichtbare Grenze überschritten haben... wir sind im Languedoc angekommen und haben den Süden Frankreichs erreicht, und auch das raue Klima des Zentralmassivs ist einem südländischen Flair gewichen.
Von Jan – Heute berichte ich mit doppelter Motivation von der siebten Etappe auf unserem Weg von Basel nach Barcelona, die uns von Millau nach Narbonne führt. Es ist die regulär längste Etappe im Reiseverlauf, zeigt sich aber mit 1800 Höhenmetern auch einigermaßen gnädig.
Der erste Teil der Motivation ergibt sich aus unserer Befahrung der Gorges de Dourbie ganz zu Anfang unserer Etappe, als mich Zeckenklaus für meine lyrisch-prosaischen Etappenberichte lobt. Das freut mich wirklich, insbesondere, weil der gestrige erst zu später Stunde oder gar nicht mehr geschrieben worden ist, was meine Beine heute zugegebenermaßen spüren. So fühle ich mich wohler denn je in Gruppe 4, die vom ersten Kilometer an Speeddating-kreiselt, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Aufgrund der mannigfaltigen organisatorischen Zwänge des gestrigen Abends bin ich nicht gut vorbereitet. Glücklicherweise weiß auch Kultur-Attaché Ulrich, Sektion Allgäu nicht, wie die Schlucht heißt, die ich allerdings oben schon benannt habe. Es ist schon eine tolle Ecke, mit Gorges du Tarn, Gorges de Jonte und Gorges de Dourbie, mit den gestern erlebten Causses Méjean und Noir und der heutigen Causse Larzac, aus die wir aus der Gorges de Dourbie aufsteigen. Oben wartet schon Helena auf uns mit der ersten Getränkeverpflegung, und tatsächlich haben wir auch schon 40 Kilometer absolviert. Es bringt richtig Spaß, auch weil wir heute nochmals nicht von der Sonne gebraten werden, auch obwohl am Horizont dunkle Regenwolken dräuen.
Helena kräftigt uns mit Getränken, Bananen und Gummibärchen, und fortan fahren wir wellig über die Hochfläche, stets konzentriert im Wind speeddatend, stets auf die Regenwolken zu, die sich an der Abfallkante des Zentralmassivs aufstauen und, zumindest von hier gesehen, dort abregnen. Der Wind weht uns zügig ins Gesicht, und so bin ich zuversichtlich, dass die Regenfront im Zweifel schnell über uns hinweg gefegt sein wird. Der Belag hier oben ist ruppig. «Authentisches Zentralmassiv», sagt Kultur-Attaché Jan, Sektion Wien - somit ein Lebenshöhepunkt! Aber herrlich ist es hier oben, die Karsthochfläche weißt groteske Verwitterungsstrukturen auf, der Nebel wird dichter, das Ambiente gespenstisch. Mit viel Glück führt uns die Straße zwischen den dichtesten Regenwolken hindurch, und so benetzen uns nur wenige Tropfen, bevor wir die rasante Abfahrt aus der Hochfläche hinunter ins Gravezontal nach Lunas, und weiter ins Orbtal angehen. Feinster Asphalt, Schussabfahrt, alles trocken, Freude pur!
Und schon sind wir in Bédarieux, wo mago Dörtes Umwerferproblem gekonnt diagnostiziert, und die an der Verpflegung verbleibende Rumpfguidekompetenz ihren Sram-Red-Etap-Umwerfer seine Diagnose in bestem Wissen und Gewissen in eine funktionierende, wenn auch noch am Berg ratternde Schaltung umsetzt. Dennoch herrscht große Freude am Orb, denn das Rattern tritt erst kurze Zeit später auf, am Col de Plaussenous, dem zweiten und letzten Hindernis, das sich uns heute in den Weg stellt.
Niemand, auch ich, weiß nicht, dass wir diesen Anstieg einfach im Orbtal hätten umgehen können. Dennoch bin ich vermutlich der einzige, der das immerhin im Anstieg noch erfährt, weil ich mir die Passbeschreibung auf quäldich durchlese (ich hatte schon erwähnt, dass ich schlecht auf die Etappe vorbereitet war). «Tom ist halt ein Menschenfeind», sage ich zu Klaus, aber er glaubt mir nicht. Zu schön, und zu umjubelt, war Toms Streckenplanung der letzten Etappen. Nun stehen noch knappe 60 flache Kilometer ins Etappenziel nach Narbonne an, und die werden zwangsläufig hart bei dieser Etappenlänge am siebten Tag der Rundfahrt. Glücklicherweise steht Helena in Roquebrun am Orb, am Flussbad. Und Volker ist bei ihr! Volker hat unser Gepäck, Volker hat unsere Badehosen! Kurz darauf sind Alexander und ich im Wasser, jimi ist schon dort, einfach in der Radhose. Herrlich ist es. Gar nicht so warm, genau richtig! Klaus droht mit Wiederbuchung, Dörte gefällt's!
Gruppe vier fährt erstmal wieder zurück über den Orb, mit fantastischem Orts- und Burgblick auf Roquebrun zu, um dort einen Café zu trinken. 11 double expresso für 10 Gruppenmitglieder und angeregtem Austausch mit dem Wirt später überfahren wir zum dritten Mal die Orbbrücke und bewegen uns nun routiniert kreiselnd auf Narbonne zu, nur noch zwei kleine Wellen wegdrückend. «Wie Sie soeben bemerkt haben, haben wir den Sinkflug auf unser Tagesziel Narbonne eingeleitet», ertönt Alexanders sonore Stimme in der Kabine. «Ich hoffe, Ihnen hat unser kurzer Flug von Millau nach Narbonne gefallen, wir würden uns freuen, Sie auch morgen wieder auf dem Flug nach Figueres willkommen zu heißen! Lehnen Sie sich zurück und genießen Sie die Landung.»
Der zweite motivierende Faktor: morgen unterstützt Überraschungsgast Dr. Tom Bender das Kabinenpersonal in Gruppe 4! Darauf einen Crémant!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Wir sind angekommen im Midi, dem Süden Frankreichs. Und sind doch noch lange nicht in Barcelona. Die längste Etappe steht heute auf dem Programm, von Millau nach Narbonne. Es ist wieder eine einsame, eine schöne Etappe über französische Landstraßen, die mit der Dourbie-Schlucht beginnt. Die Côte de Combe Redonde bringt uns dann auf ein karges, einsames Hochplateau, und teils auf schmalen Straßen arbeiten wir uns nach Süden vor. Vom Col de la Baraque de Bral fahren wir ab ins Tal des Orb, und haben mit dem Col de Plaussenous noch eine Bergwertung vor uns, bis es dann hinab in die Ebene des Languedoc geht. Durch die Weinberge steuern wir flach bis wellig auf den Etappenort Narbonne zu.
Von Jan – Puh, das war hart! Gegenwind, monsunartige Regenfälle, 23 Platten in vier Gruppen! Plus Speichenbruch!
Aber wir sind in Spanien!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Eine interessante, eine vielseitige Etappe erwartet uns am achten Tag. Wir verlassen heute Frankreich und gelangen nach Spanien - nach Katalonien, um genau zu sein. Das historische Katalonien erreichen wir übrigen schon vor der Staatsgrenze, gehört doch auch das Roussillon historisch zu Katalonien dazu. Zunächst sind wir jedoch noch in den Weinbergen des Corbières unterwegs, halten uns abseits der quirligen Küste und sind lieber noch auf einsamen Landstraßen unterwegs. Möglicherweise vom Rückenwind beflügelt fahren wir dann der Küste entlang und erreichen das Mittelmeer bei Canet-en-Roussillon. Der Côte Catalane, der katalanischen Küste, entlang geht es dann bis Argelès-sur-Mer, den Kamm der Pyrenäen stets im Blick. Mit dem Tour de Madeloc und dem Col de Banyuls stehen nochmals zwei ebenso anspruchsvolle wie schöne Bergwertungen auf dem Programm. Die Grenze nach Spanien erreichen wir an der hart erkämpften Passhöhe des Banyuls, dann geht es auf rauschender Abfahrt hinab nach Figueres.
Von majortom – Wieder ist es eine kurze Etappe, die wir ein wenig künstlich verlängern. Und zwar mit der Sackgasse hinauf zum Rocacorba, einem Aussichtsberg in der Nähe von Girona, den auch viele dort ansässige Radprofis gerne zum Training nutzen. Nachdem wir die grandiose Aussicht von oben genossen haben, geht es hinab nach Girona, hinauf zur Wallfahrtskirche Santuari de la Mara de Déu dels Angels und dann ans Mittelmeer, wo wir heute Abend im schönen Badeort Sant Feliu de Guíxols residieren.
Von Jan – Mit einigen Tagen Abstand schaffe ich es endlich zu einem Abschlussetappenbericht unserer Grand Tour Basel-Barcelona. Leider bin ich aus organisatorischen Gründen auf den letzten beiden Etappen nicht mehr dazu gekommen, was natürlich sehr schade ist. Auch die Pannenetappe von Narbonne nach Figueres hatte nur noch einen Rumpfbericht, und das Beste an dieser Etappe war dadurch hinten runter gefallen: wir sind auf Etappe 8 nach Spanien eingefahren, für mich der erhebendste Moment der ganzen Rundfahrt, die voller Höhepunkte war: aus eigener Kraft von Deutschland nach Spanien, quer durch Frankreich. Wow! Ein Gänsehautmoment am Col des Balistres auf der Küstenstraße.
Dass wir nicht wie geplant über den Col de Banyuls einfahren durften, hatte die Etappe auf 179 km mit 2200 Hm anwachsen lassen, ohnehin schon ein echtes Brett auf Etappe 8. Statt 159 km / 1930 Hm. Dazu kamen zwei heftige Regenschauer für alle Gruppen, dazu kam die Rekordzahl von 23 Platten, einem Speichenbruch und einem defekten Felgenband. Wir krochen auf dem Zahnfleisch! Und dass nur, weil Macron der französischen Rechten demonstrieren möchte, dass er etwas gegen "das Migrationsproblem" tut, was immer das sein mag. Als sei der Col de Banyuls das zentrale Problem Frankreichs!
Etappe 9 war dann zum Glück gnädig geplant von BaBa-Mastermind majortom, denn der Scharfrichter des Tages, der Rocacorba, war nur eine Stichstraße und konnte ausgelassen werden. Und wurde von Gruppe 4 auch kollektiv ausgelassen, was 111 km und 1350 Höhenmeter bedeutete. Einmal etwas früher im Ziel, und das hatte es in sich, am Eden Rock Ressort mit Panoramapool zum Mittelmeer hätten wir länger bleiben können. Die beiden Highlights des Tages (vom Etappenziel abgesehen) hießen somit für Gruppe 4 die Stadtdurchfahrt durch Girona (mit improvisierter Mittagsverpflegung von Volker, der am ursprünglich geplanten Platz nicht stehen konnte) sowie der vielgefeierte Hausberg Gironas zum Santuari de la Mare de Déu dels Àngels. Danke an dieser Stelle an AP für die wie immer kompetente Unterstützung und gelungene Streckenführung in Spanien!
Damit war die letzte Etappe gekommen, und die letzte Etappe beginnt immer mit mahnenden Worten des Reiseleiters. Auf der letzten Etappe passieren die Unfälle, wenn die müden Teilnehmer mental schon unter der Dusche, beim Abschlussessen oder bei der Rückfahrt sind, und die Konzentration nicht auf der Straße ist, wo sie die ganzen letzten neun Etappen bei allen Teilnehmern war.
Aber auf der traumhaften Küstenstraße zwischen Sant Feliu und Tossa del Mar ist mir klar: heute passiert nichts mehr in Gruppe 4. Die Konzentration ist greifbar, alle wissen, dass es heute nur noch um eines geht: heil ankommen. Und dabei soviel genießen wie möglich. Mit der Küstenstraße hatte Tom nicht zu viel versprochen. Eine besondere und unerwartete Ehre ist es mir hier, gemeinsam mit Tom den Punkt zu erreichen, an dem das Titelbild der Tour geschossen wurde:
Der abschließende Hauptstraßenabschnitt bis Mataro war auch wie angekündigt, der musste hauptsächlich weg gedrückt werden, ließ aber glücklicherweise teils auch Blicke aufs Meer zu. Dankenswerterweise wurde er von der letzten Mittagsverpflegung bei Volker aufgelockert. Ab Mataro dann der letzte Anstieg zum Coll de Sant Bartomeu, wo wir ein letztes Mal auf He lena trafen. Eine konzentrierte, aber rauschende letzte Abfahrt später waren wir uns einig: einen letztes Café solo müssen wir nun noch gemeinsam trinken. Die Gelegenheit gab sich aufs Authentischste im Restaurant del Poste direkt an der Repsol-Tankstelle. Und dann fuhren wir komplikationslos in Einerreihe auf dem Radweg nach Barcelona ein.
Damit war sie vollbracht, die Auftakt-Tour der Rennradreise-Saison 2021, unsere Grand Tour Basel-Barcelona! Viel mehr wäre noch zu sagen, aber jetzt heißt es erstmal: Eindrücke verdauen und ausruhen!
Es folgte ein fantastisches Abendessen bei La Fonda am Port Olimpic direkt am Mittelmeer und ein abschließendes mitternächtliches Bad ebendarin! Darauf ein Dosenbier!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Barcelona wartet. Die Schlussetappe soll natürlich eine Tour d'Honneur sein, eine Etappe zum Genießen, zum Einrollen in unserem Ziel. Doch sie beginnt nochmals mit einem absoluten Highlight unserer Grand Tour, denn die wellige Küstenstraße zwischen Sant Feliu und Tossa de Mar gilt als eine der schönsten Europas. Im Mittelteil der Etappe fahren wir - größtenteils auf Nebenstraßen - entlang der Küste. Der Coll de Sant Bartomeu führt uns dann nochmal weg von der Küste, so dass wir auf dem Schlussstück recht flach entlang des Besos-Tals entlang rollen können. Ein schöner autoverkehrsfreier Radweg führt uns bis vor die Tore der Stadt, und dann ist es auch nicht mehr weit bis zu unserem Ziel in der Nähe des Port Olímpic von Barcelona!