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Regionsbeschreibung Katalonien

Von AP

1. Einleitung

Katalonien, das kennt irgendwie jeder. Denn wer war noch nicht in Barcelona, das sich seit den olympischen Spielen 1992 vor Besuchern nicht mehr retten kann? Oder ist etwa mit dem Bus nach Lloret de Mar gefahren, um ordentlich einen drauf zu machen (obwohl das die wenigsten gerne zugeben)? Uns geht es hier aber nicht um Strandurlaub oder Städtetouren, sondern um das Radfahren, und das möglichst bergauf. Wir möchten ganz oben stehen, die Welt vor uns liegen sehen und aus eigener Kraft dorthin gelangt sein. Und für die Erfüllung unserer Wünsche bietet Katalonien einiges, vom gemütlichen Auf-und-Ab in denen von mediterraner Vegetation geprägten Mittelgebirgen bis hin zu den steilen Auffahrten der Pässe und Skistationen des Hochgebirges.

2. Geschichte, Land und Leute

Der spanische Staat ist in Comunidades Autónomas eingeteilt, die in der föderalen Struktur eine ähnliche Position haben wie die deutschen Länder. Zwei dieser Comunidades heben sich deutlicher als alle anderen vom Rest Spaniens ab, nämlich das Baskenland und Katalonien. Lassen wir hier die Basken mal außer Acht und widmen uns den Katalanen und ihrem Land.
Im Mittelalter war die iberische Halbinsel aufgespaltet in verschiedene christliche und maurische König- und Fürstentümer. Aus einer kleinen Grafschaft in den östlichen Pyrenäen unter französischer Lehenherrschaft entwickelte sich das Mittelmeerimperium der Katalanen und Aragonesen. Die Herrscher über das Reich, das in seiner Blütezeit an der Festlandsküste entlang von Alicante bis Montpellier reichte, zu dem die Balearen, Sardinien, Sizilien und Süditalien gehörten und das sogar für ein paar Jahrzehnte lang in Athen das Sagen hatte, regierten als Grafen von Katalonien und Könige von Aragon. Sprache des Reiches war Katalanisch, ebenso wie Kastilisch (also Spanisch) oder Portugiesisch entstanden aus regionalen lateinischen Dialekten. Während des ausgehenden Mittelalters benutzte man die Sprache im Mittelmeerraum als eine Art lingua franca, und es heißt, daß Columbus sehr gut Katalanisch, aber recht schlecht Kastilisch sprach. Durch die Heirat der kastilischen Königin Isabella I. mit dem aragonesischen König Fernando II. (ihre Nummerierung entspricht auch der Rangfolge in ihrem Eheleben) wurde im 15. Jahrhundert das gegründet, was wir heute unter Spanien verstehen. In der Folgezeit kam es immer wieder zu Unruhen in Katalonien. Trauriger Höhepunkt war die Einnahme Barcelonas am 11. September 1714 durch spanische und französische Truppen. Die katalanische Sprache und Kultur wurden unterdrückt, erlebten eine Wiederauferstehung im Zuge der Industrialisierung Kataloniens im 19. Jahrhundert und einen erneuten Niedergang während der Francodiktatur. Durch die Demokratisierung Spaniens seit Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts und den damit verbundenen größeren Freiheiten der Comunidades ist das Katalanische nun endlich wieder zur ersten Sprache der Comunidad Catalunya geworden. Und mit ihm sind die alten katalanischen Bräuche wiederaufgelebt: die Sardana, ein Rundtanz zu Bläsermusik, der aussieht wie Sirtaki in Zeitlupe, oder die Castellers, die Türme aus Menschen, die bis zu fünf oder sechs "Stockwerke" hoch aufragen (und manchmal wie Kartenhäuser einknicken). Dem Betrachter wird recht schnell klar, worum es hierbei geht, nämlich um die Zurschaustellung von Eigenständigkeit und Zusammenhalt.
Natürlich haben demographische Entwicklungen wie die innerspanische Emigration oder der Zustrom von Ausländern, vorwiegend aus nordafrikanischen oder südamerikanischen Ländern, dafür gesorgt, daß nicht jeder Einwohner Kataloniens tatsächlich katalanische Wurzeln hat und sich als Katalane sieht. Nichtsdestotrotz ist die regionale Eigenheit dieses Gebiets sehr ausgeprägt, und wenig geht den Bewohnern mehr auf den Geist als ein Besucher, der in der Absicht eintrifft, all das kennenzulernen, was für ihn das "typisch" Spanische repräsentiert, ohne das Besondere vor Ort wahrzunehmen.

3. Geographie und Pässefahren

Von der Form her wie ein schiefgestelltes rechtwinkliges Dreieck liegt Katalonien im Nordosten der iberischen Halbinsel, wobei die obere Kathete die Grenze zu Spanien, die andere Kathete die Grenze zu Aragon und Valencia und die Hypotenuse die Küstenlinie darstellt. Katalonien besteht aus vier Provinzen (Barcelona, Girona, Lleida, Tarragona), die wiederum in Kreise (Comarques) eingeteilt sind. In jeder Provinz findet man Berge, an denen man sich beim Wandern, Klettern oder Radfahren austoben kann.
Da ist zunächst einmal der katalanische Teil der Pyrenäen, an dem die Provinzen Barcelona, Lleida und Girona ihren Anteil haben. Die höchsten Gipfel hier sind der Pico d´Estats (3.143m Höhe), der Comaloformo (3.033m Höhe) und der Puigmal (2.913m Höhe). Eine geographische Besonderheit der katalanischen Pyrenäen ist das Val d'Aran, das zur Provinz Lleida gehört und jenseits des Pyrenäenhauptkamms liegt, somit das einzige spanische Gebiet auf der nördlichen Seite der Pyrenäen ist. Bekanntester Paß hier ist der Col du Portillon, der den Ostteil des Tals von Frankreich abgrenzt und nach Bagnères-de-Luchon führt. Den Rest Kataloniens erreicht man vom Tal aus über den Port de la Bonaigua, der mit 2072m Höhe gleichzeitig der höchste katalanische Paß ist, wenn man mal vom Port d´Envalira als andorranischem Paß absieht. Andere hohe Pässe sind der Coll de la Creueta, die Collada de Toses und der Port de Cantó. In aller Regel sind die hohen katalanischen Pässe von der Schwierigkeit her nicht ganz auf Augenhöhe mit den hohen Pässen auf der französischen Seite wie dem Col du Tourmalet oder dem Col de Pailheres. Es gibt aber schweißtreibende Ausnahmen wie zum Beispiel den Coll de Pradell, der eine wesentlich höhere Maximalsteigung hat als der berüchtigte Port de Larrau. Die Auffahrten zu den Skistationen können sich jedoch allemal messen mit ihren Pendants im Norden. Auf den Straßen hoch zum Coll de Pal, Vallter 2000, Port Ainé und Rasos de Peguera brennen die Beine genauso wie Richtung Lourdes-Hautacam, Plateau de Beille oder Luz-Ardiden.
Die aus Radfahrersicht bekanntesten Pässe und Auffahrten des Südostteils der Pyrenäen liegen übrigens in Andorra, nämlich der schon erwähnte Port d´Envalira und die Skistation Ordino-Arcalis, und oft enden Tour-de-France oder Vuelta-a-España-Etappen nicht in einem katalanischen, sondern andorranischen Skiort. Was aber des Radfahrers ausdauerndes Herz erwärmt und zum flotteren Pulsieren bringt, sind vielleicht gar nicht mal die langen Anstiege, sondern die niedrigen Pässe in den Vorpyrenäen. Als Beispiele seien genannt der Coll de Boixols, der Coll de Caselles, der Coll de Bracons oder der Coll de Jou (Solsonés); zwar ist bei diesen Übergängen in Bezug auf Hochgebirgsatmosphäre Fehlanzeige, aber dafür durchstreift man das katalanische Hinterland, in dem das Leben einen langsameren Takt hat und man den Charakter des Landes deutlicher erfahren kann im doppelten Sinn des Wortes als in den Städten und Touristensiedlungen am Meer.
Aber nicht alles, was sich in Katalonien Berg nennt, tummelt sich in den Pyrenäen. Es gibt nämlich noch zwei weitere Bergketten, die Serralada Litoral und die Serralada Prelitoral. Zu der letztgenannten Serralada gehören die kleineren Gebirge Montseny, die Muntanyes de Prades, die Ports de Tortosa-Beseit und der Montserrat, dessen gleichnamiges Kloster mit der schwarzen Madonna ein Wallfahrtsort ist. Nicht nur für Gläubige, die spirituellen Beistand suchen. Verliert der F.C. Barcelona ein paar Mal hintereinander, kann es passieren, daß der Präsident des Clubs mit einer Kerze in der zitternden Hand vor der Madonna auftaucht. Die Serralada Prelitoral erstreckt sich von den Guilleries bis in die Comunidad Autónoma von València hinein. Ihr höchster Punkt ist der Turo de l’Home im Montseny mit 1709m. Der Weg zu diesem Berg ist einer der schwierigsten Anstiege in Katalonien, knapp 1500 Höhenmeter mit mehr als 6% im Schnitt und Rampen von bis zu 15%, die nach 20km am Berg besonders viel Spaß bringen.
Während die Guilleries also den Übergang von der Serralada Prelitoral zu den Vorpyrenäen markieren, ist die Serralada Litoral von den anderen Bergen durch die Depressió Prelitoral (das katalanische Längstal) getrennt. Sie erstreckt sich zwischen Begur und El Vendrell die Küste entlang. Höchster Punkt der Bergkette ist der Turó Gros mit 773m Höhe. Übergänge sind unter anderen der Alt de Sant Grau, der Coll de Parpers, der Collsacreu und der Coll de la Ganga in den Gavarres. Allzu schwierige Touren sind hier nicht möglich, aber man kann sich am Ende einer Ausfahrt noch am Strand entspannen und ins Meer hechten, zum Beispiel in einer der felsigen, von Kiefern umstandenen Costa-Brava-Buchten (die "Cales"). Leider wird die Landschaft umso zersiedelter, je näher man an Barcelona herankommt, und der Verkehr immer lästiger.
Daß sich die Pyrenäen nicht bis in die Provinz Tarragona erstrecken bedeutet nicht, daß es dort keine anspruchsvollen Auffahrten gäbe. Zu nennen wäre der Mont Caro in den Ports de Tortosa-Beseit, der trotz seiner relativ geringen Höhe Hors-Kategorie-Status besitzt. 23km Länge und über 1400Hm sprechen für sich. Reizvoll für die Freunde des Einkehrschwungs kann auch eine Tour im Gebiet der Muntanyes de Prades und dem nahen Priorat sein, da man hier nicht nur eine eigentümlich wilde Mittelgebirgslandschaft findet - mit u.a. den Pässen Coll d´Albarca, Coll d´Alforja und Coll de la Teixeta - sondern auch den mächtigsten aller katalanischen Rotweine.

4. Radrennen

Denkt man an spanische Radrennen, so fällt natürlich die Vuelta a España ein. Tatsächlich führt die auch regelmäßig durch Katalonien (und Andorra), aber so wie jede Regel eine Ausnahme hat gibt es Jahre, in denen hier keine Etappe ausgetragen wird (z. B. 2002). Spanische Radsportfans sind oft der Auffassung, daß man die katalanischen Anstiege bei der Vuelta nicht genug würdige. Es gibt allerdings auch andere bekannte Rennen, zum Beispiel die Volta a Catalunya und die in den letzten Jahren allerdings regelmäßig ausfallende Setmana Catalana, welche - von Abstechern abgesehen - nur in Katalonien ausgetragen werden. Zur Volta a Catalunya gibt es ein paar interessante Dinge zu erzählen:

Volta a Catalunya

Die Volta wird seit 1913 ausgetragen und ist somit das älteste der Radrennen der Ehrenkategorie (zu der Paris-Nizza, Tour de Suisse, Tirreno-Adriatico etc. gehören). Falls jemand zufälligerweise in Barcelona über die Plaça de Sants schlendert, wird er dort ein Denkmal zu Ehren der Volta finden, das 1992 eingeweiht wurde. In ihrer jetzigen Form als einwöchiges Etappenrennen besteht sie seit 1926. Anquetil, Merckx, Gimondi, Thevenet, Indurain, sie alle haben die Volta schon gewonnen, Indurain sogar dreimal. Ein Deutscher hat das bis jetzt nicht geschafft.
Ein paar Kuriositäten: 1976 gab es eine Etappe auf den Rambles von Barcelona und eine auf Menorca. 1981 und 1982 fanden in Barcelona Etappen bei Nacht statt. 1986 wurde ein Zeitfahren in Alghero auf Sardinien ausgetragen. Zum Hintergrund dieser Idee: Alghero gehört dem katalanischen Sprachraum an (L´Alguer auf Katalanisch).
Das Profil der Volta sieht normalerweise aus wie der Herzrhythmus eines unter Bluthochdruck leidenden Kettenrauchers. Es geht ständig bergauf und bergab. Wirkliche Flachetappen sind Mangelware. Ein anspruchsvolles Rennen also.
Im Jahr 1995 legte man die Volta aufgrund der Umstrukturierung des Radsportkalenders vom September in den Juni, da die Vuelta von April/Mai in den September rutschte. Und das ist genau das Problem der Volta in den letzten Jahren. Vorher hatte sie den Status der letzten bedeutenden Etappenfahrt im Jahr. Manch einer trat hier an, um noch mal ordentlich aufzutrumpfen oder eventuell im Lauf der Saison entstandene Scharten auszuwetzen. Nun aber wird sie vor Tour de France gefahren. Um sich den letzten Schliff für die große Schleife zu geben, fahren jedoch viele Profis lieber die beinahe zeitgleich stattfindenden Tour de Suisse oder Dauphiné Liberé. In 2004 war bei der Volta keiner dabei, der als Verdächtiger für die ersten zehn Plätze der Frankreichrundfahrt in Frage gekommen wäre. Aber vielleicht ändert sich die Lage auch wieder, denn ab 2005 wird die Volta in der zweiten Maihälfte ausgetragen. Alle 163 Pässe der Region ansehen