Von helmverweigerer –
Freitag, 26. September 2014
Am Vorabend werden entgegen der Gewohnheit 3 statt 2 verschiedene Roadbooks ausgeteilt. Der Grund ist ganz einfach: Egoismus.
Erst im Juli habe ich nämlich den Passo della Scarparina (zwischen Brallo und Penice gelegen) entdeckt (auf der Abfahrt) und nun einfach grad ungemein Lust diesen schönen Pass hochzufahren. Bisher sind wir auf den Aveto-/Trebbiarunden bis maximal Marsaglia gefahren, diesen Radius müssen wir nun bis Bobbio ausweiten. Das bedeutet dass den Teilnehmern eine Runde mit stattlichen 195km präsentiert werden muss. Um meinen Egoismus etwas besser verkaufen zu können wird es in Marsaglia die Möglichkeit geben, mit Manuel auf eine kürzere 175km Runde zu wechseln. Die Gruppe A fährt eine komplett andere Runde aber ebenfalls im Trebbia- und Avetotal.
Bereits um 08:30 fahren wir los und wie immer eignet sich der Passo la Forcella hervorragend zum Einrollen. Wir schlagen ein angenehmes Tempo an und bleiben trotzdem in der Zeitvorgabe. Rezzoaglio lassen wir als Kaffeepause ausnahmsweise links liegen und fahren das Avetotal ab. In diese Richtung bin ich das Tal noch gar ni runtergefahren. Auch wenn wir einige tolle Ausblicke geniessen kommt die Schönheit und Wildheit des Avetotals beim Hochfahren natürlich viel besser zur Geltung, aber die Fahrt macht Spass und eh man sichs versieht sind wir in Marsaglia, das geht wirklich flott (das Avetotal fahren wir dann nächstes Jahr hoch ...).
Hier machen wir eine lauschige Mittagsrast in der Sonne, es gitl sich von der SCHEISS-KÄLTE aufzuheizen (Insiderwitz).
Nachdem einige Bissen der Paninis ihren Weg in die Magenhöhle gefunden habe beginne ich mit der Überzeugungsarbeit, schliesslich trennen sich hier unsere Wege aber insgeheim hoffe ich, alle zu der - in meinen Augen gar nicht so anspruchsvolle - 195er Runde überreden zu können.
Edgar und Uwe signalisieren aber deutlich zu 175 zu tendieren. Bei «Indistruttibile Ruth» ist eh die 195er Runde gesetzt. Das ist ja eigentlich bereits erstaunlich nach dem Programm der Vortage. Wie man das aber schafft, wenn man zum Frühstück nur ein Cornetto verputzt und mir dann beim Mittagessen noch 3/4 des Paninos abtritt ist wiederum ein grosses Mysterium welchem sich dringend mal «Mulder und Scully» annehmen sollten.
Martin ist aber ein Kandidat, den ich noch überzeugen kann. Ursprünglich war seine Absicht ganz klar 175 und am Vorabend hat er mir sogar etwas schlechtes Gewissen gemacht weil ich mit einer 195er Planung angetanzt kam. Das lag aber wohl auch im Wissen dass er einen Abstecher in die von ihm geliebte Fischkneipe in Lavagna gemacht hat und sich dort eine Flasche Bianco gegönnt hat. Die scheint aber in der Auffahrt zum Forcella verstoffwechselt geworden zu sein, jedenfalls wagt er sich auf die 195er Runde und wird es auch nicht bereuen.
Ab jetzt also nur noch zu dritt mit Martin und Ruth. Wir fahren weiter durchs Trebbiatal, machen Fotostop um die beeindruckend mäandernde Trebbia zu bewundern, fahren alsbald durch das zu dieser Stunde verschlafene aber äusserst pittoreske Bobbio und befinden schon bald in der Auffahrt Richtung Passo del Penice wo nach kurzer Strecke die schmale Strasse Richtung Passo della Scarparina abzweigt. Ich weiss nicht woran es liegt, vielleicht weil sich hier das Landschaftsbild schon wieder deutlich geändert hat, sogar etwas landwirtschaftlich geprägt ist oder einfach der Strassenverlauf dieser einsamen Strasse mit immer besseren Blicken auf die hier bis 1700 Meter hohen Berge (oder weil ich einfach eine Schwäche fürs Trebbiatal habe). Jedenfalls gefällt die Auffahrt, wir sinnieren schon über eine mögliche Woche in Bobbio angesichts der unzähligen Tourenmöglichkeiten und geniessen die Auffahrt bei angenehmen Temperaturen und hier im Hinterland doch schon deutlich herbstlicher Stimmung.
Und eh man sichs versieht ist man oben auf dem Passo della Scarparina, eine kurzes Rämpchen nach einem Dorf ist schnell weggedrückt, das hätte so noch einige Zeit weitergehen können. Oben befindet sich im Wesentlichen eine Bar und in dieser Bar befinden sich im Wesentlichen italienische Rennrad Opas. Die machens genau richtig, eine Gruppenfahrt durch diese tolle Gegend und eine ausgiebige Kaffeepause. Wir fahren weiter auf der Kammstrasse Richtung Passo del Brallo, die Aussicht wird etwas getrübt durch hohe Luftfeuchtigkeit, trotzdem ist es herrlich. Bald erreichen wir den tiefer gelegenen Brallo, von welchem unzählige Strassen abgehen. Wir entscheiden uns für diejenige welche Richtung Prati di Lesima führt. Erstaunlich gross die Strasse, ist doch hier gar nichts los. Sie führt aber am Ende der Wiesen zu einem kleinen Hotelkomplex - etwas Sommerfrische und etwas Wintersport, aber auf kleiner Flamme. Ab hier wird die Strasse sehr schmal, führt durch den Wald und wüsste man es nicht besser wäre man sicher dass sie hinter der nächsten Kehre aufhört. Tut sie aber nicht und führt im Gegenteil wunderschön am Fusse des Monte Lesima vorbei, mittlerweile ist die Radarkuppel zum Greifen nahe. Ruth lässt sich zu einem «sono in un altro mondo» hinreissen, ein Kompliment höchster Güte. Die Strasse fällt schon wieder etwas ab und nach einer Rechtskurve ist man unvermittelt aus dem Wald an einem Stück wo die Strasse sehr ausgesetzt dem Fels entlang führt. Hier hat man ein tolles Panorama über grosse Teile das Alta Val Trebbia und den Monte Alfeo. Wir verharren und geniessen den Moment.
Nun kommt die Schattenseite der Strasse. Auf sehr rauhem Asphalt geht es ziemlich steil bergab, einige Kilometer. Ich mache mir keine Sorgen, Martin braust mit seinem Trekkingrad vor und Ruth ist geübte Bikerin, alles im grünen Bereich. Aber das von beinahe 1'000km wundgescheuerte Sitzfleisch schreit auf. In Zerba erreichen wir die Strasse zum Passo del Giova und ab hier wird die Abfahrt gut und schnell und bald ist die Trebbia erreicht und die Radarkuppel wieder sehr weit oben.
Ottone, den nächsten Ort, können wir natürlich nicht links liegen lassen und holen uns eine letzte Stärkung für den Rest der Tour. Es ist schon bald 17 Uhr als wir flussaufwärts fahren und das Licht ist wunderschön, geredet wird jetzt nicht mehr viel. Es steht noch der kurze aber knackige Aufstieg nach Barbagelata an. Irgendwie der schwerste, nicht weil die Beine jammern sondern weil es der letzte ist und die Beine ganz im Gegenteil noch eine weitere Woche anhängen könnten. Martin drückt nun nochmals aufs Tempo, davon beflügelt dass er weiss dass die 195km heute kein Problem darstellen, nicht mal ein kurzes Leiden bereiten. Nach der langen Abfahrt von Barbagelata wartet zum Schluss natürlich noch Leivi. Leider sind wir etwas spät dran um noch den versprochenen Sonnenuntergang geniessen zu können, dafür hat es einfach nicht mehr gereicht.
Als Fazit bleibt wieder mal die Erkenntnis wie genial die Saisonausklangswoche ist. 7 Tage kurz/kurz, nie eine Windjacke mitgenommen, 10cm Reissverschluss hoch und runter hat gereicht. 7 Tage gefahren, genossen, zu wenig geschlafen und trotzdem immer fit. Ich hatte schon Angst das komplette Ligurienpulver in einer Woche verschossen zu haben. Aber es gibt noch viel: Passo di Portello, Monte Fasce mal ohne Nebel, Creto, Casa del Romano, Passo del Giova, die Panoramastrasse von Cerignale ins Avetotal über Valico del Pescino, Monte San Giacomo, eine lange Runde bis Bardi, Foce di Adelano und Passo di Rastrello mit der tollen Fahrt über Noce, Passo del Bratello (selbst noch nie gefahren), Passo dell'Incisa (noch nie in eine Quäldichwoche eingebaut) und wenn wir nächstes Jahr wieder so eine tolle Truppe zusammenkriegen erkunden wir das Valico San Fermo, da wir ich auch noch nie. Also genug Stoff für eine weiter Liguria Race Week im September 2015, die ersten Buchungen von Wiederholungstätern liegen vor.
Die Kilo- und Höhenmeterkrone geht übrigens - spätestens ab dem zweiten Tag nicht mehr unerwartet - an «Indistruttibile Ruth»:
Samstag 20.09.2014, 63,6km, 1134 hm, 3:01 Fahrtzeit, 21,1 km/h
Sonntag 21.09.2014, 129,1km, 2558 hm, 5:43 Fahrtzeit (max. geschw. 72,3!!!), 22,6 km/h
(Leivi, Colla dei Rossi, Passo della Scoffera, Casa Cornua, Madonna delle Grazie)
Montag 22.09.2014, 171,4km, 3794 hm, 7:50 Fahrtzeit, 20,9 km/h
(Passo del Ghiffi, Passo del Bocco, Passo del Chiodo, Passo Romezzano, Passo del Tomarlo, Passo del Zovallo, Passo della Crociglia, Passo di Monte di Mezzo, Passo la Forcella, Passo di Romaggi, Leivi)
Dienstag 23.09.2014, 174,8km, 2928 hm, 8:16 Fahrtzeit, 21,1km/h
(Passo del Bracco (615 m), Colletta di Guaitarola (605 m), Passo del Termine (548 m), Foce (483 m), Fornacchi (474 m), Valico della Foce (700 m), Passo della Mola (655 m))
Mittwoch 24.09.2014, 72,1km, 2103 hm, 4:02 Fahrtzeit, 17,8km/h
(Madonna delle Grazie (188hm), Nostra Signor di Montallegro (578hm), Passo della Crocetta (1.165 hm), Passo di Romaggi (725hm))
Donnerstag 25.09.2014, 164,7km, 3151 hm, 7:39 Fahrtzeit, 21,5km/h
(Colle di Velva (549hm), Passo della Cappelletta (1.082hm), Passo del Bocco (956hm), Passo di Malanotte (1.052hm), Passo della Biscia (890hm))
Freitag 26.09.2014, 193,8km, 3484 hm, 8:59 Fahrtzeit, 21,6km/h
(Passo la Forcella (875hm), Passo della Scarparina (1.106hm), Passo del Brallo (951), Barbagelata(1.121hm), Passo della Scoglina (941hm), Leivi(273hm))
GESAMT KM -> 969,5 km
GESAMT HM -> 19.152 hm
und 38 Pässe... und jede etappe wurde täglich übertroffen :-)
Bis zum nächsten Mal!
Bilder ab hier
Track auf Strava
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Aufgrund der individuellen An- und Abreise lediglich eine kurze Tour rund um Chiavari, denn viele Teilnehmer werden wohl diesen Tag schon zur Abreise nützen und nicht mehr auf das Rad steigen.
Geführt wird noch eine kurze Abschiedsrunde rund um Chiavari.
Nach dem gemütlichen Aufstieg nach Bocco di Leivi gelangt man ein letztes Mal ins Val Fontanabuona, welches man hinunterfährt bis Carasco. Hier fährt man in östliche Richtung kurz ins Val Graveglia rein, um über eine kleine Strasse an der Flanke des Monte San Giacomo hochzufahren und nochmals den Hausberg mit seinen 500 Höhenmetern zu bezwingen.
Nun folgt die Abfahrt über San Bartolomeo. Eine Abfahrt, bei welcher man ein letztes Mal in den Genuss einiger traumhafter Kurven kommt, mit dem Panorama des tigullischen Golfes, Chiavari und der Halbinsel von Portofino vor Augen. Diese Kurven wird man wohl ziemlich wehmütig durchfahren, steht doch jetzt der kalte und dunkle Winter vor der Tür. Aber was gibt es schöneres, als im Frühling wieder das erste Mal in kurzer Kleidung aufs Rad zu steigen. Und wo geht das besser als beim Saisonauftakt in Ligurien, wo man den Rennradfrühling schon im März erleben kann.
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren