Von majortom – Die Pyrenäen haben neben den bekannten Tour-Klassikern noch ein anderes Gesicht. Das einsame, wilde Gesicht der Pyrenäen lernst du auf dieser Reise kennen. Und natürlich sind die ganz großen Namen wie Tourmalet und Aubisque trotzdem dabei.
Streckenänderungen vorbehalten.
quäldich-Reise Pyrenäen-Geheimtipps
Dies ist die offizielle Strecke der quäldich-Reise Pyrenäen-Geheimtipps vom 27. August bis 3. September 2022.
Von majortom – Zur Stunde steigt in Lourdes die quäldich-Poolparty, und selbstverständlich fällt sie feucht-fröhlich aus. Jedoch nicht in dem Sinne, wie der geneigte Leser nun auf den ersten Blick denken mag; schließlich ist ein Pool per definitionem feucht, und quäldich-Reiseteilnehmer*innen zwar nicht per definitionem fröhlich, aber nach einer wunderbaren Tourmalet-Etappe zum Auftakt der Pyrenäen-Reise eben doch. (Alkoholexzesse sind hier aufgrund der Bierpreise eh nicht denkbar, aber ansonsten haben wir mit dem Hotel in Lourdes das große Los gezogen; schöne Grüße an dieser Stelle an @AvvPazzo, den größten Kenner französischer Gastronomie im quäldich-Metaversum.)
Moment mal. Die Reise heißt doch Pyrenäen-Geheimtipps. Zählt der Tourmalet, quasi die Perfektion des Pyrenäen-Mainstreams, etwa neuerdings als Geheimtipp? Und führen wir das Motto unserer Reise nicht schon am ersten Tag ad absurdum (schon die zweite lateinische Wendung, die ich in diesem Bericht verwende!), wenn wir den Tourmalet fahren? Nun ja, zum einen muss man das alles mit den Klassikern und Geheimtipps nicht so ernst nehmen, sondern einfach Spaß auf dem Rennrad habe, und zum anderen zählen ja eigentlich die kompletten Pyrenäen als Geheimtipp, da überhaupt nur die wenigsten und wagemutigsten Rennradfahrer*innen die längste Autofahrt ihres Lebens am Stück in Kauf nehmen, um eine dortige quäldich-Reise in Anspruch zu nehmen. Tourmalet ist also genehmigt, und selbst wenn irgendjemand im quäldich-Metaversum Einspruch erheben sollte, juckt uns das überhaupt nicht. Denn wir hatten eine grandiose Etappe.
Heute morgen geht es also los, mit einer weiteren ausschweifenden Ansprache des Reiseleiters, aber daran haben sich schon beim gestrigen (hervorragenden) Abendessen alle gewöhnt und sind nun nicht mehr so leicht zu schocken. Keine Wolke am azurblauen okzitanischen Himmel und hochsommerliche Temperaturen. So nehmen wir die Auftaktetappe gerne in Angriff. Christoph fährt dann mit der sportiv-ausdauernden Hybridgruppe (und dem dringenden Auftrag, sich einen weniger sperrigen Gruppennamen auszudenken) zuerst los, kurz darauf die entspannte Gruppe unter meiner Leitung. Auf der voie verte des Gaves cruisen wir die ersten 18 km der Etappe recht locker dahin, denn nach meinem Etappenauftakt-Scouting gestern habe ich beschlossen, den kompletten Radweg bis Pierrefitte-Nestalas zu nutzen, statt schon vorher auf die Landstraße abzudriften. 18 km ohne jeden Autoverkehr sind doch schon einiges wert.
Danach quetschen wir souverän die erste Geländestufe weg, wo sich das Gave-Tal schuchtartig verengt. Oben winke ich die Gruppe in eine Haltebucht, um festzustellen, ob noch alle da sind. Doch es stellt sich heraus, dass wir gar nicht warten müssen, alle sind mir tapfer gefolgt und die Gruppe ist komplett. Guiding leicht gemacht. Kurz darauf erreichen wir Luz-Saint-Sauveur, wo wir in einer sehr netten Bar noch einmal die Bidons füllen, um für den Anstieg von nun noch ca. 1400 Höhenmeter gerüstet zu sein. Wohl weil sie von ständigen Radfahrer-Anfragen nach Wasser genervt waren, hat die Bar einfach einen Self-Service-Zapfhahn eingerichtet. Chapeau - zumal sie nicht einmal ein Trinkgeld für diesen Service annehmen möchten. Thomas sehen wir mit der Verpflegungsstation plangemäß erst an der Passhöhe wieder, und so sind alle froh, mit gefüllten Flaschen in den Anstieg zu starten.
Wieder werden die Freigabe-Rufe zunächst komplett ignoriert, und ich darf in woutvanaertesker Manier das Peloton in den Berg führen. Es braucht ungefähr fünf Kilometer, bis dann doch die ersten Mitfahrer*innen mit den Hufen scharren und ihr Heil in der Flucht suchen. Ich nutze die Gelegenheit, um in Barèges noch einmal kurz beim Bäcker zu halten. Irgendwie habe ich Angst, dass der Kohlenhydratpegel doch nicht bis zu Thomas reicht. Also ziehen Moni und Jochen, die mir zuletzt noch die Treue gehalten haben, davon. Im Nachhinein erweist sich meine Zusatzpause jedoch als weise, denn so komme ich zu einem kurzen Plausch mit Anja, der Freundin von unserem Guide @Ron2020, die zufällig vorbei fährt und mein quäldich-Trikot sofort erkennt. Schön, wenn die Welt manchmal ein Dorf ist.
Dann aber nichts wie der Gruppe hinterher. Oberhalb von Barèges wird die Landschaft erst so richtig hochpyrenös, und es wird immer schöner. Die Passhöhe kann man schon erahnen, der Pic du Midi prangt am Himmel, und die karge Pyrenäenidylle erstrahlt in der Sonne. Apropos Sonne: es ist verdammt heiß, und mein Plan scheint nicht aufzugehen, bei Einsetzen der Mittagshitze schon so weit oben zu sein, dass es angenehmer wird. Es ist auch auf 1500 m Höhe noch heiß, und auch auf 1800 m Höhe noch heiß!
Ich genieße die Ruhe, die selbst dieser stark befahrene Mainstreampass ausstrahlt, beobachte im Vorbeifahren die Murmeltiere bei ihren Kopulationsversuchen (oder vielleicht waren es auch irgendwelche viel harmloseren Murmeltierspiele, wer weiß das schon). Bald habe ich das Grupetto wieder aufgefahren, und wir sprechen uns gegenseitig Mut zu für die noch fehlenden drei Kilometer Passstraße. Es wird langsam zäh, aber die Euphorie treibt uns herauf. Der finale Kilometer hat nochmal zehn Prozent Durchschnittssteigung, und wir überholen so viele schiebende Radfahrer, wie ich sie noch nie an einem anderen Ort gesehen habe. Dann sind wir oben. Triumph. Wir haben soeben den höchsten Straßenpass der französischen Pyrenäen bezwungen.
Thomas erwartet uns mit dem Buffet-Cruiser kurz hinter der Passhöhe, und wir genießen die verdiente Stärkung. Als ich während der Pause schon meine Windjacke anziehe, muss ich feststellen, dass es mir selbst auf 2100 m Höhe mit Jacke noch zu warm ist. Das hatte ich auf der Höhe auch noch nie erlebt. Seis drum, Jacke wieder aus, und erstmal ein wenig Smalltalk mit amerikanischen Touristen, die das Radfahrer-Denkmal auf der Passhöhe vermissen. Das entsprechende Gebäude ist wohl gerade eine Baustelle und wird vermutlich durch ein noch größeres Selbstbedienungs-Restaurant mit Souvenir- und Finisher-Trikot-Shop ersetzt werden - das Stilfserjoch lässt grüßen. Aber ich kann die Urlaubsstimmung und das Fotoalbum der Amerikaner retten, indem ich ihnen vorschlage, stattdessen das Eugène-Christophe-Denkmal an der Schmiede unten in Sainte-Marie-de-Campan zu nehmen, und sammle so ein paar Punkte auf der Altruismus-Skala.
Damit ist der Löwenanteil der Etappe absolviert. In der Abfahrt halte ich nur kurz an, um @sylviaw ein Foto von dem Parkplatz zu schicken, auf dem wir anno 2020 die Tourmalet-Burger gegrillt haben. Und schon stehen wir selbst beim Schmied-Denkmal, bleiben aber nur kurz und fahren weiter ab Richtung Bagnères-de-Bigorre.
Eine Gemeinheit haben wir dann noch eingebaut. Zur Hauptstraßenvermeidung fahren wir eine schöne schnucklige Straße durch die Vorpyrenäen, die dann nochmal mit etwa 200 Höhenmetern zu Buche schlägt. Leider handelt es sich um eine Asphaltstraße mit ein bisschen Rollsplitt, und inzwischen ist es auch wieder so heiß, dass ich schon befürchte, die Stimmung könnte kippen. Aber ich habe natürlich die Rechnung ohne unsere quäldich-Reisegruppe gemacht, die sich dadurch überhaupt nicht erschüttern lässt und sich an der einsamen Straße in plötzlich ganz anderer - Jan würde sagen schwarzwaldesker - Landschaft erfreut. Und an den erneuten Blicken auf den Pic du Midi, nun nur noch eine Bergspitze am Horizont. Kaum zu glauben, dass wir diesen Gipfel heute gewissermaßen umrundet haben.
Die Abfahrt ist dann nochmal sensationell für alle Beteiligten bis auf die Bisamratte (oder dergleichen), die Jochen ins Hinterrad rennt. Das Tier ist der einzig leidtragende, Jochen und Hinterrad geht es gut. Und dann noch ein paar flache Kilometer zurück nach Lourdes.
Und ab an den Pool. Morgen geht es nach Spanien.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Dass bei dieser Reise neben den Pyrenäen-Geheimtipps auch die Klassiker nicht zu kurz kommen, beweisen wir gleich auf der ersten Etappe: mit dem Col du Tourmalet wird gleich der Tour-de-France-Klassiker schlechthin befahren. Erst morgen verlassen wir die "ausgetretenen" Pfade der Pyrenäen und wenden uns den Geheimtipps zu. Der heutige Tag bietet sich also an, sich ein gewisses Klassiker-Polster anzufressen, was wir in den nächsten fünf Tagen aufbrauchen können. Erst am letzten Tag erreichen wir mit dem Col du Marie-Blanque und dem Col d'Aubisque wieder Klassiker-Terrain. Der Tourmalet wird dabei über die schönere und anspruchsvollere Westseite befahren, so dass wir durch den wenig anheimelnden Ski-Retortenort La Mongie auf der Ostseite in der Abfahrt hindurch rauschen können. Und dann geht es im Tal zurück nach Lourdes. Eine Auftaktetappe ohne Hotelwechsel - auch das einzigartig im quäldich-Reise-Kosmos.
Von majortom – Auch der Col d'Aspin ist bei der Tour de France gerne dabei. Heute fahren wir immerhin noch die Westseite von Sainte-Marie-de-Campan und drehen oben wieder um.
Von majortom – Heute auf dem Programm: Transpyrené. Transalp kann jeder. Wir überqueren heute den Pyrenäenhauptkamm und fahren so auf dessen Südseite nach Spanien. Genauer: nach Aragon. Dass das etwas besonderes darstellt, wird mir schändlicherweise erst dann klar, als wir auf die Berge zu halten. Es gibt gar nicht so viele Pässe, die die Pyrenäen überqueren, und meines Wissens ist der Port d'Envalira bislang der einzige, den ich schon gefahren bin, bei den Pyrenäen-Klassikern 2015. Lange ist es her.
Der Col du Pourtalet, den wir heute fahren, ist seit letztem Jahr ins Programm der Pyrenäen-Geheimtipps gerutscht, um den Aragnouet-Bielsa-Tunnel zu umgehen. Damals war es eine Reißbrettplanung und als notwendiges Übel deklariert; nach dem Feedback von @thomsen79 aus 2021 wissen wir, dass auch er eine Perle der Pyrenäen sein soll. Dementsprechend hoch habe ich die Erwartungen heute geschraubt.
Die Etappe beginnt ganz zahm, als wir das nach zwei Tagen lieb gewonnene Hotel in Lourdes verlassen - auf ein (kurzes) Wiedersehen am kommenden Samstag. Wir wenden und von Lourdes aus in westlicher Richtung und folgen für entspannte 20 Kilometer dem lieblichen Tal der Gave de Gavarnie. Dann folgt das Rübergrätschen von einem Gave-Tal ins nächste, was sich doch welliger darstellt als aus dem Profil ersichtlich. Aber auf der kaum befahrenen französischen Landstraße macht selbst das Spaß, zumal sich die Gewitterwolken im Pyrenäenvorland anstauen und in Richtung der Berge kaum eine Wolke am Himmel zu sehen ist. Ungewöhnlich für diese Region, aber es spielt uns natürlich in die Karten. Schließlich wenden wir uns nach Süden, im Vallée d'Ossau angekommen. Die Nebenstrecke auf der von uns aus gesehen linken Talseite ist zwar etwas holprig, aber irgendwie auch idyllisch und hübsch, und so dauert es nicht lange, bis wir in Laruns (die Schreibweise Laruntz auf okzitanisch oder béarnesisch gefällt mir irgendwie besser) auf dem zentralen Parkplatz des Ortes bei Thomas einkehren. Eine Mittagspause nach der Hälfte der Streckenkilometer, aber natürlich erst nach einem Bruchteil der Höhenmeter des Tages. Nichtsdestotrotz werden wir abermals sowohl herzlich als auch herzhaft versorgt und können den Pass des Tages gestärkt angehen.
Der Col de Pourtalet bedeutet: 1300 Höhenmeter auf 28 km. Was nach nicht so viel klingt, zumindest nach Rollerberg, aber 28 Kilometer Anstieg können ganz schön zäh sein. Dennoch ist die Euphorie groß in der entspannten Gruppe. Was vielleicht auch daran liegt, dass das enge Gave-Tal im untersten Bereich des Passes schonmal ein landschaftliches Highlight ist. Irgendwie plätschert der Pass dann so dahin. Immer weiter geht es das Tal hinauf, durch dichten Wald in felsigem Gelände, vorbei an 1927 erbauten Wasserkraftwerken, unterbrochen nur durch eine Kuhherde (neue französische Vokabel für mich: troupeau), die auf dem Weg von der einen Weide zur anderen dieselbe Straße benutzen möchte wie wir. Dann geht es hinauf zu einem (fast leeren) Stausee - krass, wie sich auch hier in den eigentlich grünen Pyrenées-Atlantiques die Dürre auswirkt, die in diesem Sommer ganz Europa heimsucht.
Ab dann wird es richtig schön. Bald durchbrechen wir die Baumgrenze und stellen fest, dass der Pourtalet komplett auf Serpentinenhänge verzichtet. Es geht einfach immer weiter das schöne Hochtal hinauf, begleitet vom Bimmeln der Schafglocken. Und plötzlich sind wir oben, überschreiten die unscheinbare Grenze nach Spanien. Dass wir in einem anderen Land sind, zeigt sich eigentlich nur durch die vielen Läden an der Passhöhe. Irgendein Produkt muss es wohl geben, das südlich der Grenze deutlich billiger ist. Schnaps oder Tabak oder beides vermutlich, denn sowas ist nahezu immer Schnaps oder Tabak oder beides. Denselben Effekt haben wir auch im vergangenen Jahr schon bei Basel-Barcelona beobachten dürfen. Wir nutzen die dichte Besiedlung mit Handel und Gastronomie auf der spanischen Seite natürlich gleich aus und kehren auf einen café con leche und ein bocadillo ein.
Etwa 30 km, nahezu ausschließlich bergab, trennen uns noch vom Etappenziel in Biescas. Leider hat sich das schöne Wetter während unseres Zwischenstopps verzogen, und graue Regenwolken lauern im Süden. Trotz meiner optimistischen Prognose fahren wir bald schon im Regen, doch irgendwie scheint im Westen auch schon wieder die Sonne, also alles halb so wild. "Wir haben ein trockenes Zeitfenster", entscheide ich also an der Abzweigung nach Haz de Jaca, und scheuche meine Gruppe auf die Erweiterungsoption zum mirador oberhalb des (leeren) Stausee. Was sich auch lohnt, auch wenn sich in der Abfahrt schon der nächste Regenguss andeutet.
Es ist dunkel geworden. Blitze zucken links und rechts, Donner grollt. Die letzten 8 km werden also zu einem Wettlauf gegen den Wolkenbruch. Den wir tatsächlich mit vier Sekunden Vorsprung gewinnen. Gerade sind wir vor dem Hotel vorgefahren, als der Himmel die Schleusen öffnet. So gutes Timing ist mir als Guide noch nie gelungen. Was dann am Abend noch folgt, ist eine unvergleichliche Tapas-Orgie im Hotel-Restaurant. Sagenhaft und ein Kandidat für das Abendessen des Jahres. Und für morgen hat Thomas die Messlatte mit seinen Elogen auf den Canon de Anisclo zum Alto de Fanlo auch schon wieder hoch gehängt.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Heute überqueren wir den Pyrenäenhauptkamm vom französischen Norden in den spanischen Süden. Es geht über den wenig bekannten Col de Pourtalet. Wir verlassen Lourdes nach Osten und können erstmal gemütlich im Tal der Gave de Pau einrollen. Dann fahren wir am überraschend lieblich-schönen Rand der Pyrenäen entlang, die Gipfel der Hochpyrenäen immer im Blick. Es geht das Vallée d'Ossau hinauf bis Laruns, wo links die Straße zum bekannten Col d'Aubisque abzweigt. WIr sind jedoch unterwegs ins Geheimtipp-Territorium und genießen die zwar lange, aber nicht allzu schwere Auffahrt zum Pourtalet auf fast 1800 m Höhe. Hier überqueren wir die Grenze und haben nur noch eine lange Abfahrt bis Biescas vor uns.
Von majortom – Nur ein klein wenig schwerer wird es, wenn wir in der Abfahrt vom Col du Portalet noch den Abstecher zum Puerto de Hoz de Jaca mitnehmen - inklusive einer tollen Höhenstraße oberhalb des Sees Embalse de Bubal.
Von majortom – Eine lange Etappe, die uns durch die Pyrenäen der Provinz Huesca in der spanischen Region Aragon führt. Aber eine lange Etappe, die sich lohnt. Der Alto de Fanlo ist der Geheimtipp unter den Geheimtipps. Eine kaum einspurige abenteuerliche Straße, die durch die wildromantische Schlucht Cañon de Anisclo führt - ein Traum! Um dorthin zu gelangen, muss sowohl auf dem Hin- als auch auf dem Rückweg der Puerto de Cotefablo überquert werden. Womit mal wieder bestätigt ist: auf quäldich-Reisen gibt es keine Ruhetage. Es gibt nur Etappen, die zufälligerweise denselben Start- und Zielpunkt haben. Und so bleiben wir noch eine weitere Nacht in Biescas.
Von majortom – Gestern sind wir den Etappenbericht von den Pyrenäen-Geheimtipps schuldig geblieben, wofür wir uns bei allen Leserinnen und Lesern entschuldigen möchten. Wir haben uns auf die längste Etappe begeben (die einmal mehr illustriert, dass es auf quäldich-Reisen keine Ruhetage gibt, sondern nur Etappen, die rein zufällig an derselben Stelle enden, an der sie auch starten) und hatten es zudem noch mit der aragonesischen Gluthitze zu tun; außerdem galten im Hotel zu Biescas überraschenderweise mitteleuropäische statt spanischer Essenszeiten, so dass einfach zu wenig Zeit blieb. Es soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass insbesondere der Cañón de Añisclo, die fantastische Schlucht auf dem Weg zum Alto de Fanlo allerorten (außer bei denjenigen, die doch für einen Ruhetag optierten) für Begeisterungsstürme gesorgt hat. Am Vorabend hatte glücklicherweise noch @Pfahrer Thomas die Schlucht in den höchsten Tönen gelobt und keinen Zweifel daran gelassen, dass er nicht nur meine Werbetexte herunter betet, sondern tatsächlich höchst begeistert ist. Inzwischen gilt das auch für den Berichterstatter, der die Schlucht gleich einmal in die europäische Schluchten-Top-three einsortiert hat (Wer wissen möchte, was es noch in die Rangliste geschafft hat, kann sich gerne ab kommender Woche beim Berichterstatter melden und auch gleich die entsprechenden quäldich-Reisen buchen. Moni und Jochen kommen auch!).
Angesichts dieser Messlatte sind die Erwartungen an die heutige Etappe so mittelhoch, zumal ihr der Nimbus einer Übergangsetappe anheftet, geht es doch über eine für Außenstehende kaum zu überblickende Menge an relativ niedrigen Pässen von Biescas nach Isaba. Also von den letzten Ausläufern der Tourmalet-Mainstream-Pyrenäen hinein ins berüchtigte Rampen-Baskenland, durch absolutes Pyrenäen-Niemandsland also. Inzwischen ist klar (worauf ich im übrigen auch schon gestern Abend hingewiesen habe), dass sogenannte Übergangsetappen sich oft als die attraktivsten entpuppen, weil es doch irgendwie überall schön ist, sich die Landschaft laufend ändert, und man so doch nach jedem Alto wieder neue Pyrenäen-Eindrücke serviert bekommt. Besonders begeistet sind diejenigen Teilnehmer*innen, die geplant (Lars) oder ungeplant (Hildegard und Dirk, Namen von der Redaktion geändert) noch explorative Zusatzvarianten eingelegt haben.
Es beginnt heute morgen ganz profan. Im Osten rumpeln die Gewitter, und wir freuen uns, dass unser Weg uns heute nach Westen führt. Die ersten 40 Kilometer sind noch völlig unspektakulär. Nach Süden auf der Nationalstraße (nur diesmal ohne Simon als Lokomotive, der dreisterweise von Christoph in die Übermut-Hybrid-Gruppe abgeworben wurde), dann nach Westen parallen zur Autobahn, dann in Richtung Col du Somport. Und dann endlich auf eine schmalere Straße zum Alto de las Blancas, dem Auftakt eines Pässetripels, das sich - Schlag auf Schlag sozusagen - die Klinke in die Hand gibt, als die Abfahrt des ersten direkt in die Auffahrt zum zweiten Pass weiter geht. Auf der ersten steileren Rampe melden sich die müden Beine, leisten aber nur kurz und unerfolgreich Widerstand; wir kommen in den Flow, drücken Hügel um Hügel weg. Ganz was anderes als die langen Pässe der ersten Tage, irgendwie so eine Art Klassiker-Terrain. Hübsch. Am Alto de los Amores stellt uns ein spanischer Bergfloh, ohne Zweifel auf KOM-Jagd, aber dennoch nicht ohne ein freundliches buenas im Sprint an uns vorbei. Und an der Passhöhe des Alto Aisa erwartet uns endlich wieder das bewährte Verpflegungs-Double: Thomas und Dänische Remoulade.
Irgendwie ist also die erste Etappenhälfte fast an uns vorbei geplätschert. Niemandsland, aber auf die schöne Art. Die Gewitter hängen weiter am Pyrenäenhauptkamm fest, bei uns scheint die Sonne und es ist warm. Abfahrt mit teilweise kläglichen Asphaltresten, was der Stimmung jedoch keinen Abbruch tut. Nach so vielen Jahren Pyrenäen-Geheimtipps erbarmt sich mit Lars heute zum ersten Mal ein abenteuerlustiger Teilnehmer, die Stichstraße zum Rifugio de Lizara zu fahren. Er ist begeistert, wie könnte es anders sein.
Weiter gehts: Alto Echo, heute folgt Pass auf Pass. Das Regenradar kündigt eine Gewitterzelle zwischen hier und dem Zielort Isaba an. Für uns ein weiterer Grund, uns im hübschen Örtchen Ansó auf die Suche nach einer Bar zu begeben. Die natürlich auch schon Christoph mit seiner Gruppe gefunden hat. Wir geben uns die Klinke in die Hand, übernehmen den Tisch und bestellen Cola, Wasser und café con leche. Mit abermals grandiosem Timing, denn die etwa zwölf Regentropfen des Gewitter-Ausläufers gehen auf den Sonnenschirm auf der Bar-Terrasse nieder und nicht auf uns. "Die Etappe heute war wieder toll", meint Jochen. "Und das Highlight kommt erst noch", ergänze ich.
Das Highlight: der Alto Zuriza. Wildromantisch und einsam geht es am Bach entlang, die Umgebung wird immer felsiger, bis uns schließlich karlmayeske Felswände umgeben und es sich wieder nach Gebirge anfühlt. Die Pyrenäen-Geheimtipps setzen irgendwie immer noch einen drauf. Und schon sind wir durch mit dem heutigen Pässequintett, stehen an der Passhöhe und bestaunen das überdimensionale Schild, das uns nun in Navarra (und damit zumindest kulturell im Baskenland) willkommen heißt. Nach und nach finden sich nach der Abfahrt (oder der ungeplanten Zusatzvariante bis zum Ende der Asphaltstraße hinter Zuriza und anschließend der Abfahrt) alle Geheimtipp-Jäger auf der Terrasse des Hotels in Isaba ein.
Wo heute genug Zeit zum Bericht-Verfassen bleibt, da die Abendessen-Zeiten heute spanisch sind.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Wir arbeiten uns heute südlich den Pyrenäenhauptkamms nach Westen vor. Ganze fünf Pässe stehen dabei auf dem Programm, die allesamt das Geheimtipp-Prädikat erfüllen. Zuerst geht es auf den Alto de las Blancas, den Alto de Los Amores, den Alto Aisa, gefolgt vom Alto Echo. Der Alto Zuriza komplettiert das Quintett. Hier verlassen wir Aragon und gelangen nach Navarra, und die Abfahrt führt uns bis in den Etappenort Isaba.
Von majortom – Das Baskenland - inklusive der Region Navarra, in der wir uns nun befinden - gilt gemeinhin als völlig radsportverrückt. Und so umweht uns trotz der einsamen, wilden Pyrenäengegend doch irgendwie ein gewisser Klassiker-Flair, wenn wir die Pässe mit den auf den ersten Blick unaussprechlichen Namen bezwingen. Alto Laza und Alto de Remedia machen den Anfang, es sind nicht allzu hohe und nicht allzu schwere Pässe. Die einsame Route über den Azpegi bringt uns dann in den französischen Teil des Baskenlandes. Der Col d'Arthaburu schließlich ist die härteste Nuss des Tages, sind doch die baskischen Pyrenäen auch für die eine oder andere Steilrampe bekannt. Eine Art Höhenstraße führt uns dann zum Col Bagargui, von dem aus wir nur noch die - ebenfalls steile - Abfahrt nach Larrau nehmen müssen.
Von majortom – Vermutlich ist es eine ehemalige Militärstraße, die zum Col d'Erozate und dann ein Stück entlang des Grenzkamms verläuft. Eins ist jedoch sicher: mehr Einsamkeit wird man trotz der mal mehr, mal weniger gut asphaltierten Straße, in den baskischen Pyrenäen kaum finden. Explorativ - hier waren bislang noch nicht einmal wir!
Von majortom – Die heutige Etappe führt uns kreuz und quer. Vom französischen Baskenland nach Navarra auf der spanischen Südseite der Pyrenäen, dann wieder zurück nach Frankreich, und schließlich vom Baskenland ins Béarn. Zweimal überqueren wir also den Pyrenäenhauptkamm. Zunächst über den Col d'Eroimendy, der nahtlos in den Grenzpass Port de Larrau übergeht. Dann über den niedrigen Alto Laza nach Isaba, wo wir gestern gestartet sind. Und schließlich über den traumhaft schönen Col de la Pierre Saint Martin, von dem aus uns bei schönem Wetter absolut sagenhafte Rundumblicke bin weit ins Flachland nördlich der Pyrenäen erwarten. Bis in den Etappenort Oloron-Sainte-Marie müssen wir dann nur noch ausrollen.
Von majortom – Heute atmen wir wieder Tour-de-France-Flair. Wie versprochen kehren wir am finalen Tag der Reise ins Klassiker-Territorium zurück und fahren nach etwa 40 km Einrollphase den Col d'Aubisque, der häufig auf dem Speisezettel der Tour steht, wie auch die an der Passhöhe aufgestellten Rennrad-Skulpturen in Gelb, Grün und Rot-gepunktet bezeugen. Der atemberaubend schöne Cirque de Litor zwischen Col d'Aubisque und Col de Soulor ist dann nochmal das i-Tüpfelchen der Etappe, vielleicht sogar der kompletten Reise. Vom Soulor fahren wir dann nur noch ab Richtung Argelès-Gazost und können die letzten Kilometer im Tal nach Lourdes gemütlich ausklingen lassen.
Von majortom – Bei der Variante macht der Col de Marie-Blanque den Auftakt, der zwar anspruchsvoll, aber nicht so lang ist. Erst dann geht es zum Aubisque.